Der König tanzt
Der König tanzt
Inhaltsangabe
Kritik
Im Alter von dreizehn Jahren war der italienische Bauernsohn Giovanni Battista Lulli aus Florenz 1646 an den französischen Königshof gekommen und hatte sich dort mit dem fast sechs Jahre jüngeren König Ludwig XIV. (Benoît Magimel) befreundet, für den seine Mutter Anna von Österreich (Collette Emmanuelle) die Regentschaft und Kardinal Mazarin (Serge Feuillard) die Regierung führten.
Jean-Baptiste Lully (Boris Terral), wie er in Frankreich hieß, bringt dem König das Tanzen bei und überredet ihn zu einem spektakulären Auftritt am 23. Februar 1653 als aufgehende Sonne im „Ballet royal de la nuit“. Der König tanzt! In seiner Begeisterung ernennt Ludwig XIV. den Musiker Jean-Baptiste Lully daraufhin zum Hofkomponisten („Compositeur de la musique instrumentale“).
Einen Tag nach dem Tod des leitenden Ministers Kardinal Mazarin am 9. März 1661 erklärt der inzwischen zweiundzwanzig Jahre alte König Ludwig XIV., er werde keinen Nachfolger ernennen und von nun an selbst regieren. Prince de Conti (Idwig Stephane), der seit einer Syphiliserkrankung fromm ist, wird aus dem Geheimen Staatsrat ebenso verbannt wie Ludwigs Mutter Anna von Österreich, die gegen die Entmachtung ihres Günstlings protestiert.
König Ludwig XIV. ordnet den Bau einer großen Schloss- und Parkanlage in Versailles durch Louis Le Vau (Michel Alexandre) und André Le Nôtre (Alain Eloy) an. Bei der Besichtigung des sumpfigen Baugebiets fällt Ludwig XIV. ins Wasser und erkrankt so schwer an einem Fieber, dass die Ärzte das Schlimmste befürchten. Da legt Jean-Baptiste Lully festliche Kleidung an und spielt mit seinen Musikern eine ganze Nacht lang vor dem Schlafgemach des kranken Königs, obwohl seine Geliebte Madeleine (Cécile Bois) zur selben Zeit ihr erstes Kind bekommt. Am nächsten Morgen hat sich der König wie durch ein Wunder erholt.
Jean-Baptiste Lully tut sich mit Molière (Tchéky Karyo) zusammen. Gemeinsam führen sie das „Comédie Ballet“ bei Hof ein.
Bei der Uraufführung der Verskomödie „Tartuffe ou L’imposteur“ (Tartuffe oder Der Betrüger) von Molière im Mai 1664 kommt es zu einem Eklat: Weil es in der Erstfassung um einen scheinheiligen Geistlichen geht, der in Wirklichkeit ein raffgieriger, lüsterner Betrüger ist, fühlen sich die Frömmler herausgefordert. Empört setzen die fromm-katholische Königinmutter Anna von Österreich und eine Gruppe von ihr nah stehenden, zumeist älteren Höflingen König Ludwig XIV. so unter Druck, dass er sich gezwungen sieht, weitere Aufführungen des Stücks zu verbieten.
Im Bordell lässt Jean-Baptiste Lully sich mit einem jungen Pagen ein, und als er am Morgen erwacht, liegt dessen Leiche neben ihn. Jemand hat ihm die Kehle durchschnitten. War es Jean-Baptiste Lully oder handelt es sich um eine skrupellose Intrige seiner Gegner? Ludwig XIV. bedeutet ihm, dass er einen solchen Skandal kein zweites Mal dulden werde. Jean-Baptiste Lully appelliert an seine Freundschaft, aber der König erklärt ihm: „Ich habe keine Freunde.“
1666 stirbt Anna von Österreich an Krebs. Zuvor haben ihr die Ärzte noch ohne Betäubung eine Brust abgeschnitten. Die Sterbende fleht ihren Sohn an, sich von unfrommen Künstlern wie Molière und Jean-Baptiste Lully zu trennen, aber Ludwig XIV. will sich nicht verbiegen lassen.
Während der König sich mit einer Mätresse im Bett vergnügt, muss Jean-Baptiste Lully dazu musizieren (1667).
Der „Sonnenkönig“ tritt 1670 zum letzten Mal selbst in einem Ballett auf.
Molière drängt Jean-Baptiste Lully, gemeinsam eine Oper zu machen, aber der Komponist weigert sich – bis ihn die attraktive Opernsängerin Julie (Claire Keim) zum Umdenken bringt.
Schließlich erträgt Jean-Baptiste Lully es nicht mehr, sich die Gunst des Publikums mit Molière teilen zu müssen, und er beginnt, gegen seinen bisherigen Freund zu intrigieren. Bald darauf, am 17. Februar 1673, stirbt Molière.
Als König Ludwig XIV. am 8. Januar 1687 nicht zu einer Aufführung des „Te deum“ erscheint, dirigiert Jean-Baptiste Lully so zornig, dass er sich versehentlich die Spitze des zwei Meter langen Taktstocks in den Fuß rammt. Weil sich die Wunde entzündet, raten die Ärzte zu einer Amputation, aber davon will der Tänzer und Musiker nichts hören. Bevor er stirbt, suchen ihn im Fieberwahn Erinnerungen heim.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Gérard Corbiau beginnt seinen Film „Der König tanzt“ mit dem Ende: Jean-Baptiste Lully liegt im Sterben. Im Fieberwahn suchen ihn Erinnerungen heim.
Der Film ist ein Fiebertraum über die Verwicklungen und Verwirrungen, die politischen und die psychischen, die sich ergeben zwischen der Kunst und der Politik, der Kreativität und der Macht. (Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung, 2. Mai 2001)
Die Handlung spielt in der Zeit vom 23. Februar 1653 bis 22. März 1687 am französischen Königshof. Es geht um das Verhältnis des „Sonnenkönigs“ Ludwig XIV. zu Künstlern wie Jean-Baptiste Lully und Molière. Gérard Corbiau thematisiert in „Der König tanzt“ die Unfreiheit auch der Künste im Absolutismus und ihren Missbrauch für Machtdemonstrationen. Daneben geht es um Männerfreundschaft und Homosexualität, Ehrgeiz, Rivalität und Intrigen. Auch der Generationenkonflikt zwischen dem König, seiner fromm-katholischen Mutter Anna von Österreich und einer Gruppe von ihr nah stehenden konservativen Höflingen spielt eine Rolle. Heuchelei und Doppelmoral werden von Gérard Corbiau wie von Molière aufs Korn genommen. Von den diplomatischen Schachzügen und Eroberungskriegen, mit denen König Ludwig XIV. Frankreich zur damals mächtigsten Nation der Erde machte, erfahren wir in dem Historiendrama „Der König tanzt“ allerdings ebenso wenig wie von der Diskrepanz zwischen dem verschwenderischen Hofleben und der Not des „Dritten Standes“ [Französische Revolution].
Tagsüber brechen majestätische Reitergesellschaften zur vornehmen Jagd auf, abends tanzt der Sonnenkönig, ganz in Goldbronze getaucht, auf rauschenden Theaterfesten, und nachts finden schwüle Orgien mit barbusigen Mätressen statt […] Corbiau kann sich aber nicht so recht entscheiden, ob er die private Geschichte einer latent homoerotischen Männerfreundschaft zwischen Lully und Louis erzählen will oder ob es mehr um die Wechselwirkungen zwischen Kunst und Macht gehen soll. Ob er den Sonnenkönig als spleenig durchgedrehten Egomanen porträtieren will oder als einen jungen Aufbegehrenden, der mit den Mitteln der Kunst die Bigotterie und die verkrusteten Moralvorstellungen am französischen Hof aufbricht. Ob er aus Lully nur einen gewissenlosen Karrieristen machen soll, der irgendwann sogar seinen alten Weggefährten Molière verrät, oder einen smarten Barock-Rocker […] Corbiau zeigt von allem ein bisschen, ohne tieferen Sinn, ohne dramaturgisches Ziel. (Claus Spahn, „Die Zeit“)
Schwelgerische Bilder, Barockmusik und –tanz verbinden sich in „Der König tanzt“ zu einem opulenten Fest der Sinne, über dem ein Hauch von Dekadenz schwebt.
Gefilmt wurde großenteils im Filmzentrum „Coloneum“ in Köln.
Reinhard Goebel dirigiert das Kölner Ensemble „Musica Antiqua“. Choreografie: Béatrice Massin. Musikalische Beratung: Daniel Lipnik.
Musik in „Der König tanzt“:
Robert Cambert („Pomone“), Jacques Cordier („La Bocanne compliquée“, „La Bocanne primitive“), Michel Lambert („Ombre de mon amant“), Jean-Baptiste Lully („Ballet dAlcidiane“, „Amadis“, „Armide“, „Atys“, „Isis“, „Le triomphe de l’amour“, „Persée“, „Xerxes“, „Idylle sur la paix“, „Te Deum“, „Phaéton“).
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006
Jean-Baptiste Lully (Kurzbiografie)
Molière (Kurzbiografie)
Frankreich unter König Ludwig XIV.
Gérard Corbiau (kurze Biografie / Filmografie)
Gérard Corbiau: Farinelli