Das süße Leben
Das süße Leben
Inhaltsangabe
Kritik
Christus fliegt mit ausgebreiteten Armen über Rom. Um so etwas zu sehen, hätte früher der Glaube ausgereicht. Jetzt handelt es sich um eine Statue, die an einem Seil unter einem Hubschrauber hängt.
Der Klatschreporter Marcello Rubini (Marcello Mastroianni) ist ständig in den mondänen Bars und Nachtclubs von Rom unterwegs, um Material für seine Zeitungsartikel zu suchen. Eigentlich will er seit zehn Jahren ein Buch schreiben, aber er kommt damit nicht voran. Durchschaut er, wie leer, sinnlos und unbefriedigend die Vergnügungen der römischen Schickeria sind? Jedenfalls beteiligt er sich selbst an diesem Leben in einer Scheinwelt, in der die Menschen vergeblich nach Liebe und Glück suchen.
Marcello wird von schönen Frauen umschwärmt, aber zu keiner von ihnen vermag er eine tragfähige Beziehung aufzubauen. Hilflos reagiert er auf den Selbstmordversuch seiner eifersüchtigen Geliebten Emma (Yvonne Fourneaux) – und stürzt sich bald darauf ins nächste erotische Abenteuer. Seine Affären mit der gelangweilten Millionärstochter Maddalena (Anouk Aimée) und dem schwedischen Hollywoodstar Sylvia Rank (Anita Ekberg) sind nicht anders als die Klatschgeschichten in der Boulevardpresse. Er wird denn auch von Paparazzo (Walter Santesso) und anderen Pressefotografen gejagt, die dabei sein wollen, beispielsweise wenn er nach einer Nacht mit Sylvia von deren Mann Robert (Lex Barker) auf der Straße verprügelt wird.
Seinen Vater, erzählt Marcello, kenne er kaum, denn der habe es zu Hause in der Provinz nicht ausgehalten und sei ständig unterwegs gewesen. Als sein Vater (Annibale Ninchi) in Rom zu tun hat, führt ihn Marcello in ein Nachtlokal. Der alte Mann lebt auf: „Nichts hat sich verändert“, stellt er fest. Er flirtet mit der angeblich französischen Tänzerin Fanny, bestellt Champagner und begleicht die Rechnung mit Grandezza. Fanny lädt die Männer zu einem nächtlichen Spaghetti-Essen in ihre Wohnung ein. Da merkt Senor Rubini plötzlich, dass er sich übernimmt. Er lässt ein Taxi rufen und fährt mit dem nächsten Zug um 5.30 Uhr morgens nach Hause.
In einen Vorort von Rom behaupten zwei Kinder einer armen Familie, die Madonna sei ihnen erschienen. Marcello und die anderen Journalisten eilen hin. Der Platz ist überfüllt mit Menschen, die hier Trost und Heilung erhoffen. Sie fallen über das Bäumchen her, bei dem Maria gestanden haben soll, und reißen es in Stücke, weil sie alle etwas davon mitnehmen möchten.
Marcello beneidet seinen Freund Steiner (Alain Cuny), einen ernsthaften, weitgereisten Schriftsteller, der Aufnahmen von Naturgeräuschen sammelt und mit seiner Frau und den beiden Kindern in einer geschmackvoll eingerichteten Wohnung lebt. Aber gerade dieser Mann erschießt seine Kinder und sich selbst – aus Angst vor dem Leben und der Zukunft, vermutet Marcello.
Um Nadjas (Nadja Gray) Scheidung zu feiern, dringen sie, ihr Exmann und ihre Clique – darunter auch Marcello – in die Villa eines abwesenden Freundes ein.
Schließlich versucht Nadja die fade Gesellschaft mit einem Striptease zu beleben. Marcello prahlt: „Ich kann euch hier eine Woche lang einschließen, ohne dass ihr euch langweilt.“ Er bringt eine betrunkene Frau dazu, auf allen vieren und mit ihm auf dem Rücken durchs Zimmer zu kriechen. Niemand amüsiert sich. Im Morgengrauen gehen sie alle zum Strand. Erschauernd beobachten sie, wie die Fischer einen ungeheuren Rochen an Land ziehen, der die Netze zerrissen hat. In einiger Entfernung ruft und gestikuliert eine junge Frau. Marcello versteht nicht, was sie meint. Er zuckt die Schultern, hebt hilflos die Hände und wendet sich ab, um mit den anderen den Strand zu verlassen.
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Federico Fellini sagte einmal: „Im Grunde gefällt mir alles am Leben, und manchmal fühle ich mich voll von zappliger Neugier, wie wenn ich noch nicht vollständig geboren wäre. Ja, ich habe das Zutrauen in die Reise noch nicht verloren, wenngleich diese Reise oft hoffnungslos und dunkel erscheint.“
In seinem Film „Das süße Leben“ hätte er diesen Satz dem Protagonisten Marcello in den Mund legen können. Dieser aus Episoden komponierte Totentanz vibriert zugleich von unerfüllter Lebensgier. Federico Fellini verhöhnt in „Das süße Leben“ Menschen, die zu echten Gefühlen und Beziehungen nicht mehr fähig sind und hält damit einer dekadenten Spaßgesellschaft den Spiegel vor. Er offenbart die Leere der glamourösen Welt einer Schickeria, ohne zu leugnen, dass er selbst ein Teil davon ist.
„La dolce vita“ ist das ebenso farbige und reiche wie exzentrische Selbstbild einer in ihren Untergang verliebten Gesellschaft am Vorabend der großen Jugendrevolten. Für Federico Fellini, das glücksverwöhnte Genie des Weltkinos, war es der Höhepunkt seiner Karriere. (Günter Rohrbach in „Süddeutsche Zeitung“, 22. Oktober 2005)
Wie frivol einige der Sequenzen 1959 wirkten und welchen Skandal „Das süße Leben“ damals auslöste, können wir heute kaum noch nachvollziehen. Ein Bild aus dem Film, das noch während der Dreharbeiten um die Welt ging, gehört zu den bekanntesten Szenen der Filmgeschichte: Mitten in der Nacht steigt Sylvia Rank (Anita Ekberg) in die Fontana di Trevi und plätschert im Wasser herum; ihre schulterlangen blonden Haare kontrastieren mit dem schwarzen Kleid, das ihre enormen Brüste mehr betont als verhüllt: „ein Bild so bizarr und kühn wie skandalös“ (Günter Rohrbach).
„Das süße Leben“ wurde 1960 in Cannes mit einer „Goldenen Palme“ ausgezeichnet. „Oscar“-Nominierungen gab es für Regie, Drehbuch, Ausstattung und Kostüme. Verliehen wurde 1961 ein „Oscar“ an Piero Gherardi für die Kostüme.
Mit dem Namen Paparazzo erfand Federico Fellini eine heute international übliche Bezeichnung für Pressefotografen, die Prominenten nachstellen, um sensationelle Fotos von ihnen machen zu können: Seit „Das süße Leben“ nennen wir sie Paparazzi. Vorbild für die Filmfigur war der Italiener Tazio Secchiaroli.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002
Federico Fellini (kurze Biografie / Filmografie)
Federico Fellini: La Strada
Federico Fellini: 8½
Federico Fellini: Julia und die Geister
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Federico Fellini: Stadt der Frauen
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