Graham Greene : Die Stunde der Komödianten

Die Stunde der Komödianten
Originalausgabe: The Comedians, 1966 Die Stunde der Komödianten Übersetzung: Hilde Spiel Paul Zsolnay Verlag, Wien 1966 Taschenbuchausgabe: dtv, München 2004 ISBN 3-423-13157-8, 390 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der in Monte Carlo geborene Engländer Brown fühlt sich wurzellos und hält sich für unfähig, mitzufühlen, zu lieben oder an etwas zu glauben. Nach ein paar Jahren, in denen er ein ererbtes Hotel in Port-au-Prince führt, strandet er desillusioniert und hoffnungslos als Leichenbestatter in Santo Domingo.
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Kritik

Graham Greene vermittelt uns in dem spannenden Thriller "Die Stunde der Komödianten" einen beklemmenden Eindruck von dem Menschen verachtenden Terrorregime François Duvaliers ("Papa Doc") in Haiti.
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Die Erbschaft

Brown ist Engländer. Er kam 1906 in Monte Carlo auf die Welt. Sein Vater war bereits vorher abgereist. Im Jesuitenkollegium von Mariae Heimsuchung ging er zur Schule. Seine von Briten und Indern abstammende Mutter Yvette alias Maggie verließ ihn und Monte Carlo bald nach dem Waffenstillstand von 1918, ohne die Rechnungen des Internats bezahlt zu haben. Er galt als Vorzeigeschüler, doch als er beim wiederholten Kasinobesuch ertappt wurde, relegierte ihn die Schulleitung. Im Krieg übersetzte er Propagandamaterial gegen das Vichy-Regime ins Französische. Dann investierte er alles, was er hatte, in einen Wohnwagen mit Anhänger und zwanzig Reproduktionen von Gemälden und reiste mit seiner mobilen Galerie durchs Land. Ende der Fünfzigerjahre, als eine Sonntagszeitung gerade dabei war, seinen Schwindel aufzudecken, erreichte ihn eine Karte seiner Mutter aus Haiti. Da verkaufte Brown seine Habe und flog nach Port-au-Prince.

Gleich bei seiner Ankunft im Hotel Trianon klärt ihn der haitische Arzt Dr. Magiot darüber auf, dass seine Mutter – die sich jetzt Comtesse de Lascot-Villiers nennt – zwei Herzanfälle überstanden habe und eine dritte Herzattacke nicht überleben werde.

Browns Mutter, die ihren Sohn seit 1934 nicht mehr gesehen hat, freut sich über seinen Besuch, denn sie möchte ihm etwas Wichtiges mitteilen: Sie arbeitete früher als Sekretärin für einen Haitianer namens Dechaux, der ihr das Hotel Trianon aus steuerlichen Gründen überschrieb, während sie ihn zugleich in ihrem Testament als Erben einsetzte. Das schien nicht riskant zu sein, weil er zu diesem Zeitpunkt erst fünfunddreißig war, sie aber die sechzig bereits überschritten hatte. Dann kam Dechaux bei einem Verkehrsunfall mit seinem Sportwagen ums Leben. In ihrem neuen Testament vermacht sie ihrem Sohn zwei Drittel und ihrem haitischen Liebhaber Marcel ein Drittel des Hotels. In der Nacht stirbt sie während des Beischlafs, um den sie Marcel ausdrücklich bat.

Dr. Magiot rät Brown von dessen Vorhaben ab, Marcel auszubezahlen. Im Gegenteil, er solle lieber seinen Anteil Marcel verkaufen und wegen der politischen Verhältnisse unter Staatspräsident François Duvalier so rasch wie möglich wieder abreisen. Statt den Rat des wohlmeinenden Arztes zu befolgen, nimmt Brown bei der Bank einen entsprechenden Kredit auf und erwirbt Marcels Drittel.

Kurz darauf nimmt Marcel sich ein Zimmer im Hotel Trianon, zahlt im Voraus – und wird am anderen Morgen erhängt am Kronleuchter gefunden.

Hotel Trianon

Innerhalb von drei Saisonen macht Brown das Hotel Trianon zum Anziehungspunkt von Port-au-Prince und beschäftigt zwei Köche, zwei Kellner, drei Gärtner, vier Burschen, zwei Mädchen und einen Chauffeur. Aber in drei weiteren Saisonen verkommt das Hotel wieder, weil sich wegen der Übergriffe des Regimes von „Papa Doc“ kaum noch Touristen nach Haiti wagen. Der einzig verbliebene Barkellner Joseph wird durch ein Verhör bei den Tontons Macoute, der Privatmiliz des Staatspräsidenten, zum Krüppel. Trotz seiner Gehbehinderung behält Brown ihn im Hotel Trianon.

Im Kasino von Port-au-Prince lernt er Martha Pineda kennen. Die Frau des Botschafters eines unbedeutenden südamerikanischen Staates stammt aus Deutschland; ihr Vater wurde in der amerikanischen Besatzungszone als Kriegsverbrecher gehenkt. Martha lässt sich ohne Zögern auf eine Affäre mit Brown ein. Sie treffen sich beinahe jeden Tag und treiben es im Auto oder in einem Zimmer, das sie von einem syrischen Händler mieten.

Als die Hotelgäste ausbleiben, reist Brown nach New York und versucht, das Trianon zu verkaufen. Erfolglos kehrt er drei Monate später auf dem Frachter „Medea“ der Königlich-Niederländischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft nach Port-au-Prince zurück. Mit an Bord sind der wortkarge haitische Bestattungsunternehmer Mr Fernandez, Mr Baxter, ein eigenbrötlerischer Reisender in Arzneimitteln, der großmäulige englische „Major“ Jones und ein seit fünfunddreißig Jahren verheiratetes Ehepaar Smith aus den USA. William Abel Smith hatte bei den Präsidentschaftswahlen 1948 kandidiert und mehr als zehntausend Stimmen bekommen. Er und seine Frau sind überzeugt, dass die Menschen friedlicher wären, wenn sie vegetarisch essen würden, und sie wollen in Port-au-Prince ein Zentrum für Vegetarismus gründen.

Brown kann Jones nicht leiden, der ständig mit militärischen Heldentaten an verschiedenen Kriegsschauplätzen prahlt. Einmal erklärt ihm Jones, er teile die Welt in zwei Kategorien ein: Fatzkes und Flittchen.

„Die Fatzkes kommen ohne die Flittchen aus, aber die Flittchen nicht ohne die Fatzkes. […] Die Fatzkes haben einen richtigen Beruf oder ein gutes Einkommen. Irgendwo gehört ihnen was […] Die Flittchen – ja ja, wir schnappen da oder dort was auf – in Hotelbars. Wir spitzen die Ohren und reißen die Augen auf.“ (Seite 29f)

Dann fragt er Brown:

„Sie sind nicht zufällig ein Flittchen, das den Fatzke spielt?“ (Seite 31)

Endlich gibt es wieder Gäste im Hotel Trianon: das Ehepaar Smith. Jones wollte auch in Browns Hotel absteigen, aber er bleibt aus. Von Joseph erfährt Brown, dass die Tontons Macoute vor ein paar Tagen da waren und nach Dr. Philipot, dem Wohlfahrtsminister, fragten. Dessen Leiche liegt im trockenen Pool. Er schnitt sich die Arterien an den Handgelenken und am Hals auf, rücksichtsvollerweise unter dem Einlaufrohr, sodass man nur das Wasser aufzudrehen braucht, um das verkrustete Blut wegzuspülen. Dr. Magiot hilft Brown, die Leiche ins Auto zu zerren und in einem Bougainvillea-Gebüsch zu verstecken. Der tote Minister, der sich offenbar aus Angst vor den Tontons Macoute das Leben nahm, hinterlässt eine Frau und einen zwölfjährigen Jungen. (Später stellt sich heraus, dass ihn die Tontons Macoute suchten, weil er sich über die medizinischen Kenntnisse des Präsidenten lustig gemacht hatte.)

Ausgerechnet an Dr. Philipot ist das Empfehlungsschreiben adressiert, das Mr Smith dabei hat. Es soll ihm den Zugang zu einem Regierungsvertreter erleichtern, mit dem er über die geplante Einrichtung seines vegetarischen Zentrums verhandeln kann.

Sobald Smith erfährt, dass Major Jones aus irgendeinem Grund nach der Ankunft verhaftet wurde, lässt er sich von Brown zum Außenminister begleiten und überredet diesen, ihnen eine Besuchserlaubnis im Gefängnis zu verschaffen. Jones sitzt in seiner Zelle auf einem umgestürzten Eimer, den rechten Arm in einer Schlinge, das Gesicht verpflastert, mit einem Hämatom am linken Auge. Smith erklärt sich bereit, eine Kaution für den Inhaftierten zu hinterlegen, aber der sieht ihn nur verwundert an und schlägt ihm vor, stattdessen dem Wärter zwanzig Dollar in die Hand zu drücken. Dafür soll dieser eine kurze Nachricht weiterleiten, die Jones sogleich aufschreibt. Der Adressat ist Brown nicht unbekannt: Es handelt sich um einen Offizier der Tontons Macoute.

Tontons Macoute

Als ein Milizsoldat an einer Straßensperre ein Auge auf eine Bäuerin wirft, sie ins Gebüsch zerrt und sie auf den Boden drückt, blickt sie direkt in die offenen Augen des toten Dr. Philipot und schreit solange, bis der zweite Milizsoldat herbeieilt. Normalerweise werden Leichenfunde verschwiegen, weil niemand Schwierigkeiten haben möchte, aber bei drei Zeugen kann die Entdeckung nicht mehr vertuscht werden.

Nachdem die Soldaten an einer Straßensperre etwas Geld bekommen haben, lassen sie den Leichenwagen und das Taxi mit Philipots Frau und ihrem Sohn durch. Aber an der nächsten Straßensperre werden sie aufgehalten und zurückgeschickt. Sie bleiben vor der Zufahrt zum Hotel Trianon stehen und wissen nicht, wie es weitergehen soll. Es dauert nicht lang, dann nähert sich ein Auto mit vier Tontons Macoute. Wie alle Tontons Macoute tragen sie schwarze Brillen. Einer von ihnen schlägt mit dem Knauf seines Revolvers ungerührt eine Scheibe des Leichenwagens ein. Sie holen den Sarg heraus, verkeilen ihn im Kofferraum ihres Wagens und fahren damit weg.

Martha schlägt ihrem Geliebten vor, sie und ihren Mann Luis in der Botschaft zu besuchen. Dort lernt er Henri Philipot kennen, einen Neffen des Toten, der aus seiner oppositionellen Haltung gegenüber dem Regime kein Hehl macht. Unter dem Vorwand, Brown zu ihrem fünfjährigen Sohn Angel zu bringen, begleitet Martha ihn ins obere Stockwerk. Sie geraten in Streit. Brown verabschiedet sich und fährt wütend zum Bordell von Mère Catherine, wo er seit zwei Jahren nicht mehr war. Selbst von dem Jeep vor der Tür und Mère Catherines geflüsterter Warnung lässt er sich nicht abschrecken: Er verlangt etwas zu trinken. In der Gaststube wartet Hauptmann Concasseur, ein Tonton Macoute, den Brown bereits kennt, auf eine „wichtige Persönlichkeit“, die sich im Nebenraum mit der Prostituierten Tin Tin vergnügt. Als Tin Tin mit ihrem Freier hereinkommt, kann Brown es kaum glauben: Es handelt sich um Jones! Dessen Briefchen hat offenbar gewirkt.

Im Gespräch mit Smith und Brown behauptet der neue Wohlfahrtsminister, man werde wohl nie erfahren, was seinem Vorgänger zugestoßen ist. Er habe vielleicht Selbstmord verübt oder sei der Rache des Volkes zum Opfer gefallen. Man habe ihn noch nicht gefunden. Smith weist darauf hin, dass er den Sarg mit Dr. Philipots Leiche vor der Einfahrt zum Hotel Trianon mit eigenen Augen sah. Das bringt den Minister nicht in Verlegenheit: In dem Sarg seien nur Ziegelsteine gewesen, erklärt er, es habe sich um ein Täuschungsmanöver der politischen Gegner gehandelt. Mit einem Tonton Macoute als Fahrer besichtigen sie Duvalierville, um dort ein Gelände für das geplante Bauvorhaben auszusuchen. In der noch unfertigen Geisterstadt erwacht ein Bettler, der sich wie ein Schaukelpferd nähert, weil er keine Beine hat. Als er den Tonton Macoute bemerkt, der an seiner schwarzen Sonnenbrille leicht als solcher zu erkennen ist, stutzt er und hält den Männern die Holzstatuette eines halbnackten Mädchens hin. Es handele sich nicht um einen Bettler, sondern um einen Künstler, erklärt der Minister, greift nach der Figur und überreicht sie Mr Smith. Der will dem Bettler Geld geben, aber der Minister winkt ab: „Nicht nötig. Die Regierung nimmt sich seiner an.“ Bevor Smith wieder ins Auto steigt, drückt er dem Bettler dann doch noch ein paar Dollar in die Hand. Brown beobachtet durchs Heckfenster, wie ein anderer Haitianer dem Krüppel die Banknoten raubt. Obwohl Smith es nicht bemerkt hat, ist er desillusioniert und möchte sein Projekt noch einmal überdenken.

Trotz seiner Abneigung gegen den Wodu-Aberglauben fährt Brown Joseph zu einer nächtlichen Wodu-Zeremonie. Um vier Uhr morgens kehrt er allein ins Hotel zurück. Zwei Stunden später taucht Hauptmann Concasseur mit anderen Tontons Macoute auf. Sie durchsuchen die Dienstbotenzimmer, fragen nach Joseph und Henri Philipot und bezichtigen Brown, in der Nacht an einem Rebellentreffen teilgenommen zu haben. Um vier Uhr wurde ein Polizeikommissariat angegriffen. Ein Polizist kam dabei ums Leben. Die Tontons Macoute verprügeln Brown, bis er seine Schlafanzughose einnässt. Da taucht plötzlich Mrs Smith auf und beschimpft zornig die Tontons Macoute. Concasseur weicht vor der aufgebrachten Frau zurück und verlässt mit seinen Männern das Hotel.

Weil das Ehepaar Smith keinen Sinn mehr darin sieht, in Haiti ein vegetarisches Zentrum einzurichten, verlässt es das Land und fliegt nach Santo Domingo.

Jones

Einige Nächte später taucht Jones völlig durchnässt im Hotel Trianon auf und bittet Brown um Hilfe. Die Regierung ließ ihn überprüfen. Jetzt fürchtet er um sein Leben. Brown schmuggelt ihn durch die Straßensperren und an der Kontrolle im Hafen vorbei an Bord der „Medea“, die gerade wieder einmal im Hafen liegt. Der Kapitän ist nicht bereit, Jones ohne Ausreisevisum in die Passagierliste aufzunehmen und erklärt ihm, er müsse ihn den US-Behörden übergeben, falls er die Fahrt als blinder Passagier mitmache. Ein haitischer Polizeileutnant, der Verdacht geschöpft hat, will das Schiff nach Jones durchsuchen. Der Kapitän versteckt Jones in seinem Bad und herrscht den Polizeioffizier an, ob er nicht wisse, dass er sich hier nicht auf haitischem Boden befinde, sondern an Bord eines Schiffes, auf dem allein der Kapitän das Sagen habe. Er garantiert dem eingeschüchterten Beamten allerdings, er werde keinen Passagier illegal mitnehmen und das Schiff vor dem Ablegen nach blinden Passagieren durchsuchen. Etwas später gelingt es Brown, mit dem als Frau verkleideten Jones unbehelligt wieder zu seinem Auto zu kommen. Er bringt den Gesuchten zu den Pinedas, die ihm in der Botschaft Asyl gewähren.

Dr. Magiot erzählt Brown von einer Widerstandsgruppe, die Kontakt mit einem Amerikaner in der US-Botschaft aufgenommen hatte. Der versprach jede Unterstützung, verriet jedoch in Wirklichkeit jeden geplanten Schritt der Rebellen der CIA, die das Wissen an den haitischen Präsidenten Duvalier weitergab. Man könne sich vorstellen, was mit den Männern geschah, meint Dr. Magiot. Das State Department will keine Unruhe in der Karibik und schätzt das haitische Regime als Bollwerk gegen den Kommunismus. Dr. Magiot weiß, dass Henri Philipot mit einem Dutzend Männern, darunter auch Joseph, in den Bergen hinter Les Cayes ist und sich an der Grenze zur Dominikanischen Republik mit etwa dreißig Guerillakämpfern vereinigen will, um den Aufstand gegen das Regime in Port-au-Prince beginnen zu können.

Brown beneidet Jones darum, tagaus, tagein in Marthas Nähe sein zu können. In seiner Eifersucht heckt er einen tückischen Plan aus: Bei einem Besuch in der Botschaft bringt er Jones dazu, in Marthas Beisein wieder einmal groß aufzuschneiden und mit seinen militärischen Erfahrungen zu prahlen. Dann schlägt er ihm vor, sein Können den Aufständischen zur Verfügung zu stellen. Trotz des Risikos erklärt Brown sich bereit, ihn hinzubringen. Jones bleibt nichts anderes übrig, als einzuwilligen.

Um eine Reisegenehmigung zu bekommen, gibt Brown vor, der katholischen Mission in Les Cayes ein Paket mit theologischen Büchern und Medikamenten bringen zu wollen. Obwohl zur Tarnung das Gerücht verbreitet wird, Angel Pineda habe Jones mit Mumps angesteckt, ahnt Concasseur, was Brown vorhat, und er droht ihm, er werde ihn während der gesamten Fahrt beobachten lassen.

In einer Unwetternacht, in der damit gerechnet werden kann, dass die Posten an den Straßensperren lieber in ihren Unterständen bleiben, holt Brown seinen vermeintlichen Rivalen in der Botschaft ab. Beim Abschied von Martha will er von ihr wissen, ob sie mit Jones geschlafen habe, und sie bejaht verärgert die Frage. Unterwegs kommt Brown immer wieder auf Martha zu sprechen, bis Jones damit prahlt, wie gut sie Bett gewesen sei. Ungehindert passieren sie die Straßensperren. Drei Kilometer vor dem Ziel bricht die Vorderachse. Zu Fuß gehen sie weiter und übernachten auf einem Friedhof, wo sie sicher sein können, dass sie nicht von den abergläubischen Einheimischen überrascht werden. Jones gesteht Brown, ein notorischer Aufschneider zu sein und weder mit Martha geschlafen noch militärische Erfahrungen gesammelt zu haben. Tatsächlich war er Verbindungsoffizier zur ENSA, der Organisation zur Freizeitgestaltung der Armee. Während Brown am nächsten Morgen zu seinem Auto zurückgehen will, soll Jones sich auf dem Friedhof verstecken und auf Philipot warten.

An der Friedhofsmauer steht ein Jeep. Concasseur zielt mit seiner Maschinenpistole auf Brown und fragt nach Jones.

Die Maschinenpistole drehte sich in seiner Hand und zeigte jetzt irgendwohin nach links. Das war kein Vorteil für mich – auch der Fahrer hielt die seine auf mich gerichtet. „Kommen Sie nur“, sagte Concasseur. Ich trat einen Schritt vor, und er sagte: „Nicht Sie. Major Jones.“ Ich wandte mich um und sah, dass Jones hinter mir stand. (Seite 364)

Jones wollte Brown den Rest Whisky nachtragen. Plötzlich krachen Schüsse. Die beiden Tontons Macoute stürzen tot zu Boden. Philipot und Joseph erheben sich aus ihrem Versteck auf der anderen Straßenseite. Jones geht noch einmal zurück, um seinen Kleidersack zu holen. Brown folgt ihm.

Ich ging zwischen den kleinen grauen Häuschen hinauf zu der Stelle, wo wir die Nacht verbracht hatten. Jones war dort: er kniete in betender Haltung neben dem Grab, doch sein Gesicht, das er mir zuwandte, war olivgrün vor Übelkeit. Er hatte sich auf den Boden erbrochen. Er sagte: „Verzeihen Sie, alter Freund. So was kommt vor. bitte, sagen Sie es denen nicht, aber ich habe noch nie einen Menschen sterben gesehen.“ (Seite 366)

Ende

In einem neuntägigen Fußmarsch schlägt Brown sich zur dominikanischen Grenze durch. Von dort nimmt ein Armee-Laster ihn mit nach Santo Domingo, wo er zufällig in einer Straße auf Mr Smith trifft. Von ihm erfährt er, dass Luis Pineda nach Lima versetzt wurde und Martha mit ihrem Sohn Angel für ein paar Tage in der Stadt ist. Aber das Verhältnis mit ihr ist zu Ende.

Vergeblich stellt Brown sich bei einer Bergbaugesellschaft vor, die einen Lebensmitteleinkäufer sucht. Als er sich um die Stelle als Kantinenleiter auf einer Bananenplantage bewerben will, wird er von dominikanischen Soldaten aufgehalten: Die Weiterfahrt sei zu gefährlich. Da werde geschossen, erklärt ihm ein Offizier. Soldaten marschieren vorbei. Sie haben ihre Gewehre geschultert und tragen die Waffen einiger haitischer Rebellen, die vor ihnen her wanken, darunter Philipot. Die Leiche Josephs wird von zwei Männern auf einer Bahre getragen. Brown fährt Philipot und einen anderen Verletzten nach Santo Domingo zu einem Arzt. Unterwegs erkundigt er sich nach Jones, und Philipot berichtet, dieser sei von den Aufständischen als Anführer anerkannt worden und sehr beliebt gewesen. An der Grenze, wo sie sich mit den Guerillakämpfern hatten vereinigen wollen, gerieten sie in einen Hinterhalt. Bei der Flucht konnte Jones nicht mithalten. Er blieb zurück, wollte eventuell ihnen folgende Gegner abwehren und dann langsam nachkommen. Aber jeder habe verstanden, so Philipot weiter, dass sie Jones nicht wiedersehen würden.

Schließlich beginnt Brown, für den Leichenbestatter Mr Fernandez zu arbeiten, dem er auf dem Frachter begegnet war und der sich inzwischen in Santo Domingo niedergelassen hat.

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Der angesehene haitische Arzt François Duvalier (1907 – 1971) wurde 1957 mit Unterstützung der USA, die in ihm ein Bollwerk gegen den Kommunismus sahen, zum Präsidenten des karibischen Inselstaates gewählt. Auf Militär, Polizei und vor allem seine Privatmiliz – die Tontons Macoute – gestützt, errichtete „Papa Doc“ ein Terrorregime, das 1971 von seinem Sohn Jean-Claude Duvalier („Baby Doc“, *1951) bis zu dessen Sturz im Jahr 1986 fortgeführt wurde.

Ohne die politischen Hintergründe abstrakt zu beschreiben, vermittelt Graham Greene uns in seinem erschütternden Roman „Die Stunde der Komödianten“ einen Eindruck von diesem Menschen verachtenden Terrorregime.

Ein fiktiver Engländer namens Brown schildert seine Erlebnisse in Haiti. Er beginnt mit seiner Überfahrt von New York nach Port-au-Prince nach einer dreimonatigen Abwesenheit von der Karibikinsel und setzt die Erzählung bis zu seiner Flucht in die Dominikanische Republik fort. In einer eingeschobenen Rückblende skizziert er seinen Lebensweg bis zur ersten Ankunft in Haiti Ende der Fünfzigerjahre und während der sechs Jahre, in denen er ein Hotel in Port-au-Prince führte.

Der Erzähler wirkt lakonisch, desillusioniert und melancholisch. Er stilisiert sich keineswegs als Held, sondern geht auch auf seine menschlichen Schwächen ein und verschweigt nicht seine Schuld gegenüber anderen Menschen, wie zum Beispiel einen Aufschneider, den er aus Eifersucht in den Tod treibt. Über sich selbst schreibt er:

Ich hatte schon im Internat von Mariae Heimsuchung, das wusste ich genau, jede Bereitschaft zur Anteilnahme hinter mir gelassen. […] Ich hatte mich nicht nur zur Liebe unfähig gefühlt – viele sind dazu unfähig –, sondern auch zur Schuld. In meiner Welt gab es keine Höhen und keine Abgründe – ich sah mich auf einer großen Ebene, wie ich wanderte und wanderte über die grenzenlose Weite hin. (Seite 389)

Vielleicht hat es auch einen Vorteil, ohne Wurzeln in einer Stadt wie Monte Carlo geboren zu sein, weil man so leichter erträgt, was auch kommt. Wir Menschen ohne Wurzeln sind wie alle anderen einmal in Versuchung geraten, die Sicherheit eines religiösen Glaubens oder einer politischen Überzeugung mit anderen zu teilen; aber aus irgendeinem Grund haben wir den Versuchungen widerstanden. Wir sind ohne Glauben: wir bewundern die Opferwilligen, die Doktor Magiots und Mr Smiths, wegen ihres Mutes und ihrer Lauterkeit, wegen ihrer Treue zu einer Sache; dennoch müssen wir feststellen, dass wir, sei es aus Zaghaftigkeit oder aus Mangel an dem gehörigen Eifer, die einzigen sind, die sich wahrhaft festgelegt haben – festgelegt auf diese ganze Welt von Gut und Böse, auf die Weisen und die Narren, die Gleichgültigen und die Irrenden. Wir haben nichts anderes erwählt, als nur weiterzuleben […] (Seite 379)

Wie in „Der stille Amerikaner“ stellt Graham Greene dem desillusionierten Protagonisten einen naiven Idealisten gegenüber.

Obwohl der Inhalt ernst, trostlos und erschütternd ist, gelang Graham Greene wieder einmal das Kunststück, einen spannenden und – so paradox es klingt – unterhaltsamen Thriller zu schreiben.

„Die Stunde der Komödianten“. Mit dem Titel hebt Graham Greene auf einen Nebenaspekt ab: Er vergleicht das Leben mit dem Spiel von Komödianten.

„Sind wir nun beide Komödianten, du und ich?“ (Das fragt sich Brown, während er mit Jones spricht. Seite 181)

„Marcel, ich weiß, ich bin eine alte Frau und spiele ein wenig Komödie, wie Du sagst. Aber bitte, mach mir weiter was vor. Solange wir uns was vormachen, entkommen wir.“ (Browns Mutter in einem Brief an ihren Liebhaber Marcel. Seite 343)

„Wir dürfen uns nicht allzu sehr darüber beklagen, dass wir Komödianten sind.“ (Luis Pineda, Seite 182)

Peter Glenville verfilmte den Roman 1967 mit Sir Alec Guiness, Elizabeth Taylor, Richard Burton und Sir Peter Ustinov: „Die Stunde der Komödianten“. Das Drehbuch schrieb Graham Greene.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004
Textauszüge: © Paul Zsolnay Verlag

Graham Greene (Kurzbiografie)

Graham Greene: Am Abgrund des Lebens (Verfilmung)
Graham Greene: Der dritte Mann
Graham Greene: Das Ende einer Affäre (Verfilmung)
Graham Greene: Der stille Amerikaner
Graham Greene: Unser Mann in Havanna
Graham Greene: Der Honorarkonsul
Graham Greene: Der Mann, der den Eiffelturm stahl

Peter Glenville: Die Stunde der Komödianten

Neil Jordan: Das Ende einer Affäre

Raphaela Edelbauer - Die Inkommensurablen
Raphaela Edelbauer umkreist die Mobilisierung und Manipulation der Massen. "Die Inkommensurablen" ist vor allem ein intellektueller Roman mit Diskursen über philosophische Fragen. Realistisch soll die Handlung wohl auch gar nicht sein.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.