Ian Hamilton : Der schottische Bankier von Surabaya

Der schottische Bankier von Surabaya
The Scottish Banker of Surabaya House of Anansi Press, Toronto 2013 Der schottische Bankier von Surabaya Ein Ava-Lee-Roman Übersetzung: Andrea Krug Verlag Krug & Schadenberg, Berlin 2018 ISBN 978-3-95917-013-0, 446 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die in Toronto aufgewachsene Chinesin Ava Lee betreibt mit einem in Hongkong lebenden sehr viel älteren früheren Triaden-Boss ein Inkassobüro besonderer Art: Sie übernehmen nur Aufträge für Beträge in zweistelliger Millionenhöhe. Widerstrebend lässt Ava sich auf den Versuch ein, das veruntreute Geld – 32 Millionen Dollar – einiger vietnamesischer Immigranten zurückzuholen …
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Kritik

"Der schottische Bankier von Surabaya" ist ein spannender Wirtschaftskrimi des kanadischen Schriftstellers Ian Hamilton. In dem gut durchdachten Plot gibt es zwar auch Action und einige wenige brutale Szenen, aber das Lesevergnügen basiert v. a. auf der Raffinesse der geschilderten Verhandlungen.
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Ava Lee

Ava Lee wurde in Hongkong geboren. Ihre Mutter Jennie ist die zweite Frau des reichen Chinesen Marcus Lee, der mit seiner ersten Frau und den vier Söhnen nach wie vor in Hongkong lebt und in Australien eine weitere Familie mit zwei Kindern hat. Jennie Lee zog nach Kanada. Dort wuchsen ihre beiden Töchter Marian und Ava auf. Marian ist inzwischen mit einem spießigen Beamten in Toronto verheiratet. Ava studierte BWL und wurde Wirtschaftsprüferin.

Seit etwa zehn Jahren ist sie die Geschäftspartnerin eines Chinesen, der Chow Tung heißt, den sie jedoch respektvoll „Onkel“ nennt. Der inzwischen 84-Jährige führte früher die in Wuhan herrschende Triade, lebt zwar inzwischen in Hongkong, verfügt jedoch noch immer über ein weitgespanntes Netzwerk einflussreicher Personen. Ava vertraut ihrem Förderer blind, und umgekehrt ist das auch so. Gemeinsam betreiben sie eine Art Inkassobüro für Leute, die ihre Gläubiger lieber nicht vor Gericht bringen. Dabei übernehmen sie nur Fälle, bei denen es um Summen in mindestens zweistelliger Millionen-Höhe geht.  Ava Lee und Chow Tung behalten im Erfolgsfall 30 Prozent der beschafften Beträge ein. Andernfalls gehen sie nicht nur leer aus, sondern tragen auch alle Unkosten selbst.

Ava war auf Schuldeneintreibung spezialisiert. Es war ein Job, der Gefahr mit sich brachte, und im Laufe der mehr als zehn Jahre, die sie mit Onkel, ihrem Partner in Hongkong, inzwischen zusammenarbeitete, hatte man mit dem Messer auf sie eingestochen, sie getreten und mit Fausthieben traktiert, mit einem Montiereisen geschlagen und mit einem Gürtel ausgepeitscht. Nichts von alledem hatte sie dauerhaft gezeichnet.

Beim letzten Einsatz rettete Ava ihrem Halbbruder Michael Lee in Macao das Leben. Dabei musste sie allerdings erstmals einen Mann aus nächster Nähe in den Kopf schießen und wurde selbst von einem Projektil schwer am Oberschenkel verletzt. Davon erholt sie sich nun in Gesellschaft ihrer Mutter in einem Cottage am Lake Couchiching in Ontario. Und sie denkt darüber nach, ob sie den gefährlichen Job auch weiterhin machen will oder nicht.

Sie bewegte ihre Beine und verspürte ein Brennen im rechten Oberschenkel. Zweieinhalb Monate zuvor war sie beim Eindringen in ein Haus in Macao angeschossen worden. Zum Glück hatte die Kugel keinen Knochen erwischt und keine Arterie verletzt. Sie war zwei Tage später nach Kanada zurückgeflogen und hatte Krücken benützt, die bald durch einen Stock und später durch Humpeln ersetzt worden waren.

Übers Wochenende erhält sie Besuch von der Kolumbianerin Maria, der stellvertretenden Handelskommissarin des kolumbianischen Generalkonsulats in Toronto, mit der sie seit einiger Zeit eine feste lesbische Beziehung pflegt.

Theresa Ng

Jennie Lee überredet Ava zu einem Gespräch mit einer Baccara-Dealerin des Casino Rama Resort. Widerstrebend lässt Ava sich darauf ein.

Theresa Ng, die Tochter einer Chinesin und eines Vietnamesen, kam in den Siebzigerjahren als Kind mit ihrer Mutter, den drei Schwestern und zwei Brüdern nach Kanada. Durch harte Arbeit gelang es den Einwanderern, ihr Haus abzubezahlen. Danach kaufte die Familie ein zweites Haus für die älteste Tochter. Inzwischen besitzt sie sechs benachbarte Häuser.

Bobby, Theresas älterer Bruder, ließ sich von seinem Freund Joey Lac überreden, Geld in den angeblich von dessen Schulfreund Lam Van Dinh verwalteten Fonds Emerald Lion zu investieren. Zwei Jahre lang wurden die versprochenen Renditen pünktlich überwiesen, und weitere Familien der vietnamesischen Gemeinde in Ontario vertrauten Lam Van Dinh Geld an. Dann verzögerten sich die Auszahlungen, und seit einem halben Jahr sind sie ganz ausgeblieben. Die Beträge wurden bar bei der Bank Linno in Toronto eingezahlt, und die Geschädigten wollen keine Anzeige erstatten, weil es sich um unversteuertes Schwarzgeld handelte. Lam Van Dinh ist verschwunden, aber eine von Theresas Schwestern glaubt, ihn kürzlich während eines Besuchs bei Verwandten in Ho-Chi-Minh-Stadt erkannt zu haben. Sie notierte das Kennzeichen des Autos.

Toronto

Zunächst hat Ava Lee kein Interesse daran, den Fall zu übernehmen, denn der Betrag, den Theresas Familie eingebüßt hat – 3 Millionen Dollar – ist viel zu niedrig für die von ihr und Chow Tung betriebenen Geschäfte. Aber ihr Partner in Hongkong schlägt vor, auch anderen Betroffenen Verträge anzubieten. Bei einer kurzfristig von Theresa Ng organisierten Zusammenkunft schließt Ava mit 17 Familien Verträge ab, und es geht nun um 32 Millionen Dollar.

Als Erstes spricht Ava mit Joey Lac. Der kann sich nicht vorstellen, dass sein Freund Lam Van Dinh Kundengelder veruntreute, weiß aber auch nicht, was passiert ist.

Unter der Adresse der Bank Linno stößt Ava auf ein kleines, inzwischen geschlossenes Büro in einem schäbigen Hochhaus in Toronto. Der Hauptsitz des Geldinstituts befindet sich in Surabaya auf Java. Eigentlich wäre zu erwarten, dass eine Bank mit internationalen Filialen auch in der indonesischen Hauptstadt Jakarta aktiv ist, aber das scheint nicht der Fall zu sein.

Ho-Chi-Minh-Stadt

Chow Tung erreicht durch seine Kontakte, dass Ava Lee nach der Landung in Ho-Chi-Minh-Stadt von einem kooperativen Polizisten abgeholt und chauffiert wird. Das von Theresas Schwester notierte Kennzeichen gehört zu einem Auto des renommierten Neurochirurgen Lam Duc Dinh. Sein jüngerer Bruder Lam Van Dinh, der Vietnam vor etwa 20 Jahren verlassen hatte, um in Kanada zu studieren, wohnt seit gut fünf Monaten bei ihm.

Ava trifft ihn bei der Gartenarbeit an und bringt ihn dazu, mit ihr zu reden.

Lam Van Dinh zahlte das Geld der vietnamesischen Immigranten bei der Bank Linno in Toronto für einen Fonds mit dem Namen Surabaya Fidelity Security ein. Dazu hatte ihn Fred Purslow überredet, ein Freund, der als Kundenbetreuer für die Zweigstelle der indonesischen Bank in Kanada arbeitete. Davon ahnten die Investoren nichts, denn zum Einsammeln der Gelder hatte Lam Van Dinh den angeblichen Fonds Emerald Lion gegründet.

Als die monatlichen Zahlungen ausblieben und Fred Purslow plötzlich verschwand, wandte sich Lam Van Dinh an Aris Muljadi, den Leiter der Bank Linno in Toronto. Der wusste angeblich von nichts, ließ sich aber von seinem Besucher Bericht erstatten und zog dann einen Italiener namens Dominic Rocco dazu, der Lam Van Dinh versicherte, die Bank werde im Fall einer Veruntreuung von Geldern durch einen Angestellten für den Schaden aufkommen. Rasch fanden die Banker heraus, dass Fred Purslow nicht nur ein Konto für Emerald Lion angelegt hatte, sondern zugleich eines für eine anonyme Nummerngesellschaft, deren Direktor Barry Lowell mit Fred Purslow und Lam Van Dinh zusammen studiert hatte. Das Konto der Nummerngesellschaft war längst leergeräumt, aber die Bank Linno überwies Emerald Lion 300.000 Dollar, damit die ausstehende Monatsrate den Anlegern ausbezahlt werden konnte und diese erst einmal stillhielten.

Von der Bank hörte Lam Van Dinh nichts mehr, aber man schickte ihm einen Ausschnitt aus einer in Costa-Rica erscheinenden Zeitung über die Ermordung von zwei Männern, deren abgetrennte Köpfe auf Stäbe gespießt waren: Fred Purslow und Barry Lowell. Offenbar hatte sich die Bank das Geld von den Betrügern zurückgeholt. Aus Angst um sein Leben setzte sich Lam Van Dinh nach Vietnam ab.

Surabaya: Kontaktaufnahme

Die Bank Linno wurde vor 40 Jahren in Surabaya aus der Taufe gehoben und blieb unbedeutend, bis die Gründerfamilie das Unternehmen vor sechs Jahren verkaufte und zugleich das Management ausgewechselt wurde. Eine örtliche Anwaltskanzlei fungiert nun als Treuhänder für die unbekannten Besitzer. Unter der Leitung des schottischen Bankers Andy Cameron, der zuvor in Rom gearbeitet hatte, expandierte die Bank Linno in den letzten sechs Jahren enorm. Sie finanziert Immobilienprojekte beispielsweise in Norditalien, in den USA und in Kanada.

Während Ava Lee nach Indonesien fliegt, sorgt Onkel dafür, dass ein Kontaktmann in Jakarta auf Abruf bereit steht.

Ava wendet sich zunächst an John Masterson. Dessen Namen bekam sie von einem Freund namens Johnny Yan. Der hatte bei der Toronto Commonwealth Bank mit ihm zusammengearbeitet, bevor John Masterson seinen Bruder in Phuket besuchte und dabei auf die Idee kam, es in Surabaya mit Krabbenhandel zu versuchen. Ava gibt sich als Mitarbeiterin des Unternehmens Dynamic Accounting in Hongkong aus und behauptet, sie suche im Auftrag eines an Investitionen in Ost-Java interessierten Klienten nach einer Bank, mit der er dabei zusammenarbeiten könne.

John Masterson und seine Frau Fay, die Andy Cameron gut kennen, arrangieren ein Abendessen mit ihm und Ava in einem Restaurant in Surabaya. Andy, inzwischen Ende 30, kam verheiratet nach Indonesien, aber seine Frau kehrte ein Jahr später mit den drei Töchtern nach Schottland zurück. Obwohl Ava von Fay vor dem Frauenjäger gewarnt wurde, lässt sie sich von ihm ins Hotel begleiten und in der Bar auf einen Absacker einladen.

Surabaya: Vergewaltigung

Am nächsten Morgen wacht sie nackt in ihrem Zimmer auf, und sowohl im Schritt als auch zwischen den Brüsten spürt sie eingetrocknetes Sperma. Sie wurde vergewaltigt.

Ava ruft Fay Mastersons lesbische Schwester Vivian Ho an, die als Ärztin in Surabaya praktiziert und zu ihr ins Hotel kommt, um sie zu untersuchen und eine Urinprobe mitzunehmen. Avas Verdacht, dass Andy Cameron unbemerkt K.-o.-Tropfen in ihren Wein gemischt hatte, bestätigt sich, denn in ihrem Urin wird der Wirkstoff Flunitrazepam nachgewiesen.

Indra, der Leiter des Sicherheitsdienstes im Hotel, rät ihr, die Polizei einzuschalten, aber sie weiß ebenso wie er, dass die Anzeige eines erfolgreichen CEO einer örtlichen Bank durch eine Touristin ohne Folgen bleiben würde. Der Mann vom Nachtdienst hat protokolliert, dass der Hotelgast Ava Lee so betrunken gewesen sei, dass er Andy Cameron helfen musste, die Frau auf ihr Zimmer zu bringen. Gegen ein paar Geldscheine beschafft Indra ihr die Privatadresse des Bankers und einige weitere Informationen über ihn.

Außerdem lässt Ava Onkels Kontaktmann aus Jakarta kommen. Perkasa, so heißt er, heuert auf ihren Wunsch hin die beiden in Surabaya lebenden Brüder Waru und Prayogo an. Waru, ein Polizist, schickt seine  Frau mit den Kindern zu seinen Schwiegereltern, damit er sein abgelegenes Haus für die geplante Operation zur Verfügung stellen kann. Und er besorgt einen Elektroschocker.

Surabaya: Rache

Als Andy Cameron am nächsten Morgen mit seinem Porsche zum Golfplatz fährt, folgen ihm Ava und Perkasa in einem SUV. Waru trägt Polizeiuniform, hält ihn an und fordert ihn zum Aussteigen auf. Dann überwältigen er und sein Bruder ihn. Sie verkleben ihm Mund und Augen, bevor sie ihn zu Warus Haus fahren und in der Küche auf einen Stuhl fesseln.

Ava fordert Perkasa auf, dem Gefangenen die Hosen herunterzuziehen und schiebt ihm dann die Spitze des Elektroschockers unter die Hoden. Andy Cameron bäumt sich auf, und Kot quillt auf die Sitzfläche des Stuhls. Nachdem ihn die Männer auf dem Stuhl ins Freie getragen und mit einem Wasserschlauch abgespritzt haben, stellen sie ihn in die Sonne.

In der Hoffnung, nicht noch einmal gefoltert zu werden, beantwortet Andy Cameron die von Ava Lee gestellten Fragen.

Als er in Rom arbeitete, wurde er zum Fest für die Heilige Maria von Polsi in dem kalabrischen Dorf San Luca eingeladen. Man schlug ihm vor, zum Schein die Leitung der Bank Linno in Surabaya zu übernehmen und bot ihm ein Vielfaches des in Rom bezogenen Gehalts an. Tatsächlich wird das Unternehmen von der ´Ndrangheta kontrolliert. Auch in den Filialen sind die CEOs nur Galionsfiguren. In Toronto hatte beispielsweise Dominic Rocco das Sagen. Die ´Ndrangheta lässt jede Woche große Mengen Bargeld mit einer für Langstreckenflüge konzipierten Global Express 5000 nach Surabaya fliegen. Andy Camerons Aufgabe ist es, die von zwei Italienern –  Fori und Chorico – in einen Lieferwagen umgeladenen Banknoten als Eigenkapital zu verbuchen. Die Bank gewährt dann zum Schein Vertrauten der ´Ndrangheta Kredite für Investitionen in Immobilien, um das Geld zu waschen.

In seiner Verzweiflung bietet Andy Cameron die Million an, die er selbst besitzt. Aber er sieht keine Möglichkeit, Ava Lee 30 Millionen Dollar zu beschaffen. Stattdessen lässt sie sich von ihm die Zugangsdaten für das IT-System der Bank geben und kopiert detaillierte Angaben über mehr als 500 Transaktionen im Gesamtwert von schätzungsweise 5 Milliarden Dollar auf zwei USB-Sticks.

Die Italiener würden Andy Cameron zum Reden bringen, und weil er nicht nur Ava Lee kennt, sondern man auch Fay und John Masterson in Schwierigkeiten bringen könnte, darf er nicht am Leben bleiben. Für die Italiener muss es allerdings so aussehen, als habe er sich aus dem Staub gemacht.

Ava zwingt ihn, seine Haushälterin Yannie anzurufen. Er habe ein Geschenk für einen Freund vergessen, behauptet er entsprechend der Anweisung, und einen Mann vom Sicherheitsdienst des Golf-Klubs gebeten, es für ihn zu holen.

Bei dem angeblichen Geschenk handelt es sich um die beiden von Andy Cameron nach Avas Vergewaltigung als Trophäe gestohlenen Jade-Manschettenknöpfe.

Während Perkasa losfährt, um die Schmuckstücke zu holen (von deren Bedeutung er nichts ahnt) und von der Haushälterin einen Koffer für ihren Arbeitgeber packen zu lassen, der angeblich geschäftlich nach Singapur muss, heben Waru und Prayogo ein Grab aus.

Perkasa erklärt sich bereit, den Banker zu ermorden, aber Ava will das selbst übernehmen und lässt sich Warus Glock 22 geben. Andy Cameron ist allerdings bereits tot. Offenbar erlag er einem Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Prayogo stellt den Porsche des Toten auf den Langzeitparkplatz am Flughafen, Ava Lee bucht mit Andy Camerons Kreditkarte einen Flug, und Perkasa fliegt unter diesem Namen nach Singapur.

Deal

Ava Lee reist zur gleichen Zeit nach Hongkong. Sie hat sich zwar für die Vergewaltigung gerächt, ist jedoch mit dem Versuch gescheitert, das Geld ihrer Auftraggeber zu beschaffen.

Onkel schlägt vor, die von Andy Cameron erhaltenen Daten über die internationale Geldwäsche der ´Ndrangheta zu verkaufen. Vielleicht könnte man den geschädigten Auftraggebern dann doch noch ihre Millionen zurückbringen. Selbstverständlich weiß er, dass es tödlich wäre, wenn ihnen die ´Ndrangheta auf die Spur käme. Deshalb scheiden einige Polizeibehörden aus, die unterwandert sein könnten. In den USA gäbe es zu viele Zuständigkeiten. Am Ende einigen sich Ava und Onkel auf Kanada.

Ava ruft einen vertrauenswürdigen Bekannten namens Marc Lafontaine in Guyana an, einen bei der kanadischen Hochkommission in Georgetown beschäftigten Sergeant der Royal Canadian Mounted Police (RCMP). Sie vertrete einen Klienten, der für die ´Ndrangheta gearbeitet habe, behauptet sie. Der sei mit detailliertem Informationsmaterial untergetaucht, wolle mit seiner Familie ein anderes Leben anfangen und die Daten verkaufen, um sich das erforderliche Geld für den Neubeginn zu beschaffen. Ob Marc Lafontaine bereit sei, entsprechende Kontakte in der RCMP herzustellen. Bei den Verhandlungen nennt sie sich Jennie Kwong.

Die RCMP verlangt zunächst Probematerial, den Namen der Bank und des Informanten. Ava Lee alias Jennie Kwong schickt drei Seiten mit Daten, nennt den Namen der Bank Linno in Surabaya und den des CEO Andy Cameron. Beim nächsten Telefongespräch von „Jennie Kwong“ und Marc Lafontaine sind Kevin Torsney und Peter Valliant von der Abteilung Organisierte Kriminalität in Ottawa zugeschaltet.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Noch einmal Surabaya (Spoiler 1)

Weil die Kanadier Zeit benötigen, um die komplexen Transaktionen zu überprüfen, schlägt Ava in Abstimmung mit Onkel einen anderen Weg vor, um sie vom Wert der Informationen zu überzeugen: In der Annahme, dass die Italiener die wöchentlichen Geldtransporte nach Surabaya fortsetzen, kündigt sie der RCMP die nächste Lieferung an und schlägt vor, mit vertrauenswürdigen indonesischen Behörden gemeinsam zuzuschlagen. Bliebe die beschlagnahmte Summe unter 30 Millionen Dollar, würde sich der von ihrem Klienten geforderte Preis für die Daten entsprechend verringern. Im Fall eines höheren Betrags würde er sich dennoch mit 30 Millionen begnügen.

Bald darauf meldet sich Ryan Poirier bei „Jennie Kwong“, der stellvertretende Wirtschaftsattaché der kanadischen Botschaft in Jakarta. Er hat sich bereits mit einem befreundeten Captain des indonesischen Marinekorps in Verbindung gesetzt. Weil er befürchtet, dass sich bei dem geplanten Zugriff herausstellen könnte, dass die Italiener statt Banknoten beispielsweise Seidenschals importieren, verlangt er die Anwesenheit des Informanten bei der Aktion und erklärt sich einverstanden, als Ava verspricht, selbst nach Surabaya zu fliegen.

Eigentlich ist geplant, die beiden Insassen der Global Express 5000 ebenso wie Foti und Corico festzunehmen, aber im Hangar kommt es zu einer wilden Schießerei. Der Copilot überlebt;  die drei anderen Italiener sterben im Kugelhagel. In der entkernten Flugkabine stoßen Ava Lee, Ryan Poirier und die indonesischen Militärs auf Banknoten im Gesamtwert von etwa 70 Millionen US-Dollar.

Hongkong (Spoiler 2)

Die Philippina Lourdes, die Chow Tung seit mehr als 30 Jahren den Haushalt führt, und Sonny, den Onkel bereits als Triaden-Boss in Wuhan unter die Fittiche nahm, machen sich Sorgen, denn der Greis fährt immer wieder heimlich zum Queen Elizabeth Hospital, und Sonny findet heraus, dass er dort bestrahlt wird. Ava möchte mit seinem Arzt Graham Parker sprechen, aber der ist verreist.

Schließlich gibt sie sich als Enkelin des Patienten aus und behauptet, soeben aus Kanada eingetroffen zu sein. Ausnahmeweise lässt man sie ans Bett von Chow Tung, der sich gerade von einer Brachytherapie erholt. Er leidet an einem metastasierten Magenkrebs und wird nicht mehr lange leben.

Vor zwei Monaten hinterlegte er sein Testament bei einem Notar. Lourdes wird das Haus und einen Teil des Vermögens erben. Sie könne die Immobilie verkaufen und zu ihrer Familie auf die Philippinen zurückkehren, meint er und drängt Ava zugleich, Sonny irgendwie in Hongkong weiter zu beschäftigen, denn andernfalls müsse man befürchten, dass er sich durch seine Unbeherrschtheit wieder in Schwierigkeiten bringe. Onkel drängt sie, das Angebot zur Zusammenarbeit mit May Ling Wong in Wuhan anzunehmen.

Ava hatte May Ling als Klientin kennengelernt. Sie und ihr Mann Changxing waren das wohlhabendste Paar in der Provinz Hubei und zählten zu den wohlhabendsten in ganz China. Sie hatten Ava und Onkel engagiert, um die Betrüger ausfindig zu machen, die ihnen gefälschte fauvistische Gemälde verkauft hatten, und ihr Geld zurückzuholen. Es war kein einfacher Job gewesen, der noch komplizierter wurde, als die Wongs beschlossen, auch noch Rache üben zu wollen.

Die Geschäftsfrau möchte mit Ava Lee und Amanda Yee, der Verlobten von Avas Halbbruder Michael, ein von Frauen geführtes Unternehmen gründen. 100 Millionen Hongkong-Dollar würde sie dazu beisteuern. Amanda nähme das Angebot gern an, aber Ava zögert noch, denn sie kann sich nicht vorstellen, einer anderen Person unterstellt zu sein. Onkel weist sie nun darauf hin, dass sie als seine Haupterbin May Ling Wong auf Augenhöhe verhandeln und als gleichberechtigte Partnerin einsteigen könnte.

Statt nach Toronto zurückzukehren, bleibt Ava Lee erst einmal in Hongkong, denn sie will sich um den Todkranken kümmern und hat zugesagt, bei der geplanten Hochzeit von Amanda Yee und Michael Lee als Trauzeugin der Braut zu fungieren.

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„Der schottische Bankier von Surabaya“ ist ein Wirtschaftskrimi des kanadischen Schriftstellers Ian Hamilton. Im Mittelpunkt steht die in Toronto aufgewachsene Chinesin Ava Lee, eine Wirtschaftsprüferin, die mit einem sehr viel älteren Partner in Hongkong gemeinsam ein Inkassobüro betreibt, allerdings eines von besonderer Art, denn die Klientel scheut aus unterschiedlichen Gründen davor zurück, Gläubiger gerichtlich zu verfolgen, und es geht um mindestens zweistellige Millionen-Summen.

Bei Ava Lee handelt es sich um eine kluge, selbstbestimmte und charakterstarke Frau, die auch an einer brutalen Demütigung nicht zerbricht. Dass sie jung und schön ist, Frauen liebt und die Kampfkunst Bak Mei beherrscht, spielt in „Der schottische Bankier von Surabaya“ kaum eine Rolle.

Ian Hamilton fängt „Der schottische Bankier von Surabaya“ verhalten an und mutet der Leserin bzw. dem Leser erst einmal viele Namen zu, aber dann nimmt die Handlung rasch Fahrt auf, der Roman entwickelt sich zum Page Turner, und die Spannung bleibt bis zum Ende erhalten. Es gibt zwar auch Action und einige wenige brutale Szenen, aber das Lesevergnügen basiert vor allem auf der Raffinesse der geschilderten Verhandlungen. Entsprechend gut durchdacht hat Ian Hamilton den Plot.

Sprachlich bevorzugt er einfache Sätze, aber er entwickelt damit eine Handlung, die man beim Lesen gebannt verfolgt. Sie spielt in Kanada, China und Indonesien, verleiht dem Roman „Der schottische Bankier von Surabaya“ also polyglotten Flair.

Die von Simone Jakob vorgenommenen deutschsprachigen Übersetzungen der ersten vier Bände der Buchreihe über Ava Lee erschienen im Verlag Kein & Aber.

  1. The Water Rat of Wanchai / Die Wasserratte von Wanchai (2011 / 2011)
  2. The Disciple of Las Vegas / Der Jünger von Las Vegas (2011 / 2012)
  3. The Wild Beasts of Wuhan / Die wilden Bestien von Wuhan (2011 / 2013)
  4. The Red Pole of Macau / Der Rote Stab von Macao (2012 / 2014)

 

Den 2013 in Toronto veröffentlichten fünften Band –  „The Scottish Banker of Surabaya“ – übertrug Andrea Krug ins Deutsche, und der von ihr und Dagmar Schadenberg geführte Verlag für Literatur mit lesbischen Perspektiven nahm mit Ian Hamilton (*1946) und „Der schottische Bankier von Surabaya“ erstmals einen männlichen Autor ins Programm. Für 2019 plant der Verlag Krug & Schadenberg die deutsche Ausgabe des sechsten Ava-Lee-Romans: „The Two Sisters of Borneo“ (2017) / „Die zwei Schwestern von Borneo“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2018
Textauszüge: © Verlag Krug & Schadenberg 2018

Andrej Kurkov - Graue Bienen
Andrej Kurkov veranschaulicht in seinem Roman "Graue Bienen" die Situation und das Geschehen aus der Perspektive eines einfachen, unbedarften Imkers, der nichts weiter möchte, als in Frieden leben. Die Ordnung der Bienenstöcke kontrastiert mit der selbstzerstörerischen menschlichen Gesellschaft. Die Realität des Krieges und die Feindschaft zwischen Bevölkerungsgruppen werden unaufgeregt und lakonisch dargestellt.
Graue Bienen