Aleksandar Tišma : Treue und Verrat
Inhaltsangabe
Kritik
Der Zahnarzt Rudic geht noch jeden Vormittag in die Ambulanz von Novi Sad, um seine Rente aufzubessern. Wenn er dann müde zum Mittagessen nach Hause kommt, mustert seine Frau Lisaweta, mit der er seit zweiundvierzig Jahren verheiratet ist, argwöhnisch seinen Hemdkragen, ob nicht etwa Lippenstiftspuren einer Patientin daran sind.
[…] Um am Ende zu explodieren: „Als wüsste ich nicht, wie du dich amüsierst, altes Ekel!“ Der Löffel fällt in den Teller, etwas Suppe wird verschüttet, der Zahnarzt greift sich ins verklebte graue Haar, seine Frau stößt den Stuhl um und läuft ins Schlafzimmer, er steht auf und geht mit steifen Schritten zwischen Fenster und Tür hin und her, versucht die Zeitung zu lesen, sich mit einer Zigarette zu beruhigen, bis sein Blick den Tisch streift, das Geschirr mit den erkalteten Speisen, und ihn überkommt die Trauer der Nutzlosigkeit, der vergeblichen Mühe, der betrogenen Hoffnung auf Harmonie. Das hält er nicht aus, geht ins Schlafzimmer, um sie zur Rückkehr zu überreden, und da sie schweigt, setzt er sich an den Bettrand, spricht auf ihren schmalen, vom Schluchzen geschüttelten Rücken ein, dass er nur ihr Mann ist und an keine andere denkt, dass er wider Willen in der Ambulanz arbeitet, nur um durch das Honorar die Rente aufzubessern, und dann wird sein Flüstern drängend, weil er weiß, dass einzig er sie erweichen kann, und weil ihr Widerstand ihn reizt. Er kriecht zu ihr unter die Decke, versucht ihren Trotz durch Manneskraft zu brechen. Die keuchende Paarung betäubt für einen Moment, und er kann seine Frau dazu bewegen, den Tag dort fortzusetzen, wo er unterbrochen wurde. Aber in ihr bleibt ein Stachel von Bitterkeit und Misstrauen, denn sie betrachtet sein erwiesenes Begehren als erzwungen und als Widerspruch zu seiner geheuchelten Erschöpfung.(Seite 8)
An den Wochenenden kommt ihr achtunddreißigjähriger Sohn Sergije pflichtschuldig zu Besuch aus Belgrad, wo er getrennt, aber nicht geschieden von seiner zweiten Ehefrau Ljiljana und seiner Tochter Stojanka wohnt.
Er sieht sich wie einen Obdachlosen, der sehnsüchtig auf ein helles Fenster blickt, hinter dem er voller Mitleid und Grauen nahe Personen ahnt, zu denen er nicht gelangen kann. (Seite 13)
Im März 1962 erfährt Sergije bei einem seiner Besuche, dass die Wohnung seiner Eltern aufgrund eines Gerichtsurteils nicht mehr dem Staat, sondern den Erben von Jakob Lebensheim gehört.
Der alte Müller Lebensheim war ein Deutscher. Sein jüngerer Sohn fiel im Zweiten Weltkrieg, sein älterer zog mit dem deutschen Heer ab und blieb verschollen. Wilhelmina, die Witwe seines gefallenen Sohnes, starb in einem Lager an Typhus. Jakob Lebensheim und seine unverheiratete Tochter Paula überlebten die Epidemie und wurden nach einem knappen Jahr freigelassen. Weil man die Mühle inzwischen verstaatlicht hatte, sorgte Wilhelminas älteste Tochter Magda dafür, dass Jakob und Paula Lebensheim in eine Dreizimmerwohnung in Novi Sad ziehen konnten.
Die Wohnung darüber war 1942 von dem Ehepaar Rudic bezogen worden. Ihr Einfamilienhaus hatten sie nach der Übernahme durch einen Popen verlassen müssen. Da war es ihnen zupass gekommen, dass die Wohnung des einen Monat zuvor bei einer Razzia umgekommenen jüdischen Zahnarztes Dr. Emerik Kraus zur Verfügung stand.
Das Haus, in dem das Ehepaar Rudic und Jakob Lebensheim mit seiner Tochter Paula lebten, wurde 1953 verstaatlicht.
Kurz davor oder danach starb Jakob Lebensheim, und Paula überlebte ihn nur um ein Jahr. Wilhelminas inzwischen mit Milan Stepanow verheiratete Tochter Magda erbte die Wohnung ihres Großvaters und verkaufte sie. Im Frühjahr 1962 taucht Magda bei Rudic in der Ambulanz auf und teilt ihm mit, nach einem langjährigen Gerichtsverfahren sei entschieden worden, dass ihre fünfunddreißigjährige Cousine Inge Schultheiß die rechtmäßige Erbin der Wohnung sei, in der das Ehepaar Rudic lebt.
Inges Vater Karl Lebensheim, der älteste Sohn des Müllers Jakob Lebensheim, hatte durch Wutanfälle erreicht, dass er an teuren Universitäten in Graz und Wien studieren konnte, von wo er mit Gisela, der verwöhnten Tochter eines Wiener Gymnasialprofessors, zurückkehrte. Gisela Lebensheim bestand in Novi Sad auf einer Lebensführung mit Dienstboten, die das Einkommen ihres Mannes überstieg, doch dessen Vater half immer wieder finanziell aus.
Giselas Halbschwester Bonnie, die in Wien mit dem preußischen Juristen Albert Schultheiß verheiratet war und zwei Söhne hatte – Franz und Balthasar –, zog schließlich mit ihrer Familie ebenfalls nach Novi Sad.
Im Frühjahr 1944 – als die Männer im Krieg waren und die Russen heranrückten –, flohen Gisela und Bonnie mit ihren Kindern und suchten Zuflucht auf einem Bauernhof, wo sie sich auf dem Heuboden in einer Scheune versteckten. Gisela, die sich einmal hinauswagte, wurde tags darauf mit durchschnittener Kehle und zerfetzten Kleidern gefunden. Inge erfuhr vom Tod ihrer Mutter durch Balthasar. Der Junge, der seit einer Knochentuberkulose hinkte, brachte ihr etwas zu essen auf den Heuboden. Als erneut Soldaten auf dem Bauernhof herumsuchten, legte er sich neben sie, und weil sie zitterte, streichelte er sie und liebte sie. Inge ließ es gleichgültig geschehen und gewöhnte sich daran, dass er sie von da an jede Nacht beschlief. Nach dem Krieg blieben die Väter und Brüder verschollen. Balthasar machte im Altmaterialhandel Geld und heiratete Inge, „obwohl ihm seine Mutter riet, nicht ein Mädchen zu heiraten, das unehelich bereits mit ihm und vorher mit Franz und dessen Mutter mit seinem und Franz‘ Vater gelebt hatte“ (Seite 96). Inzwischen besitzt Balthasar Schultheiß ein gut gehendes Transportunternehmen mit Sitz in Wien und wohnt mit Inge in Mistendorf außerhalb der Metropole.
Als er in der Zeitung von den geänderten Rechtsverhältnissen in Jugoslawien liest, rät er seiner Frau, in Novi Sad einen Anwalt mit der Klärung der Erbschaft ihres Großvaters zu beauftragen.
Dabei hatte er, vermögend und kinderlos, anfangs gar nicht die Idee, diese Wohnung oder diese Wohnungen in einem kleinen, fast vergessenen pannonischen Städtchen mit seinem oder Inges nicht unbedeutenden Vermögen zu vereinigen, sondern er folgte nur der Überzeugung, dass ein zivilisierter Mensch die Pflicht hat, das, was ihm gehört, an sich zu nehmen und zu bewahren. (Seite 71)
Nach dem gewonnenen Gerichtsverfahren reisen Inge und Balthasar nach Novi Sad, um die Wohnung zu besichtigen und zu verkaufen. Sie quartieren sich bei Inges Cousine Magda Stepanov, deren Mann Milan und den vier Kindern ein. Rudic bitten sie zu einem Gespräch, aber der Zahnarzt schickt seinen Sohn Sergije, der ein juristisches Fernstudium absolviert hat, und dieser geht zuvor bei seinem eigenbrötlerischen Freund Eugen Patak vorbei, der verwahrlost zwischen seinen Büchern haust, und lässt sich von ihm begleiten.
Milan Stepanov sorgt dafür, dass sich seine Gäste gut unterhalten und drängt Sergije, noch etwas länger zu bleiben. Um seinen Eltern die zu erwartende Verspätung anzukündigen, begibt Sergije sich in den Nebenraum, wo das Telefon steht. Inge folgt ihm und lässt es geschehen, dass Sergije sie während des Telefongesprächs an der Taille umfasst und an sich zieht.
Schließlich wird die Verhandlung über die Wohnung auf den folgenden Sonntag verschoben. Statt sich darauf vorzubreiten, träumt Sergije nur von Inge. Balthasar besteht darauf, dass auch der Rechtsanwalt Dr. Branko Nikolic, ein Schul- und Studienfreund von Milan, zu der Unterredung hinzugezogen wird. Der gibt sich jedoch überraschend konziliant gegenüber Sergije, und Milan geht erleichtert auf diesen Ton ein. Vergeblich beruft Balthasar sich auf das Recht des Eigentümers.
Sergije bringt Eugen – der auch wieder dabei ist – dazu, für ihn und Inge ein Stelldichein zu verabreden, und während Inge und Sergije sich am Abend in seinem Zimmer lieben, geht der treue Freund spazieren.
Zwei Tage später reist das Ehepaar Schultheiß nach Wien zurück.
An dieser Stelle holt Aleksandar Tišma Sergijs Vorgeschichte nach.
Als sich im Zweiten Weltkrieg in Jugoslawien der Widerstand gegen die deutschen Besatzer organisierte, schloss Sergije sich den Partisanen an und verliebte sich in die Widerstandskämpferin Mara Mirkovic, die Tochter eines Kolonialwarenhändlers, die er auf einer Parkbank deflorierte. Sie steckten einen Getreideschober in Brand und warfen Sprengsätze in das Fenster der Kavalleriekaserne, wurden aber durch einen Spitzel verraten und festgenommen. In dem Gefängnis in Nordungarn, in das man sie beide gebracht hatte, verabredeten sie durch Kassiber einen Fluchtversuch, um wieder zusammen sein zu können. Eugen, der dort ebenfalls eingesperrt war, hielt das Vorhaben für aussichtslos und beteiligte sich nicht daran. Tatsächlich wurde Mara bei dem Ausbruchsversuch erschossen, Sergije wie die anderen Überlebenden zum Tod verurteilt.
Nach seiner Begnadigung erhielt er eine Stellung bei der jugoslawischen Botschaft in Warschau. Gardinovaci, sein „abgrundtief fauler und leichtsinniger“ Vorgesetzter, hinderte ihn nicht nur im Büro am Arbeiten, sondern besuchte ihn auch immer wieder unangemeldet am Abend in seinem Zimmer in dem Gemeinschaftshaus, in dem sie alle wohnten.
Manchmal brachte er die Mädchen, Micka und Ljubica, mit, und man trank zu viert, was eines Abends damit endete, dass er mit Ljubica allein wegging und Micka mit der launigen Empfehlung zurückließ, bei Sergije zu übernachten. Sie fand sich ohne großes Zögern bereit. (Seite 142)
Danach vergaß Gardinovaci nicht, Sergije immer wieder daran zu erinnern, wem er das Verhältnis mit Micka verdankte. Einige Zeit später schlug er eine Doppelhochzeit vor: Sergije und Micka, Gardinovaci und Ljubica. Kurz vor der Zeremonie in der Botschaft hatten die beiden Letzteren sich angeblich zerstritten, sodass nur Sergije und Micka den Ehebund schlossen. Als Mickas Hoffnung auf eine Versetzung ihres Mannes in ein reiches westliches Land nicht in Erfüllung ging, ließ sie ihrer Frustration freien Lauf und zog schließlich wieder in ihr Einzelzimmer. Von Sergije zur Rede gestellt, gab sie zu, bereits seit langem Gardinovacis Geliebte zu sein und ihn nur geheiratet zu haben, weil sie befürchtet hatte, schwanger zu sein. Daraufhin ging Sergije zu Gardinovaci. Der zog seine Pistole.
Der Gedanke, dass ihn Gardinovaci in seiner Niedertracht auch noch töten könnte, erfüllte ihn mit Ekel und Wut. Während jener die Waffe in Anschlag brachte – Sergije sah sie, schwarz, umschlossen von Gardinovacis bleicher Faust –, zog er die eigene aus der Tasche und drückte nach sekundenlangem Zögern ab. Der Schuss löste sich, Gardinovacis Arm zuckte, an dessen Ende die Pistole wie ein gefangener Krebs baumelte, er fasste sich mit beiden Händen an die Brust, wobei ihm die Pistole entglitt, in seinem Gesicht malte sich Erstaunen, dann schwankte er, taumelte, fiel auf die Knie und schlug auf dem Boden auf. Sergije beobachtete ungläubig diesen Vorgang, den er selbst bewirkt hatte; er erwartete fast, dass Gardinovaci aufspringen und wie so oft in ein meckerndes Lachen ausbrechen würde, aber er war sich zugleich, entsetzt, im Klaren, dass das nie mehr geschehen konnte. (Seite 150)
Parteisekretär Zec kam dazu, ließ sich von Sergije die Pistole geben und schob sie in die Hand des Toten, während er dessen Waffe mitnahm. Aus politischen Gründen wurde ein Suizid vorgetäuscht. Allerdings verlangte Zec von Sergije, dass er ein Mordgeständnis für die Akten des Geheimdienstes unterschrieb und nach Jugoslawien zurückkehrte. Seine Ehe mit Micka wurde annulliert.
In Belgrad lernte er Ljiljana kennen, die im Vertrieb einer Zeitung arbeitete. Sie heiraten, aber während ihrer Schwangerschaft trennte Ljiljana sich von ihrem Mann und zog wieder zu der alten Generalin, die sie bis dahin betreut hatte. Ihre Tochter Stojanka wurde mit einer Hüftluxation geboren.
Sergije absolvierte ein Fernstudium und arbeitet seither in einem Verlag, wo es seine Aufgabe ist, billige Abenteuerromane aus dem Westen so umzuschreiben, dass sie für die sozialistische Gesellschaft geeignet sind.
Nach der Begegnung mit Inge besinnt Sergije sich und versucht, seine Familie zurückzugewinnen. Er unternimmt mit seiner Frau und seiner Tochter einen Ausflug auf einem Donaudampfer, lädt sie für den kommenden Sonntag zum Essen ein und verspricht einen gemeinsamen Sommerurlaub. Auf dem Heimweg von der Dampferfahrt geht er am Haus der Stepanovs vorbei. Vor dem Gartentor steht ein fremdes Auto, und er kann es kaum glauben, Inge so rasch wieder zu sehen. Nachdem ein Arzt bestätigt hatte, dass sie schwanger ist, war sie erneut nach Novi Sad gefahren und hatte ihrem Mann nur auf einem Zettel mitgeteilt, Magda habe sie zu einem dringenden Besuch aufgefordert. Inge sagt kurz ihrer Cousine Bescheid, dann fährt sie mit Sergije in die dreißig Kilometer entfernte Ortschaft Titel am Ufer der Donau und genießt dort mit ihm fünf Tage lang die Liebe und das herrliche Badewetter. Dass sie von Sergije schwanger ist, verrät sie ihm nicht.
Kurz nach ihrer Rückkehr taucht Balthasar in Novi Sad auf. Als er durch einen Anruf bei den Stepanovs erfahren hatte, dass seine Frau fortgefahren war, nahm er sich drei Wochen Urlaub, um nachzusehen. Sobald er Inge und Sergije sieht, die beide braun gebrannt sind, bestätigt sich sein Argwohn, aber er lässt sich zunächst nichts anmerken und verbringt mit ihnen, Eugen und den Stepanovs die Sommerferien in deren Bretterhäuschen an der Donau. Allerdings schläft er mit seiner Frau „öfter und länger, als es seinen physischen Bedürfnissen und Kräften entspricht, als wollte er sich für seine Demütigung rächen“. Einmal zerrt er sie quer über das Bett und drückt ihr die Knie gegen den Bauch, um sie in dieser Lage zu nehmen. Da stößt sie ihn von sich und schreit: „Hör auf! Ich bin schwanger!“ Sergije hat also mit ihr ein Kind gezeugt. Zuerst schlägt Balthasar Inge ins Gesicht, dann beruhigt er sich und verspricht, dafür zu sorgen, „dass uns niemand mit Schmutz bewirft“.
Er vertraut Eugen an, dass seine Frau ein Kind von Sergije erwartet und fordert ihn auf, den beiden nicht länger sein Zimmer zur Verfügung zu stellen. Als Sergije von seinem Freund erfährt, dass Inge schwanger ist, will er mit ihr reden, aber sie weicht ihm aus. Weil er weiß, dass Balthasar niemals in eine Scheidung einwilligen würde, denkt er darüber nach, wie er ihn aus dem Weg schaffen kann und verfällt auf die Idee, einen Bootsunfall vorzutäuschen, denn Balthasar kann nicht schwimmen. Weil er befürchtet, dass man Verdacht schöpfen könnte, wenn er selbst bei dem angeblichen Unglück mit Balthasar im Boot säße, drängt er Eugen, es für ihn zu tun. Als dieser sich sträubt, setzt er ihn mit der Beschuldigung, er habe ihn und die aus dem Gefängnis in Ungarn ausgebrochenen Kameraden damals verraten, unter Druck. Wütend über den Missbrauch ihrer Freundschaft stürzt Eugen sich auf Sergij, wirft ihn zu Boden und würgt ihn. Er könnte ihn töten, lässt aber rechtzeitig von ihm ab.
In der Nacht lockert Sergije zwei Planken des Boots. Am nächsten Vormittag steigt Eugen allein in das Boot, treibt in die Mitte des Flusses und hält den als Anker verwendeten schweren Stein vor die Brust, als er mit dem Boot untergeht.
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Ist „Treue und Verrat“ ein politischer Roman? Nicht im landläufigen Sinn, denn es geht nicht um eine Ideologie oder Staatsform. Aleksandar Tišma zeigt jedoch die jahrzehntelang nachwirkende Traumatisierung von Menschen durch Ereignisse im Zweiten Weltkrieg. „Treue und Verrat“: Treu ist nur Eugen. Inge verrät ihren gehbehinderten Mann und am Ende den Liebhaber, der sie geschwängert hat. Sergije verrät nicht nur seine zweite Ehefrau und seine gehbehinderte Tochter, sondern auch seinen Freund Eugen, „seine zweite Hälfte“, und er vernachlässigt seine Eltern.
Nicht anklagend, sondern distanziert und sachlich, ausführlich und teilweise wie in Zeitlupe (Beispiel) schildert Aleksandar Tišma, wie sich Menschen verraten und Schuld auf sich laden. Der Roman spielt auf verschiedenen Zeitebenen. Gegenwart ist das Jahr 1962. Die Vorgeschichte sowie die zurückliegenden Erlebnisse der Hauptfiguren Sergije und Inge werden in langen Rückblenden eingeschoben. Das wirkt für meinen Geschmack teilweise etwas zu retardierend, zumal man sich auch noch bemühen muss, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu memorieren.
Mit „Treue und Verrat“ vollendet Aleksandar Tišma einen in den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren verfassten fünfbändigen Zyklus, der aus dem Erzählband „Die Schule der Gottlosigkeit“ und vier Romanen besteht: „Der Gebrauch des Menschen“, „Das Buch Blam“, „Kapo“, „Treue und Verrat“.
Aleksandar Tišma (* 1924) wuchs in Novi Sad auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er zunächst als Journalist und dann als freier Schriftsteller in Jugoslawien.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003
Textauszüge: © Carl Hanser Verlag