Shanghai-Express

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Shanghai-Express

Shanghai-Express – Originaltitel: Shanghai Express – Regie: Josef von Sternberg – Drehbuch: Jules Furthman, nach der Kurzgeschichte "Monsieur Satan" von Harry Hervey – Kamera: Lee Garmes, James Wong Howe – Schnitt: Frank Sullivan – Musik: William Franke Harling, John Leipold – Darsteller: Marlene Dietrich, Clive Brook, Anna May Wong, Warner Oland, Eugene Pallette, Lawrence Grant, Louise Closser Hale, Gustav von Seyffertitz, Émile Chautard u.a. – 1932; 80 Minuten

Inhaltsangabe

Zufällig sieht der britische Militärarzt Donald Harvey 1931 eine frühere Geliebte im Shanghai-Express wieder. Inzwischen gilt "Shanghai Lily" als verrucht, aber die beiden lieben sich noch immer. Kurz nachdem Regierungstruppen einen Spion aus dem Zug festgenommen haben, überfallen Rebellen den Shanghai-Express, und ihr Anführer Henry Chang nimmt Harvey als Geisel, um den Häftling im Austausch freizubekommen. Er hat es aber auch auf Shanghai Lily abgesehen ...
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Kritik

Wegen der anspruchsvollen Gestaltung ist das Melodram "Shanghai Express" von Josef von Sternberg auch 85 Jahre nach der Entstehung noch immer sehenswert. Marlene Dietrich wurde damit endgültig zum Hollywood-Star.
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Als der Shanghai-Express 1931 kurz nach der Abfahrt in Peking wegen einer auf dem Gleis stehenden Kuh halten muss und die Fahrgäste die Fenster öffnen, sehen sich der britische Militärarzt Captain Donald Harvey (Clive Brook) und Magdalen (Marlene Dietrich) nach mehr als fünf Jahren erstmals wieder. Damals hatten sie eine leidenschaftliche Liebesbeziehung, die Harvey jedoch abrupt beendete, als er glaubte, Magdalen betrüge ihn mit einem anderen Mann. Inzwischen gilt sie als verrucht, und man nennt sie „Shanghai Lily“. Sie beteuert, dass sie Harvey nicht untreu gewesen sei, sondern ihn nur eifersüchtig habe machen wollen. Als der Zugschaffner ihr während der Weiterfahrt im Beisein Harveys eine Depesche bringt, fragt der Militärarzt, ob die Nachricht von einem Verehrer sei, und sie antwortet spontan mit „Nein“. Er glaube ihr, sagt er. Daraufhin reicht sie ihm das Papier, auf dem ein Verehrer fragt, ob er sie nach der Ankunft in Shanghai vom Bahnhof abholen soll. Sie konstatiert: „Damals hätte ich dein Vertrauen gebraucht. Jetzt gibst du es mir, aber ich verdiene es nicht.“ Mit einem Kuss beginnen die beiden ihre Liebesbeziehung von Neuem.

Shanghai Lily teilt sich das Abteil mit der schönen jungen Chinesin Hui Fei (Anna May Wong). Der britische Theologe Carmichael (Lawrence Grant) äußert sich entsetzt darüber, dass zwei Kurtisanen mit in der ersten Klasse des Shanghai Express sitzen. Mrs Haggerty (Louise Closser Hale), die in Shanghai ein Boardinghaus betreibt und von einem Verwandtenbesuch aus Peking zurückkehrt, sorgt sich um ihren Schoßhund im Gepäckwagen. Der schlecht gelaunte Deutsche Eric Baum (Gustav von Seyffertitz) klagt ständig über Zugluft. Der Amerikaner Sam Salt (Eugene Pallette) prahlt mit seinem Schmuck, bei dem es sich in Wirklichkeit um Imitate handelt. Der Franzose Lenard (Emile Chautard) trägt noch seine Majors-Uniform, obwohl er aus dem Militär verstoßen wurde, denn seine Schwester, die ihn in Shanghai abholen wird, soll von seiner Entlassung nichts erfahren.

Regierungstruppen halten den Shanghai Express an und kontrollieren die Fahrgäste, bis sie den Spion Li Fung (Minoru Nishida) identifiziert haben und abführen.

Kurz darauf überfallen die Rebellen, zu denen Li Fung gehört, den Shanghai Express, und es stellt sich heraus, dass es sich bei dem Mitreisenden Henry Chang (Warner Oland) um ihren Anführer handelt. Er nimmt Salt die vermeintlichen Juwelen ab und verbrennt Baum ein Stück Haut, um sich für dessen Beleidigung während der Fahrt zu rächen. Chang sucht unter den Fahrgästen nach einer für die Regierung wertvollen Person, eine Geisel, die er im Austausch gegen Li Fung anbieten kann. Seine Wahl fällt auf den Chirurgen Donald Harvey, der dem britischen Generalgouverneur in Shanghai nach einem Schlaganfall das Leben retten soll.

Während der Fahrt machte sich Chang bereits an Hui Fei heran, wurde jedoch von ihr zurückgewiesen. Nun bedrängt er Shanghai Lily. Der Gefangene Harvey hört es, tritt die Tür ein und schlägt den Rebellen-Anführer nieder. Weil dieser die Geisel noch benötigt, zieht er sich erst einmal zurück, aber nachdem Li Fung freigelassen wurde, droht er Shanghai Lily damit, Harvey vor der Weiterfahrt des Zuges zu blenden. Sie bietet ihren gesamten Besitz an, um den Mann freizubekommen, den sie liebt, aber darauf lässt sich Chang nicht ein. Verzweifelt entreißt sie einem Leibwächter die Pistole, aber bevor sie damit auf Chang schießen kann, wird sie überwältigt. Da bleibt ihr nur noch eines, um Harvey zu retten: Sie erklärt sich bereit, Changs Geliebte zu werden. Im Gegenzug lässt er seinen Gefangenen frei.


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Der Shanghai Express ist abfahrtbereit. Alle Fahrgäste bis auf die beiden jungen Damen sind im Zug, und die Rebellen laden das Gepäck der einen aus. Es heißt, Shanghai Lily sei nun Changs Mätresse. Das kann Harvey nicht glauben. Er stürmt zurück zu dem Rebellenchef, aber der versichert ihm, dass Shanghai Lily aus freien Stücken bei ihm bleiben wolle, und sie bestätigt es. Harvey, der nicht ahnt, dass sie es nur aus Liebe zu ihm tut, kehrt aufgebracht und frustriert in den Zug zurück. Dort erfährt er kurz darauf, dass Chang von Hui Fei erstochen wurde. Der Chinesin ging es dabei nicht um das von der Regierung ausgesetzte Kopfgeld, sondern sie handelte aus Solidarität mit Shanghai Lily. Harvey verlässt den Zug noch einmal, um Shanghai Lily zu holen, bevor die Rebellen mitbekommen, dass ihr Anführer getötet wurde, aber er erklärt ihr barsch, das würde er für jeden anderen auch tun.

Während der Weiterfahrt verhält Harvey sich abweisend gegenüber Shanghai Lily. Auch die anderen Reisenden nehmen an, dass sie sich aus Sittenlosigkeit dem Rebellen-Anführer als Mätresse angeboten habe, und Mrs Haggerty äußert sich abfällig über sie. Carmichael widerspricht ihr, denn er hat beobachtet, wie Shanghai Lily für Harvey betete und ist überzeugt, dass sie ihn liebt. Der Theologe sucht sie in ihrem Abteil auf und erkundigt sich nach ihren Motiven. Zunächst sträubt Shanghai Lily sich, mit ihm darüber zu reden, aber dann vertraut sie ihm an, warum sie bereit gewesen wäre, bei Chang zu bleiben. Carmichael muss ihr allerdings versprechen, das Geheimnis zu bewahren. Sie erklärt ihm, dass die Liebesbeziehung mit Harvey schon einmal an fehlendem Vertrauen gescheitert sei und nur eine Zukunft habe, wenn er diesmal zu ihr stehe, ohne zu ahnen, dass er von ihr gerettet wurde.

Carmichael hält sich zwar an sein Versprechen, aber als er Harvey auf dem Korridor begegnet, zischt er zornig, Shanghai Lily sei zehnmal wertvoller als er.

Bis zu seiner Gefangennahme durch die Rebellen trug Harvey eine Armbanduhr, die Shanghai Lily ihm vor fünf Jahren geschenkt hatte. Nach der Ankunft in Shanghai kauft sie eine neue Uhr für ihn und wartet, bis er zu ihr kommt, sich für sein abweisendes Verhalten entschuldigt und ihr erklärt, er halte zu ihr, auch wenn er nicht wisse, warum sie bei Chang bleiben wollte. Er vertraue darauf, dass sie gute Gründe gehabt habe. Mit einem weiteren Kuss besiegeln die beiden den Neuanfang ihrer Liebesbeziehung.

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Der Kinofilm „Shanghai Express“ von Jules Furthman (Drehbuch) und Josef von Sternberg (Regie) basiert auf der 1921 von Harry Hervey veröffentlichten Kurzgeschichte „Monsieur Satan“. Ende 1931 erwarb Paramount die Filmrechte. Als Hauptdarstellerin war zunächst auch Tallulah Bankhead vorgesehen, aber die Wahl fiel schließlich auf Marlene Dietrich, mit der Josef von Sternberg bereits „Der blaue Engel“, „Marokko“ und „Entehrt“ gedreht hatte.

Sehenswert ist das Melodram „Shanghai Express“ auch 85 Jahre nach der Entstehung noch immer wegen der anspruchsvollen Gestaltung. Beispielsweise lassen es die von Hans Dreier geschaffenen Kulissen so aussehen, als streife der fauchende und qualmende Shanghai-Express in Peking beinahe die Hausfassaden an der Bahnstrecke. Ungewöhnlich ist auch der erste Auftritt des Stars: Marlene Dietrich bzw. Shanghai Lily trifft mit einem Taxi am Bahnhof in Peking ein, steigt aber im Schatten aus und ist schwarz gekleidet. Nachdem sie durch die Kontrolle gegangen ist, verlieren wir sie im Gewimmel der anderen Reisenden. Wie Josef von Sternberg dieses Treiben auf dem Bahnhof in Mini-Episoden darstellt, ist einfallsreich und überzeugend.

Die Dreharbeiten fanden in den Paramount Studios in Hollywood statt. Die Bahnhöfe der Santa Fe Railroad in San Bernardino und in Chatsworth bei Los Angeles dienten als Kulissen für chinesische Bahnstationen.

„Shanghai Express“ wurde am 2. Februar 1932 in New York uraufgeführt und erwies sich als einer der größten kommerziellen Kinoerfolge des Jahres. Marlene Dietrich galt nun endgültig als Star.

Lee Garmes erhielt für die Kameraführung in „Shanghai Express“ einen „Oscar“. Nominiert hatte man den Film auch in den Kategorien Bester Film und Beste Regie.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2015

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