Alles auf Zucker!
Alles auf Zucker!
Inhaltsangabe
Kritik
1961, als Jakob Zuckermann (Henry Hübchen) vierzehn Jahre alt war, fuhr seine jüdische Mutter Rebecca mit seinem Bruder Samuel (Udo Samel) von Ostberlin nach Frankfurt am Main, weil der Junge dort am Bein operiert werden musste. Dabei wurden sie vom Bau der Berliner Mauer am 13. August überrascht. Jakob blieb in Ostberlin und brachte es dort zum Sportreporter. Die Briefe seiner Mutter beantwortete er nicht, und auch mit seinem Bruder wechselte er kein Wort mehr.
Vierzig Jahre später gehört Jaeckie Zucker – wie er inzwischen genannt wird – zu den Verlierern der Wiedervereinigung: Als Sportreporter kennt ihn niemand mehr. Weil er trotz gegenteiliger Versprechungen immer wieder Roulette und Billard spielt, wirft seine Frau Marlene (Hannelore Elsner) ihn aus der Wohnung und will sich von ihm scheiden lassen. Die Tochter Jana (Anja Franke) ist längst mit der zehnjährigen Enkelin Sarah ausgezogen, hat eine physiotherapeutische Praxis aufgemacht und lebt mit ihrer lesbischen Freundin und Mitarbeiterin Irene (Inga Busch) zusammen. Der stotternde, sexuell verklemmte Sohn Thomas (Steffen Groth), der als Abteilungsleiter bei einer Bank beschäftigt ist, kommt eines Tages mit einem Polizisten und einem Gerichtsvollzieher zu seinem Vater, um die Rückzahlung eines Darlehens von 40 000 Euro zu erzwingen. Jaeckie kann Thomas gerade noch überreden, ihm eine weitere Drei-Tage-Frist einzuräumen.
„Ich stehe bis zum Hals in der Scheiße“, kommentiert Jaeckie, „aber der Ausblick ist gut!“ Die letzte Chance sieht er in dem bevorstehenden 5. European Pool Turnier, denn er rechnet sich Chancen auf den mit 100 000 Euro dotierten Sieg aus. Allerdings weiß er nicht, woher er die 5 000 Euro Startgeld nehmen soll. Jana wirft ihn hinaus, als er sie darum bittet. Seine Freundin Linda (Renate Krößner), deren „Unternehmen“ – acht Prostituierte in einem Billardclub – er in besseren Zeiten finanziert hatte, steht vor dem Bankrott.
Da taucht unerwartet Marlene in dem Animierbetrieb auf. Sie sucht Jaeckie und holt ihn zurück. „Wir müssen jetzt zusammenstehen“, sagt sie mit betroffener Miene und reicht ihm ein Telegramm, das gerade aus Frankfurt am Main eintraf: Samuel Zuckermann teilt seinem Bruder mit, dass die Mutter Rebecca gestorben ist. Ihrem letzten Wunsch entsprechend soll sie auf einem jüdischen Friedhof in Berlin bestattet werden. Er bittet seinen Bruder, mit Rabbi Ernst Ginsberg (Rolf Hoppe) alles vorzubereiten und kündigt sein Eintreffen für den nächsten Tag an.
Gemeinsam suchen Jaeckie und Marlene den Rabbi auf. Da die Beerdigung nach dem jüdischen Glauben unverzüglich stattzufinden hat, setzt der Rabbi sie für drei Stunden nach der Landung des Flugzeugs an, mit dem Samuel und der Sarg aus Frankfurt eintreffen werden. Der Rabbi bedauert, dass er sich nicht mehr persönlich von der ihm bestens bekannten Rebecca Zuckermann verabschieden konnte und weist seine Besucher darauf hin, dass auch Samuel ein streng orthodoxes Leben führe.
Eilig entfernt Marlene das Schweinefleisch aus dem Gefrierschrank, besorgt sich einen Ratgeber über jüdische Glaubensregeln und kauft dann nicht nur eine Menora und koschere Lebensmittel, sondern auch Geschirr, um milchig und fleischig getrennt aufbewahren zu können.
Dann ist es so weit: Sie fahren zum Flughafen, um Samuel abzuholen. Marlene hat ihn nie kennen gelernt, und Jaeckie ist mit seinem Bruder seit vierzig Jahren zerstritten. Aber da steht plötzlich nicht nur Samuel vor ihnen, sondern er hat auch seine Familie mitgebricht: die esslustige Ehefrau Golda (Golda Tencer), die Tochter Lilly (Elena Uhlig), eine flotte Jurastudentin im zwanzigsten Semester und den streng orthodoxen Sohn Joshua (Sebastian Blomberg). Jaeckie würde die Familie seines Bruders lieber im Hotel unterbringen, aber Marlene lädt sie in die Wohnung ein.
Der Rabbi klärt die beiden Familien – Jaeckie, Marlene, Jana und Thomas, Samuel, Golda, Lilly und Joshua – darüber auf, dass ihm die Verstorbene ihr Testament anvertraut hat. Ihrem letzten Willen zufolge müssen die beiden zerstrittenen Brüder die Schiva einhalten, die im jüdischen Glauben vorgeschriebene siebentägige strenge Totenwache, und sich dabei versöhnen. Nur dann erhält jeder der beiden die Hälfte der Erbschaft. Andernfalls geht Rebeccas Hinterlassenschaft an die jüdische Gemeinde von Berlin. Jaeckie will sich zunächst nicht darauf einlassen, denn er denkt an das in wenigen Stunden beginnende Turnier, aber er wird von Marlene überredet, der Regelung zuzustimmen. Samuel ist ebenfalls auf das Geld angewiesen, denn er hat sich mit Aktien des „Neuen Marktes“ verspekuliert. Nachdem geklärt ist, dass beide Familien die Totenwache halten wollen, bestimmt der Rabbi Joshua dazu, während seiner Abwesenheit die Einhaltung der Schiva zu überwachen.
Die Beerdigung verschiebt sich wegen eines Verkehrsstaus. Um dennoch rechtzeitig zum Beginn des von dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (Klaus Wowereit) eröffneten Turniers zu kommen, imitiert Jaeckie am offenen Grab einen Herzanfall und stürzt in die Grube. Auf dem Weg zum Krankenhaus überredet er Jana, ihn stattdessen zum Austragungsort des Turniers zu fahren.
Die beiden Familien versammeln sich in der Wohnung von Jaeckie und Marlene zur Schiva. Vor jeder Runde in dem zweitägigen Turnier imitiert Jaeckie einen neuen Herzanfall, und als Marlene ihm nicht mehr glaubt, dass er krank ist, lässt er sich von Linda, die früher Krankenschwester war, mit einem Sanitätsauto abholen. Weil er jedoch trotz aller Anstrengungen siebzehn Minuten zu spät zum Viertelfinale kommt, scheidet er aus.
Ein anderer leidenschaftlicher Billardspieler fordert ihn zu einer mitternächtlichen Privatpartie heraus und ist bereit, Jaeckie für einen Sieg 90 000 Euro zu zahlen, während er sich im Fall seines eigenen Sieges mit 10 000 Euro zufrieden geben will.
Marlene, die im Krankenwagen mitfuhr und erst im Krankenhaus von Jaeckie abgehängt werden konnte, klärt an diesem Abend alle Familienmitglieder über die Lügen und vorgetäuschten Herzanfälle ihres Mannes auf. Als Jaeckie daraufhin seine verzweifelte Lage schildert, haben alle Mitleid mit ihm. Nur Joshua glaubt, den eklatanten Verstoß gegen die jüdische Glaubenslehre nicht hinnehmen zu dürfen und will dem Rabbi Meldung machen. Jana holt ihn auf der Straße ein. Sie und Joshua waren vor einigen Jahren ein Liebespaar, und Sarah ist Joshuas Tochter. Es gelingt ihr, Joshua zu überreden, Jaeckie nicht zu verraten. Zusammen mit seinen Angehörigen erscheint Jaeckie zu der mitternächtlichen Billardpartie. Er spielt besser als sein Herausforderer, aber nach dem entscheidenden Stoß disqualifiziert er sich, indem er mit beiden Händen an die Bande fasst, während er mit einem diesmal echten Herzanfall zusammenbricht und das Bewusstsein verliert.
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Als Jaeckie im Krankenhaus augenscheinlich im Koma liegt, aber doch alles um sich herum wahrnimmt – auch die beiden schwulen Pfleger, die sich an seinem Bett küssen –, befürchtet er, nun gleich ins Gefängnis zu müssen, weil die Frist für die Rückzahlung des Bankkredits in wenigen Stunden ausläuft. Doch da erscheint sein Herausforderer am Krankenbett und verkündet im Beisein der beiden Familien, er verzichte auf die 100 000 Euro, gebe sich mit der Hälfte zufrieden, und von der anderen habe er inzwischen bereits Jaeckies Schulden bezahlt. Auf diese Weise erfährt der ebenfalls anwesende Rabbi von Jaeckies Eskapaden während der Schiva. Damit seien die von Rebecca Zuckermann gestellten Bedingungen nicht eingehalten worden, erklärt er, und das Erbe falle an die jüdische Gemeinde. Aber mit dem Argument, der wichtigste Wunsch der Verstorbenen sei die Versöhnung ihrer beiden Söhne gewesen, drängt ihn die Mischpoke, Jaeckie und Samuel noch eine Chance zu geben. Vor Aufregung bricht Samuel in diesem Augenblick ebenfalls mit einem Kreislaufkollaps zusammen.
Im Beisein des Rabbis liegen Jaeckie und Samuel während der nächsten Tage im Krankenzimmer. Lange schweigen sie, bis sie endlich zu reden anfangen, sich aussprechen und versöhnen.
Nun ist der Rabbi bereit, die Erbschaft trotz des Verstoßes gegen die Regeln zur Hälfte zwischen der jüdischen Gemeinde und den beiden Brüdern aufzuteilen. Er öffnet ein versiegeltes Kuvert, telefoniert mit der angegebenen Bank und fragt nach dem Kontostand Rebecca Zuckermanns. Erleichtert atmet er auf und offenbart den Anwesenden, dass es sich nicht um Schulden handelt. Begierig warten alle darauf, wie hoch das Vermögen ist, aber Jaeckie ahnt schon, dass die schlitzohrige Mutter überhaupt nichts hinterlassen hat und das Brimborium nur dazu diente, ihn und Samuel zu versöhnen.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Jaeckie Zucker erzählt uns von seinen Erlebnissen während der letzten sieben Tage seines Lebens. Zumindest glaubt er, dass sein Leben zu Ende ist, denn er liegt nach einem Herzinfarkt als Komapatient im Krankenhaus.
„Alles auf Zucker!“ ist eine Farce, in der nicht nur Ossis und Wessis, sondern auch – und das ist völlig neu – die orthodoxe jüdische Kultur und das Alltagsleben im Berlin der Jahrtausendwende aufeinanderprallen. Endlich lachen Juden und Deutsche gemeinsam im Kino. Dani Levy bedient sich unbekümmert der Tradition des jüdischen Humors und spielt unverkrampft mit Klischees über die jüdische Lebensweise. Vielleicht gelingt es ihm, mit diesem begeistert aufgenommenen Film, uns Deutschen auch ein wenig die Angst vor der Berührung mit dem Judentum zu nehmen und einen Beitrag für die Normalisierung des Verhältnisses von Deutschen und Juden zu leisten.
Grundsätzlich würde ich von „jüdischem Esprit“ dann sprechen, wenn sich die Figuren durch eine gewisse Widersprüchlichkeit gepaart mit einer Portion Selbstironie und einem teils bissigen Charakter auszeichnen. (Dani Levy)
Die mit kleinem Budget in dreiundzwanzig Tagen gedrehte schräge Familienkomödie – die ursprünglich als Fernsehfilm (WDR) gedacht war, aber dann stattdessen zunächst ins Kino kam – sorgt mit Ironie, Turbulenz, kuriosen Wendungen und viel Situationskomik für zahlreiche Lacher. Maßgeblich zum Erfolg beigetragen haben auch das Können und die Spielfreude der Darsteller Henry Hübchen und Udo Samel.
Am 8. Juli 2005 gab es für „Alles auf Zucker!“ sechsmal den Deutschen Filmpreis: Die Produzentin Manuela Stehr erhielt eine goldene „LOLA“ in der Kategorie „bester Spielfilm“; ausgezeichnet wurden außerdem Dani Levy (Regie), Holger Franke und Dani Levy (Drehbuch), Henry Hübchen (männlicher Hauptdarsteller), Niki Reiser (Filmmusik) und Lucie Bates (Kostümbild).
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Inhaltsangabe und Kommentar: © Dieter Wunderlich 2005
Dani Levy: Meschugge
Dani Levy: Mein Führer. Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler