Vertriebene


Seit den Achtzigerjahren wird die Flucht und Vertreibung von Deutschen aus Gebieten östlich der Oder-Neiße-Grenze in den Jahren 1944 bis 1950 im Zusammenhang mit den vorher vom NS-Regime durchgeführten Massendeportationen und Zwangsumsiedlungen gesehen.

Schon vor dem Ende des Krieges verursachte der Vormarsch der Roten Armee einen gewaltigen Flüchtlingsstrom von Ost nach West. Die UdSSR erreichte auf der Konferenz von Jalta vom 4. bis 11. Februar 1945, dass die im geheimen Zusatzprotokoll des „Hitler-Stalin-Pakts“ vom 23. August 1939 vorgesehene Annexion ostpolnischer Gebiete von den Westmächten anerkannt wurde. Als Ausgleich für das im Osten verlorene Land verlangte Polen eine Verschiebung der Westgrenze zur Oder-Neiße-Linie.

Auf der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis 2. August 1945 verständigten sich die USA, Großbritannien und die UdSSR, die deutschen Ostgebiete polnischer bzw. sowjetischer Verwaltung zu unterstellen, sie also von den vier Besatzungszonen auf deutschem Boden abzutrennen. Betroffen waren davon u.a. Ostpreußen, Danzig, Pommern und Schlesien. Die endgültige Festlegung der deutschen Grenzen sollte allerdings einem Friedensvertrag vorbehalten bleiben. Die bereits seit Monaten stattfindende Flucht und Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten wurde durch den Beschluss der Alliierten legalisiert, die „ordnungsmäßige Überführung deutscher Bevölkerungsteile“ durchzuführen.

In diesem Zusammenhang gab es 1944 bis 1950 etwa 14 Millionen deutsche Flüchtlinge und Vertriebene. Wieviele von ihnen durch Erschöpfung, Unterernährung, Infektionen oder Gewalt ums Leben kamen, ist nicht bekannt;

man schätzt, dass es 600 000 waren. Ihren Besitz mussten die Flüchtlinge und Vertriebenen zurücklassen. Zuflucht suchten sie in den deutschen Besatzungszonen bzw. in der DDR (3,9 Millionen) und in der Bundesrepublik (8 Millionen) sowie in Österreich (430 000). In der sowjetischen Besatzungszone betrug ihr Anteil an der Bevölkerung über 24 Prozent, in der amerikanischen fast 18 Prozent und in der britischen 14,5 Prozent. In Mecklenburg verdoppelte sich durch Flüchtlinge und Vertriebene beinahe die Zahl der Einwohner. Die Menschen, die ihre Heimat verloren hatten, wurden in Lager und Notquartiere eingewiesen oder bei Privatfamilien untergebracht. Die Integration so vieler Flüchtlinge und Vertriebenen – oft mit fremden Lebensgewohnheiten – stellte eine enorme Herausforderung dar und führte häufig zu erheblichen Aggressionen der Einheimischen.

In Österreich organisierten sich die Heimatvertriebenen 1945 (Verband der Volksdeutschen Landsmannschaften), in der Bundesrepublik 1950 (Bund der Vertriebenen, Landsmannschaft der Sudentendeutschen, Schlesische Landsmannschaft u.a.); in der DDR blieb ihnen dies bis zuletzt untersagt.

In der Bundesrepublik trat am 19. Mai 1953 das „Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge“ (BVFG, vulgo: Bundesvertriebenengesetz) in Kraft. Es regelte die Aufnahme, die Ansprüche und die Integration von Flüchtlingen, Vertriebenen und Aussiedlern.

Mit dem Thema Flucht und Vertreibung beschäftigen sich Henriette Piper (Drehbuch) und Martin Enlen (Regie) in dem Spielfilm „Ein Dorf schweigt“.

© Dieter Wunderlich 2009

Martin Enlen: Ein Dorf schweigt

Patrick Süskind - Der Kontrabass
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