Joël Dicker : Das Verschwinden der Stephanie Mailer

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
La Disparation de Stephanie Mailer Éditions de Fallois, Paris 2018 Das Verschwinden der Stephanie Mailer Übersetzung: Amelie Thoma und Michaela Meßner Piper Verlag, München 2019 ISBN 978-3-492-05939-8, 670 Seiten ISBN 978-3-492-99330-2 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Während der Eröffnung der Festspiele in Orphea in den Hamptons werden 1994 der Bürgermeister, seine Frau und der zehnjährige Sohn in ihrem Haus und eine Joggerin davor erschossen. Als der Verdächtige bei einer Verfolgungsjagd tödlich verunglückt, gilt der Fall als gelöst – bis 20 Jahre später eine junge Journalistin Zweifel sät und selbst ermordet wird ...
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Kritik

Joël Dicker springt nicht nur zwischen zwei Zeitebenen hin und her, sondern wechselt auch die Ich-Erzähler und damit die Perspektiven. Dieses komplexe Geflecht macht "Das Verschwinden der Stephanie Mailer" interessant, auch wenn einige Wendungen hanebüchen sind und er den Thriller überfrachtet hat.
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Vierfachmord, 30. Juli 1994

Am 30. Juli 1994 steht in der Kleinstadt Orphea in den Hamptons die Eröffnung eines neuen, von Bürgermeister Joseph Gordon gegründeten Festivals auf dem Programm, zu dem sogar der berühmte Kritiker Meta Ostrowski von der New York Review of Literature anreist. Aber anstelle des nicht anwesenden Bürgermeisters hält dessen Stellvertreter Alan Brown eine kurze Eröffnungsrede.

Joseph Gordon, seine Frau Leslie und ihr zehnjähriger Sohn liegen zu diesem Zeitpunkt tot in ihrem Haus in Orphea. Der Mörder hat die Haustür eingetreten und sie erschossen. Vor dem Haus wird eine weitere Leiche gefunden und es sieht so aus, als sei Meghan Padalin beim Joggen zufällig zur Tatzeit vorbeigekommen und vom Täter als mögliche Zeugin ebenfalls erschossen worden.

Kirk Harvey, der Polizeichef von Orphea, beauftragt Derek Scott und Jesse Rosenberg mit den Ermittlungen.

Meghan war 1990 mit ihrem Ehemann Samuel Padalin nach Orphea gekommen. Sie stammte aus Pittsburgh und hatte in New York Literatur studiert. In Orphea arbeitete sie in Cody Illinois‘ Buchhandlung.

Weil fast alle Bewohner von Orphea beim Festival waren, gibt es nur wenige, die etwas Verdächtiges bemerkt haben. Immerhin ist der Nachbarin Lena Bellany und dem Tankwart Marty Connors zur Tatzeit ein Lieferwagen aufgefallen, der aufgrund eines Logos unzweifelhaft Ted Tennenberg zugeordnet werden kann, dem Betreiber des Cafés Athena.

Ted Tennenberg und Joseph Gordon trugen ein paar Monate vor dem Vierfachmord einen heftigen Konflikt aus, weil der Bürgermeister die Umbaupläne für das Café Athena ablehnte. Erst nachdem das vorhandene Gebäude im Februar 1994 abgebrannt war, konnte Ted Tennenberg seine Vorstellungen verwirklichen.

Als Derek Scott und Jesse Rosenberg herausfinden, dass Ted Tennenberg sich schwarz eine Schusswaffe beschaffte, sind sie überzeugt, den Vierfachmörder überführen zu können.

Am 13. Oktober 1994 flieht Ted Tennenberg vor ihnen mit dem Auto. Derek versucht, ihn gegen ein Brückengeländer zu drängen, aber wider Erwarten bricht es und sowohl der Gejagte als auch die Verfolger stürzen ins Wasser. Zufällig hatten Derek und Jesse Rosenberg kurz zuvor Jesses 26 Jahre alte Freundin Natascha Darrinski mitgenommen. Sie befindet sich im Fond. Derek hofft, dass sie ihren verklemmten Gurt ohne seine Hilfe aufkriegt und entscheidet sich, seinen bewusstlosen Kollegen aus dem Wrack zu ziehen. So rettet er Jesse das Leben, aber Natascha ertrinkt ebenso wie Ted Tennenberg.

Mit dessen Tod gilt der Vierfachmord als aufgeklärt.

Das Verschwinden der Stephanie Mailer, 23. Juni 2014

Der 45-jährige Captain Jesse Rosenberg scheidet nach 23 Dienstjahren bei der State Police in Orphea aus, um ein Restaurant („Little Russia“) zu eröffnen. Bei der Abschiedsfeier am 23. Juni 2014 wendet sich die Journalistin Stephanie Mailer kurz an ihn. Sie kündigt an, in Kürze Beweise zu erbringen, dass Ted Tennenberg nicht der Vierfachmörder von 1994 war.

Stephanie Mailer ist 32 Jahre alt. Sie schrieb für die New York Review of Literature, bis der Chefredakteur Steven Bergdorf ihr im September 2013 überraschend kündigte, angeblich aus finanziellen Gründen. Stephanie zog daraufhin in die Hamptons und arbeitet nun für den Orphea Chronicle, dessen Chefredakteur Michael Bird Ende 1994 Steven Bergdorf ablöste, der damals nach New York ging.

Am Abend des 23 Juni 2014 verschwindet Stephanie Mailer. Die in Sag Harbor wohnenden Eltern Trudy und Dennis Mailer machen sich Sorgen.

Run Gulliver, der im November 1994 Kirk Harvey als Polizeichef von Orphea ablöste, und sein Stellvertreter Jasper Montagne gehen davon aus, dass die Journalistin abgetaucht sein könnte, aber Jesse Rosenberg überredet seinen früheren Partner Derek Scott, mit ihm und der Kollegin Anna Kanner der Sache nachzugehen.

Bei der Durchsuchung von Stephanie Mailers Wohnung wird Jesse Rosenberg mit Tränengas angegriffen und niedergeschlagen. Kurz darauf brennt das Mietshaus. Das Feuer wurde in der Wohnung der Vermissten gelegt. Der Bürocomputer der Journalistin fehlt, und es gibt Einbruchspuren beim Orphea Chronicle.

Schließlich findet man Stephanie Mailers Leiche im Deer Lake. Spuren zufolge muss sie aus einem fahrenden Auto gesprungen und durch ein Waldstück gelaufen sein, bevor der Mörder sie am Seeufer einholte und sie ertränkte.

Korruption

Seltsam war, dass die Familie Gordon am 30. Juli 1994 gerade dabei war, Koffer zu packen, obwohl dem Festivalprogramm zufolge der Bürgermeister die Eröffnungsrede halten sollte. Es stellt sich heraus, dass Joseph Gordon im April 1994 ein Haus in Bozeman gemietet hatte. Wovor war er auf der Flucht?

Er befürchtete wohl, wegen Korruption belangt zu werden. Das war auch der Grund für sein Zerwürfnis mit Ted Tennenberg gewesen: Er hatte ihm eine Liste von Firmen in die Hand gedrückt, die er bei den gewünschten Umbauten beauftragen sollte. Notgedrungen ließ Ted Tennenberg sich darauf ein, und die Unternehmen zahlten dem Bürgermeister Schmiergeld.

Gangster

Das Feuer im Februar 1994 hatte nicht Ted Tennenbaum selbst gelegt, wie man hätte vermuten können. Brandstifter war Jeremiah Fold, ein Gangster aus Ridgeport, der damit seine Schutzgeldforderungen forcierte.

Jeremiah Fold zwang „Lakaien“, für ihn zu arbeiten. Die rekrutierte er 1992 mit einer wirksamen Masche: Ein Mädchen namens Mylla nahm die Männer mit aufs Zimmer. Sobald sich beide ausgezogen hatten, gestand Mylla, minderjährig zu sein, und in diesem Augenblick trat Jeremiah Folds Handlanger Costa Suarez („Costico“) mit einer Kamera hinter einem Vorhang hervor.

Bei Miranda Davis („Mylla“) handelte es sich um die 17-jährige Tochter eines Geschäftsmanns und Politikers in New York, die von zu Hause ausgerissen war. Sie geriet an Jeremiah Fold, und der drückte ihr wiederholt den Kopf unter Wasser, bis sie bereit war, den Lockvogel für ihn zu spielen.

Einer der Männer entkam Costico zwar zunächst, wurde aber kurz darauf zurückgebracht: Michael Bird, der spätere Chefredakteur des Orphea Chronicle. Weil Jeremiah Fold wusste, dass Michael Bird in Miranda Davis verliebt war, folterte er sie, bis Michael Bird sich bereit erklärte, für den Gangster zu arbeiten.

Als Jeremiah Fold am 16. Juli 1994 mit seinem Motorrad gegen einen Baum krachte und dabei ums Leben kam, glaubte Miranda, Michael habe ihn von der Straße abgedrängt und ermordet, um sie zu befreien. Ohne mit ihm darüber zu sprechen, wurde sie seine Ehefrau.

Die schwarze Nacht

Derek Scott, Jesse Rosenberg und Anna Kanner finden heraus, dass sich Stephanie Mailer in Los Angeles mit Kirk Harvey traf, dem früheren Polizeichef von Orphea, der den Ort im November 1994 verlassen hatte und seit 20 Jahren versucht, ein eigenes Theaterstück mit dem Titel „Die schwarze Nacht“ auf die Bühne zu bringen.

Am 9. Juli 2014, 17 Tage vor der Premiere des diesjährigen Festivals in Orphea, fliegt Jesse nach LA, um mit ihm zu reden. Kirk Harvey möchte sein Stück beim Festival aufführen und verspricht, dabei zu enthüllen, wer 1994 Meghan Padalin und die Familie des Bürgermeisters erschoss. Bürgermeister Alan Brown, der inzwischen mit der Schauspielerin Charlotte Carell verheiratet ist, die bis zum Festival 1994 mit Kirk Harvey liiert war, lässt sich darauf ein und gewinnt zugleich den kürzlich ebenso wie Stephanie Mailer von der New York Review of Literature entlassenen Kritiker Meta Ostrowski dafür, sich auf einer Pressekonferenz positiv über „Die schwarze Nacht“ zu äußern, obwohl noch niemand das Bühnenstück kennt. Als Gegenleistung wird Meta Ostrowski im Lake Palace untergebracht, dem besten Hotel von Orphea.

Beim Casting für die Rollen in Orphea stellt Kirk Harvey folgendes Ensemble zusammen: Charlotte Brown, Samuel Padalin, Ron Gulliver, Meta Ostrowski, Steven Bergdorf, Alice Filmore, Jerry und Dakota Eden.

Dakota Eden

Bei Dakota handelt es sich um die 19-jährige Tochter von Cynthia und Jerry Eden. Ihr Vater verdient als Generaldirektor eines Fernsehsenders in New York Unsummen. 2008 hatte die damals 13-Jährige einen Schreibwettbewerb gewonnen. Daraufhin versteckte ihre vermeintlich beste Freundin Tara Scalini einen Laptop bei ihr und zeigte sie wegen Diebstahls an. Die beiden Mädchen versöhnten sich einige Zeit später, aber als Dakotas Theaterstück „Herr Konstantin“ 2012 im Schultheater aufgeführt werden sollte, löschte Tara die Datei von Dakotas Laptop, und weil es keine Kopie davon gab, war das Stück unwiderbringlich verloren. Daraufhin mobbte Dakota ihre Mitschülerin, bis diese sich im Februar 2013 das Leben nahm und einen Abschiedsbrief hinterließ, in dem sie Dakota beschuldigte, sie in den Tod getrieben zu haben. Um die Tochter vor einer gerichtlichen Verurteilung zu bewahren, schloss ihr Anwalt mit der Gegenseite einen Vergleich: die Edens überschrieben ihr Ferienhaus in Orphea den Scalinis.

Weil Dakota seither verstört ist, Ketamin konsumiert und immer wieder auffällig wird, zieht sich der Vater mit ihr vor dem Beginn der Festspiele nach Orphea zurück, wo die Familie bis zum Verlust des Ferienhauses immer wieder glückliche Wochen verbracht hatte.

Als Dakota bei der Premiere von „Die schwarze Nacht“ ankündigt, den Namen des Vierfachmörders von 1994 zu verraten − obwohl in ihrem Text keiner steht und das Manuskript an dieser Stelle endet −, wird sie von Schüssen aus einer nur von Backstage zugängigen Galerie niedergestreckt.

Ein Hubschrauber fliegt sie nach New York, und nach einer Notoperation versetzen die Ärzte sie in ein künstliches Koma. Glücklicherweise erholt sie sich von den schweren Verletzungen.

Steven Bergdorf und Alice Filmore

Seit seiner Kündigung beim Orphea Chronicle ist Steven Bergdorf Chefredakteur bei der New York Review of Literature. Obwohl er verheiratet ist und zwei Kinder hat, unterhält er seit längerem eine Affäre mit der für die Post zuständigen Angestellten Alice Filmore, die von einer Karriere als Journalistin träumt. Als Steven einen Beitrag von Stephanie Mailer auf die Titelseite setzte, brachte ihn Alice dazu, der 32-Jährigen im September 2013 zu kündigen. Und weil sich Meta Ostrowski abfällig über ihr Roman-Manuskript äußerte, verlangte sie von ihrem Liebhaber, auch den Kritiker hinauszuwerfen.

Das Festival in Orphea nutzt Steven Bergdorf als Vorwand, um einige Zeit mit seiner Geliebten verbringen zu können, ohne seine Ehefrau misstrauisch zu machen. Aber für die Suite im Hotel Lake Palace muss er die Firmen-Kreditkarte verwenden, weil er inzwischen durch die hohen Ausgaben für Alice hoffnungslos überschuldet ist und sogar das für die Kinder angelegte Sparkonto leergeräumt hat. So kann das nicht weitergehen!

Im Tumult nach den Schüssen auf Dakota Eden rennt er mit Alice in einen nahen Wald, zertrümmert ihr von hinten mit einem Stein den Schädel und packt die Leiche in den Kofferraum.

Er kehrt nach New York zurück, leiht sich das Wohnmobil seiner Schwägerin und fährt mit der Familie zum Yellowstone Park. Unterwegs wundern sich die Kinder über den Gestank aus dem auf einem Anhänger mitgeführten Pkw. Steven erklärt ihnen, die Ursache sei vermutlich ein überfahrenes Stinktier. Am Ende entledigt er sich der Toten, indem er sie in eine Schwefelquelle wirft.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Spoiler 1: Meghan Padalin

Endlich begreifen die Ermittler den Kardinalfehler, der ihnen 20 Jahre zu vor unterlief. Der Mörder hatte es 1994 nicht auf den Bürgermeister oder gar auf dessen Familie abgesehen, sondern Meghan Padalin war die Zielperson. Nachdem er die Joggerin erschossen hatte, bemerkte er vermutlich jemand am Fenster, trat die Tür ein und ermordete Joseph Gordon, dessen Frau und den Sohn.

Aber warum wurde die Mitarbeiterin des Buchhändlers umgebracht?

Samuel Padalin stellt der Polizei die Tagebücher seiner Frau zur Verfügung. Daraus geht hervor, dass sie im Februar 1994 ein Geheimnis von ihrer Freundin Felicity Daniels erfuhr: Deren Ehemann Luke, der Klimaanlagen verkaufte, war durch den korrupten Bürgermeister in den Ruin getrieben worden, weil er sich geweigert hatte, Schmiergeld zu zahlen. Am 16. November 1993 hatte sich Luke Daniels erhängt. Meghan Padalin beschuldigte Joseph Gordon, für den Tod des Mannes verantwortlich zu sein und joggte von da an jeden Tag zum Haus des Bürgermeisters, um ihn daran zu erinnern.

Joseph Gordon suchte deshalb nach einer Möglichkeit, sie zum Schweigen zu bringen.

Spoiler 2: Wie es wirklich war

Als Michael Bird merkt, dass Anna Kanner ihn verdächtigt, versucht er, sie im Beaver Lake zu ertränken, aber Jesse und Derek retten sie.

Schließlich bringen sie ihn dazu, ein Geständnis abzulegen.

Als Jeremiah Fold ihn gezwungen hatte, von Ted Tennenbaum Schutzgeld zu erpressen, tat er sich heimlich mit dem Café-Betreiber zusammen. Ted Tennenbaum fädelte dann einen Tausch ein: Während Joseph Gordon am 16. Juli 1994 den Motorradfahrer Jeremiah Fold mit dem Auto rammte, sodass dieser gegen einen Baum fuhr und starb, erschoss Michael Bird am 30. Juli 1994 die Joggerin Meghan Padalin, und als er merkte, dass er dabei beobachtet worden war, ermordete er auch die Familie des Bürgermeisters – ohne zu ahnen, dass dieser indirekt sein Komplize war.

20 Jahre später tauchte Stephanie Mailer in Orphea auf, um für Meta Ostrowski herauszufinden, wer Meghan Padalin erschossen hatte. Der Kritiker war 1994, in den letzten Monaten vor Meghans Ermordung, deren heimlicher Liebhaber gewesen. Michael Bird stellte die Journalistin ein, um sie unter Kontrolle zu haben, und als er befürchten musste, dass sie die Wahrheit herausfinden würde, tötete er auch sie.

2016

Steven Bergdorf kann Alice Filmore und den Mord nicht vergessen. Sein Gewissen zwingt ihn zu einem umfangreichen schriftlichen Geständnis. Nachdem er seine Frau gebeten hat, es zu lesen, beabsichtigt er, sich aus dem Fenster zu stürzen – aber da kommt Tracy herein und meint begeistert, er habe einen ausgezeichneten Thriller geschrieben. Sie sorgt für die Veröffentlichung, und es wird ein Bestseller.

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Den Thriller „Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ dreht sich um Untreue, Korruption, Macht und Intrigen.

Joël Dicker entwickelt die Handlung auf zwei Zeitebenen parallel. Ein Vierfachmord gilt 20 Jahre lang als aufgeklärt, bis eine junge Journalistin Zweifel sät, und die beiden Ermittler von damals den Fall mit einer neuen Kollegin gemeinsam noch einmal aufrollen. Joël Dicker springt nicht nur zwischen 1994 und 2014 hin und her, sondern wechselt auch die Ich-Erzähler und damit die Perspektiven. Dieses komplexe Geflecht macht „Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ interessant, auch wenn einige Wendungen hanebüchen sind.

Allerdings ist „Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ mit Figuren und Nebenhandlungen überfrachtet, obwohl es heißt, Joël Dicker habe das ursprüngliche Manuskript um die Hälfte gekürzt und zehn Romanfiguren herausgenommen.

Bei der Charakterisierung der verbliebenen Personen schlägt Joël Dicker zwei grundverschiedene Wege ein. Die einen bleiben schemenhaft wie die Titelfigur Stephanie Mailer, die anderen – vor allem der Kritiker Meta Ostrowski und der Regisseur Kirk Harvey, aber auch Steven Bergdorf und Alice Filmore – wirken selbst als Karikaturen grotesk überzeichnet. Eindimensional sind sie allesamt.

Weil Joël Dicker das Ganze nicht so ernst meint − was sich nicht zuletzt im 2016 spielenden Epilog zeigt −, bietet er mit „Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ eine unterhaltsame Lektüre.

Den Thriller „Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ von Joël Dicker gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Torben Kessler (ISBN 978-3-86952-413-9).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2020

Robert Menasse - Die Hauptstadt
In "Die Hauptstadt" skizziert Robert Menasse ein kenntnisreiches und zugleich überspitztes Bild von der Brüsseler EU-Bürokratie. Er hat den satirischen, tragikomischen Roman überfrachtet, auch wenn es ihm ge­lun­gen ist, die zahlreichen Themen, Akteure und Handlungsstränge wie in einem Ensemble-Film zu ver­knüpfen.
Die Hauptstadt