Brighton Rock
Brighton Rock
Inhaltsangabe
Kritik
1964 wird Kite (Geoff Bell), der Anführer einer armseligen, Schutzgeld erpressenden Gang in Brighton, von vier Mitgliedern der konkurrierenden Verbrecherbande angegriffen. Als Kites 17-jähriger Komplize Pinkie Brown (Sam Riley) dazukommt, ist es zu spät: Fred Hale (Sean Harris) hat Kite soeben erstochen. Die vier für Mr Colleoni (Andy Serkis) arbeitenden Männer laufen weg.
Obwohl Pinkie das jüngste Bandenmitglied ist, beansprucht er die Führung und sinnt auf Rache. Er stellt Fred in einer Toilette und bedroht ihn mit einem Messer. Aber dann zögert er mit dem Zustechen, und der abgebrühte ältere Gangster entwindet ihm die Waffe, presst ihn zwischen die Pissoirs und erklärt ihm spöttisch, wenn er schon ein Messer ziehe, müsse er auch zustechen. Da begreift Pinkie, dass er härter und böser werden muss.
Beim nächsten Versuch nimmt Pinkie den Ältesten aus seiner Gang mit: Frank Spicer (Phil Davis). Gemeinsam folgen sie Fred auf den Pier. Der setzt sich zu einem in der Mittagspause lesenden Mädchen, weil er glaubt, dass die Gegner es nicht wagen werden, ihn vor einer Augenzeugin anzugreifen. Spicer geht zu ihm und fordert ihn auf, mitzukommen. Genau in diesem Augenblick knipst ein Straßenfotograf (Francis Magee) ein Bild von dem vermeintlichen Paar Rose Wilson (Andrea Riseborough) – so heißt das Mädchen – und Fred. Der flüchtet unter den Pier. Dort stürzt Pinkie sich auf ihn. Fred kann ihm zwar erneut das Messer aus der Hand schlagen, aber Pinkie hebt einen großen Stein auf und zertrümmert ihm den Schädel.
Weil Spicer auf dem Foto zu erkennen ist, will Pinkie den Abholschein stehlen, den Rose von dem Fotografen bekam. Zu diesem Zweck setzt er sich in die von Ida Arnold (Helen Mirren) im Hotel am Pier betriebene Teestube, in der Rose bedient und macht sich an das ebenso schüchterne wie unscheinbare Mädchen heran. Sie gehen zusammen aus, und Pinkie nimmt unbemerkt den Abholschein aus ihrer Handtasche. Damit holt er das Foto, und einer seiner Kumpane verbrennt es.
Die Zeitung berichtet über den Mord. Rose sieht das Bild des Toten und weiß nun, dass es der Junge war, der sie am Pier ansprach. Außerdem erfährt sie, dass er zu den Freunden ihrer Chefin Ida Arnold gehörte.
Als sie die Telefonnummer anruft, die Pinkie ihr gab, hebt Spicer ab und sie erkennt an der Stimme den Mann, der Fred ansprach, kurz bevor dieser erschlagen wurde.
Nach zwei Morden will Spicer aussteigen und sich in den Norden Englands absetzen. Pinkie tut so, als sei er damit einverstanden und stellt ihm die für den geplanten Kauf eines Pubs erforderlichen Mittel in Aussicht. Sie fahren zum Pier. Dort will Pinkie angeblich mit Colleoni Frieden schließen. Stattdessen rief er Colleoni an und forderte ihn auf, den Mann töten zu lassen, dem er eine Zuckerstange geben werde. Colleonis Mobster greifen jedoch nicht nur Spicer an, sondern auch Pinkie. Der entkommt. Am Treffpunkt der Bande erfährt er, dass Spicer zwar verletzt ist, aber ebenfalls überlebte. Daraufhin erstickt der ihn mit der Zuckerstange.
Ida Arnold hat beobachtet, dass Rose seit Neuem einen Freund hat, und sie warnt das unerfahrene Mädchen vor dem Jungen, den sie für Freds Mörder hält. Rose stellt Pinkie daraufhin zur Rede. Zwei Männer seien ermordet worden, sagt sie, und er habe irgendwie damit zu tun. Er könne ihr vertrauen und ihr die Wahrheit anvertrauen. Dass Pinkie dazu nicht bereit ist, verletzt Rose, und sie läuft davon. Um sie zurückzugewinnen, ist Pinkie bereit, sie zu heiraten. Weil eine Frau nicht gegen ihren Ehemann auszusagen braucht, verspricht er sich davon zugleich mehr Sicherheit. Aber sie benötigen die Einwilligung ihres verwitweten Vaters, denn Rose ist noch nicht volljährig. Der Despot Mr Wilson (Steve Evets) lehnt es zunächst ab, Rose ziehen zu lassen, die ihm den Haushalt führt, aber Pinkie bietet ihm Geld an, und die beiden Männer feilschen um den Preis für das Mädchen.
Bevor sie sich am Standesamt trauen lassen, weist Pinkie seine katholische Braut darauf hin, dass sie eine Todsünde auf sich lade, weil die Ehe ohne kirchlichen Segen geschlossen werde. Zur Verwunderung des Standesbeamten (Adrian Schiller) gibt es auch keine Ringe.
Nach der kurzen Zeremonie kommt das frisch verheiratete Paar an einem Automaten vorbei, mit dem Schallplatten aufgenommen werden können. Rose möchte, dass Pinkie ihr etwas aufspricht. Der hat keine Lust dazu, gibt jedoch nach, als Rose ihn vor allen Leuten anschreit, wirft Geld in den Apparat ein und spricht einen unwirschen Text auf die Platte, die er ihr dann schenkt: „Du möchtest, dass ich sage: ‚Ich liebe dich.‘ Aber das werde ich nicht tun, denn ich hasse dich […].“
Ida Arnold sucht mit ihrem Schutzgeld an Mr Colleoni bezahlenden Freund Phil Corkery (John Hurt) den Gangsterboss auf und bittet ihn, Rose zu beschützen, aber Colleoni meint nur: „Pinkie ist einfach einer dieser zornigen jungen Leute.“ Damit spielt er auf die Jugendlichen an, die in Brighton und in anderen englischen Städten gegen das Establishment rebellieren und sich auch gegenseitig bekämpfen.
Als Ida und Phil das Hotel verlassen, in dem Mr Colleoni residiert, entdecken sie Cubitt (Craig Parkinson) in der Halle. Ida spricht den betrunkenen jungen Mann an, von dem sie weiß, dass er zu Pinkies Leuten gehört. Cubitt, der zwar bei Schutzgelderpressungen mitmachte, aber nichts mit Morden zu tun haben möchte, lässt sich von ihr einen doppelten Whisky bestellen und erzählt ihr nicht nur, dass Rose und Pinkie inzwischen verheiratet sind, sondern auch, wie Fred Hale und Frank Spicer ums Leben kamen.
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Ida sucht daraufhin Rose in Pinkies Wohnung auf und weist sie darauf hin, dass es sich bei ihrem Mann um einen zweifachen Mörder handelt. Rose entgegnet, das wisse sie längst und hält der ungebetenen Besucherin ein Messer an den Hals. Bevor Ida die Wohnung verlässt, äußert sie die Hoffnung, dass Rose die Pille nehme und sich kein Kind von einem Mörder machen lasse. Auf der Treppe kommt Pinkie ihr entgegen.
Er argwöhnt, dass Rose der Teestubenbesitzerin etwas gesagt haben könnte. Dallow (Nonso Anozie), das einzige noch treu zu ihm stehende Bandenmitglied, ist sich dagegen sicher, dass Rose ihn nicht verraten hat. Aber Pinkie lässt sich nicht von ihm überzeugen: Er fährt mit Rose zum Leuchtturm. Dort tut er so, als sei ein erweiterter Selbstmord der einzige Ausweg für sie beide, denn Cubitt wurde inzwischen verhaftet und es ist damit zu rechnen, dass er der Polizei verrät, wer Fred Hale und Frank Spicer ermordete. Pinkie führt Rose vor Augen, dass man ihn zum Tod verurteilen und hinrichten werde. Dann bliebe sie allein zurück. Er erinnert sie an ihr Versprechen, ihm überallhin zu folgen und drückt ihr eine entsicherte Pistole in die Hand. Damit soll sie sich in den Kopf schießen. Schluchzend fragt Rose, ob sie nicht noch eine Weile warten könnten. Aber er drängt sie, sich die Mündung ins Ohr zu halten und abzudrücken.
Dallow ahnt, was Pinkie vorhat. Ida lässt sich nicht davon abhalten, zu ihm ins Auto zu steigen. Sie rasen zum Leuchtturm. Gerade als Rose sich erschießen will, blendet sie das Scheinwerferlicht. Die beiden Männer ringen miteinander. Pinkie hat stets ein Fläschchen Salzsäure bei sich. Das zieht er nun aus der Manteltasche und öffnet es, um Dallow den Inhalt ins Gesicht zu schütten, aber in dem Gerangel verätzt er sich stattdessen selbst die Augen. Blind und vor Schmerzen schreiend taumelt er ein paar Schritte und stürzt über die Klippen in die Tiefe.
Ida und Dallow halten Rose davor zurück, ihm nachzuspringen.
Rose wird von einem katholischen Heim aufgenommen. Sie ist schwanger. Nachts legt sie die Platte auf, um Pinkies Stimme zu hören. Beim Abspielen bleibt die Platte hängen und wiederholt unaufhörlich den Satz „Ich liebe dich“.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Das Gangsterdrama „Brighton Rock“ von Rowan Joffé basiert auf dem gleichnamigen, 1938 von Graham Greene veröffentlichten Roman (dessen deutsche Übersetzung bisher den Titel „Am Abgrund des Lebens“ trug). Allerdings geht Rowan Joffé ziemlich frei mit der literarischen Vorlage um und verlegt die Handlung von den Dreißiger- in die Sechzigerjahre, in die Brighton Riots, als rebellierende Jugendliche sich mit der Polizei Straßenschlachten lieferten und sich rivalisierende Gruppen (Mods und Rockers) gegenseitig bekämpften.
Graham Greene stellt Pinkie in „Brighton Rock“ als Verkörperung des Bösen schlechthin und Rose als engelsgleichen Gegenpol dar. Rowan Joffé macht die Figur des 17-jährigen Gangsters ein wenig menschlicher, und Sam Riley gelingt es, dessen Verlorenheit und Zerrissenheit erkennen zu lassen. Einerseits glaubt er, noch böser werden zu müssen, um in dieser Welt voller Gewalt zu überleben, andererseits zieht er es vor, die Zeugin Rose durch eine intime Beziehung statt durch Mord zum Schweigen zu bringen, und in seltenen Augenblicken kann er zärtlich sein.
Rose hält aus Verzweiflung zu Pinkie, obwohl sie fast von Anfang an weiß, dass der Weg ins Verderben führt, denn sie will um jeden Preis weg von ihrem despotischen Vater. Andrea Riseborough spielt diese Rolle sehr differenziert und überzeugend.
Gegen Ende des Films bestellen die beiden Älteren – Ida Arnold (Helen Mirren) und Phil Corkery (John Hurt) – Champagner: Sie feiern ihre Überlegenheit gegenüber den Jungen.
Rowan Joffé beginnt „Brighton Rock“ mit dem Bild einer von oben aufgenommenen, auf die Küste zurollenden Meereswelle. Mit dieser Metapher spielt er auf die Welle der Gewalt in Brighton an.
Stilistisch und inhaltlich orientiert Rowan Joffé sich am film noir.
Obwohl die Handlung in Brighton spielt, wurden nur wenige Szenen dort gedreht. Innenaufnahmen entstanden in London (Regency Café), Außenaufnahmen vor allem in Eastbourne/East Sussex. Hedsor House in Taplow/Buckinghamshire diente ebenfalls als Fimkulisse.
Magda H. Larsen („Am Abgrund des Lebens“, Rowohlt Verlag, Hamburg 1950), Walther Puchwein („Zwiespalt der Seele. Ein Sohn Englands. Am Abgrund des Lebens“, Zsolnay Verlag, Wien / Hamburg 1963) und Barbara Rojahn-Deyk („Am Abgrund des Lebens“, Zsolnay Verlag, Wien 1994; „Brighton Rock“, dtv, München 2011) übersetzten den Roman von Graham Greene ins Deutsche.
Frank Harvey adaptierte „Brighton Rock“ für die Bühne. Das Stück wurde 1942/43 im Garrick Theatre in London mit Richard Attenborough als Pinkie und Dulcie Gray als Rose aufgeführt.
1947 kam die von John Boulting inszenierte erste Verfilmung von „Brighton Rock“ ins Kino.
Brighton Rock – Originaltitel: Brighton Rock – Regie: John Boulting – Drehbuch: Terence Rattigan und Graham Greene nach dem Roman „Brighton Rock“ von Graham Greene – Kamera: Harry Waxman – Schnitt: Peter Graham Scott – Musik: Hans May – Darsteller: Richard Attenborough, Hermione Baddeley, Carol Marsh, William Hartnell, Harcourt Williams, Wylie Watson, Nigel Stock, Virginia Winter, Reginald Purdell, George Carney, Charles Goldner, Alan Wheatley u.a. – 1947; 90 Minuten
Ken Whitmore arbeitete den Roman „Brighton Rock“ zu einem fünfteiligen Hörspiel um, das 1997 unter der Regie von John Yorke mit Steven Mackintosh als Pinkie von der BBC gesendet wurde.
John Barry (Musik) und Don Black (Libretto) machten aus dem Roman „Brighton Rock“ ein Musical, das von 20. September bis 13. Oktober 2004 im Almeida Theatre in London aufgeführt wurde.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014
Graham Greene (Kurzbiografie)
Graham Greene: Der dritte Mann (Verfilmung)
Graham Greene: Das Ende einer Affäre (Verfilmung)
Graham Greene: Der stille Amerikaner (Verfilmung)
Graham Greene: Unser Mann in Havanna
Graham Greene: Die Stunde der Komödianten (Verfilmung)
Graham Greene: Der Honorarkonsul (Verfilmung)
Graham Greene: Der Mann, der den Eiffelturm stahl
Roland Joffé: Vatel
Rowan Joffé: Ich. Darf. Nicht. Schlafen