Gangs of New York

Gangs of New York

Gangs of New York

Originaltitel: Gangs of New York - Regie: Martin Scorsese - Drehbuch: Jay Cocks, Steen Zaillian, Kenneth Lonergan, nach einem Roman von Herbert Ashbury - Kamera: Michael Ballhaus - Schnitt: Thelma Schoonmaker - Musik: Howard Shore - Kostüme: Sandy Powell - Darsteller: Leonardo DiCaprio (Leonardo Di Caprio), Daniel Day-Lewis, Cameron Diaz, Liam Neeson, Jim Broadbent, John C. Reilly, Henry Thomas, Brendan Gleeson, Gary Lewis, Alec McCowen, David Hemmins u.a. - 2002; 165 Minuten

Inhaltsangabe

1846 kommt es in einem Armenviertel von New York zur Entscheidungsschlacht zwischen den Gangs der "Natives" und der Einwanderer. Der kleine Sohn des getöteten Anführers der irischen Immigranten kehrt nach 16 Jahren zurück, um seinen Vater zu rächen ...


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Kritik

Das Armenviertel "Five Points" wirkt wie ein Inferno. Mit braunen Farbtönen und Kerzenlicht komponierte Michael Ballhaus Bilder, die an Rembrandt und Frans Hals erinnern. "Gangs of New York" ist ein gewaltiges Epos mit vielen ebenso aufwändig wie sorgfältig inszenierten Massenszenen.
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Der Film beginnt 1846 in New York, im Armenviertel „Five Points“ an der Lower East Side of Manhattan. Unter der Führung des einäugigen Fleischers William („Bill“) Cutting (Daniel Day-Lewis) rotten die „Natives“ sich mit Keulen, Messern und Äxten gegen die Gangs der irischen Einwanderer zusammen, die von dem Priester Vallon (Liam Neeson) unter dem Zeichen des Kreuzes in das Gemetzel geführt werden. Als Vallon nach einem Dolchstich von Cutting zusammenbricht, läuft sein kleiner Sohn auf das Schlachtfeld, wirft sich über den Sterbenden und wird Zeuge, wie dieser um den Gnadenstoß bittet. Die letzten Worte Vallons sind die Mahnung an seinen Sohn: „Schau niemals weg!“ – Der Sieger erlaubt seinen Männern, den Gefallenen Ohren und Nasen als Trophäen abzuschneiden, verbietet ihnen jedoch, den Priester anzufassen. Der soll ehrenvoll bestattet werden. „Der Priester und ich, wir lebten nach den gleiche Prinzipien“, wird er später sagen. „Nur der Glaube trennte uns. Er war der ehrenwerteste Mann, den ich jemals traf.“

Sechzehn Jahre später kehrt Amsterdam Vallon (Leonardo DiCaprio), der Sohn des Priesters, unerkannt zurück, um mit Cutting abzurechnen, mit „Bill the Butcher“, der seit der Entscheidungsschlacht das Stadtviertel „Five Points“ kontrolliert, von den Bewohnern Abgaben erwartet und mit dem korrupten Bürgermeister zusammenspielt, dem er seine Macht durch einen Vergleich illustriert: „Jeder der fünf Punkte ist ein Finger. Und wenn ich sie schließe, wird es eine Faust. Und die kann ich gegen Sie gebrauchen.“ Bill herrscht durch die Furcht, die er verbreitet.

Ein Brand bricht aus. Verschiedene Feuerwehren trachten danach, als erste am Einsatzort zu sein. Ein Passant versteckt den Hydranten unter einem leeren Fass. Sobald der zweite Löschtrupp eintrifft, kommt es zu einer Rauferei zwischen den Feuerwehrleuten. Inzwischen dringen tollkühne Diebe in das lichterloh brennende Haus ein und raffen Wertsachen zusammen. Eine Gang verkauft sie an Hehler in den besseren Stadtvierteln. Vorher holt sich allerdings der Polizist des Reviers seinen Anteil an der Beute.

Jeden Tag kommen im Hafen tausende irischer Einwanderer an. Geistliche laden sie in ihre Kirchen ein. Politiker umwerben sie, weil sie sich davon Wählerstimmen erwarten. Seit Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs werden viele Immigranten gleich nach der Ankunft rekrutiert, uniformiert, bewaffnet und mit einem Schiff – aus dem gerade die Särge gefallener Soldaten ausgeladen werden – in den Krieg geschickt.

Als das Chaos in „Five Points“ wieder einmal zu groß wird, schüchtert man die Bevölkerung ein, indem willkürlich ein paar kleine Gauner festgenommen und öffentlich gehängt werden.

Johnny, der wie Amsterdam den Kampf des Priesters mit dem Fleischer als Kind beobachtete, erkennt seinen damaligen Spielgefährten wieder. Er arbeitet – wie alle im Viertel – für Bill und führt seinen Freund bei ihm ein. „Wie heißt du?“, fragt der Fleischer. „Amsterdam.“ „Amsterdam? Ich bin New York!“ – Ohne zu ahnen, wen er vor sich hat, nimmt Bill sich seiner wie ein Ersatzvater an.

Während einer Theateraufführung bemerkt Amsterdam, wie jemand mit einer Pistole auf Bill zielt. Er stößt seinen Gönner zur Seite und erschießt den Attentäter. Bill wird nur leicht an der Schulter verletzt. Er ist Amsterdam dankbar, weiß er doch nicht, dass dieser ihm nur das Leben rettete, um selbst Rache an ihm nehmen zu können.

Johnny ist in die Taschendiebin Jenny Everdeane (Cameron Diaz) verliebt und lässt sich jeden Tag etwas von ihr stehlen. Sie steht unter Bills besonderem Schutz. Er nahm die Waise bei sich auf, als sie zwölf Jahre alt war. Erst als sie es wollte, wurden sie ein Paar. Seit jedoch ihr Bauch durch eine Kaiserschnittnarbe entstellt ist, schläft er nicht mehr mit ihr. Bei einer Tanzveranstaltung wählt sie nicht Johnny, sondern Amsterdam als Partner. In seiner Eifersucht klärt der Zurückgewiesene Bill über die Identität Amsterdams auf.

Der Fleischer überlegt: „Wenn du einen König tötest, erstichst du ihn nicht im Dunkeln. Du tötest ihn, wenn der Hof dabei zusehen kann.“ Den Jahrestag der Entscheidungsschlacht in „Five Points“ pflegen die „Natives“ mit einem Fest zu feiern. Diesen Tag hat Amsterdam gewählt, um seinen Vater zu rächen. Er kann nicht ahnen, dass sein Freund ihn gerade verriet. Als er während der Feier sein Messer auf Bill wirft, weicht dieser blitzschnell aus und schleudert ihm seinerseits ein Messer in den Bauch. Aber er verzichtet darauf, Amsterdam zu töten und beschränkt sich darauf, ihm mit einer glühenden Messerklinge das Gesicht zu entstellen. Jenny pflegt ihren Geliebten in einer Höhle der „Old Brewery“ gesund.

Jetzt tritt Amsterdam offen zum Kampf um das Stadtviertel an. Er schart die Einwanderer und die Schwarzen als die Gang „Dead Rabbits“ um sich und stellt einen Iren namens Tweed als Gegenkandidaten für die Wahl des Bürgermeisters auf. Tweed hatte sich von Amsterdams Vater gegen Geld für die Schlacht gegen Bill anwerben lassen und zeigt gern seine Keule, in die er für jeden getöteten Feind eine Kerbe geschnitzt hat. „Wir haben schon mehr Stimmen als es Wahlberechtigte gibt“, verkündet jemand am Wahltag. „Die Stimmzettel sind uns ausgegangen.“ Da meint Tweed ungerührt: „Nicht die Stimmen entscheiden die Wahl, sondern die Auszähler!“ Er hat so gut wie gewonnen. Aber das lässt Bill nicht zu. Er tötet Tweed durch einen Axtwurf in den Rücken. Sadistisch schnitzt er vor den Augen des Sterbenden eine neue Kerbe in dessen Keule: „Das bist du!“

Danach vereinbaren Bill und Amsterdam eine neue Entscheidungsschlacht. Am Abend vorher geht Jenny zum Hafen: Sie sucht ein Schiff, das sie ins Goldgräberland Kalifornien bringt, weil sie befürchtet, dass durch den Kampf in „Five Points“ alles zerstört wird. Als die Gangs aufeinander losgehen, greifen plötzlich disziplinierte Polizeitruppen ein. Ein Kriegsschiff im Hafen beschießt das Stadtviertel mit Kanonen. Reihenweise kommen Freunde und Feinde gleichermaßen ums Leben. Trotz des Qualms finden Bill und Amsterdam sich. Bill zieht sich einen Granatensplitter aus der Hüfte. Mit einem wilden Schrei fällt Amsterdam ihn an und rammt ihm ein Messer in den Bauch.

In den Wirren findet Jenny kein Schiff und geht deshalb zurück nach „Five Points“.

Am Ende stehen Jenny und Amsterdam vor den Gräbern von Bill Cutting und dem Priester Vallon. Man hat die beiden nebeneinander bestattet.

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In „Gangs of New York“ beschäftigt Martin Scorsese sich mit den Wurzeln seiner Heimatstadt. Ausgehend von der 1626 gegründeten holländischen Siedlung „Neu-Amsterdam“ hatte sich im 18. Jahrhundert die größte Stadt der USA entwickelt, das führende Bank-, Handels-, und Wirtschaftszentrum. New York war auch der bedeutendste Einwanderungshafen der Vereinigten Staaten. Immigranten aus Europa drängten vor allem ab 1834 ins Land. Nach einer Kartoffelfäule, die in Irland Hungersnöte verursachte, kamen ab 1846 ganze Dorfgemeinden. Im Bürgerkrieg (1861 – 1865) wehrten sie sich gegen die Zwangsrekrutierung. Zwar konnte sich jeder für 300 Dollar freikaufen, aber die Einwanderer besaßen nicht so viel Geld. Darüber kam es 1863 zu schweren Unruhen, bei denen in New York zweitausend Menschen getötet und viermal so viele verletzt wurden.

Zunächst wurden die Stadtviertel von Gangs kontrolliert, die mit korrupten Politikern und Polizisten zusammenspielten. In dem Hexenkessel der Rivalitäten zwischen verschiedenen Banden, die immer wieder blutig ausgetragen wurden, galt das Recht des Stärkeren. Dann setzte die Staatsmacht sich mit noch brutalerer Gewalt durch.

Auch in „Hexenkessel“ und „Taxi Driver“ geht es um Gewalt, aber so düster wie „Gangs of New York“ war noch kein Scorsese-Film. Das Armenviertel „Five Points“ wirkt wie ein Inferno. Mit braunen Farbtönen und Kerzenlicht komponierte Michael Ballhaus Bilder, die an Rembrandt und Frans Hals erinnern. Die Kulissen des Stadtviertels wurden von Dante Ferretti in Cinecittà errichtet. Dabei achtete Martin Scorsese – wie bei den Kostümen auch – auf jedes Detail: „Mein Anspruch lautete: Ich will diese Epoche so wahrhaft zum Leben erwecken wie es noch niemand geschafft hat.“ Er zwingt uns dazu, trotz der Grausamkeit genau hinzuschauen. „Gangs of New York“ ist kein Kammerspiel, in dem zwei Menschen einen Dialog führen, sondern ein gewaltiges Epos mit vielen aufwändigen Massenszenen. Als Zuschauer ist man erschöpft, wenn man aus dem Kino kommt.

Eigentlich wollte Martin Scorsese den gleichnamigen Roman von Herbert Ashbury aus dem Jahr 1928 gleich nach „Taxi Driver“ verfilmen, und Jay Cocks schrieb auch schon in den Siebzigerjahren am Drehbuch, aber es dauerte 25 Jahre, bis ein Produzent es wagte, in das Projekt zu investieren: Harvey Weinstein, der Chef des New Yorker Filmstudios Miramax. Am 18. September 2000 fiel in Cinecittà die erste Klappe. Das Budget wurde von 80 auf 100 Millionen erhöht und dennoch überzogen. Die Dreharbeiten dauerten doppelt so lange wie geplant. Bevor der Film im Dezember 2002 in den USA ins Kino kam, musste die vierstündige Erstfassung erst noch um fast eineinhalb Stunden gekürzt werden.

„Der Film bedeutet mir mehr als jeder andere“, sagte Martin Scorsese in einem Interview mit Lars Jensen. „In ‚Gangs of New York‘ steckt alles, was ich über das Filmemachen gelernt habe.“ (Süddeutsche Zeitung Magazin)

Obwohl „Gangs of New York“ für zehn „Oscars“ nominiert worden war, ging der Film bei der Verleihung im März 2003 leer aus.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003

Martin Scorsese (Kurzbiografie)

Martin Scorsese: Boxcar Bertha. Die Faust der Rebellen
Martin Scorsese: Hexenkessel
Martin Scorsese: Taxi Driver
Martin Scorsese: Wie ein wilder Stier
Martin Scorsese: The King of Comedy
Martin Scorsese: Die Farbe des Geldes
Martin Scorsese: Die letzte Versuchung Christi
Martin Scorsese, Francis Ford Coppola und Woody Allen: New Yorker Geschichten
Martin Scorsese: Goodfellas
Martin Scorsese: Kap der Angst
Martin Scorsese: Zeit der Unschuld
Martin Scorsese: Casino
Martin Scorsese: Kundun
Martin Scorsese: Bringing Out the Dead
Martin Scorsese: Aviator
Martin Scorsese: Departed. Unter Feinden
Martin Scorsese: Shutter Island
Martin Scorsese: Hugo Cabret
Martin Scorsese: The Wolf of Wall Street
Martin Scorsese: Silence

Wolfgang Welsch - Ich war Staatsfeind Nr. 1
In seiner Autobiografie schildert Wolfgang Welsch seine Erlebnisse als "Staatsfeind Nr. 1" des DDR-Regimes. Es handelt sich um einen spannenden, gut zu lesenden Politthriller aus der Feder eines Insiders.
Ich war Staatsfeind Nr. 1

 

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.