Donald Ray Pollock : Das Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels
Originalausgabe: The Devil All the Time, 2011 Das Handwerk des Teufels Übersetzung: Peter Torberg Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2012 ISBN: 978-3-935890-85-4, 303 Seiten Wilhelm Heyne Verlag, München 2013 ISBN: 978-3-453-43692-3, 303 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Arvin, der Sohn eines bigotten Schlachters, erfährt als Jugendlicher, dass sich das Mädchen, mit dem zusammen er aufwuchs, erhängte, weil es von einem Geistlichen geschwängert worden war. Zwei andere Prediger erweisen sich als Psychopathen. Einer von ihnen wird ebenso wie Arvin einem Serienkiller-Ehepaar begegnen, das herumfährt und nach Opfern sucht. Und beim Bruder der perversen Massenmörderin handelt es sich um einen korrupten Sheriff. Immer und überall lauert der Teufel, und Gott schweigt ...
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Kritik

Aus mehreren Handlungssträngen entwickelt Donald Ray Pollock auf raffinierte Weise eine intelligente Groteske über menschliche Abgründe. Zynisch und ohne Mitleid mit dem Leser veranschaulicht er in "Das Handwerk des Teufels", wozu Menschen fähig sind.
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Im Herbst 1945 kehrt der Gefreite Willard Russell aus dem Pazifikkrieg in die USA zurück und fährt mit einem Greyhound-Bus nach Hause. Während einer Rast im Restaurant Wooden Spoon in Meade/Ohio verliebt er sich in die 19-jährige Kellnerin Charlotte Willoughby. In Lewisburg/West Virginia holt ihn sein Onkel Earskell vom Bus ab und bringt ihn nach Coal Creek, wo seine Mutter Emma – Earskells Schwester – auf Willard wartet. Sein Vater Tom starb im Gefängnis in Parkersburg an Leberzirrhose; man hatte ihn wegen Schwarzbrennerei verurteilt.

Als der Sohn ihrer Nachbarin Mildred Carver gefallen war, flehte Emma Russell Gott an, dafür zu sorgen, dass ihr Sohn heil aus dem Krieg zurückkommen würde. Für diesen Fall versprach sie, Willard werde Helen Hatton heiraten, eine Waise, deren Familie im brennenden Haus ums Leben gekommen war. Willard heiratet jedoch nicht Helen Hatton, sondern Charlotte Willoughby und zieht zu ihr nach Meade/Ohio in eine Wohnung über einer Reinigung. Arbeit findet er in einem Schlachthof in Greenfield, in dem jeden Tag 600 Schweine getötet werden. Die Eltern seiner Frau sind bereits tot, sie starben, als Charlotte noch zur Schule ging, der Vater an TBC, die Mutter an Blutvergiftung. Von ihrer Schwester Phyllis, ihrer einzigen noch lebenden Verwandten, hat sie schon lange nichts mehr gehört.

Emma ist heilfroh, dass Helen nicht allein bleibt, sondern die Ehefrau des Predigers Roy Laferty wird, der mit ihr und seinem querschnittgelähmten Cousin Theodore Daniels gemeinsam eine Wohnung mietet. Die beiden Männer verdienen ihren Lebensunterhalt, indem sie als Prediger herumreisen. Um den Kirchgängern zu demonstrieren, was die Kraft des Glaubens vermag, überschüttet Roy sich jeweils mit giftigen Spinnen und isst auch einige davon, während Theodore auf der Gitarre spielt. Anders als Roy glaubt Theodore nicht mehr an Gott, seit er in der Zuversicht, dass Gott ihn vor Schaden bewahren werde, Gift schluckte und dadurch die Lähmung verursachte.

Im Frühjahr 1948 erhält Emma die Nachricht, dass Willard und Charlotte ein Kind erwarten. Bald darauf erfährt sie, dass auch Helen schwanger ist. Roy geht es allerdings schlecht: sein Kopf ist nach einem Spinnenbiss geschwollen. Charlotte bringt einen Sohn namens Arvin Eugene zur Welt. Helens Kind ist ein Mädchen, es heißt Lenora.

Lenora ist erst ein paar Monate alt, als Roy beweisen möchte, dass er kraft des Glaubens Tote zum Leben erwecken kann. Vorsichtshalber will er mit einer Katze anfangen, aber Theodore lacht ihn aus und wirft ihm Halbherzigkeit vor. Der Gelähmte überredet ihn, es gleich mit einem Menschen zu versuchen. Also sorgt Roy dafür, dass Lenora zu Emma Russell nach Coal Creek gebracht wird. Dann fährt er mit Helen und seinem Cousin in einen Wald. Dort rammt er seiner Frau einen Schraubenzieher in den Hals. Drei Stunden später meint Theodore, der im Wagen sitzen geblieben ist: „Das wird wohl nichts, Roy.“ Weil er von Anfang an mit dem Misslingen des Experiments rechnete, packte er eine Schaufel in den Kofferraum. Damit verscharrt Roy nun die Leiche. Dann setzen sich die beiden in den Süden ab.

Willard Russell verabscheut Meade. Er möchte nicht, dass sein Sohn dort aufwächst. Als der Junge vier Jahre alt ist, mietet er von dem Rechtsanwalt Henry Delano Dunlap ein Farmhaus in Knockemstiff/Ohio.

Henry Dunlap, der seit 15 Jahren eine Kanzlei in Meade betreibt, heiratete gleich nach dem Jurastudium und fand erst danach heraus, dass es sich bei seiner Frau um eine Nymphomanin handelt. Kürzlich ertappte er sie mit einem Afroamerikaner, der sich um den Rasen kümmern soll. Hin und wieder sieht er den beiden heimlich zu.

Zwei Monate bevor Willard und Charlotte mit ihrem Sohn Arvin nach Knochemstiff ziehen, wurde Helens Leiche gefunden. Die Polizei verdächtigt Roy Laferty und Theodore Daniels als Mörder, aber die beiden Prediger sind seit drei Jahren spurlos verschwunden.

Nachdem Willard Russell seinem inzwischen neunjährigen Sohn eingeschärft hat, dass er zurückschlagen müsse, wenn Mitschüler ihn angreifen, erlebt Arvin mit, wie zwei bewaffnete Jäger seinen Vater mit beleidigenden Äußerungen über Charlotte provozieren – und wundert sich, dass der Vater nichts unternimmt. Am Abend fährt Willard noch einmal mit seinem Sohn los. Die beiden Jäger trinken an einem Stehausschank ein Bier. Willard steigt aus und schlägt einen der beiden zusammen, während der andere flüchtet. Dann erklärt Willard Arvin, heim Zurückschlagen müsse man den richtigen Zeitpunkt abwarten.

Charlotte ist gerade mal 30 Jahre alt, als sie an Krebs erkrankt. In der Hoffnung, dass Gott sie heilen werde, verbringt Willard jeden Tag Stunden mit Gebeten im Wald und zwingt auch seinen Sohn, dabei mitzumachen. Schließlich opfert er ein Lamm, das er im Schlachthof gekauft hat, vor seinem Gebetsbaum. Dann sammelt er überfahrene Tiere ein, Kunde, Katzen, Waschbären, Opossums, Murmeltiere, Rothirsche, und hängt sie ins Geäst der umliegenden Bäume. Der Gestank ist bald unerträglich.

Arvin füttert einen ihm zugelaufenen Hund und gibt ihm den Namen Jack. Doch als sein Vater nach Hause kommt, erschießt er das Tier zum Entsetzen des Kindes und nagelt den Kadaver an ein Kreuz beim Gebetsbaum.

Bevor Charlotte krank wurde, fingen sie und Willard an, zu sparen, um das gemietete Farmhaus eines Tages kaufen zu können, und Henry Dunlap glaubte schon, ein gutes Geschäft machen zu können. Als Willard ihn wieder einmal aufsucht, um die Miete zu bezahlen, kündigt der Anwalt seine Absicht an, ihm das seit sechs Jahren gemietete Haus kostenlos zu überlassen und fordert ihn auf, in einer Woche wiederzukommen. Bis dahin werde er alles vorbereitet haben. Willard argwöhnt, dass der Anwalt eine Gegenleistung erwartet und besteht erst einmal darauf, das Geld abzuliefern und eine Quittung dafür zu bekommen.

Kurz darauf glaubt er zu verstehen, warum all die Gebete und Opfer nichts bewirkt haben. Gott erwartet wohl ein Menschenopfer! Willard ärgert sich, dass er nicht schon früher darauf kam. Unverzüglich erschlägt er Henry Dunlap mit einem Hammer und bringt die Leiche mit seinem Pickup in den Wald.

Henry Dunlaps Witwe und ihr schwarzer Liebhaber werden wegen Mordes angeklagt und verurteilt.

Trotz des Opfers stirbt Charlotte im Alter von 32 Jahren. Nachdem sie auf dem Friedhof außerhalb von Bourneville beerdigt wurde, kündigt Willard seinem zehnjährigen Sohn an, er werde ihn zu seiner Großmutter Ellen nach Coal Creek bringen. Doch in der Nacht findet Arvin seinen Vater mit durchschnittener Kehle am Gebetsbaum.

Er rennt zu dem 22-jährigen Hank Bell, der in einem Campingwagen wohnt, seit die Bank ihm vor vier Jahren das von der Mutter geerbte Haus abgenommen hat. Hank soll in seinem Dorfladen den Sheriff anrufen. Aufgrund des Notrufs fährt der 21 Jahre alte Lee Bodecker, der seit vier Monaten unter Hen Matthews als Hilfssheriff im Ross County tätig ist, zu dem Laden und lässt sich von Arvin zu dessen toten Vater im Wald führen.

Bodecker holte Luft und musste würgen. „Mein Gott, wie lange liegt er denn schon so da?“
Arvin zuckte mit den Schultern. „Nicht lang. Ich war für eine Weile eingeschlafen, und dann hab ich ihn gefunden.“
Bodecker hielt sich die Nase zu und versuchte durch den Mund zu atmen. „Und was zum Henker stinkt hier so?“
„Das sind die da oben“, sagte Arvin und zeigte in die Bäume. […]
„Das ist ein Gebetsbaum“, flüsterte Arvin kaum hörbar.
„Was? Ein Gebetsbaum?“
Arvin nickte und starrte die Leiche seines Vaters an. „Aber es hat nicht funktioniert“, sagte er.

Arvin wächst von da an bei Ellen Russell und Onkel Earskell in Coal Creek/West Virginia auf, zusammen mit der einige Monate jüngeren Lenora Laferty, der Pflegetochter seiner Großmutter.

Lee Bodeckers Schwester Sandy ist mit einem Mann namens Carl Henderson verheiratet.

Carl war 25 Jahre alt, als seine Mutter durch einen Schlaganfall gelähmt wurde. Zuerst spielte er mit dem Gedanken, sie mit einem Kopfkissen zu ersticken, aber dann fand er sich damit ab, dass er sie pflegen musste. Er fotografierte sie zweimal in der Woche, 13 Jahre lang, bis sie starb. Als sie tot war, warf er die Schachtel mit den Fotos in den Müll, verließ Columbus/Ohio und brach nach Hollywood auf, wo er schöne Menschen fotografieren wollte. Unterwegs lernte er im Restaurant Wooden Spoon in Meade die 18-jährige Kellnerin Sandy Bodecker kennen. Sie wurden ein Paar und heirateten nach kurzer Zeit. Das war 1960.

Zuerst fuhr Carl mit Sandy weiter nach Kalifornien, aber sein Traum, sich in Hollywood als Fotograf einen Namen zu machen, zerplatzte. Als sie kein Geld mehr hatten, verkaufte Carl seine junge Frau an zwei Männer, die eine Pornodarstellerin suchten. In dem Haus, in dem die Dreharbeiten stattfanden, waren dann noch sieben oder acht weitere Männer. Nachdem Sandy sich ausgezogen hatte, führte ein Zwerg einen kräftigen nackten Mann am Halsband herein. Als Carl dessen gewaltiges Geschlechtsteil sah, wollte er das Geschäft rückgängig machen, aber das ließen die Männer nicht zu: Sie drängten ihn hinaus, und er musste im Auto auf Sandy warten. Zwei Männer trugen sie schließlich zum Wagen, warfen sie auf den Rücksitz und drückten Carl 20 Dollar in die Hand. Er protestierte, denn abgemacht war das Zehnfache, aber die Männer meinten, die Frau habe herumgelegen wie ein Fisch und sei nicht zu gebrauchen gewesen. Frustriert kehrten Carl und Sandy daraufhin nach Ohio zurück.

Im Sommer 1965 fahren die beiden wochenlang mit einem Gebrauchtwagen herum. Sie nehmen Anhalter mit, junge Männer, die ihnen für ihr Vorhaben geeignet erscheinen, verlassen dann mit ihnen den Highway und halten in einer abgelegenen Gegend. Dort zieht Sandy sich aus, und Carl zwingt den Tramper mit vorgehaltener Pistole, mit ihr zu kopulieren, während er Fotos davon knipst. Anschließend erschießt Carl den Mann, und sie rauben ihn aus. Bald brennt es Sandy zwischen den Beinen, und sie befürchtet eine Infektion, aber Carl will keine Kondome auf den Bildern.

Nachdem Carl und Sandy sechs Männer ermordet haben, zahlen sie sechs Dollar für ein Motelzimmer, und Carl zählt in seinem Bett sechs tote Fliegen. Dreimal die Sechs: das Teufelszeichen! Sie sollten ihre Tour besser abbrechen. Carl stellt sich vor, wie es wäre, wenn sie ein Opfer wie ein Haustier hielten.

Die Kirchengemeinde von Coal Creek wurde 1924 von Reverend Albert Sykes gegründet. Als er sein Amt 1966 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, holt er einen etwa 30 Jahre alten Neffen als Prediger nach Coal Creek. Preston Teagardin reist mit seiner deutlich jüngeren Frau Cynthia an. Sie war 15, als er sie taufte, und im Jahr darauf heirateten sie.

Als Alma Reaster mit ihren beiden 14 bzw. 16 Jahre alten Töchtern Beth Ann und Pamela Sue in die Kirche kommt, gafft der neue Geistliche die Mädchen lüstern an. Arvin bemerkt es, aber dass Lenora sich bald darauf von Preston Teagardin deflorieren lässt und sich jede Woche mehrmals mit ihm trifft, entgeht ihm. Seiner Großmutter fällt allerdings auf, dass der Körper der 17-Jährigen deutlich fraulicher wird.

Nach dem Abschluss der Highschool fängt Arvin bei einem Straßenbautrupp zu arbeiten an.

Ein paar Monate später weiß Lenora, dass sie schwanger ist. Hilfe suchend geht sie zu ihrem geistlichen Liebhaber in die Kirche, aber der versucht sogleich, sie einzuschüchtern:

„Wie kann ich denn der Vater sein? Ich habe dich nicht angerührt, nicht ein einziges Mal. Sieh dich doch an. Ich habe eine Frau zu Hause, die ist hundert Mal schöner als du, und die tut alles, was ich von ihr verlange, und damit meine ich alles.“

„Ich rate dir, Mädchen“, sagte er mit leiser, hasserfüllter Stimme, „finde einen Weg, wie du das loswirst – falls du denn überhaupt schwanger bist, wie du behauptest. Wenn du es behältst, ist es doch nur ein kleiner Bastard mit einer Hure als Mutter. Tu es vor allem der armen alten Frau zuliebe, die dich aufgezogen hat und jeden Sonntag mit in die Kirche nimmt. Sie würde vor Kummer sterben. Und jetzt verschwinde.“

In ihrer Verzweiflung beabsichtigt Lenora, sich zu erhängen. In einer Scheune stellt sie sich mit einer Schlinge um den Hals auf einen Metalleimer. Im letzten Augenblick überlegt sie es sich anders und versucht, die Schlinge zu lösen. Aber dabei kippt der Eimer um, und die Schlinge zieht sich so zu, dass sie auch nicht mehr um Hilfe rufen kann.

Eine Woche nach Lenoras Beerdigung wendet sich Tick Tompson, der neuer Sheriff vom Greenbrier County, an Arvin und fragt ihn, ob er wusste, dass Lenora im dritten Monat schwanger war. Arvin ist entsetzt. Tompson wandte sich eigens an ihn, um Emma zu schonen, und auch Arvin verschweigt seiner Großmutter die Hiobsbotschaft. Er denkt darüber nach, wer Lenora geschwängert haben könnte und kommt schließlich auf Preston Teagardin. Daraufhin kündigt er beim Straßenbautrupp, um den Geistlichen beschatten zu können. Er beobachtet ihn mit Pamela Sue Reaster in flagranti und sieht ihn auch mit ihrer jüngeren Schwester Beth Ann in der Kirche. Nach ein paar Tagen hört er, wie Pamela Sue zu ihrem Liebhaber sagt, er hätte besser die Finger von Beth Ann gelassen, denn die habe der Mutter alles erzählt. Die beiden seien jetzt beim Arzt und würden anschließend zum Sheriff gehen. Als das Mädchen fort ist, stellt Arvin den Geistlichen zunächst zur Rede und erschießt ihn dann.

Er will nach Meade fliehen, aber in der Nähe von Charleston/West Virgina bricht das Getriebe seines Autos, und es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich an den Straßenrand zu stellen und zu hoffen, dass jemand ihn mitnimmt.

Die Prediger Roy Laferty und Theodore Daniels hatten sich 1959 einem Zirkus angeschlossen: „Billy Bradford Family Amusement“. Vier Jahre lang waren sie vom Frühling bis zum Spätherbst mit den Artisten in einem alten Schulbus unterwegs. Aber als Theodore 1963 einen fünf oder sechs Jahre alten Jungen mit Zuckerwatte angelockt und sich an ihm vergangen hatte, warf Billy Bradford die beiden Prediger hinaus.

Drei Jahre später stirbt Theodore Daniels. Roy Laferty, der sich nun nicht mehr um seinen gelähmten und alkoholkranken Cousin kümmern muss, beschließt, endlich einmal seine Tochter in Coal Creek zu besuchen. In Ermangelung einer anderen Fahrgelegenheit will er trampen.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Auch im Sommer 1966 ist das Ehepaar Henderson wieder mit dem Wagen unterwegs. Weil Carl seiner Frau nicht mehr vertraut, ersetzt er heimlich die Munition in ihrer Pistole mit Platzpatronen.

Nach zwei Wochen nehmen sie das fünfte Opfer dieser Saison mit, einen Mann, der seine Tochter in Coal Creek besuchen will. Als sie anhalten und Sandy sich auszieht, ist Roy verwirrt. Carl richtet seine Pistole auf ihn.

„Was soll das, Mister?“, fragte Roy.
Carl seufzte schwer. „Himmel, pass doch auf, Mann. Wie ich schon gesagt habe, du vögelst meine Frau, und ich mache ein paar Fotos, das ist alles.“
„Ihre Frau?“, sagte Roy. „So etwas hab ich ja noch nie gehört. Und ich dachte, Sie sind ein Christ.“
„Halt die Schnauze und zieh endlich diesen Anzug aus der Kleiderkammer aus“, fuhr Carl ihn an.
Roy sah zu Sandy hinüber und streckte die Hände aus. „Lady“, sagte er, „tut mir leid, aber ich habe mir nach Theodores Tod geschworen, von nun an ein ehrenwertes Leben zu führen, und daran werde ich mich halten.“ […]
Carl lachte und warf seine Zigarre fort. Was für ein Chaos. „Okay, sieht so aus, als hätten wir hier einen total Durchgeknallten.“
Sandy stand auf und zog sich wieder an. „Lass uns verschwinden, verdammt noch mal“, sagte sie.
Kaum hatte Roy sich umgedreht und gesehen, wie die Frau zum Wagen ging, da spürte er den Lauf der Pistole an der Schläfe. „Denk gar nicht erst daran zu fliehen“, warnte ihn Carl.
„Keine Sorge“, sagte Roy. „Meine Tage auf der Flucht sind vorbei.“ […] „Ich schätze, sie lassen mich nicht mehr einsteigen, richtig?“
„Da hast du recht“, antwortete Carl. […]
Kaum zu fassen, aber der verrückte Hund in dem verdreckten Anzug hatte fast hundert Dollar in der Tasche.

Auf der Rückfahrt nach Ohio treffen Carl und Sandy auf Arvin. Er will nach Meade. Sie nehmen ihn mit. Als sie in einer abgelegenen Gegend anhalten, Carl aussteigt und den Anhalter mit einer Pistole in der Hand auffordert, ebenfalls das Auto zu verlassen, hat dieser seine Luger bereits unbemerkt entsichert.

Bevor Carl noch begriff, was der Bursche in der Hand hielt, hatte ihm die erste Kugel schon den Magen zerfetzt. Die Wucht der Kugel wirbelte ihn herum. Er stolperte drei, vier Schritte zurück und fing sich wieder. Er versuchte, die Pistole zu heben und zu zielen, doch dann traf ihn eine weitere Kugel in die Brust.

Sandy, die noch hinter dem Lenkrad sitzt, wühlt in ihrer Handtasche.

„Tun Sie das nicht“, sagte er und schüttelte den Kopf. Er trat vom Wagen zurück und richtete die Luger auf sie. „Ich flehe Sie an.“ Schwarze Mascaraschlieren flossen ihr übers Gesicht. […]
„Scheiß drauf“, sagte sie leise, reckte eine Pistole über den Sitz und feuerte. Obwohl sie direkt auf die Körpermitte des Jungen zielte, blieb er einfach stehen. Ungestüm zog sie mit dem Daumen den Hahn zurück, doch bevor sie erneut abdrücken konnte, schoss Arvin ihr in den Hals.

Nachdem Arvin drei Menschen in Ohio erschossen hat, weiß er, dass er den Bundesstaat am besten so schnell wie möglich verlassen sollte, aber er will erst noch einmal zu dem Gebetsbaum seines Vaters.

Ein Farmer findet die Leichen eines Mannes und einer Frau, in der Sheriff Lee Bodecker seine Schwester Sandy erkennt. Kurz darauf erhält er einen Anruf seines Kollegen Tick Tompson aus Lewisburg/West Virgina, der im Fall des ermordeten Geistlichen Preston Teagardin ermittelt. Der 18-jährige Hauptverdächtige Arvin Russell habe die letzten sieben oder acht Jahre bei seiner Großmutter Ellen Russell in Coal Creek gelebt, sagt er und bittet Bodecker um Amtshilfe.

Der fährt erst einmal mit den Schlüsseln, die er bei seiner Schwester und seinem Schwager fand, zu deren Wohnung. In einer unter dem Bett versteckten Schuhschachtel findet er über 200 Fotos von Sandy und 26 Männern, die das Paar offenbar ermordete. Bodecker verbrennt die Aufnahmen. Lee Bodecker will verhindern, dass seine Schwester von den Medien als Serienkillerin dargestellt wird, denn das würde seine Wiederwahl gefährden. Seine Chancen vergrößern könnte er, indem er den Mann zur Strecke brächte, der einen Gottesmann ermordete: Arvin Russell.

Arvin fährt mit dem Wagen der toten Hendersons nach Knockemstiff. Hank Bell, der nach wie vor den Dorfladen betreibt, erkennt ihn und sagt ihm, dass nach ihm und seinen Eltern niemand mehr in dem Haus gewohnt habe. Vor einiger Zeit legten Kinder dort Feuer, und es brannte nieder.

An der verwilderten Kultstätte, an der sein Vater sich die Kehle durchschnitt, betet Arvin zum ersten Mal seit dem Tod seiner Mutter wieder. Dennoch hört er rechtzeitig, dass sich jemand nähert und stellt sich deshalb ins Gebüsch. Es ist der Sheriff, den er vor acht Jahren schon einmal zu diesem Ort geführte. Lee Bodecker ruft nach ihm und beteuert, nur mit ihm sprechen zu wollen. Als er ein Geräusch hört, schießt er sofort in die Richtung, entschuldigt sich dann aber, erschrocken zu sein. Arvin hebt ein Stück Holz auf und wirft es ein Stück weit weg. Wieder schießt der Sheriff ohne Vorwarnung. Da tritt Arvin hinter ihn und fordert ihn auf, seine Waffe auf den Boden zu legen. Bodecker wirbelt herum und schießt, trifft Arvin allerdings nicht. Der 18-Jährige drückt zweimal ab. Das erste Geschoss zerschmettert das Handgelenk des Sheriffs, das zweite durchbohrt einen Lungenflügel. Lee Bodecker stirbt vor Willard Russells Gebetsbaum.

Arvin macht sich per Anhalter auf den Weg.

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Die Handlung des packenden Romans „Das Handwerk des Teufels“ von Donald Ray Pollock beginnt nach dem Zweiten Weltkrieg und endet Mitte der Sechzigerjahre. Sie spielt in Ohio und West Virginia. Dort wächst Arvin auf, der Sohn eines bigotten Schlachthausarbeiters. Als Jugendlicher erfährt Arvin, dass sich die Pflegetochter seiner Großmutter erhängte [Suizid], weil sie von einem pädophilen Geistlichen geschwängert worden war. Zwei andere Prediger erweisen sich als Psychopathen. Einer von ihnen wird ebenso wie Arvin einem Serienkiller-Ehepaar begegnen, das mit dem Auto herumfährt und unter Anhaltern nach Opfern sucht, nach jungen Männern, die zuerst vor der Kamera mit der Frau kopulieren müssen und dann erschossen werden. Und beim Bruder der perversen Massenmörderin handelt es sich um einen korrupten Sheriff. Immer und überall lauert der Teufel („The Devil All The Time“). Gott, der hier vielfach angerufen wird, schweigt dazu.

Aus diesen Handlungssträngen entwickelt Donald Ray Pollock auf raffinierte Weise eine intelligente Groteske über menschliche Abgründe. Zynisch und ohne Mitleid mit dem Leser veranschaulicht er in „Das Handwerk des Teufels“, wozu Menschen fähig sind. Das Bild der Gesellschaft, das er entwirft, ist düster.

Donald Ray Pollock wurde am 23. Dezember 1954 in Knockemstiff/Ohio geboren, einem der Schauplätze des Romans „Das Handwerk des Teufels“. Im Alter von 17 Jahren brach er die Highschool ab und begann – wie Willard Russell im Roman – in einer Fleischfabrik zu arbeiten. Danach verdiente er seinen Lebensunterhalt in einer Papiermühle und als Lastwagenfahrer. Erst als Donald Ray Pollock Mitte 30 war, holte er seinen Schulabschluss in Abendkursen nach und immatrikulierte sich dann an der Ohio State University. 2008 – im Alter von 53 Jahren – debütierte er als Schriftsteller mit einem Erzählband, der unter dem Titel „Knochemstiff“ erschien (Übersetzung: Peter Torberg, Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2013, ISBN 978-3-95438-014-5, 256 Seiten, 18.90 €). Außerdem schrieb Donald Ray Pollock für verschiedene Zeitschriften. „Das Handwerk des Teufels“ ist sein zweites Buch und sein erster Roman.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
Textauszüge: © Verlagsbuchhandlung Liebeskind / Wilhelm Heyne Verlag

Sigrid Undset - Kristin Lavanstochter. Der Kranz
Der Roman "Der Kranz", der erste Band einer Trilogie der norwegischen Schriftstellerin Sigrid Undset über Kristin Lavranstochter, lässt sich als Gesellschafts- und feministisch-emanzipatorischer Entwicklungsroman lesen. Es geht um Sexualität, Erotik und Ehe im Konflikt zwischen individuellen Bestrebungen, gesellschaftlichen Erwartungen und kirchlichen Regeln. Außerdem erfahren wir viel über die damaligen Lebensverhältnisse, Sitten und Gebräuche in Norwegen.
Kristin Lavanstochter. Der Kranz