M. Eine Stadt sucht einen Mörder
M. Eine Stadt sucht einen Mörder
Inhaltsangabe
Kritik
Im Hinterhof eines Mietshauses in Berlin spielen 1930 einige Kinder, während die Mütter waschen oder – wie Frau Beckmann (Ellen Widmann) – das Mittagessen für ihre von der Schule zurück erwarteten Kinder zubereiten. Frau Beckmanns Tochter Elsie (Inge Landgut) spielt auf dem Heimweg mit ihrem Ball. An einer Litfaßsäule, an der sie vorbeikommt, hängt ein Anschlag der Polizei, die nach einem unbekannten Serienmörder sucht, der bereits sieben Schulkinder umgebracht hat: 10 000 Mark Belohnung sind für seine Ergreifung ausgesetzt. Während Elsie ihren Ball mehrmals gegen das Plakat wirft und wieder auffängt, taucht ein Mann (Peter Lorre) auf, der ein Motiv aus „Peer Gynt“ von Edvard Grieg pfeift und dann sagt: „Du hast aber einen schönen Ball!“ Er schenkt Elsie Bonbons und kauft ihr bei einem blinden Straßenhändler (Georg John) einen Luftballon. – Während die Kinder der Nachbarfamilien pünktlich nach Hause kommen, wartet Frau Beckmann vergeblich auf ihre Tochter. Dann ist Elsies Ball zu sehen, der aus einem Gebüsch rollt, und der Luftballon hat sich in den Drähten einer Überlandleitung verfangen. Kurz darauf wird das ermordete Kind gefunden.
Die Angst der Menschen in der Stadt nimmt weiter zu. An einem Stammtisch geraten zwei Männer in Streit, weil einer den anderen beschuldigt, Schulmädchen auf der Treppe gefolgt zu sein. Ein älterer Herr, der von einem kleinen Mädchen nach der Zeit gefragt wird, seine Taschenuhr herauszieht und die Uhrzeit sagt, wird sogleich verdächtigt, dass er dem Kind etwas tun wollte und beinahe gelyncht.
Als der Innenminister (Franz Stein) sich über die Erfolglosigkeit der seit acht Monaten laufenden Ermittlungen beschwert, versucht ihm der Polizeipräsident (Ernst Stahl-Nachbaur) die Schwierigkeiten zu erklären und versichert, dass seine Beamten kaum noch zum Schlafen kommen.
Die Polizei hofft, dass ihr der Mörder bei einer Razzia ins Netz geht, aber die polizeilichen Maßnahmen führen nur zu Umsatzeinbrüchen in den betroffenen Lokalen.
Auch in der Unterwelt klagt man über die geschäftsschädigende Wirkung der erhöhten Wachsamkeit der Polizei. Die wichtigsten Ganoven der Stadt (Gustaf Gründgens, Theo Lingen, Paul Kemp, Friedrich Gnaß, Fritz Odemar u. a.) verabreden sich zu einer Beratung über die Situation. Mit dem Kindermörder wollen sie nicht in einen Topf geworfen werden; das ist keiner von ihnen. Anders als der Triebtäter verstoßen sie nur gegen das Gesetz, um ihre Familien ernähren zu können, behauptet einer der Ganoven. Um endlich wieder einigermaßen ungestört „arbeiten“ zu können, beschließen sie, selbst nach dem Mörder zu suchen. Die Bettler sollen das Geschehen auf der Straße aufmerksam beobachten und im Fall eines Verdachts Alarm schlagen.
Währenddessen überprüft die Polizei alle Personen, die in den letzten Jahren aus Irrenanstalten entlassen wurden, denn man ist überzeugt, dass es sich bei dem Mörder nur um einen Wahnsinnigen handeln kann. Dabei stoßen die Ermittler auf das Zimmer des Mörders. Er heißt Hans Beckert.
Aber die Beamten müssen sich gedulden, denn Hans Beckert ist unterwegs, hat wieder ein Opfer ausgesucht und pfeift das Motiv aus „Peer Gynt“. Ein blinder Luftballonverkäufer erinnert sich, an dem Tag, an dem Elsie Beckmann ermordet wurde, genau das Gleiche gehört zu haben. Der Mörder! Der Blinde schickt ihm einen Bekannten nach, der sich mit Kreide ein M in die Handfläche malt und damit dem Mörder im Vorbeigehen auf die Schulter schlägt, sodass sein Mantel für alle sichtbar markiert ist: M wie Mörder. Als der Mörder sich von allen Seiten eingekreist und verfolgt fühlt, lässt er das Kind laufen und versteckt sich im Speicher eines großen Bürogebäudes, das sogleich von den Bettlern umstellt wird, damit er nicht mehr entweichen kann.
Nach Büroschluss fällt einem Wachmann bei seinem Rundgang die offen stehende Speichertür auf, und er schließt sie ab. Verzweifelt versucht der Mörder dann, das Türschloss mit seinem Taschenmesser abzuschrauben. Inzwischen haben die Ganoven die Wachleute niedergeschlagen und damit begonnen, jeden Winkel des Gebäudes zu durchkämmen. Einer von ihnen hört hinter der Speichertür Geräusche. Mit dem Schlüsselbund, den sie einem der Wachmänner abgenommen haben, öffnen die Ganoven die Tür. Der Mörder kauert sich hinter das Gerümpel in einem der Lattenverschläge. Da ertönt der Alarm. In fünf Minuten wird die Polizei hier sein. Aber die Zeit bis dahin wollen die Ganoven nutzen, um die Verschläge der Reihe nach aufzubrechen und abzusuchen. Im letzten Augenblick finden sie den Mörder und zerren ihn mit sich, als sie fluchtartig das Bürogebäude verlassen, um nicht von der anrückenden Polizei erwischt zu werden.
Nur Franz hat nicht mitbekommen, dass seine Kumpane fortgelaufen sind. Er wird als Einziger von der Polizei festgenommen. Die Ermittler können sich nicht erklären, was die Ganoven in dem Bürogebäude suchten, denn sie haben zwar Türen aufgebrochen, aber überhaupt nichts mitgenommen und die Tresore der in dem Gebäude untergebrachten Sparkasse nicht einmal angefasst. Angaben über das Motiv erhofft sich Kriminalkommissar Gröber (Theodor Loos) von Franz, aber der will nichts verraten. Um ihn zu täuschen, übernimmt Kommissar Lohmann (Otto Wernicke), der Leiter der Mordkommission, das Verhör und lügt: Einer der niedergeschlagenen Wachmänner sei an seinen Verletzungen gestorben; Franz müsse deshalb mit einer Anklage wegen Beihilfe zu Mord rechnen. Da packt Franz aus.
Die Ganoven und Bettler ziehen in eine leer stehende Schnapsfabrik. Vor einem großen Publikum stellen sie den Mörder vor ihr Tribunal. Sogar einen Verteidiger (Rolf Blümner) gewähren sie dem Angeklagten, der vergeblich zu fliehen versucht und dann panisch vor Angst beteuert, nicht morden zu wollen, aber nicht anders zu können, wenn er ein Kind sieht. Daraufhin sagt der Schränker (Gustaf Gründgens), der die Verhandlung leitet und selbst wegen dreifachen Totschlags von der Polizei gesucht wird: „Er hat die Morde zugegeben; also muss er ausgeschaltet werden!“ Der Verteidiger wendet dagegen ein: „Niemand hat das Recht, einen Menschen zu töten, der nicht verantwortlich sein kann für seine Taten!“ Aber der Schränker will verhindern, dass der Serienmörder in eine Irrenanstalt kommt, von dort nach einiger Zeit flieht oder entlassen wird und dann wieder kleine Mädchen umbringt.
Im letzten Augenblick dringt ein großes Polizeiaufgebot in das Fabrikgebäude ein und nimmt den Mörder fest.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Zeitungsberichte über die Serienmörder Fritz Haarmann und Peter Kürten brachten Fritz Lang und seine Ehefrau Thea von Harbou auf die Idee für einen Kinofilm über einen schizophrenen Kindermörder. Den spielt Peter Lorre mit rundlich-weichem, debilem Kindergesicht so eindringlich – sein psychischer Zusammenbruch vor dem Tribunal ist der Höhepunkt des Films – dass es ihm nie mehr gelang, sich völlig aus dieser Rollenfestlegung zu befreien. Der Mörder wird hier nicht als Bestie, sondern als Triebtäter dargestellt, der nicht anders kann und darunter leidet. „M. Eine Stadt sucht einen Mörder“ zeigt ein ambivalentes Gesellschaftsbild: Die Hilflosigkeit der Polizei kontrastiert mit der Macht der Unterwelt, die systematischen Ermittlungen mit der panischen Angst und der Massenhysterie in der Bevölkerung, deren falsche Anschuldigungen beinahe in Lynchmorden eskalieren.
Fritz Lang inszenierte „M. Eine Stadt sucht einen Mörder“ im Stil der „Neuen Sachlichkeit“, und obwohl kein einziger Mord zu sehen ist, wirkt der Thriller spannend und beklemmend – vor allem durch die suggestiven Bilder mit krassen, expressionistischen Lichtkontrasten (wie z. B. der Schatten des Mörders an der Litfaßsäule). Wegweisend in der Filmgeschichte war die Parallelmontage einer Lagebesprechung der Polizei und eines Ganoventreffens: Ständig wird zwischen den beiden Schauplätzen gewechselt; Ganoven beenden von Polizisten gesprochene Sätze und umgekehrt. „M. Eine Stadt sucht einen Mörder“, Fritz Langs erster Tonfilm, gilt zu Recht als stilbildender Klassiker.
Gedreht wurde vorwiegend in Kulissen, und zwar in der alten Zeppelinhalle in Staaken. Das Motiv aus „Peer Gynt“ von Edvart Grieg pfiff Fritz Lang übrigens selbst.
Der Regisseur Joseph Losey verlegte die Handlung in seinem Remake „M“ (1951) von Berlin nach Los Angeles.
Ein von Michael Farin bearbeitetes und von Bernhard Jugel inszeniertes Hörspiel-Remake mit Burchard Dabinnus, Eva Gosciejewicz, Gert Heidenreich, Pamina Füting, Alexandra Maetz, Axel Milberg und anderen Sprechern erschien 2003.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004
Fritz Haarmann (Kurzbiografie)
Fritz Lang (Kurzbiografie)
Fritz Lang: Metropolis
Fritz Lang: Die 1000 Augen des Dr. Mabuse