Zadie Smith : Zähne zeigen

Zähne zeigen
Originaltitel: White Teeth Hamish Hamilton, London 2000 Zähne zeigen Übersetzung: Ulrike Wasel und Klaus Timmermann Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. München 2001 ISBN: 3-4261-9546-1, 645 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Der englische Kleinbürger Archie ist mit einer Jamaikanerin in London verheiratet. Sein aus Bangladesch stammender Freund Samad möchte zwar ein streng gläubiger Moslem sein, erliegt jedoch immer wieder den westlichen Versuchungen. Vor allem durch ihre in London geborenen Kindern werden Archie und Samad mit dem Konflikt zwischen Tradition und Selbstbestimmung, Familienzugehörigkeit und Freiheit, Herkunft und Individualität konfrontiert.
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Kritik

Der Roman "Zähne zeigen" besteht aus einer Fülle von Episoden, die von Zadie Smith mit ironischem Unterton und in einer saloppen, modernen Sprache erzählt werden.
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Der Panzerfahrer Alfred Archibald („Archie“) Jones, der Kofahrer Roy Mackintosh, der Funker Samad Miah Iqbal, der Richtschütze Will Johnson und ihr Captain Thomas Dickinson-Smith kurven im Frühjahr 1945 auf dem Balkan herum, bis sie am 6. Mai in einem bulgarischen Dorf nahe der türkischen Grenze mit einem Motorschaden liegen bleiben. Während sie auf Hilfe warten, gehen der siebzehnjährige Archie und sein zwei Jahre älterer, aus Bangladesch stammender Kamerad Samad in eine Gaststätte und trinken Sambuca. Als sie nach drei Stunden zurückkehren, liegen die drei anderen Mitglieder der Panzerbesatzung tot am Boden, und das Funkgerät ist zerstört.

Zweieinhalb Wochen später tauchen Soldaten der Roten Armee auf, von denen Archie und Samad erfahren, dass er Krieg längst vorbei ist. Der russische Offizier Nikolai Pesotsky hat Befehl, mit seinen Leuten einen französischen Wissenschaftler festzunehmen, der hier allein in einem Haus am Dorfrand lebt: Dr. Marc-Pierre Perret. Der Genetiker arbeitete schon vor Kriegsbeginn eng mit den Nationalsozialisten zusammen, um ihnen bei der Zucht einer höheren Menschenrasse zu helfen. Später beteiligte er sich auch am Euthanasieprogramm. Der Nazi-Kollaborateur weint blutige Tränen und erklärt den verblüfften Soldaten, das sei die Folge seiner diabetischen Retinopathie.

Nach Perrets Festnahme vertreiben Samad, Pesotsky, der Caféhausbesitzer Gozan und dessen Neffe sich die Zeit mit einem Pokerspiel. Samad gewinnt „drei Jeeps, sieben Pistolen, vierzehn Orden, den Grundbesitz, der zum Haus von Gozans Schwester gehörte, und einen Schuldschein über vier Pferde, drei Hühner und eine Ente“ (Seite 145). Das alles tauscht er gegen den Gefangenen und den Jeep.

Archie versteht nicht, warum er das getan hat, aber Samad hat sich freiwillig zur britischen Armee gemeldet, um sich seines Urgroßvaters Mangal Pande würdig zu erweisen, der am 29. März 1857 eine Meuterei gegen die englischen Kolonialherren ausgelöst hatte und dafür hingerichtet worden war. In der Liquidierung des von den Russen aufgegriffenen Feindes sieht Samad die letzte Chance für eine militärische Heldentat. Samad will Perret jedoch nicht selbst erschießen, sondern überredet Archie, es zu tun. Also steigt der Engländer mit dem Franzosen nach kurzer Fahrt aus dem Jeep und verschwindet mit ihm in der Dunkelheit. Dann hört Samad einen Schuss.

Kurze Zeit später verlieren Archie und Samad sich aus den Augen.

Archie lernt im Frühjahr 1946 in Florenz die Kellnerin Ophelia Diagilo kennen, heiratet sie und kehrt mit ihr nach London zurück. Dorthin zieht auch Samad im Frühjahr 1973 mit seiner achtzehnjährigen Braut Alsana Begum. Am 29. Dezember 1974 treffen Archie und Samad sich wieder und setzen ihre vor dreißig Jahren begonnene Freundschaft fort. Archie verdient seinen Lebensunterhalt durch das Falten von Postwurfsendungen für das Unternehmen von Kelvin Hero; Samad arbeitet als Kellner in dem indischen Restaurant „Palace“, das Ardashir Mukhul gehört, einem sechs Jahre jüngeren Verwandten. Ihre Träume haben weder Archie noch Samad verwirklichen können.

Am Neujahrsmorgen 1975 setzt Archie sich in sein Auto, leitet die Abgase durch einen Staubsaugerschlauch ins Innere und schließt die Fenster. Er will sich das Leben nehmen, weil Ophelia sich von ihm getrennt und die Scheidung eingereicht hat.

Aber er hatte den Neujahrsmorgen nicht etwa deshalb mit einem Staubsaugerschlauch verbracht, weil er sie liebte. Vielmehr, weil er so lange mit ihr zusammengelebt hatte, ohne sie zu lieben. (Seite 17)

Der Wagen verstellt allerdings die Lieferzone der Fleischerei des Moslems Mohammed („Mo“) Hussein-Ishmael, der in einer halben Stunde fünfzehn tote Rinder erwartet und deshalb zuerst seinen hinduistischen Praktikanten Varin hinschickt und dann persönlich nach dem Rechten sieht:

„Hören Sie, Mister? Wir haben hier keine Genehmigung für Selbstmorde. Der Ort hier ist halal. Koscher, kapiert? Falls Sie hier sterben wollen, mein Freund, müssen Sie leider vorher erst ordentlich ausgeblutet werden.“ (Seite 16)

Voll neuer Lebensenergie aufgrund seiner Errettung fährt Archie wieder los und hält bei einem Haus mit einem Transparent: „Willkommen zur Ende-der-Welt-Party 1975“. Die Party ist zwar schon vorbei, aber im Treppenhaus begegnet der Siebenundvierzigjährige der neunzehnjährigen Jamaikanerin Clara Bowden, einer nichtweißen Schönheit, der allerdings sämtliche oberen Zähne fehlen. Sechs Wochen später sind Archie und Clara verheiratet.

Claras Vater Darcus war 1958 aus Jamaika nach London gegangen, hatte einen Job suchen und seine Familie nachholen wollen, zog es dann jedoch vor, von der Arbeitslosenhilfe zu leben. Vierzehn Jahre lang wartete seine Frau Hortense in Jamaika, dann zog sie ihm mit ihrer Tochter Clara nach.

Claras Großmutter Ambrosia war im Alter von vierzehn Jahren von einem auf Jamaika stationierten englischen Offizier entjungfert worden: Captain Charlie Durham. Als sie schwanger wurde, reiste er ab und vertraute sie seinem Freund Sir Edmund Flecker Glenard an, der sie, als die Schwangerschaft nicht mehr zu übersehen war, an eine Schottin mit dem Namen Brenton weiterreichte. Mrs Brenton nutzte die Gelegenheit, um Ambrosia zum Glauben der Zeugen Jehovas zu bekehren. – Am 14. Januar 1907 verabredete Sir Edmund sich mit dem schwangeren Mädchen in der Kirche Santa Antonia. Als er sie begrabschte, wehrte sie seine klebrigen Finger von ihren Brüsten ab. Dabei platzte ihr die Fruchtwasserblase. Ihre Schreie gingen in dem Kreischen der anderen Menschen unter, weil gerade ein Erdbeben einsetzte. Mitten im Chaos wurde Hortense geboren.

Hortense war bereits achtundvierzig Jahre alt, als sie die Stimme des Herrn vernahm und nach Hause eilte, um von ihrem Mann Darcus ein Kind zu empfangen, das neun Monate später geboren und auf den Namen Clara getauft wurde.

Gern hätte Hortense ihre Tochter mit deren Schulfreund Ryan Topps vermählt. Einmal, als Clara hinter ihm auf seiner Vespa saß, verlor Ryan die Kontrolle über das Fahrzeug und krachte gegen eine vierhundert Jahre alte Eiche. Dabei verlor Clara die Zähne ihres Oberkiefers. Um sowohl von Ryan als auch von ihrer bigotten Mutter loszukommen, lässt Clara sich auf die Ehe mit Archie ein. Sie wird noch im selben Jahr von einer Tochter entbunden, die den Namen Irie erhält.

Samad und Alsana heiraten ebenfalls und bekommen Zwillinge: Millat und Magid. Eigentlich will Samad ein guter Muslim sein, aber die Verlockungen der westlichen Welt machen es ihm schwer, die strengen Gesetze des Koran zu befolgen. Als die Söhne neun Jahre alt sind, begegnet er im Juli 1984 an einem Elternabend ihrer rothaarigen Musiklehrerin Poppy Burt-Jones.

Poppy Burt-Jones beugte sich auf ihrem Stuhl vor. „[…] Ich empfinde eine grenzenlose Bewunderung für diese Fähigkeit ihres Volkes zum Verzicht, zum Entsagen.“
Woraufhin Samad den Stuhl unter sich wegtrat, wie ein Mann, der sich selbst erhängt, und den redseligen Mund von Poppy Burt-Jones mit seinen fieberheißen Lippen versiegelte. (Seite 193)

Die beiden fangen ein Verhältnis an. Nachdem er selbst die Orientierung verloren hat, sorgt Samad sich um die Erziehung seiner Söhne, die ihn gleich bei der ersten Verabredung mit ihrer Musiklehrerin zufällig gesehen haben. Er möchte sie nach Bangladesch schicken, damit anständige Moslems aus ihnen werden, aber für beide reicht das Geld nicht. Deshalb entscheidet er sich für den ruhigeren Magid. Mit Archies Hilfe bringt er ihn am 5. November 1984 ohne Wissen seiner Frau zum Flughafen. Um ihren Mann dafür zu bestrafen, hört Alsana auf, direkt mit ihm zu sprechen.

Millat macht seinen Eltern ständig Kummer, aber der Junge ist selbstbewusst genug, um sich von seinem Vater nicht einschüchtern zu lassen; er weiß, dass er kein Versager ist, sondern …

„ein Toughie, ein Macker, an vorderster Front, der sein Image so oft wechselte wie seine Schuhe; cool, abgefahren, schrill, der Kinder den Hügel raufführte, um Fußball zu spielen, und den Hügel runter, um Spielautomaten zu knacken, raus aus den Schulen, rein in die Videoläden. (Seite 260)

Alle Frauen, jeder Schattierung, von Mitternachtsschwarz bis Albino, gehörten Millat. Sie steckten ihm Telefonnummern zu, bliesen ihm einen, wo es eben ging, sie kämpften sich durch überfüllte Bars, um ihm einen Drink zu spendieren, sie zogen ihn in Taxis, sie verfolgten ihn nach Hause. (Seite 436)

Eine Fünfzehnjährige mit Afrohaar, vorstehenden Zähnen, Metallspangen, unförmigen Brüsten, dickem Hintern, breiten Hüften und der Sehstärke eines Maulwurfs wie Irie Jones hat da keine Chance, obwohl Millat zu ihren Schulfreunden gehört und sie in ihn verliebt ist. Als die beiden zusammen mit ihrem Mitschüler Joshua Chalfen bei einer Razzia auf dem Schulhof mit einem Joint erwischt werden, verpflichtet der Schuldirektor sie, zur Strafe zweimal in der Woche drei Stunden gemeinsam zu büffeln.

Auf diese Weise werden Irie und Millat mit der im Londoner Stadtteil Glenard Oak wohnenden Familie Chalfen vertraut. Professor Marcus Chalfen arbeitet als Genetiker am St. Jude’s College und ist dabei, eine transgene Maus zu entwickeln. Seine Frau Joyce hat zwar auch Biologie studiert, aber sie hält nichts von Genmanipulationen, sondern pflegt in ihrem Gewächshaus natürliche Pflanzen. Joshua hat drei jüngere Brüder. Während er besondere Fähigkeiten in Mathematik hat, eifert Benjamin seinem Vater nach und will Genetiker werden, Jack zieht es zur Psychiatrie, und der sechsjährige Oscar, dessen IQ 178 beträgt, schlägt schon jetzt seinen Vater beim Schachspiel.

Ihren Eltern verschweigt Irie die regelmäßigen Besuche bei den Chalfens, denn vor allem ihre aus Jamaika stammende Mutter würde es nicht gut finden, dass sie das Verhalten und die Anschauungen der englischen Mittelstandsfamilie als Vorbild nimmt: intellektuell, liberal und neurotisch.

Wenn Irie über die Schwelle des Chalfen-Hauses trat, verspürte sie ein verbotenes Prickeln, wie ein Jude, der ein Würstchen mampft, oder ein Hindu, der sich einen Big Mac reinzieht. (Seite 390)

Dabei handelte es sich auch bei der Familie Chalfen um Immigranten, die vor drei Generationen unter dem Namen Chalfenovsky aus Deutschland und Polen nach England gezogen waren.

Je mehr Irie sich den Chalfens anpasst, desto weniger interessiert Joyce sich für sie, aber die Frau vergöttert Millat, obwohl dieser ihre Söhne beleidigt, Haschisch raucht, heimlich ihren 64er Dom Perignon austrinkt und die Telefonrechnung in die Höhe treibt.

Als Alsana merkt, dass Millat ständig bei den Chalfens ist, macht sie sich zunehmend Sorgen. Schließlich hält sie es nicht mehr aus und ruft Ende Januar 1991 Clara an, um sie über die englische Familie auszufragen.

„Ich mache mir Sorgen, dass man mir meinen Sohn wegnimmt. Einen hab ich schon verloren […] Und ich sehe diese Leute, diese Chaffinken – und sie verbringen mehr Zeit mit Millat als ich.“ (Seite 412)

Irie verbessert ihre schulischen Leistungen durch das gemeinsame Lernen mit Joshua und ihren Eifer, so wie die Chalfens zu werden. Als erste in den Familien Bowden und Jones will sie eine Universität besuchen und Zahnmedizin studieren. Ende Oktober 1991 versucht sie, die Erlaubnis ihrer bereits im Bett liegenden Mutter zu bekommen. Als sie dabei versehentlich ein am Boden stehendes Glas umstößt und mit den Zehen in Claras künstliches Gebiss gerät, läuft sie von zu Hause fort und quartiert sich bei ihrer seit 1985 verwitweten, inzwischen vierundachtzigjährigen Großmutter Hortense in deren Kellerwohnung ein, obwohl die Atheistin Clara ihr den Umgang mit der Zeugin Jehovas vor sechs Jahren untersagte. Irie trifft dort auch Ryan Topps, den Hortense sich als Schwiegersohn gewünscht hatte.

Inzwischen sind Marcus Chalfen und Magid Mahfooz Murshed Mubtasim Iqbal Brieffreunde geworden. Der englische Professor bezahlt Magid den Rückflug aus Bangladesch und holt ihn am Flughafen Heathrow ab. Samad ist schwer enttäuscht, denn statt ein streng gläubiger Moslem zu werden, hat sein Sohn sich offenbar zu einem anglophilen, atheistischen Intellektuellen entwickelt, der vorhat, in England Jura zu studieren. Paradoxerweise schloss ausgerechnet Millat, der seinem Vater wegen seiner unsoliden Lebensführung nichts als Sorgen gemacht hatte, sich in London der islamistischen Bruderschaft HEINTZ an.

Zu den Männern, die HEINTZ Geld spenden, gehört auch Mo Hussein-Ishmael, der seit achtzehn Jahren die renommierteste Halal-Fleischerei von Nord-London betreibt und vor einiger Zeit auch den benachbarten Süßwarenladen dazugekauft hat. Seither wird Mo dreimal im Jahr das Opfer eines schweren Überfalls.

Wohlgemerkt, diese Zahl beinhaltete nicht die zahlreichen Hiebe auf den Kopf, die beiläufigen Schläge mit einer Brechstange, die gemeinen Tritte in den Schritt oder irgendetwas anderes, bei dem kein Blut floss […] Nein: richtige Gewalt. Mo war insgesamt fünfmal niedergestochen worden (Ah), hatte drei Fingerspitzen verloren (Iiiieh), man hatte ihm beide Beine und Arme gebrochen (Aauuuh), die Füße angezündet (Oooh), die Zähne ausgetreten (ka-wumm) und ihm eine Luftgewehrkugel (pling) in sein glücklicherweise fleischiges Hinterteil geschossen. Uff. (Seite 560)

Das allererste Mal, als er im Januar 1979 einen Hammerschlag in die Rippen bekam, ging er, naiv, wie er war, zur Polizei und erhielt zur Belohnung einen nächtlichen Besuch von fünf Polizisten, die ihn gründlich mit Tritten traktierten. (Seite 560f)

Endlich gelingt es Irie, die noch immer in Millat verliebt ist, ihn zu verführen. Doch sofort nach dem Höhepunkt bereut der inzwischen streng gläubige Millat die Sünde, richtet seinen Gebetsteppich auf die Kaaba aus, wirft sich zu Boden und betet. Zornig läuft Irie von ihm zu seinem Zwillingsbruder Magid. Sie wird schwanger und weiß, dass es sich niemals feststellen lässt, welcher der beiden eineiigen Zwillinge der Vater ist.

Irie, Clara und Archie, Magid, Millat, Samad und Alsana gehören am 31. Dezember 1992 zu den zahlreichen Besuchern des Perret Institutes, wo Professor Marcus Chalfen die FutureMouse® vorstellen wird, die genau sieben Jahre lang in einem Schaukasten zu sehen sein wird, doppelt so lang, wie eine Maus normalerweise lebt. Auch der innere Kern von HEINTZ und die 1985 gegründete Tierschutz-Aktionsgruppe FAST nehmen an der Veranstaltung teil, und zwar in der Absicht, sie zu stören, die Tierschützer aus Protest gegen Tierversuche, die fundamentalistischen Moslems, weil sie den Eingriff in die Schöpfung für eine Gotteslästerung halten. Während Professor Chalfen zu reden beginnt, ist von draußen Gesang zu hören: Vor der Tür singt Hortense Bowden mit neun weiteren Zeugen Jehovas, weil sie glauben, dass der Weltuntergang unmittelbar bevorsteht. In seiner Rede hebt Chalfen die wissenschaftlichen Vorarbeiten von Dr. Marc-Pierre Perret hervor, ohne die seine eigenen Erfolge nicht möglich gewesen wären. Samad traut seinen Ohren und Augen nicht: Da steht in der Tat ein älterer Herr mit blutigen Tränen in den Augen. Sein Freund hat ihn ein halbes Jahrhundert lang belogen! Archie hat den NS-Kollaborateur im Mai 1945 gar nicht erschossen!

Tatsächlich war Archie damals völlig verwirrt, als er mit Dr. Marc-Pierre Perret vom Jeep wegging, denn der redete unaufhörlich auf ihn ein. Schließlich wollte der siebzehnjährige Soldat die Entscheidung durch einen Münzwurf herbeiführen: Bei Kopf würde er Perret erschießen, bei Zahl nicht. Archie legte seine Pistole auf den Boden und warf eine Münze in die Luft. Sie fiel hinter ihm zu Boden, er bückte sich – und wurde von einem Schuss in den rechten Oberschenkel getroffen.

„Verdammte Scheiße, warum haben Sie das gemacht?“, sagte Archie wütend und riss dem Doktor leicht und kraftvoll die Waffe weg. „Es ist Zahl. Sehen Sie? Zahl. Da bitte. Zahl. Es war Zahl.“ (Seite 641)

Am 31. Dezember 1992 rettet Archie dem französischen Wissenschaftler noch einmal das Leben. Er sieht nämlich, wie Millat aufsteht und mit einer Pistole auf Dr. Marc-Pierre Perret zielt. Archie wirft sich in die Schusslinie und kriegt auch diese Kugel in den Oberschenkel. Er stürzt auf den Schaukasten mit der Maus. Das Glas zersplittert. Die Genmaus huscht davon.

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Am Beispiel eines mit einer Immigrantin aus Jamaika verheirateten englischen Kleinbürgers, eines aus Bangladesch eingewanderten Moslem-Paares und deren in London geborenen Kindern beschäftigt Zadie Smith sich in ihrem Roman „Zähne zeigen“ mit dem Konflikt zwischen Tradition und Selbstbestimmung, Familienzugehörigkeit und Freiheit, Herkunft und Individualität. „Zähne zeigen“ ist aber keine akademisch trockene Abhandlung, sondern besteht aus einer Fülle zum Teil komischer Episoden, die von Zadie Smith mit ironischem Unterton und in einer saloppen, modernen Sprache erzählt werden.

Zadie Smith wurde 1975 in London als Tochter eines Engländers und einer Jamaikanerin geboren. Während sie sich auf die Abschlussprüfungen im College vorbereitete, schrieb sie zur Abwechslung ihren ersten Roman: „White Teeth“ („Zähne zeigen“).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005
Textauszüge: © Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf.

Zadie Smith: Swing Time

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