Zug des Lebens

Zug des Lebens

Zug des Lebens

Zug des Lebens - Originaltitel: Train de Vie - Regie: Radu Mihaileanu - Drehbuch: Radu Mihaileanu - Kamera: Yorgos Arvanitis und Laurent Dailland - Schnitt: Monique Rysselinck - Musik: Goran Bregovic - Darsteller: Lionel Abelanski, Clément Harari, Rufus, Agathe de la Fontaine, Bruno Abraham-Kremer, Johan Leysen, Bruno Abraham-Kremen, Michel Muller, Marie-José Nat, Michael Israel, Gad Elmaleh, Tutuianu, Sanda Toma, Serge Kribus, Rodica Sanda Tutuianu, Zwi Kanar, Razvan Vazilescu, George Siatidis, Mihai Calin, Ovidiu Cuncea, Marius Drogeanu, Luminita Gheorghiu u.a. - 1998; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Als Hitlers Truppen sich während des Zweiten Weltkriegs einem osteuropäischen Schtetl nähern, schlägt der Dorftrottel Shlomo eine verrückte Rettungsaktion vor: Die Bewohner des Schtetl sollen ihre eigene Deportation vortäuschen und sich nach Palästina absetzen. Während die einen deutsche Uniformen schneidern, üben andere deutsche Kommandos und besorgen einen schrottreifen Zug ...
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Kritik

Radu Mihaileanu wagt es, sich dem Thema Holocaust bzw. Shoah mit den Mitteln einer Groteske zu nähern. "Zug des Lebens" ist eine aberwitzige, aber den Holocaust nicht banalisierende Tragikomödie.
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Als die Deutschen sich während des Zweiten Weltkriegs einem osteuropäischen Schtetl nähern und die Bewohner erfahren, dass die Juden in Vernichtungslager deportiert oder gleich an Ort und Stelle umgebracht werden, schlägt der Dorftrottel Shlomo (Lionel Abelanski) eine verrückte Rettungsaktion vor: Die Bewohner des Schtetls sollen ihre eigene Deportation vortäuschen und sich ins gelobte Land absetzen. Der Rabbi (Clément Harari) hält das für eine gute Idee und sorgt dafür, dass sie umgesetzt wird: Während die einen deutsche Uniformen schneidern, üben diejenigen, die sie anziehen sollen, zackige deutsche Kommandos, tun sich jedoch schwer damit, den richtigen Ton zu treffen und beispielsweise nicht „Fihrer“, sondern „Führer“ zu rufen. Damit eine schrottreife Lokomotive und ein Dutzend Waggons gekauft werden können, spendet jeder, was er entbehren kann, und das wird alles auf einem Trödelmarkt zu Geld gemacht. Einen Lokführer finden die Organisatoren nicht, aber einen Büroangestellten des Eisenbahnministeriums mit einem Handbuch, der sich darauf freut, endlich einmal selbst auf einer Lokomotive sein zu können.

Bis auf Mordechai (Rufus), der eine deutsche Uniform trägt und auf den Lederpolstern eines Salonwagens sitzt, wie es sich für einen deutschen Major gehört, kauern sie alle mit ihren Koffern in den Viehwaggons.

Sie passieren einen Bahnhof. Da fällt dem Lokführer ein, dass der Zug nicht im Fahrplan steht und der Bahnhofsvorsteher deshalb bestimmt Meldung machen wird. Erschrocken hält er an – wenige Meter vor einer Sprengladung, die Partisanen ans Gleis gebunden haben, um einen deutschen Zug in die Luft zu jagen. Während die Flüchtigen beraten, was zu tun ist, kommt ihnen auf der eingleisigen Strecke ein anderer Zug entgegen, aber kurz vor dem Zusammenstoß donnert er über eine Weiche in eine andere Richtung. Die Juden beschließen, die Hauptstrecke zu meiden und lieber einen Umweg zu fahren. Shlomo stellt die Weiche – und sie biegen vor der Stelle mit den Dynamitstangen ab.

Als Yossi (Michel Muller) in der Stadt gewesen war, um bei einem Kommunisten gefälschte Dokumente für den Exodus zu besorgen, hatte er sich vom Marxismus überzeugen lassen. Während der Fahrt wiegelt er seine Mitreisenden gegen den „Nazi“ Mordechai auf, der es sich auf den Lederpolstern gemütlich macht und propagiert den Klassenkampf. Im Lauf der Zeit gewinnt er ein Drittel der Leute als Anhänger, lässt einen Zugsowjet wählen und löst mehrmals Streitigkeiten aus. Seine politische Stellung missbraucht er, um andere Männer von der schönen Esther (Agathe de La Fontaine) fernzuhalten, die nichts von ihm wissen will.

Plötzlich halten deutsche Soldaten, die von dem Bahnhofsvorsteher verständigt wurden, den Zug auf. Jetzt kommt es auf Mordechai an. Der geht in seiner Majorsuniform auf den deutschen Offizier zu. Als der Deutsche seinen Arm zum Hitlergruß hochreißt, erschrickt er zwar, aber er hat sich schnell wieder unter Kontrolle und antwortet auf die Frage, wieso der Zug nicht im Fahrplan stehe, dass es sich um einen Geheimtransport besonders gefährlicher Gefangener handele: jüdische Marxisten! Der einfältige deutsche Offizier lässt sich überzeugen und bietet seinem vermeintlichen Kameraden sogar Geleitschutz an, aber den lehnt Mordechai dankend ab.

Während der Weiterfahrt nimmt er wieder seine Offiziersmütze ab und trägt stattdessen eine Kippa zur deutschen Majorsuniform.

Yossi und seine Anhänger nutzen einen Halt, um in den Wald neben dem Bahngleis zu laufen, denn sie wollen nicht mehr mit nach Palästina, sondern zu ihren sowjetischen Brüdern und Schwestern. Mordechai muss hart durchgreifen, um die Ausreißer wieder in den Zug zu bekommen. Am Ende fehlt nur noch der Schneider. Mordechai hält es für zu gefährlich, länger hier zu bleiben, aber der Rabbi weigert sich, auch nur einen aus seiner Gemeinde im Stich zu lassen. Es stellt sich heraus, dass der Schneider einer deutschen Militäreinheit in die Arme gelaufen ist, die von einem Oberstleutnant befehligt wird. Mit einer Majorsuniform kann Mordechai also nicht viel ausrichten, aber ein paar flinke Hände nähen ihm rasch rote Aufschläge und Epauletten an, sodass er dem deutschen Oberstleutnant als Feldmarschall entgegentreten kann. Mordechai verlangt nicht nur die sofortige Überstellung des jüdischen Gefangenen, sondern auch reichlich Proviant.

Weit kommt der Zug nicht, bevor er erneut angehalten wird, diesmal von einer Militäreinheit in deutschen Uniformen unter dem Kommando eines Majors (Razvan Vasilescu), der den Zug angeblich aufgrund eines Führerbefehls beschlagnahmen muss. Weil Mordechai trotz des Trainings noch immer kein absolut dialektfreies Deutsch spricht, misstraut ihm der andere – aber es stellt sich heraus, dass es sich bei ihm und seinen Leuten ebenfalls nicht um Deutsche handelt, sondern um Zigeuner, die verkleidet auf der Flucht sind. Die Juden rücken noch enger zusammen und machen Platz für die Zigeuner, rümpfen allerdings die Nase, als diese auch ihre Schweine mit in die Waggons bringen.

Während eines Aufenthalts beginnt ein Zigeuner zu fiedeln. Ein Jude konkurriert mit Klezmer-Klängen, und bald spielen alle Juden und Zigeuner, die ein Instrument dabei haben, ihre Musik.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Unversehens gerät der Zug zwischen die Fronten. Das merken die Flüchtlinge, weil von beiden Seiten her geschossen wird. Nun ist es nicht mehr weit, dann sind sie in Sicherheit.

Im letzten Bild taucht der Erzähler Shlomo noch einmal auf und beteuert, dass es sich um eine wahre Geschichte handelte, oder zumindest eine fast wahre. Er trägt die gestreifte Kluft eines KZ-Häftlings und befindet sich offensichtlich in einem deutschen Lager.

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Radu Mihaileanu wagt es, sich dem Thema Holocaust bzw. Shoah mit den Mitteln einer Groteske zu nähern. „Zug des Lebens“ ist eine aberwitzige, aber den Holocaust nicht banalisierende Tragikomödie.

Radu Mihaileanus Eltern waren deportiert worden. Er verließ Rumänien im Alter von zweiundzwanzig Jahren und zog nach Frankreich. Die Idee für den Film sei ihm durch „Schindlers Liste“ gekommen, berichtet Radu Mihaileanu. „Ich wollte die Tragödie des Holocaust mit der Sprache der Komödie darstellen, die Komödie nutzen, um den Blick für die Tragödie zu schärfen. Lachen ist schließlich eine andere Form des Weinens.“ 1996 bot er Roberto Benigni die Rolle des Dorftrottels Shlomo an, aber der italienische Regisseur und Schauspieler arbeitete lieber an seinem eigenen Film („Das Leben ist schön“).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2006

Holocaust

Roberto Benigni: Das Leben ist schön
Kino- und Fernsehfilme über das „Dritte Reich“

Melinda Nadj Abonji - Tauben fliegen auf
Melinda Nadj Abonji entwickelt in "Tauben fliegen auf" keine Handlung im engeren Sinn, sondern reiht Episoden aneinander und springt dabei vor und zurück. Sie setzt häufig statt eines Punktes ein Komma und schreckt vor 2½ Seiten langen Sätzen nicht zurück.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.