Eichmanns Ende

Eichmanns Ende

Eichmanns Ende

Originaltitel: Eichmanns Ende. Liebe, Verrat, Tod – Regie: Raymond Ley – Drehbuch: Raymond Ley – Kamera: Dirk Heuer – Schnitt: Heike Parplies – Musik: Hans P. Ströer – Darsteller: Herbert Knaup, Ulrich Tukur, Axel Milberg, Michael Hanemann, Cornelia Kempers, Henriette Confurius, Johannes Klaußner, Judith Engel, Wolf Bachofner, Kai Möller, Peter Cieslinski, Oliver Törner, Nina Kronjäger, Robert Meller u.a. – 2010; 90 Minuten

Inhaltsangabe

Während sich Adolf Eichmann, der seit 1950 unter falschem Namen in Buenos Aires lebt, 1957 über Monate hinweg von dem Journalisten Willem Sassen über seine Tätigkeit als Leiter der Reichszentrale für jüdische Auswanderung im "Dritten Reich" befragen lässt, verliebt sein ältester Sohn sich in die Jüdin Silvia Hermann. Dadurch kommt ihr Vater, der 1942 aus Deutschland geflohen war, auf die Spur des NS-Verbrechers. Er unterrichtet den hessischen Staatsanwalt Fritz Bauer, und dieser wendet sich an den Mossad ...
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Kritik

In dem ebenso packenden wie informativen Dokudrama "Eichmanns Ende. Liebe, Verrat, Tod" hat Raymond Ley auf Tatsachen basierende Szenen mit Aussagen von Zeitzeugen verknüpft.

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Adolf Eichmann (Herbert Knaup), der 1950 unter dem falschen Namen Riccardo Klement nach Argentinien emigriert war, sitzt 1957 etwa fünfzig Mal dem niederländischen Journalisten Willem Sassen (Ulrich Tukur) in dessen Villa in Buenos Aires gegenüber und lässt sich über seine Tätigkeit im „Dritten Reich“ befragen. Als Zeuge ist zumeist der Verleger Eberhard Fritsch (Oliver Törner) anwesend. Willem Sassen, der im Zweiten Weltkrieg freiwillig bei der SS war, sich zwei Jahre vor Eichmann nach Argentinien abgesetzt hatte und inzwischen in faschistischen Kreisen in Südamerika gut vernetzt ist, nimmt die Gespräche auf siebenundsechzig Tonbändern auf. Seine zweite Ehefrau Miep van der Voort (Judith Engel) kann den häufigen Besucher nicht ausstehen, den ihr Mann auch anderen „Kameraden“ vorstellt, aber Willem Sassen erklärt ihr, damit verdiene er sein Geld.

Während Willem Sassen den Holocaust relativiert, versucht Adolf Eichmann seine Rolle aufzuwerten und lässt keinen Zweifel daran, dass die Nationalsozialisten 6 Millionen Juden ermordeten. Allerdings ist er damit nicht zufrieden: „Hätten wir 10,3 Millionen Juden getötet, dann wäre ich befriedigt und würde sagen, gut, wir haben einen Feind vernichtet.“ Er ist stolz auf seine maßgebliche Beteiligung am Genozid, auch wenn er betont, er persönlich habe keinen einzigen Juden getötet, er sei ausschließlich für die Organisation der Transporte zuständig gewesen. Was mit den Juden in den Viehwaggons nach der Ankunft beispielsweise in Auschwitz geschah, habe außerhalb seiner Zuständigkeit gelegen und ihn auch nicht interessiert. Wie die alliierten Bomberpiloten sei er an Befehle gebunden gewesen. Allerdings habe er mitgedacht und sich um eine möglichst effiziente Organisation der Transporte bemüht: „Ich war kein normaler Befehlsempfänger, dann wäre ich ein Trottel gewesen, sondern ich habe mitgedacht. Ich war ein Idealist gewesen.“ Von einem Unrechtsbewusstsein ist er völlig frei. Kritisch merkt er nur an, dass er vielleicht noch mehr hätte leisten können.

Während Adolf Eichmann sich befragen lässt, verliebt sich sein 1936 geborener Sohn Nick (Johannes Klaußner) in die fünf Jahre jüngere Silvia Hermann (Henriette Confurius), die Tochter des deutschen Juden Lothar Hermann (Michael Hanemann), der nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager Dachau 1942 vor den Nationalsozialisten nach Argentinien geflohen war. Silvia merkt zwar an Nicks Spanisch, dass er aus Deutschland stammt, ahnt jedoch nicht, wer sein Vater ist und stellt ihren neuen Freund den Eltern vor. Aber das Liebesverhältnis ist nicht von langer Dauer, denn die Familie Hermann zieht noch im selben Jahr nach Coronel Suarez, 500 Kilometer südwestlich von Buenos Aires.

Seit Lothar Hermann, der fast erblindet ist, Nick reden hörte, vermutet er, dass es sich um Adolf Eichmanns Sohn handeln könnte. Als er ein Foto, das seine Frau Amelia von dem jungen Paar knipste, seinem Besucher Alfred Lehnhoff zeigt, rät dieser ihm, sich an den Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Axel Milberg) in Wiesbaden zu wenden, der sich um die juristische Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen bemüht. Weil Fritz Bauer sowohl der deutschen Justiz als auch der deutschen Botschaft in Argentinien misstraut, spricht er sich kurz telefonisch mit dem hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn ab und trifft sich konspirativ mit dem Israeli Felix Shinnar (Wolf Bachofner) im Wald.

Der Mossad-Agent Emmanuel Talmon observiert daraufhin Riccardo Klement in Buenos Aires, kommt jedoch zu dem Schluss, es handele sich bei ihm nicht um Adolf Eichmann, denn der ehemalige Leiter der Reichszentrale für jüdische Auswanderung lebe bestimmt nicht in so einfachen Verhältnissen.

Felix Shinnar drängt daraufhin Fritz Bauer, den Namen seines Informanten in Argentinien preiszugeben. Lothar Hermann wird von dem Mossad-Agenten Ephraim Hofstätter (Robert Meller) angesprochen. Silvia, die inzwischen von ihrem Vater ins Vertrauen gezogen wurde und in seinem Auftrag noch einmal in Buenos Aires war, um Material zur Erhärtung seines Verdachts zu sammeln, weist Hofstätter darauf hin, dass das von Nicks Familie bewohnte Haus auf einen Österreicher namens Francesco Schmidt eingetragen ist. Sie vermutet, dass es sich dabei um einen weiteren Tarnnamen Adolf Eichmanns handeln könnte. Der israelische Geheimdienst stellt jedoch fest, dass es den Hauseigentümer tatsächlich gibt – und beendet damit die Überprüfung der Identität von Riccardo Klement.

Lothar Hermann gibt jedoch nicht auf, sondern fährt mit seiner Tochter nach Buenos Aires. Silvia klingelt an der Wohnung der Familie Klement. Einer von Nicks jüngeren Brüdern öffnet, dann tritt auch sein Vater vor. Ob sie hier richtig bei Eichmann sei, fragt Silvia, und der vor ihr stehende Mann bestätigt es gelassen. Silvia behauptet, Nick sprechen zu wollen, aber der ist nicht zu Hause. Nach dem kurzen Wortwechsel kehrt sie zu ihrem in einem Café wartenden Vater zurück und berichtet ihm, dass sie vor Adolf Eichmann gestanden habe.

Erst 1960 greift der Mossad den Fall wieder auf. Adolf Eichmann, der inzwischen als Elektriker bei Mercedes arbeitet, wird am 11. Mai 1960 von einem Geheimagenten überwältigt und neun Tage später nach Israel entführt.

Aufgrund von Morddrohungen schicken Amelia und Lothar Hermann ihre Tochter schweren Herzens in die USA.

Am 11. April 1961 beginnt in Jerusalem der Prozess gegen Adolf Eichmann. Seine Ehefrau Vera (Cornelia Kempers) besucht ihn im Gefängnis.

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Die Dialoge, die Adolf Eichmann (Herbert Knaup) und Willem Sassen (Ulrich Tukur) in dem Dokudrama „Eichmanns Ende. Liebe, Verrat, Tod“ führen, folgen wortwörtlich den 1957 in Buenos Aires entstandenen Tonbandaufnahmen. Der niederländische, 1948 nach Argentinien emigrierte Journalist Willem Sassen (1918 – 2001), der sich im Zweiten Weltkrieg freiwillig zur SS gemeldet hatte, verkaufte Teile der von Adolf Eichmann korrigierten Abschriften der Illustrierten „Stern“ und dem „Time Magazine“. 1980 übergab er die siebenundsechzig Tonbänder und 695 Seiten der Transkription Eichmanns Witwe Vera. Inzwischen befinden sie sich im Bundesarchiv in Koblenz.

Bei den Aussagen des Organisators der Transporte, mit denen die Nationalsozialisten Juden in die Vernichtungslager brachten, läuft es einem kalt über den Rücken. Einerseits beruft Adolf Eichmann sich auf Befehle und weist darauf hin, dass sich seine Aufgabe auf die Organisation der Transporte beschränkt habe. Im Widerspruch dazu zeigt er sich stolz, maßgeblich am Genozid mitgewirkt zu haben. Statt seine Beteiligung am Holocaust nach dem Zweiten Weltkrieg zu verharmlosen, wie man es vielleicht erwarten würde, tut er das Gegenteil. Die Judenvernichtung sei ebenso wenig ein Verbrechen gewesen, meint er selbstgerecht, wie die Bombardierung eines Wohngebietes durch einen Piloten der Alliierten. – Herbert Knaup spielt diesen Schreibtischtäter sehr überzeugend, gerade weil er sich zurücknimmt und den Duktus im Vergleich zu den Originalaufnahmen ein wenig abschwächt.

Raymond Ley verknüpft in „Eichmanns Ende. Liebe, Verrat, Tod“ nachgestellte Interviewszenen mit Handlungssträngen, die ebenfalls auf Tatensachen basieren: Eichmanns ältester Sohn verliebt sich in Silvia, die Tochter des KZ-Überlebenden Lothar Hermann, der dadurch auf die Spur des NS-Verbrechers kommt und den hessischen Oberstaatsanwalt Fritz Bauer informiert, der sich wiederum an den israelischen Geheimdienst wendet. Zwischen die Spielszenen hat Raymond Ley Interviews mit Zeitzeugen eingestreut, zum Beispiel mit Willem Sassens Tochter Saskia, mit Alicia Dandörfer, einer Freundin der Familie Hermann, und Gabriel Bach, dem stellvertretenden Ankläger im Prozess gegen Adolf Eichmann. Ergänzend zeigt er drei- oder viermal Originalfilmmaterial über den Holocaust. Zwischen diesen Elementen springt der Film „Eichmanns Ende. Liebe, Verrat, Tod“ ständig hin und her, und zwar dramaturgisch und schnitttechnisch so geschickt, dass sich eine ungewöhnliche Spannung aufbaut, eine dichte Atmosphäre entsteht und am Beispiel Adolf Eichmanns der Charakter von NS-Verbrechern eindrucksvoll gezeigt wird. Eichmann und viele andere Massenmörder waren keine Monster, sondern selbstgerechte Biedermänner. Deren Denkweise muss man zumindest ansatzweise nachvollziehen, um begreifen zu können, wie es zum Holocaust kommen konnte.

Raymond Ley hätte auch gern Interviews mit dem ältesten Sohn von Adolf Eichmann und der Tochter von Lothar Hermann geführt, aber Silvia Hermann war entsetzt, als sie merkte, dass er sie in den USA aufgespürt hatte, und Klaus („Nick“) Eichmann brach ein durch ein Fenster seines Hauses am Bodensee geführtes Gespräch nach zwanzig Minuten ab.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2010

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.