Das Nibelungenlied

Das Nibelungenlied
Entstehung: um 1200 Erster auszugsweises Druck: 1757 Erster vollständiger Druck: 1782 Neuhochdeutsche Übertragung: Gotthard Oswald Marbach, 1841 Nachdruck: Bibliophile Taschenbücher, Dortmund 1978 Prosaübersetzung von Uwe Johnson und Manfred Bierwisch Insel Taschenbuch, Frankfurt/M 2005
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Um sich mit Kriemhild vermählen zu können, hilft Siegfried ihrem Bruder, dem Burgunderkönig Gunther, die isländische Königin Brunhild durch eine List zu erobern. Jahre später klärt Kriemhild ihre Schwägerin im Streit über den Betrug auf. Um die Schmach Brunhilds zu rächen, tötet ihr treuer Gefolgsmann Hagen Siegfried. Dessen Witwe schwört daraufhin den Burgundern blutige Rache ...
mehr erfahren

Kritik

Das Nibelungenlied – das bedeutendste mittelhochdeutsche Heldenepos – kennen wir aus 34 bruchstückhaften Handschriften. Um 1200, irgendwo zwischen Passau und Wien, wurde es von einem anonymen Autor gestaltet, der dabei germanische Heldensagen aufgriff.
mehr erfahren

Vorgeschichte: Siegfried wird als Sohn von König Siegmund und dessen Gemahlin Sieglinde in Xanten geboren, wächst jedoch ohne Wissen über seine Herkunft bei dem Schmied Mime am Rhein auf. Er tötet den gefürchteten Drachen Fafner im Zweikampf und badet in dessen Blut. Das Drachenblut macht seine Haut zu einem Schutzpanzer, dem nicht einmal ein Schwertstreich etwas anhaben kann. Allerdings übersieht Siegfried ein Lindenblatt zwischen seinen Schulterblättern und bleibt deshalb an dieser Stelle verwundbar. Alle Warnungen ignorierend, reißt er den „Nibelungenhort“ gewaltsam an sich, also den mit einem Fluch behafteten Goldschatz, den Alberich – der König des Zwergengeschlechts der Nibelungen – dem Drachen hatte überlassen müssen. Dabei erbeutet er das Schwert „Balmung“.

Siegfried reitet nach Worms, um Kriemhild, die Schwester des Burgunderkönigs Gunther zu erobern. Zunächst kommt es beinahe zum Kampf zwischen Siegfried und den Burgundern, aber dann heißen sie ihn bei Hof willkommen. Gunther verspricht ihm die Hand seiner Schwester unter der Bedingung, dass er ihm hilft, die isländische Königin Brunhild (Brunhilde, Brünhilde) zu erobern. Die Jungfrau verfügt über außergewöhnliche Körperkräfte und will sich nur mit einem Mann vermählen, der sie bei Kampfspielen zu bezwingen vermag: Der Bewerber muss einen Speer werfen, den drei Männer kaum zu tragen vermögen, einen noch viel schwereren Stein schleudern und hinterherspringen. Weil Gunther dazu nicht in der Lage wäre, setzt Siegfried die Tarnkappe auf, die er von Alberich bekam und überlistet Brunhild. Sie muss sich geschlagen geben und wird bei einer Doppelhochzeit in Worms Gunthers Frau. Weil sie jedoch den Beischlaf verweigert, ruft Gunther erneut Siegfried zu Hilfe. Der setzt wieder die Tarnkappe auf, bricht Brunhilds Widerstand und tauscht dann mit seinem Schwager den Platz im Bett. Bevor er den Raum verlässt, raubt er Brunhilds Ring und Gürtel.

Siegfried und Kriemhild ziehen nach Xanten, wo Kriemhild neun Jahre später einen Sohn zur Welt bringt, der den Namen Gunther erhält. Brunhilds Sohn heißt dagegen Siegfried.

Bei einem Fest in Worms geraten Kriemhild und Brunhild in Streit, wem von ihnen beim Kirchgang der Vortritt zusteht, und die Gemahlin des Burgunderkönigs behauptet, Siegfried sei nichts weiter als ein Vasall ihres Mannes. Da klärt Kriemhild ihre Feindin darüber auf, dass nicht Gunther, sondern Siegfried sie sowohl im Wettkampf als auch im Bett bezwang. Als Beweise zeigt sie ihr Ring und Gürtel.

Brunhilds Gefolgsmann Hagen von Tronje beschließt, die Schmach seiner Königin zu rächen und weiht auch König Gunther in seine Pläne ein. Sie erwecken den Anschein, als komme es zum Krieg mit Dänen und Sachsen. Siegfried ist bereit, ritterlich an der Seite der Burgunder zu kämpfen, und Hagen verspricht der besorgten Kriemhild, er werde ihren Mann beschützen. Durch diese Täuschung gelingt es Hagen, Kriemhild das Geheimnis über Siegfrieds Verwundbarkeit zu entlocken. Während einer Verschnaufpause bei einer Jagd pirscht Hagen sich von hinten an den aus einer Quelle trinkenden Recken heran und rammt ihm einen Speer zwischen die Schulterblätter.

Kriemhild ist untröstlich über Siegfrieds Tod und schwört, ihn zu rächen. Um ihr die Möglichkeit zu nehmen, durch die Verteilung des von Siegfried geerbten Nibelungenhorts Ritter um sich zu scharen, raubt Hagen ihr den Goldschatz und versenkt ihn unauffindbar im Rhein.

Als der Hunnenkönig Etzel 13 Jahre nach Siegfrieds Tod von der stolzen Witwe Kriemhild hört, schickt er Markgraf Rüdiger von Bechelaren nach Worms, damit dieser in seinem Auftrag um sie wirbt. Hagen kann nicht verhindern, dass Kriemhild den Antrag annimmt und sich im Gefolge Rüdigers auf den Weg macht, um die Frau des Hunnenkönigs zu werden. Nach sieben Ehejahren wird sie von einem Sohn entbunden, den sie Ortlieb nennt. Weitere sechs Jahre später täuscht Kriemhild vor, sie sehne sich nach ihren Brüdern und überredet Etzel, die Burgunder einzuladen, die sich inzwischen Nibelungen nennen.

Obwohl Hagen sie warnt, nehmen Gunther und seine beiden Brüder die Einladung an und reiten mit tausend Gefolgsleuten nach Etzelburg. Nixen sagen Hagen voraus, dass niemand außer dem Kaplan des Königs die Reise überleben wird. Um die Prophezeiung zu testen, versucht Hagen, den Kaplan zu ertränken – und als ihm dies misslingt, ahnt er das drohende Unheil.

Auch Dietrich von Bern durchschaut Kriemhilds tückische Absicht, aber die Nibelungen hören nicht auf ihn. Kriemhild zettelt ein Gemetzel zwischen Hunnen und Nibelungen an. Hagen erschlägt Kriemhilds Sohn Ortlieb. Während Etzel selbst nicht mitkämpft, stellen Iring von Dänemark, Irnfried von Thüringen, Rüdiger von Bechelaren und Dietrich von Bern sich auf die Seite der Hunnen. Von den Nibelungen leben schließlich nur noch Gunther und Hagen, und die nimmt Dietrich von Bern gefangen. In ihrer Gier nach dem Goldschatz will Kriemhild von den beiden das Versteck des Nibelungenhorts erfahren. Als Hagen schwört, das Versteck nicht zu verraten, solange König Gunther lebe, lässt die Rasende ihrem Bruder den Kopf abschlagen. Da lacht Hagen höhnisch: Jetzt wissen nur noch Gott und er, wo sich der Goldschatz befindet. Außer sich vor Zorn schlägt Kriemhild ihm mit Siegfrieds Schwert „Balmung“ eigenhändig den Kopf ab – und wird deshalb selbst von Dietrichs altem Waffenmeister Hildebrand getötet.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Während sich im ersten Teil des Nibelungenlieds kaum historische Bezüge erkennen lassen, kann man den zweiten Teil mit dem Burgunderreich am Rhein in Verbindung bringen.

Wie die anderen Ostgermanen kamen die Burgunder aus Skandinavien. Im 1. Jahrhundert siedelten sie sich zwischen Oder und Weichsel an, im 3. Jahrhundert zogen sie an den oberen Main, und 406 überquerten sie den Rhein. 413 ließen die Burgunder sich bei Worms nieder. Als der Burgunderkönig Gundaher (Gunther) versuchte, sein Gebiet nach Westen auszuweiten, zerschlug der römische Patricius und Heermeister Aetius mit hunnischen Hilfstruppen 436 Gundahers Reich. Die überlebenden Burgunder siedelte Aetius ein paar Jahre später südwestlich des Genfer Sees an.

Attila (Etzel), der 434 mit seinem Bruder Bleda (Blödel) die Herrschaft über die hunnischen Reiterscharen übernommen hatte, war jedoch an der Vernichtung des Burgunderreichs nicht selbst beteiligt. Er starb 453 in seiner Hochzeitsnacht mit der Germanin Ildico (Hilde, Kriemhilde), vermutlich an einem Herzanfall, auch wenn bald Gerüchte aufkamen, Ildico habe ihn ermordet.

Mit Dietrich von Bern ist der Ostgotenkönig Theoderich gemeint. Allerdings lebte nicht Theoderich, wohl aber sein Vater Thiudimer (Dietmar) am Hof Attilas (Etzel).

Hass und Hinterlist, Mord und Rache sind die Themen des Nibelungenlieds. Obwohl einzelne Figuren wie Siegfried, Hagen und Kriemhild das Geschehen durch ihre Handlungen bestimmen, wirken die Abläufe doch eher schicksalshaft.

Das Nibelungenlied – das bedeutendste mittelhochdeutsche Heldenepos – kennen wir aus 34 bruchstückhaften Handschriften. Es entstand in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, vermutlich irgendwo zwischen Passau und Wien. Der anonyme Autor griff germanische Heldensagen auf und gestaltete ein mittelhochdeutsches Epos aus vierzeiligen Strophen mit paarweisen Endreimen (Nibelungenstrophe). Das Nibelungenlied besteht je nach Fassung aus 2316, 2376 oder 2442 Strophen und jeweils aus zwei Teilen. In den ersten neunzehn sog. Aventiuren geht es um die Geschichte Siegfrieds bis zu seiner Ermordung; die Aventiuren 19 bis 39 handeln von Kriemhilds Rache.

1757 wurde das jahrhundertelang vergessene und gerade erst wieder entdeckte Nibelungenlied von Johann Jakob Bodmer erstmals auszugsweise veröffentlicht. Der erste vollständige Druck erschien fünfundzwanzig Jahre später. Im 19. Jahrhundert erhielt das Nibelungenlied immer stärker die Funktion eines deutschen Nationalepos – obwohl man es allenfalls als Schüler in entsprechenden Adaptationen las. Am 29. März 1909 prägte Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow in Bezug auf das Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und der Donaumonarchie den Begriff „Nibelungentreue“. Mit der „Dolchstoßlegende“ über die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg spielte Paul von Hindenburg am 18. November 1919 wohl auch auf die hinterhältige Ermordung Siegfrieds durch Hagen an.

Friedrich Hebbel verwendete den Stoff in einem 1861 in Weimar uraufgeführten dreiteiligen Trauerspiel mit dem Titel „Die Nibelungen“ („Der gehörnte Siegfried“, „Siegfrieds Tod“, „Kriemhilds Rache“). Die berühmteste Bearbeitung stammt von Richard Wagner: „Der Ring der Nibelungen“ ist ein „Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend“. Der aus „Das Rheingold“, „Die Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ bestehende Zyklus wurde erstmals im August 1876 in Bayreuth aufgeführt. („Das Rheingold“ und „Die Walküre“ waren bereits am 22. September 1869 bzw. am 26. Juni 1870 im Königlichen Hof- und Nationaltheater in München uraufgeführt worden.) Fritz Lang inszenierte 1924 den zweiteiligen Film „Die Nibelungen“ („Siegfried“, „Kriemhilds Rache“). Eine weitere Adaptation fürs Kino schuf Harald Reinl 1966: „Die Nibelungen“.

2005 druckte der Insel Verlag in Frankfurt/M und Leipzig eine Taschenbuchausgabe mit einer Prosaübersetzung des Nibelungenlieds von Uwe Johnson und Manfred Bierwisch. Bei Artemis & Winkler in Düsseldorf und Zürich erschien im selben Jahr eine von Ursula Schulze editierte und übersetzte Ausgabe des Nibelungenlieds in mittel- und neuhochdeutscher Sprache nach der Handschrift C der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe.

 

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004 / 2009

Uli Edel: Die Nibelungen

Helmut Krausser - Alles ist gut
Intelligent komponiert, witzig und höchst unterhaltsam ist der Roman "Alles ist gut". Helmut Krausser nimmt damit den Kulturbetrieb ebenso satirisch wie selbstironisch aufs Korn.
Alles ist gut