Anne Serre : Die Gouvernanten

Die Gouvernanten
Les Gouvernantes Éditions Champs Vallon, Ceyzérieu 1992 Neuausgabe: 2021 Die Gouvernanten Übersetzung: Patricia Klobusiczky Berenberg Verlag, Berlin 2023 ISBN 978-3-949203-67-1, 96 Seiten ISBN 978-3-949203-77-0 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Laura, Inès und Éléonore sind als Gouvernanten beim Ehepaar Austeur angestellt. Ort und Zeit bleiben unbestimmt. Entdecken die Gouvernanten einen Fremden im zur Villa gehörenden Park, jagen sie ihn und fallen über ihn her. Bei einem Ausflug mit den ihnen anvertrauten Jungen tanzen die Gouvernanten nackt auf einer Wiese, klettern auf Bäume und genießen es, die raue Rinde an ihrer weichen Haut zu spüren.
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Kritik

Anne Serre entwickelt keine Handlung im herkömmlichen Sinn, sondern reiht verspielt Szenen aneinander. "Die Gouvernanten" ist ein schwungvoller Bilderreigen, mehr Imagination und Atmosphäre als Drama, ein fantasievolles und märchenhaftes, entrücktes und poetisches, ebenso erotisches wie komisches Tableau über Frauen, die sich lustvoll-ungestüm nehmen, was sie wollen.
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Julie Austeur und ihr Ehemann haben vor einiger Zeit zusätzlich zu den Hausmädchen drei Gouvernanten für ihre vier Kinder eingestellt: Laura, Inès und Éléonore. Die jungen Damen ließen ihr Vorleben zurück und haben weder Familie noch Verwandtschaft. Ihr Leben beschränkt sich auf die Villa und den dazugehörigen Park.

Zur Zeit sind die Austeurs mit den Kindern und Hausmädchen im Strandurlaub. Für den Tag ihrer Rückkehr bereiten die Gouvernanten ein Fest vor. Dabei sind auch eine Ballonfahrt und eine Flugzeugtour geplant.

Pausenlos quietscht das Gartentor und öffnet sich langsam, um die Lieferanten durchzulassen, sie bringen Fische und Fasane in Aspik, Bottiche voll Sahne, eisgekühlte Weine und die Vögel, die man aus allen Fenstern fliegen lassen wird.

Während Inès den gegenüber wohnenden Greis pflegt, beobachten Inès und Éléonore einen Fremden, der durchs goldene Tor kommt und in den Park geht. Sie jagen den Mann, bis er nicht mehr kann, werfen ihn zu Boden und knöpfen ihm die Hose auf.

Inmitten ihrer Raserei werden sie wieder sanft und holen ein verschüchtertes Glied hervor.

Bis zum Abend treiben sie es mit ihm.

Der Mann ist ausgeblutet, die schönen Hände liegen geöffnet, wie verlassen neben seinem Körper. Weil er friert und sich nicht regt, ziehen sie ihn wieder an. Dann machen sie sich leicht erschöpft, glücklich und erfüllt auf den Weg nach Hause, ohne ein Wort zu sagen.

Es kommt auch vor, dass die Gouvernanten einen Fremden nachts an den Ranken der Jungfernrebe zu ihrem Balkon hochklettern lassen und mit ihm eine Orgie feiern.

Tagsüber verfolgt der Greis von gegenüber die Gouvernanten mit dem Fernrohr und notiert, was er beobachtet. Das gefällt ihnen, und sie posieren auch nackt für ihn.

Bei einem Ausflug mit den Jungen tanzen die Gouvernanten nackt auf einer Wiese, klettern auf Bäume und genießen es, die raue Rinde an ihrer weichen Haut zu spüren. Sie lassen sich anschauen und erlauben es, dass einige der Jungen Skizzen von den „drei Grazien“ anfertigen. Die Größeren wagen sich näher heran, dürfen auch schon mal eine Brust umfassen und übers Schamhaar streichen. Mehr nicht.

Eines Morgens brachte Laura ein Kind zur Welt. Es war keine große Überraschung, schließlich wartete man seit gut neun Monaten auf das Ereignis und verfolgte gespannt, wie sich ihr runder Bauch unter dem Kleid immer mehr wölbte.

Alle wollen wissen, wer der Vater des Kindes ist, aber Laura bestreitet, dass jemand sie geschwängert habe. Das Kind fügt sich in die Gruppe der kleinen Jungen ein.

Unvermittelt zieht eines Tages der Greis die Vorhänge des Fensters zum Park zu. Von den Gouvernanten hat er genug gesehen.

Er verlebte einige Tage in einem heilsamen Dämmer, dann zog er die Vorhänge des anderen Fensters auf, das auf die Landschaft hinter seinem Haus hinausging. Fortan würde er dort mit seinem Fernrohr Stellung beziehen. Als Erstes bekam er eine Farnpflanze und einen Feldhasen zu sehen.
Nach einigen Tagen beschlich die Gouvernanten ein merkwürdiges Unbehagen, obwohl sie nach wie vor von Monsieur und Madame Austeur, den kleinen Jungen und den Hausmädchen umgeben waren. Sie hatten beinahe das Gefühl zu verschwinden. […] Der Park schrumpfte, die kleinen Jungen purzelten übereinander, das Haus büßte seine Wände ein, Monsieur Austeur seine Zigarre, Madame Austeur ihr graues Kleid und die Hausmädchen die Schüsseln, die sie auftragen sollten.

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Eine Villa, ein Park mit Wald und Wiesen, ein Nachbarhaus – das ist die Kulisse der unkonventionellen Erzählung „Die Gouvernanten“. Ort und Zeit bleiben unbestimmt. Schemenhaft hält Anne Serre die Figuren. Einmal schreibt sie, das Ehepaar Austeur habe vier Kinder, aber wenn die drei Gouvernanten mit den Jungen herumtollen, scheint die Schar größer zu sein. Anne Serre entwickelt keine Handlung im herkömmlichen Sinn, sondern reiht verspielt Szenen aneinander. „Die Gouvernanten“ ist ein schwungvoller Bilderreigen, mehr Imagination und Atmosphäre als Drama, ein fantasievolles und märchenhaftes, entrücktes und poetisches, ebenso erotisches wie komisches Tableau über Frauen, die sich lustvoll-ungestüm nehmen, was sie wollen.

Die Novelle oszilliert zwischen einem barocken Porno und einem Pastiche aus Motiven von Marquis de Sade – in Fliederfarben. (Juliane Eva Reichert im Tagesspiegel)

Den Roman bzw. die Erzählung „Die Gouvernanten“ von Anne Serre gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Therese Hämer (Regie: Tina Walz).

Joe Talbot soll „Die Gouvernanten“ mit Lily-Rose Depp, Renate Reinsve und HoYeon Jung verfilmen: „The Governesses“.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2023
Textauszüge: © Berenberg Verlag

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