Bis nichts mehr bleibt
Bis nichts mehr bleibt
Inhaltsangabe
Kritik
Regine (Silke Bodenbender), die Tochter des Hamburger Unternehmers Ludwig Clasen (Robert Atzorn) und dessen Ehefrau Karin (Sabine Postel), wählt zum Verdruss ihrer Eltern als Lebensgefährten den erfolglosen Architekturstudenten Frank Reiners (Felix Klare), der als Taxifahrer arbeitet, um den Lebensunterhalt für sich, Gine und die gemeinsame Tochter Sarah zu verdienen. Als Sarah (Jessy Teichert) fünf Jahre alt ist, heiraten Gine und Frank.
Kurz darauf wird Frank, der inzwischen kurz vor dem Examen steht, von dem Rechtsanwalt Dr. Harald Ruppert (Kai Wiesinger) mit der Innenrenovierung einer Wohnung beauftragt. Von Ruppert dazu eingeladen, sucht Frank das Scientology-Büro auf. Dort soll er zunächst einen Fragebogen ausfüllen. Als Frank nach kurzer Zeit nicht weitermachen möchte, überredet ihn die „Ethik-Offizierin“ Helen Berg (Nina Kunzendorf) dazu, auch die restlichen Fragen zu beantworten. Helen führt dann ein Interview mit ihm und lädt ihn zu einer Gruppensitzung ein, in der sich Teilnehmer und „Auditoren“ paarweise gegenüber sitzen und einander schweigend ins Gesicht starren. Das findet Frank lächerlich. Er steht auf und will den Raum verlassen, aber Helen stellt sich ihm in den Weg und meint, bei seiner Reaktion handele es sich um einen Abwehrreflex. Falls er diesem nachgebe, könne er nichts über sich lernen und sich nicht weiterentwickeln. Damit bringt sie Frank dazu, bis zum Schluss weiterzumachen und sich einige Zeit später auch einem Auditing zu unterziehen, einer intimen Befragung, bei der er an ein sogenanntes E-Meter, eine Art Lügendetektor, angeschlossen wird.
Um die „Brücke zur völligen Freiheit“ zu überqueren, unterwirft Frank sich den strengen Regeln von Scientology. Dazu gehört es auch, sich stundenlang von einem Auditor quer durch einen Raum schicken zu lassen: „Geh an diese Wand. Berühre diese Wand. Danke. Geh zurück.“
Frank wird von den Scientologen gelobt; er mache wunderbare „Gewinne“, meinen Helen Berg, Harald Ruppert und der Niederlassungs-Leiter Klaus Kaiser (Hubertus Hartmann). Man bietet ihm deshalb eine „einmalige Chance“: den schnellsten Weg zum erstrebten „Clear“, ein „Processing“ für nur 23 000 Euro. Woher soll Frank so viel Geld nehmen?
Erst einmal leiht ihm Ruppert sein Auto für einen kleinen Familienurlaub am Meer.
Am Strand gesteht Frank seiner Frau, dass er sich ohne ihr Wissen mit seinem Schwiegervater versöhnt habe und Sarah häufig zu den Großeltern bringe, wenn Gine in einer Buchhandlung arbeitet und es seine Aufgabe wäre, auf die Tochter aufzupassen. Außerdem offenbart er seine Mitgliedschaft bei Scientology – und überredet Gine, ebenfalls hinzugehen.
Beim Auditing gibt Gine einen Seitensprung zu, von dem Frank nichts weiß. Sie begeistert sich für Scientology, und das Ehepaar beschließt, das zur Verfügung stehende Geld für Gines vielversprechendes Processing zu verwenden. Frank erhält die Gelegenheit, sich die Kosten für das Processing als Hausmeister („Estate Manager“) der Scientology-Niederlassung zu verdienen. Das heißt, sein Gehalt wird ihm nicht ausbezahlt, sondern für das Processing gutgeschrieben.
Nach einem Jahr ist Gine „clear“. Während sie sich vor allem auf ihre persönliche Entwicklung bei Scientology konzentriert, kümmert Frank sich um Sarah und kommt seinen Hausmeister-Pflichten nach. Fürs Studium bleibt ihm keine Zeit mehr.
Als Ludwig Clasen erfährt, dass seine Tochter einen Bankkredit über 60 000 Euro aufnahm, geht er der Sache nach und findet heraus, dass Gine innerhalb von eineinhalb Jahren 100 000 Euro an Scientology bezahlte. Nach einem heftigen Streit sprechen Gine und Frank nicht mehr mit Katrin und Ludwig Clasen. Sarah darf nicht mehr zu den Großeltern.
Während Gine zu einem drei Monate dauernden Kurs nach Kopenhagen reist, kommt Sarah in eine von Scientology geführte Kindertagesstätte.
Clasen sieht sich in der Kita um. Die Kinder werden in den verwahrlosten Räumen von einem Sechzehn- und einer Achtzehnjährigen beaufsichtigt, die offenbar nicht entsprechend ausgebildet sind. Durch seine guten Beziehungen gelingt es Clasen, die Einrichtung schließen zu lassen. Gine betrachtet ihren Vater nun endgültig als Feind.
Aufgrund einer Separationsorder von Scientology verlässt Gine ihren Mann und verschwindet mit Sarah. Unter dem Siegel der Verschwiegenheit vertraut Helen Frank an, dass die beiden in Clearwater, Florida, sind. In seiner Verzweiflung wendet Frank sich an seine Schwiegereltern. Clasen macht ihn mit der Rechtsanwältin Ursula Friedrich (Suzanne von Borsody) bekannt, die in mehreren Gerichtsverfahren gegen Scientology Erfahrungen gesammelt hat. Um Gine und Sarah zurückzuholen, fliegt Clasen mit der Anwältin nach Florida. Nach der Ankunft wird Clasen jedoch erst einmal festgenommen, denn seine Tochter, die von der Reise erfuhr, zeigte ihn an. Sie behauptete, er habe sie als Kind sexuell missbraucht. Nachdem es Clasen mit Hilfe seiner Anwältin gelungen ist, die Vorwürfe zu entkräften, reisen die beiden ab, ohne etwas erreicht zu haben.
Weil Frank mit seinem Schwiegervater an einer „Verschwörung“ gegen Scientology beteiligt war, muss er verraten, woher er Gines Aufenthaltsort kannte und in einer fensterlosen Kammer alles aufschreiben, was er jemals an Scientology kritisierte. Zur Strafe für sein „Verbrechen“ muss er ab jetzt die Toiletten in der Scientology-Niederlassung reinigen.
Helen Berg und Klaus Kaiser werden strafversetzt. Der neue Niederlassungsleiter heißt Chris (Ludwig Blochberger).
Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.
Trotz der Bedenken, die er inzwischen gegen Scientology hat, trennt Frank sich nicht von der Organisation, weil er befürchtet, seine Frau und seine Tochter dann nie mehr wiederzusehen. Clasen versteht diese Beweggründe nicht und wirft ihn aus der Wohnung, die ihm gehört. Der Obdachlose wird von der Scientologin Angela (Paula Schramm) aufgenommen und lässt sich auf eine Affäre mit ihr ein.
Nach fünf Stunden „Reinigung“ in der Sauna bricht Angela dehydriert zusammen. Weil Frank den Notarzt alarmiert, wirft man ihm Verrat vor.
Gine reist eigens aus Florida an, denn das „Fehlverhalten“ ihres Mannes fällt auch auf sie zurück und bremst sie in ihrer Scientology-Karriere. Ein Goldarmband zeigt, dass sie es bereits zum „operierenden Thetan“ gebracht hat. Sie gehört also zur Führung von Scientology. Stolz verkündet sie, dass die inzwischen achtjährige Sarah (Lale Kann) große Fortschritte bei Scientology mache.
Wo Sarah versteckt ist, will Gine ihm erst verraten, wenn sie sicher ist, dass er auf den „richtigen Weg“ zurückgefunden hat. Zur Rehabilitierung muss Frank nach Kopenhagen.
Als Frank aus dem Gebäude flieht, wird er von zwei Männern verfolgt. Zwei Polizisten, die Frank um Hilfe bittet, lachen ihn nur aus. Daraufhin tritt er gegen ihren geparkten Streifenwagen – und wird erwartungsgemäß festgenommen. Ursula Friedrich kommt und holt ihn aus der Haft. Bevor sie Kopenhagen verlassen, fährt Frank noch zu einer Baustelle, auf der Helen zur Strafe Steine schleppt und überredet sie, mitzukommen.
Die Anwältin hat herausgefunden, dass Sarah in einem dänischen Internat ist, das von Scientology betrieben wird. Frank holt seine Tochter dort heraus, aber kurze Zeit später taucht seine Frau auf und nimmt ihm Sarah wieder ab.
Schließlich leben Frank, Gine und Sarah wieder in Hamburg, allerdings getrennt. Frank dürfte seine Tochter an jedem zweiten Wochenende zu sich holen, aber die Neunjährige will mit dem „Antagonisten“ nichts zu tun haben. Nach einer Reihe von frustrierenden Versuchen gibt Frank die Besuche bei seiner Tochter auf.
Stattdessen beginnt er, gerichtlich um das Sorgerecht für seine Tochter zu kämpfen, und Ursula Friedrich unterstützt ihn dabei. Sie begründen den Antrag, Gine das Sorgerecht zu entziehen, mit deren Zugehörigkeit zu Scientology. In der Gerichtsverhandlung wird Gine von Harald Ruppert beraten. Die Richterin (Victoria Trauttmansdorff) hält Frank vor, er sei selbst jahrelang bei Scientology gewesen und habe seine Frau für die Organisation gewonnen. Weil Sarah erklärt, sie wolle nicht zu ihrem Vater, weist die Richterin Franks Klage zurück. Das alleinige Sorgerecht bleibt bei Gine.
Frank hat alles verloren.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)In dem Spielfilm „Bis nichts mehr bleibt“ beschäftigt sich Niki Stein (eigentlich: Nikolaus Stein von Kamienski) damit, wie Scientology Mitglieder wirbt, gewinnt, motiviert, diszipliniert, bestraft, Gegner angeht und Aussteiger verfolgt. Frank, der Scientology verlassen hat, kämpft um das Sorgerecht für seine neunjährige Tochter Sarah, deren Mutter Gine es bei Scientology zur Führungskraft gebracht hat. „Bis nichts mehr bleibt“ beginnt und endet mit der Gerichtsverhandlung. Wie Frank zu Scientology kam und was er dort erlebte, bis er sich von der Organisation löste, erfahren wir in Rückblenden.
Die fiktive Handlung von „Bis nichts mehr bleibt“ weist Parallelen mit der Lebensgeschichte von Heiner von Rönn auf, der Scientology 1995 nach elf Jahren Mitgliedschaft verlassen und dabei seine Frau und seine beiden Söhne verloren hatte. Er beriet das Filmteam ebenso wie Ursula Caberta y Diaz, die Leiterin der „Arbeitsgruppe Scientology“ in der Hamburger Innenbehörde.
Der Film erzählt zwar nicht eins zu eins meine Geschichte, aber ich war teilweise schon sehr angespannt, dieser Film schmeißt mich zurück in die Geschichte. Aber das ist eben der Preis, den ich dafür zahlen muss. Ich hoffe ja, dass er die Bevölkerung wachrüttelt. Scientology ist in meinen Augen keine Kirche, wie immer behauptet wird. Es ist eine Psycho-Sekte. Sonst hätte ich nicht zehn Jahre gebraucht, um mich seelisch davon zu befreien. (Heiner von Rönn im Interview mit Antje Hildebrandt, „Die Welt“, 27. März 2010)
Obwohl Niki Stein Sentimentalitäten vermeidet, ist „Bis nichts mehr bleibt“ ein mitreißender, aufrüttelnder Film. Die Geschichte wird stringent erzählt. Die schauspielerischen Leistungen von Felix Klare, Silke Bodenbender und allen anderen Darstellern sind überzeugend.
Die Handlung von „Bis nichts mehr bleibt“ wirkt realistisch. In wieweit die Darstellung der Wahrheit entspricht, kann ich nicht beurteilen. Zweifellos gehören die Filmemacher zu den Kritikern von Scientology.
Weil sie juristische Schritte gegen die Erstausstrahlung des Films am 31. März 2010 im Ersten Programm befürchteten, hieß es bei den Dreharbeiten, man arbeite für den SWR an einer „Tatort“-Folge mit dem Titel „Der Tote im Sund“.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010
Niki Stein (kurze Biografie / Filmografie)
Niki Stein: Die Quittung
Niki Stein: Der Mann im Strom
Niki Stein: Der Tiger oder Was Frauen lieben!
Niki Stein: Morgen musst du sterben
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Niki Stein: Der Tote im Eis