Jerichow

Jerichow

Jerichow

Originaltitel: Jerichow – Regie: Christian Petzold – Drehbuch: Christian Petzold – Kamera: Hans Fromm – Schnitt: Bettina Böhler – Musik: Stefan Will – Darsteller: Benno Führmann, Nina Hoss, Hilmi Sözer, André Hennicke, Claudia Geisler, Marie Gruber, Knut Berger u.a. – 2008; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Nachdem Thomas unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassen wurde, will er das Haus seiner verstorbenen Mutter renovieren. Das Geld, das er sich dafür leiht, holt sich der Gläubiger nach Ablauf der Frist gewaltsam zurück. In dieser Lage fängt Thomas als Fahrer des Lieferwagens eines fleißigen Türken an, der eine Kette von Imbissbuden betreibt. Ali ist mit einer jungen Deutschen verheiratet. Weil er ihre Schulden übernommen hat und sie das Geld im Fall einer Trennung zurückzahlen muss, ist Laura von ihm anhängig ...
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Kritik

In der kammerspielartigen, stringent erzählten Handlung des düsteren Dramas "Jerichow" geht um eine Dreiecksbeziehung zwischen drei einsamen Menschen, deren Leben maßgeblich vom Geld bzw. dem Mangel daran bestimmt wird.
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Thomas (Benno Fürmann) war als Bundeswehrsoldat in Afghanistan, wurde jedoch unehrenhaft und ohne Abfindung entlassen. Den Grund erfahren wir nicht. Geld leiht er sich von einem Bekannten namens Leon (André M. Hennicke). Thomas gerät mit der Rückzahlung in Verzug und versteckt sich. Aber auf der Beerdigung seiner Mutter wird er von Leon abgepasst. Leon und ein Kumpel begleiten Thomas zu dessen Elternhaus in Jerichow bei Magdeburg. Thomas behauptet, kein Geld zu haben, sich jedoch nach der Renovierung des heruntergekommenen Hauses eine Arbeitstelle besorgen und die Schulden abbezahlen zu wollen. Da fällt Leons Blick auf das Baumhaus im Garten. Einer spontanen Eingebung folgend, klettert er hinauf – und findet eine Blechschachtel mit drei dicken Banknotenbündeln. Nachdem Leon den Lügner von seinem Komplizen niederschlagen ließ, fährt er mit dem Geld weg.

Weil Thomas keinen Cent mehr hat, meldet er sich beim Arbeitsamt. In wenigen Wochen kann er als Gurkenpflücker anfangen. Bis dahin bekommt er von der Sachbearbeiterin (Claudia Geisler) ein Dokument, mit dem er im Supermarkt Lebensmittel einkaufen kann.

Als er mit zwei vollen Einkaufstüten eine Landstraße entlanggeht, fährt in seiner Nähe ein Auto in den Graben. Er rennt hin. Am Steuer sitzt ein betrunkener Türke, der in der Umgebung eine Kette von Imbissbuden betreibt: Ali Özkan (Hilmi Sözer). Ein Polizist (Knut Berger) kommt vorbei und fragt, ob Ali Özkan den Unfall unter Alkoholeinfluss verursacht habe. Ali behauptet, sein Helfer sei gefahren, und Thomas bestätigt es. Dann ziehen die beiden Männer den Wagen wieder auf die Straße. Weil Ali befürchtet, dass der Polizist ein Stück weiter in der Absicht lauert, ihn doch noch bei einer Fahrt unter Alkoholeinfluss zu erwischen, bittet er Thomas, ihn nach Hause zu bringen.

Ein paar Tage später gerät Ali in eine Verkehrskontrolle. Wieder hat er zu viel getrunken. Deshalb muss er für ein Jahr den Führerschein abgeben. Um seine Imbissbuden trotzdem beliefern zu können, stellt er Thomas als Fahrer des Lieferwagens ein.

Zur Feier des Einstands fährt Ali mit seiner jungen blonden deutschen Frau Laura (Nina Hoss) und seinem neuen Mitarbeiter an die Ostsee. Während Ali sich am Strand betrinkt und zur Musik aus dem Kassettenrecorder tanzt, sitzen die beiden jungen Leute stumm und steif im Sand. Ali drängt sie, miteinander zu tanzen und entfernt sich, um zu urinieren. Thomas nutzt die Chance, um Laura zu küssen, aber sie stößt ihn von sich und fordert ihn auf, dem Betrunkenen zu folgen. Der verliert am Kliff das Gleichgewicht und droht in die Tiefe zu stürzen. Thomas rettet ihm das Leben.

Misstrauisch beobachtet Ali die Pächter seiner Imbissbuden. Einige von ihnen enthalten ihm einen Teil der Einnahmen vor und betrügen ihn um seinen Anteil. Wen Ali dabei erwischt, wirft er hinaus. Selbst seine Frau betrügt ihn im Zusammenspiel mit einem Getränkehändler.

Mit der Begründung, er habe sich in seiner Heimat in der Türkei ein Grundstück gekauft und müsse mit dem Architekten über den Bau eines Hauses reden, lässt Ali sich von Thomas zum Flughafen fahren. Aber statt wegzufliegen, fährt er heimlich nach Leipzig, wo er wegen seiner Herzbeschwerden behandelt werden soll.

Während seiner Abwesenheit fallen Laura und Thomas gierig übereinander her. Laura vertraut ihrem Geliebten an, dass sie mit 134 000 Euro Schulden aus dem Gefängnis kam. Sie jobbte in einer Bar, bis Ali auf sie aufmerksam wurde, sie heiratete und ihre Schulden übernahm. Allerdings bestand er auf einem Ehevertrag mit der Regelung, dass sie ihm den Betrag erstatten muss, falls sie sich von ihm trennt. Laura fühlt sich wie eine Gefangene und spielt mit dem Gedanken, Ali umzubringen. Thomas ist bereit, ihr dabei zu helfen.

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Zur vereinbarten Zeit holt Laura ihren Mann vom Flughafen ab. Sie fährt mit ihm zu einem Kliff, wo Thomas im Gebüsch lauert. Sobald sie ausgestiegen ist, soll Thomas dafür sorgen, dass Ali mit dem Auto in die Tiefe stürzt.

Unterwegs gesteht Ali seiner Frau, dass er nicht in der Türkei war, sondern in einer Klinik in Leipzig. Er habe nur noch zwei Monate zu leben und fürchte sich vor dem Sterben, sagt er. Laura soll ihn beerben, seinen Bruder finanziell unterstützen und sich im Betrieb von Thomas helfen lassen. Der sei zuverlässig, meint Ali.

Am Kliff steigen Ali und Laura zusammen aus. Nachdem sie ein Stück weit gegangen sind, kehrt Laura unter dem Vorwand um, das Auto nicht zugesperrt zu haben, und widerruft in einem kurzen Gespräch mit Thomas den Mordplan. Erklärungen kündigt sie ihm für später an.

Kurz darauf kommt Ali zum Wagen, um etwas zu trinken zu holen. Dabei findet er Thomas‘ Feuerzeug im Sand. Sofort durchschaut er, was Laura und Thomas vorhatten. Laut ruft er nach Thomas und fordert ihn auf, aus dem Versteck zu kommen. Dann schickt er ihn zusammen mit Laura weg.

Laura und Thomas sind noch nicht weit gekommen, als sie den Motor des Autos aufheulen hören. Sie blicken sich um und sehen gerade noch, wie Ali mit dem Fahrzeug über den Rand des Kliffs rast. Beim Aufprall explodiert der Wagen.

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„Jerichow“ spielt in einer Gegend in Sachsen-Anhalt, die aus abgelegenen Häusern, verstreuten Imbissbuden und nichts dazwischen besteht. Ebenso einsam sind die Figuren. Der fleißige Türke Ali hat sich eine blonde deutsche Frau „gekauft“. Laura ist von ihm abhängig, weil er ihre Schulden übernommen hat und sie das Geld im Fall einer Trennung zurückzahlen muss. Verschuldet ist auch Thomas, der aus dem Afghanistan-Krieg nach Hause kommt, unehrenhaft von der Bundeswehr entlassen wurde und nach dem Tod seiner Mutter allein im Elternhaus wohnt. Als Laura und Thomas sich begegnen, entwickelt sich fast zwangsweise eine Affäre zwischen ihnen. In der kammerspielartigen, stringent erzählten Handlung geht es um die Dreiecksbeziehung und – um Geld. Laura und Thomas besitzen keines, und Ali wird von seinen Pächtern fortwährend betrogen. Eine düstere Geschichte.

Christian Petzold variiert in „Jerichow“ die Handlung des von Luchino Visconti 1942 („Besessenheit“) und Bob Rafelson 1980 („Wenn der Postmann zweimal klingelt“) verfilmten Romans „Wenn der Postmann zweimal klingelt“, den James M. Cain 1934 veröffentlicht hatte.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011

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