Lichter

Lichter

Lichter

Originaltitel: Lichter - Regie: Hans-Christian Schmid - Drehbuch: Michael Gutmann und Hans-Christian Schmid - Kamera: Bogumil Godfrejów - Schnitt: Hansjörg Weißbrich und Bernd Schlegel - Musik: The Notwist - Darsteller: Zbigniew Zamachowski, Maria Simon, Devid Striesow, August Diehl, Sebastian Urzendowsky, Herbert Knaup, Henry Hübchen, Ivan Shvedoff, Claudia Geisler, Martin Kiefer, Alice Dwyer, Janek Rieke, Anna Janowskaja, Sergej Frolov, Julia Krynke, Tom Jahn u.a. - 2003; 100 Minuten

Inhaltsangabe

Der Film "Lichter" besteht aus Episoden, die sich innerhalb von zwei Tagen an der deutsch-polnischen Grenze bei Slubice und Frankfurt an der Oder abspielen. Es geht um Geschäfte, Grenzen und Erwartungen, Liebe und Enttäuschungen. Im Gegensatz zu den eher pragmatischen Frauen hängen die Männer in "Lichter" unrealistischen Hoffnungen nach. Keine der Geschichten geht gut aus.
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Kritik

Sehenswert ist der Episodenfilm "Lichter" nicht nur wegen der gelungenen Form und der realistischen Geschichten, sondern auch wegen der Charaktere, die im Mittelpunkt stehen und von den Schauspielern durchwegs überzeugend dargestellt werden.
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Ingo Mertens und sein Matratzengeschäft

Ingo Mertens (Devid Striesow) betreibt in Frankfurt an der Oder ein Matratzengeschäft und stellt einige Hilfskräfte zum Teil aus Polen ein, die mit Reklametafeln durch die Straßen laufen sollen (Ellen Schlootz, Peter Wohlfeil, Falk Rößler u.a.). Das Geschäft geht schlecht, und dann wird Ingo auch noch beim Ausfahren von Matratzen von der Polizei kontrolliert. „Meinen Führerschein habe ich gerade nicht zur Hand“, lügt er, aber die Beamten finden durch eine elektronische Anfrage rasch heraus, dass ihm die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Ingo muss seine Mitarbeiterin Simone (Claudia Geisler) anrufen, damit die sich für ihn ans Steuer setzt.

Weil Ingo die Stromrechnungen nicht beglichen hatte, wurde ihm vor zwei Monaten der Anschluss gesperrt, und er zapfte daraufhin heimlich die Nachbarleitung an. Aufgrund einer Anzeige der Nachbarn überprüft ein Mitarbeiter der Elektrizitätswerke (Klaus Bräuer) den Sicherungs- und Verteilerkasten in dem Matratzengeschäft und entdeckt sofort den verbotenen Anschluss.

Als das Licht im Laden ausgeht, bittet Ingos polnische Mitarbeiterin Milena (Aleksandra Justa) um die Ausbezahlung ihres Lohns, denn sie braucht dringend Geld, um ihrer Tochter Marysia (Marysia Zamachowska) ein Kleid für die Erstkommunion kaufen zu können. Ingo ist jedoch pleite, findet sie mit einer Matratze ab und erklärt ihr, er habe keine Arbeit mehr für sie.

Am nächsten Tag lässt Ingo sich von seiner noch verbliebenen Mitarbeiterin Simone (Claudia Geisler) zur Bank begleiten, aber die Sekretärin (Ramona Kunze-Libnow) des für ihn zuständigen Kreditsachbearbeiters behauptet, ihr Chef habe den ganzen Tag über auswärts zu tun. Doch als Ingo und Simone zum Auto gehen, kommt Rainer Petzold (Michael Gerber) aus dem Gebäude. Ingo läuft ihm nach, wird jedoch von dem Bankangestellten abgewiesen.

Während Ingo kurz fort ist, kommen Beauftragte des Matratzenherstellers vorbei und räumen das Geschäft leer. Sie zeigen Simone einen Vertrag, aus dem hervorgeht, dass die Ware Ingo nicht gehört, sondern ihm nur in Kommission überlassen wurde, denn es handelt sich um ein Franchising-Unternehmen.

Kurz darauf bemerkt Simone zufällig, dass in einer benachabrten Straße eine neue Filiale des Matratzenherstellers eröffnet wird – mit der Ware aus Ingos Laden. Als sie Ingo hinbringt, stürmt er zornig hinein, wird aber mit Gewalt wieder hinausgeworfen. Schluchzend läuft er davon, und Simone folgt ihm selbstlos.

Sonja, ihr Freund Christoph und der ukrainische Flüchtling Kolja

Ein Schleuser (Andrzej Górak) lässt neun oder zehn Ukrainer in einem Waldstück aus dem Lastwagen klettern. Bevor er wieder losfährt, schärft er ihnen ein, sich bis zum Anbruch der Dunkelheit zu verstecken und dann auf die ersten Lichter zuzugehen. Als es endlich so weit ist, stellen die Ukrainer fest, dass die beleuchteten Häuser nicht – wie angenommen – zu einem Vorort von Berlin, sondern zum polnischen Grenzort Slubice gehören.

Schleuser aus Bulgarien bieten den Verzweifelten an, sie für 200 Dollar pro Person über die polnisch-deutsche Grenze zu bringen, aber die Ukrainer misstrauen den Männern aufgrund ihrer soeben gemachten Erfahrung und lassen sich nicht auf das ebenso kostspielige wie fadenscheinige Geschäft ein.

Einige von ihnen versuchen, über die Oder zu schwimmen. Einer ertrinkt dabei. Ein zweiter – Kolja (Ivan Shvedoff) – wird vom Bundesgrenzschutz aufgegriffen. Die Dolmetscherin Sonja (Maria Simon), die zu dem Verhör in Frankfurt an der Oder hinzugezogen wird, rät Kolja, Asyl zu beantragen, aber damit hat er keine Chance, denn für die Beamten gibt es keinen Zweifel daran, dass er aus Polen gekommen ist: Er wird am nächsten Morgen nach Slubice zurückgebracht.

Sonja ist so betroffen von Koljas Schicksal, dass sie ihren Freund Christoph (Janek Rieke) drängt, mit ihr nach Slubice zu fahren und dort nach dem Ukrainer zu suchen. Sie teilen sich auf und fragen in den umliegenden Häusern. Christoph, der bei der riskanten Aktion nur widerwillig mitmacht, findet Kolja bei dem Kellner (Marek Zeranski), der die ukrainische Gruppe am Vorabend bis zur Sperrstunde in der Gaststätte seines Chefs beherbergte. Christoph steckt Kolja 200 Euro für einen Schleuser zu und verlangt als Gegenleistung, dass der Ukrainer sofort verschwindet, damit Sonja ihn nicht entdeckt. – Die Suche sei vergeblich gewesen, behauptet er, als er wieder mit Sonja zusammentrifft. Aber die Lüge wird rasch aufgedeckt, denn Kolja hat sich ausgerechnet im Kofferraum von Sonjas Auto versteckt. Der Streit endet damit, dass Christoph sich für die Rückfahrt nach Frankfurt ein Taxi nimmt, während Sonja mit Kolja über die Grenze fährt. Am Potsdamer Platz in Berlin steigt Kolja aus. Enttäuscht über den flüchtigen Abschied, den höflichen Dank und das Ende des Abenteuers blickt Sonja ihm nach. Dann merkt sie, dass Kolja auch noch Christophs Kamera stahl, die auf dem Rücksitz lag.

Inzwischen ist der Ukrainer bereits dabei, die neuen Bauten am Potsdamer Platz zu fotografieren. Die Aufnahmen will er seinem in der Ukraine zurückgebliebenen Bruder schicken.

Antoni, ukrainische Flüchtlinge und die Erstkommunion seiner Tochter

Zu der ukrainischen Gruppe gehören auch Anna und Dimitri (Anna Janowskaja, Sergej Frolov) mit ihrem Säugling. Bei der Suche nach einem für sie bezahlbaren Nachtquartier in Slubice stoßen sie auf den Taxifahrer Antoni (Zbigniew Zamachowski), der sie bei sich zu Hause in einem Nebengebäude unterbringt. Seine Frau Milena darf davon allerdings nichts wissen.

Milena hat gerade ihren Job im Matratzengeschäft von Ingo Mertens in Frankfurt an der Oder verloren und statt des ausstehenden Lohns eine Matratze bekommen. Antoni will trotz seiner Übermüdung – er verursachte bereits einen kleinen Auffahrunfall und musste dem anderen Fahrer Geld als Schadenersatz geben – die ganze Nacht arbeiten, um seiner Tochter für die Erstkommunion am nächsten Tag ein bereits ausgesuchtes und im Geschäft zurückgelegtes Kleid kaufen zu können. Dimitri bietet ihm 200 Dollar, wenn er seiner Familie hilft, über die Oder nach Deutschland zu kommen. Bei einem Angler erkundigt Antoni sich nach den Grenzkontrollen. Der Fremde will in der Nacht aufpassen und anrufen, wenn die Grenze frei ist. Tatsächlich steckt er nur das Geld ein und telefoniert dann von einer Bartheke aus mit Antoni, um ihm zu raten, es um 5 Uhr morgens zu versuchen.

Im Morgengrauen bringt Antoni die Familie zu einer seichten Stelle der Oder, aber Anna schafft es nicht, mit dem Baby zum anderen Ufer zu kommen. Sie kehren um, und Antoni fährt sie zum Busbahnhof. Im letzten Augenblick stiehlt er ihnen noch das letzte Geld.

Damit eilt er zu dem noch geschlossenen Bekleidungsgeschäft, klingelt die Besitzerin (Bozena Baranowski) heraus und kauft das zurückgelegte weiße Kleid. Zu Hause trifft er Milena und Marysia nicht mehr an. Als er in die Kirche kommt, hat die Feier bereits angefangen. Marysia trägt ein von ihrer Mutter in der Nacht geschneidertes Erstkommunionskleid. Antoni steht mit dem gerade gekauften und jetzt unnützen Kleid in der Schachtel da und kann es nicht glauben.

Zigarettenschmuggler

Marko (Martin Kiefer) und Andreas (Sebastian Urzendowsky) hausen mit ihrem strengen Vater Maik (Tom Jahn) auf einem Schrottplatz. Mit Hilfe seiner aus dem Erziehungsheim geflohenen und bei ihnen untergeschlüpften Freundin Katharina (Alice Dwyer) schmuggelt Marko für seinen Vater Zigaretten aus Polen nach Deutschland.

Zwei Sozialarbeiter, die einem entsprechenden Hinweis nachgehen, holen Katharina zurück ins Heim. Andreas verhilft ihr zur erneuten Flucht, indem er mit Maiks Wagen ein Tor im Maschendrahtzaun aufdrückt. Unterwegs findet Katharina die Maik gehörende Geldkassette, bricht sie auf und versucht Andreas zu überreden, mit ihr wegzufahren. Aber da kommt auch schon Marko und fordert Katharina auf, zu ihm ins Auto zu steigen. Andreas lassen sie einfach stehen. Als er nach Hause kommt, verprügelt der Vater ihn mit einem Riemen, und Marko wirft sein Bettzeug aus dem Zimmer, das sie sich bisher geteilt haben, um Platz für seine Freundin zu machen. Ohne Andreas auch nur anzusehen, geht Katharina an ihm vorbei zu Marko in das Zimmer.

Am anderen Morgen, als Maik, Marko und Katharina aus dem Haus sind, ruft Andreas die Polizei an. Marko wird im Zug verhaftet. Die Schmuggelware konnte er nicht mehr rechtzeitig aus dem Fenster werfen.

Philip und Beata

Auf einem polnischen Acker nahe der Grenze will der deutsche Unternehmer Werner Wilke (Henry Hübchen) eine Textilfabrik errichten. Um das Bauvorhaben an Ort und Stelle zu besprechen, trifft er sich mit dem Bürgermeister von Slubice (Stanislaw Nowak), dem Architekten Klaus Fengler (Herbert Knaup), dessen Assistenten Philip Lorenz (August Diehl) und der polnischen Dolmetscherin Beata (Julia Krynke).

Beata und Philip waren früher ein Paar, haben sich jedoch seit zwei Jahren nicht mehr gesehen und treffen sich zufällig bei dieser Gelegenheit. Philip schwärmt Beata von seinem Entwurf der Glasfassade vor. Er möchte die Beziehung wieder aufleben lassen und Beata zurückgewinnen, aber sie zögert und als der Bauherr die Gruppe nach dem von Fengler bezahlten Geschäftsessen in seine Privatvilla einlädt, rät sie Philip, nicht mitzukommen.

Als er es doch tut, begreift er, dass Beata nicht nur Dolmetscherin ist, sondern von seinem Chef ebenso wie eine zweite junge Polin dafür bezahlt wurde, den Herren in dieser Nacht zur Verfügung zu stehen. Als er Beata vergeblich auffordert, die Villa mit ihm zu verlassen, kommt es zu einem Eklat. Er wird aus dem Haus geworfen, und Fengler kündigt ihm wegen des geschäftsschädigenden Verhaltens fristlos.

Am anderen Morgen gehen Beata und ihre Freundin an Philip vorbei, der in seinem vor der Villa geparkten Wagen eingeschlafen ist.

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Der Film „Lichter“ besteht aus Episoden, die sich innerhalb von zwei Tagen an der deutsch-polnischen Grenze bei Slubice und Frankfurt an der Oder abspielen. Es geht um Geschäfte, Grenzen und Erwartungen, Liebe und Enttäuschungen. Im Gegensatz zu den eher pragmatischen Frauen hängen die Männer in „Lichter“ unrealistischen Hoffnungen nach. Keine der Geschichten geht gut aus: „Lichter“ ist ein deprimierender Film, auch wenn einige der Szenen tragikomisch sind.

Die Geschichten werden im Film nicht blockweise erzählt wie in meiner Zusammenfassung des Inhalts, sondern Hans-Christian Schmid und Michael Gutmann ist es gelungen, die Episoden häppchenweise parallel und verzahnt zu entwickeln, wobei die Darstellung nicht zuletzt wegen der verwendeten Handkamera realistisch wirkt. Gefühlsduselei gibt es kaum; überambitionierte Bilder gar nicht. Das passt zu den bedrückenden Schicksalen.

Sehenswert ist „Lichter“ nicht nur wegen der geglückten Form und des spannenden Plots, sondern auch wegen der Charaktere, die im Mittelpunkt stehen und von den Schauspielern durchwegs überzeugend dargestellt werden.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.