Rolf Dobelli : Die Kunst des klaren Denkens
Inhaltsangabe
Kritik
In 52 von Birgit Lang illustrierten Kapiteln beschreibt Rolf Dobelli mit jeweils drei Seiten Text systematische Denkfehler. Dabei unterhält er mit Anekdoten und veranschaulicht seine Erläuterungen u. a. durch skizzenhaft umrissene Experimente.
Rolf Dobelli weist selbst darauf hin, dass es mehr als 52 systematische Denkfehler gibt.
30 der 52 in „Die Kunst des klaren Denkens“ besprochenen Denkfehler tragen englischsprachige Bezeichnungen wie zum Beispiel Survivor Bias, Swimmer’s Body Illusion, Sunk Cost Fallacy, Zero-Risk Bias, Base-Rate Neglect, Conjunction Fallacy oder Hyperbolic Discounting. Was wir im Alltag als Herdentrieb kennen, heißt bei Rolf Dobelli Social Proof.
Ursprünglich erschienen die 52 Texte zwischen dem 5. September 2010 und dem 29. August 2011 in einer wöchentlichen Kolumne Rolf Dobellis in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Schweizer SonntagsZeitung. Dementsprechend wird kaum jemand „Die Kunst des klaren Denkens“ von der ersten bis zur letzten Seite lesen. Es ist ein Buch zum Blättern. Liest man hier und da mal ein paar Kapitel, ist das durchaus anregend und unterhaltsam.
Tiefschürfend ist es nicht, eher trivial. Nach Dobellis eigener Definition in „Die Kunst des klaren Denkens. 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen“ vermittelt das Buch „Chauffeur-Wissen“. (Die Bezeichnung für oberflächlich angeeignete, eloquent und publikumswirksam vorgetragene Kenntnisse geht darauf zurück, dass Max Planck sich angeblich einmal bei einem wiederholt gehaltenen Vortrag von seinem Chauffeur vertreten ließ und währenddessen incognito im Publikum saß.)
Warum schleichen sich in unser Denken überhaupt Fehler ein? Rolf Dobelli verwirft die Begründung durch die „heiße Theorie“, in der Emotionen und
Vernunft wie Pferd und Reiter unterschieden werden. Er hält nichts von Sigmund Freuds Unterscheidung zwischen Über-Ich, Ich und Es. Stattdessen vertritt Rolf Dobelli die „kalte Theorie“, der zufolge unser Denken per se fehleranfällig ist, weil unser Gehirn noch dem der Jäger und Sammler entspricht, obwohl wir in einer sehr viel komplexeren Welt leben. Außerdem, so Rolf Dobelli weiter, komme es in der Evolution nicht auf Arterhaltung an, nicht auf Logik und Wahrheitsfindung.
Wer den Inhalt aller 52 Kapitel verinnerlicht hat, wird dennoch nicht alle Denkfehler vermeiden können. Rolf Dobelli schreibt im Nachwort:
In Situationen, deren Konsequenzen klein sind […] verzichte ich auf rationale Optimierung und lasse mich von meiner Intuition tragen. Klar zu denken ist aufwendig. Darum: Wenn der mögliche Schaden klein ist – zerbrechen Sie sich nicht den Kopf und lassen Sie die Fehler zu. Sie leben besser damit.
In kritischen Situationen, behauptet Rolf Dobelli, benutze er allerdings die Sammlung der 52 Denkfehler in „Die Kunst des klaren Denkens“ wie eine Checklist, bevor er sich entscheide.
Chuzpe beweist Rolf Dobelli bei folgendem Ratschlag:
Machen Sie von jetzt an einen weiten Bogen um Selbsthilfeliteratur.
Gehört „Die Kunst des klaren Denkens. 52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen“ etwa nicht in dieses Genre?
Rolf Dobelli (* 1966) studierte an der Universität St. Gallen Betriebswirtschaftslehre und promovierte dort. 1999 gründete er mit anderen zusammen getAbstract, ein Unternehmen, das Zusammenfassungen von Büchern über Wirtschaft anbietet. Seine Kolumne „Klarer Denken“ erscheint inzwischen (2012) statt in der FAZ in Die Zeit.
Rolf Dobelli schrieb auch Romane: „Fünfunddreißig. Eine Midlife-Story“ (2003), „Und was machen Sie beruflich?“ (2004), „Himmelreich“ (2006), „Massimo Marini“ (2010).
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012
Textauszüge: © Carl Hanser Verlag