Vater Mutter Mörder

Vater Mutter Mörder

Vater Mutter Mörder

Originaltitel: Vater Mutter Mörder – Regie: Niki Stein (Nikolaus Stein von Kamienski) – Drehbuch: Niki Stein – Kamera: Arthur W. Ahrweiler – Schnitt: Barbara Hennings – Musik: Jacki Engelken, Ulrik Spies – Darsteller: Heino Ferch, Silke Bodenbender, Katharina Wackernagel, Antje Schmidt, Thomas Schendel, Merlin Rose, Dzmilja Anastasia Sjöström, Liv Lisa Fries, Wolfgang Häntsch, Nicole Poetschke, Jan-Gregor Kremp u.a. – 2011; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Ein 16-Jähriger aus einem intakten, gut situierten Elternhaus erschießt in seinem Heimatdorf in Brandenburg drei Menschen. Seine Mutter kann sich nicht vorstellen, dass er ein Mörder ist, muss aber nach einiger Zeit die Wahrheit zur Kenntnis nehmen. Der Vater grübelt darüber nach, wie es zu der unfassbaren Tat kommen konnte. Es sieht so aus, als gebe er sich eine Mitschuld, aber als er versucht, den Jungen für unzurechnungsfähig erklären zu lassen, wirft ihm seine Frau vor, er wolle sich sein erzieherisches Versagen nicht eingestehen ...
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Kritik

In der Familientragödie "Vater Mutter Mörder" interessiert Niki Stein nicht so sehr, wie es zu dem unfassbaren Verbrechen kommen konnte, sondern wie die Eltern des Täters mit der Situation umgehen. Das zeigt er sehr differenziert und nachvollziehbar.
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Das Ehepaar Tom und Esther Wesnik (Heino Ferch, Silke Bodenbender) kommt am frühen Morgen von einer Party in Berlin zurück in das brandenburgische Dorf Seenitz. Die Familie bewohnt dort einen ehemaligen Bauernhof, auf dem die Physiotherapeutin Esther Wesnik unter anderem therapeutisches Reiten anbietet. In einer der Dorfstraßen stehen Feuerwehr, Streifen-, Kranken- und Leichenwagen. Der Pressefotograf Tom Wesnik fährt deshalb seine Frau nach Hause, holt sich seine Kamera und mischt sich unter die Gaffer.

Ob er registriert, dass die Menschen vor ihm zurückweichen? Eine Frau sagt zu ihrem Mann: „Der hat ja Nerven!“ Drei Särge werden aus dem Haus der Familie Ramelow getragen und in die Leichenwagen geschoben. Der Bürgermeister macht den Hauptkommissar Franz (Thomas Schendel) und die Staatsanwältin Stiller (Antje Schmidt) auf Tom Wesnik aufmerksam. Sie bitten daraufhin einen Polizisten, den Fotografen durch die Absperrung zu führen. Dann sagen sie Tom, dass sein 16-jähriger Sohn Lukas (Merlin Rose) und dessen Freund Dennis Brandt die Eltern ihrer Mitschülerin Katja Ramelow (Liv Lisa Fries) erschossen haben. Katja nahmen die beiden Täter als Geisel, als die von Nachbarn alarmierte Polizei das Haus umstellte. Nach ersten Ermittlungsergebnissen sieht es so aus, als hätten die beiden Jungen sich am Ende selbst erschießen wollen. Dennis starb durch einen Kopfschuss. Lukas wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht.

Tom lässt sich von Kommissar Franz in die Klinik fahren. Sein Sohn liegt im Koma.

Nach ein paar Tagen kommt Lukas wieder zu sich, und die Ärzte sind zuversichtlich, dass er gesund wird.

Die Tatwaffe stammt aus Toms Besitz. Er hatte die ursprünglich bei der NVA benutzte Pistole bei Renovierungsarbeiten im Keller gefunden und verbotenerweise behalten.

Esther kann sich nicht vorstellen, dass Lukas ein Mörder ist. Als es im Fernsehen heißt, nur einer der beiden Jugendlichen habe geschossen, mutmaßt sie, es sei Dennis gewesen. Sie stellt sich vor, dass Katja mit Dennis gemeinsame Sache machte und die beiden ihren Freund Lukas mit hineinzogen. Aber Kommissar Frank klärt sie darüber auf, dass nur Lukas schoss.

Die schwangere Rechtsanwältin Lydia Calotti (Katharina Wackernagel) soll Lukas verteidigen. Als die Eltern fragen, was im Fall einer Unzurechnungsfähigkeit geschehen würde, meint die Juristin, das sollten sie sich nicht wünschen, denn bei einer zwangsweisen Unterbringung in der Psychiatrie bleibe die Dauer offen. Sie rechnet hingegen damit, dass Lukas wegen Mordes zu zehn Jahren Haft verurteilt wird und acht Jahre verbüßen muss. Da habe er zumindest eine Perspektive, sagt sie. Tom muss wegen illegalen Waffenbesitzes mit einer Geldstrafe rechnen.

Lukas‘ Schwester Marlene (Dzamilja Anastasia Sjöström) ist völlig verstört. Esther, die zunächst zusammenbrach, besucht ihren Sohn regelmäßig im Gefängnis, hält zu ihm und versucht alles, ihm zu helfen. Tom verweigert Lukas dagegen jeden Kontakt. Überhaupt redet er kaum noch ein Wort. Er grübelt darüber nach, warum Lukas drei Menschen ermordet hat und fühlt sich mitschuldig – nicht nur wegen der Pistole. „Wir können doch nicht so tun, als ob wir nichts damit zu tun haben“, sagt er zu seiner Frau. „Was haben wir falsch gemacht?“ Eine Antwort findet er nicht.

Esther rät ihm, den Auftrag seines Chefredakteurs Neuburger (Wolfgang Häntsch) anzunehmen, die nach der Explosion der Bohrinsel Deepwater Horizon im Golf von Mexiko mit Ölschlamm verschmutzten Strände von Louisiana zu fotografieren. Im Dorf ist es unerträglich geworden: Die Wesniks werden nicht nur gemieden, sondern offen angefeindet. Esther will mit Marlene nach Berlin, wo sie in der Wohnung einer verreisten Freundin wohnen können. Ohnehin möchte sie sich vorübergehend von Tom trennen.

Der fährt zum Flughafen, überlegt es sich jedoch im letzten Augenblick anders und kehrt um.

In Berlin finden Marlenes Mitschüler nach kurzer Zeit heraus, dass sie die Schwester des dreifachen Mörders ist. Weil sie deshalb ausgegrenzt wird, will Esther das Mädchen nach England in ein Internat schicken. Um das bezahlen zu können, soll das Anwesen in Seenitz verkauft werden. Das Ehepaar beauftragt eine Maklerin (Nicole Poetschke) damit.

In Seenitz sieht Tom Katja Ramelow am Straßenrand stehen. Er hält mit dem Auto an und nimmt sie mit. Sie hält es bei ihrer Tante und ihrem Onkel nicht mehr aus und will nach Berlin. Tom nutzt die Gelegenheit, um sie über den Tathergang auszufragen. Offenbar hatten sie und Lukas mehr als eine freundschaftliche Beziehung.

Weil Esther und Marlene das Mädchen nicht bei sich haben wollen und Katja nicht weiß, wo sie sonst in Berlin unterkommen könnte, nimmt Tom sie wieder mit zurück nach Seenitz.

An diesem Abend wird sein Auto abgefackelt.

Der vom Gericht bestellte Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass Lukas voll schuldfähig ist.

Lydia Calotti überredet Tom, mit ihr zusammen seinen Sohn in der Justizvollzugsanstalt zu besuchen. Der Vater verweigert seinem Sohn allerdings den Handschlag, bleibt distanziert und verlangt von dem 16-Jährigen, dass er zu der Tat steht.

Die Anwältin bringt Tom, der inzwischen in einem Berliner Hotel wohnt, die von der Polizei bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Sachen. Darin findet er ein Buch mit gezeichneten Gewaltfantasien und dazugehörigen Texten. Da schreibt Lukas beispielsweise, er wolle die Welt von allem Minderwertigen säubern.

Tom zeigt seiner Frau das Buch und fragt sie, ob sie von den Gewaltfantasien des Sohnes wusste. Da gesteht Esther, dass der Junge vor zwei Jahren eine sechsmonatige Gesprächstherapie bei einem Jugendpsychiater in Berlin machte. Tom hat davon nichts gewusst. Als er sich darüber beschwert, wirft Esther ihm seine häufige, beruflich bedingte Abwesenheit vor. Lukas habe sich wegen seines Bettnässens und seiner Angstattacken geschämt und nicht gewollt, dass der Vater etwas davon erfuhr.

Unverzüglich sucht Tom den Jugendpsychiater Balthasar (Jan-Gregor Kremp) auf, bei dem Lukas in Behandlung war. Er erwartet von ihm ein Gegengutachten, denn aufgrund der für ihn neuen Information geht Tom jetzt davon aus, dass Lukas psychisch krank und unzurechnungsfähig ist. Professor Balthasar erklärt ihm, Lukas habe seinen Vater idealisiert und befürchtet, ihm nicht gerecht zu werden. Daraus seien seine Ängste entstanden, und die habe er zunächst mit Gewaltfantasien und schließlich mit dem Mord zu überwinden versucht. Schuldunfähig sei er keinesfalls.

Tom unterstellt dem Psychiater, dass es ihm nur darauf ankomme, sein Versagen in Lukas‘ Therapie zu vertuschen. Esther wirft ihrem Mann dagegen vor, Lukas lieber für verrückt erklären und für unbestimmte Zeit in der Psychiatrie wegsperren zu lassen als sich einzugestehen, dass er in der Erziehung versagte, weil er sich zu wenig um die Kinder kümmerte und keine enge Beziehung zu seinem Sohn aufbaute, obwohl dieser ihn bewunderte.

Der Prozess gegen Lukas beginnt. Nachdem Dennis‘ Vater den Angeklagten im Gerichtssaal mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat, unterbricht der Richter die Verhandlung für zwei Wochen.

Als Tom sich mit der Maklerin und Kaufinteressenten in Seenitz trifft, gibt Katja ihm einen an Lukas adressierten Brief mit. Tom öffnet ihn. Katja entschuldigt sich bei Lukas dafür, dass sie ihn mit Dennis betrog. Was er getan habe, beweise ihr seine Liebe. Handelte Lukas aus Eifersucht?

Am nächsten Tag sagt Katja als Zeugin vor Gericht aus. Sie berichtet, dass sie an dem Abend, an dem ihre Eltern ermordet wurden, Hausarrest hatte. Bevor sie weiterreden kann, ergreift Lukas das Wort und versichert, dass weder Katja noch Dennis etwas von seiner Mordabsicht ahnten. Sie hatten nur abgesprochen, Katjas strengen Eltern einen Denkzettel zu verpassen. Deshalb drangen sie in das Haus ein und fesselten die beiden Erwachsenen. Aber Lukas wollte Katja seine Stärke beweisen und ihr zugleich die Feigheit seines Rivalen Dennis demonstrieren. Deshalb forderte er ihn auf, Katjas am Boden kniende Mutter zu erschießen, nachdem er selbst bereits den Vater getötet hatte. Wie erwartet, weigerte Dennis sich. Da schoss Lukas ein zweites Mal. Und als Dennis weg wollte, ermordete er auch ihn. Danach wollte er sich selbst das Leben nehmen, aber der Suizid misslang.

Nachdem Lukas sich zu seiner Tat bekannt hat, wie von seinem Vater erwartet, versucht er sich erneut das Leben zu nehmen. In seinem Abschiedsbrief bittet er seine Eltern, sich nicht zu trennen. Er wird gerettet. Tom und Esther eilen sofort zu ihm ins Krankenhaus. Auch Tom bekennt sich nun zu seinem Sohn.

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Die Familientragödie „Vater Mutter Mörder“ von Niki Stein (eigentlich: Nikolaus Stein von Kamienski) handelt von einem unauffälligen 16-Jährigen aus einem intakten, gut situierten Elternhaus, der völlig unerwartet zum Dreifachmörder wird.

Der Plot erinnert an einen Doppelmord am 13. Januar 2007 in Tessin, einem Dorf in Mecklenburg. Die beiden 17 Jahre alten Gymnasiasten Felix D. und Torben B., die in Boizenburg zur Schule gingen, fesselten Eyleen, die zwei Jahre jüngere Freundin von Felix‘ Schwester, und legten sie in einen Schuppen. Dann klingelten sie bei dem Haus, in dem Felix‘ Freund Florian mit seinen Eltern wohnte. Mit Küchenmessern, die sie eigens mitgebracht hatten, stachen sie etwa 70-mal auf Florians Eltern ein. Dann zerrten sie ihre Geisel ins Haus und töteten vor ihren Augen die blutüberströmte, aber noch lebende Frau. Florian war es gelungen, sich in seinem Zimmer zu verbarrikadieren und die Polizei zu alarmieren. Felix und Torben flohen mit ihrer Geisel Eyleen im Auto der Ermordeten, blieben aber nach wenigen Metern liegen und ergaben sich nach einer Stunde der Polizei. Das Landgericht Schwerin verurteilte die beiden Mörder zu je neuneinhalb Jahren Jugendhaft.

Möglicherweise hätte eine fragmentarische Erzählweise besser zu der Verstörung der Eltern gepasst, aber Niki Stein entwickelt die Geschichte chronologisch aus der Sicht des Vaters Tom Wesnik, der von Heino Ferch eindrucksvoll dargestellt wird. Die Ermittler bleiben Randfiguren, denn es geht nicht um die Aufklärung eines Verbrechens. Niki Stein liefert zwar Erklärungen dafür, wie es zu dem unfassbaren Verbrechen kommen konnte, aber mehr als die Motive interessiert ihn, wie die Eltern des Täters mit der Situation umgehen. Und das zeigt er in „Vater Mutter Mörder“ sehr differenziert und nachvollziehbar. Am Ende steht die Frage, ob die Eltern den Jungen noch als Sohn akzeptieren und lieben können, obwohl er drei Menschen ermordete.

Dass auch im Drehbuch eines recht guten Fernsehfilms wie „Vater Mutter Mörder“ ein Dialog missraten sein kann, zeigt das folgende Beispiel, bei dem auch Heino Ferchs schauspielerisches Können nichts mehr hilft. Nachdem Tom Wesnik gerade erfahren hat, dass drei Menschen erschossen wurden, erwähnt die Staatsanwältin seinen Sohn. Daraufhin findet folgender Dialog zwischen Tom Wesnik und Hauptkommissar Franz statt:

„Was ist denn mit Lukas?“
„Kommen Sie bitte mit.“
[Sie gehen zu Franz‘ Wagen.] „Was ist denn mit Lukas?“
„Ihr Sohn und sein Freund haben die Eltern von Katja Ramelow erschossen.“
„Was?!“
„Na kommen Sie, steigen Sie ein.“
„Wo fahren wir denn hin?“
„Zu Ihrem Sohn ins Krankenhaus. Ins Leichenschauhaus wäre Ihnen wohl lieber, was? Kann ich verstehen.“

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.