Alex Capus : Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit
Eine Frage der Zeit Originalausgabe: Albrecht Knaus Verlag, München 2007 ISBN: 978-3-8135-0272-5, 304 Seiten Taschenbuch: btb, München 2009 ISBN: 978-3-442-73911-0, 304 Seiten dtv, München 2018 ISBN 978-3-423-14663-0, 304 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

In seinem Roman "Eine Frage der Zeit" schildert Alex Capus eine groteske Episode aus dem Ersten Weltkrieg. Die deutsche Marine lässt in Papenburg einen für die Kolonie Deutsch-Ostafrika bestimmten Dampfer bauen. Für den Transport wird die "Götzen" gleich nach der Schiffstaufe zerlegt und in 5000 Kisten verpackt. Während Anton Rüter das Schiff am Ostufer des Tanganjikasees wieder zusammenbaut, schleppen die Briten zwei Schnellboote von Kapstadt zum Westufer ...
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Kritik

Alex Capus entwickelt die beiden Handlungsstränge chronologisch und parallel. Ironie und Situationskomik sind dabei nicht Selbstzweck, sondern führen uns die Absurdität des Kriegs vor Augen.
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Die Meyer-Werft in Papenburg an der Ems baut ein Dampfschiff, das die Ehefrau des Werfteigners Joseph Lambert Meyer am 20. November 1913 auf den Namen des Ostafrikaforschers Gustav Adolf Graf von Götzen tauft. Die „Götzen“ befindet sich auf der Helling, und es sieht so aus, als sei alles klar für den Stapellauf, aber das neue Schiff soll nicht zu Wasser gelassen, sondern gleich wieder zerlegt und nach Afrika transportiert werden. Mit dem Dampfer, der für den Verkehr auf dem Tanganjikasee in der Kolonie Deutsch-Ostafrika bestimmt ist, wollen die Deutschen die benachbarten belgischen Kolonialherren beeindrucken.

Gebaut wurde das kombinierte Passagier- und Frachtschiff von Hermann Rüter. Der war als Waise bei einem Onkel aufgewachsen und hatte schon im Alter von zehn Jahren sein erstes Geld auf der Werft von Joseph Lambert Meyer verdient. Obwohl er nur sechs Jahre lang zur Schule gegangen war, kann ihm kein Ingenieur im Schiffbau etwas vormachen. Verheiratet ist Hermann Rüter mit Susanne Meinders, der Tochter eines Kapitäns, und die beiden haben drei Töchter im Alter von zwei, drei bzw. fünf Jahren. – Um die „Götzen“ für den Transport auseinandernehmen und in fünftausend Holzkisten verpacken zu können, ließ der dreißigjährige Schiffbaumeister die Einzelteile vernieten statt verschweißen.

Anton Rüter begleitet das zerlegte Schiff zusammen mit zwei weiteren Mitarbeitern der Meyer-Werft: dem dreiundzwanzigjährigen Handwerker Hermann Wendt und dem vierundvierzig Jahre alten Nieter Rudolf Tellmann. In Daressalam erfahren sie, dass die Mittellandbahn nach Kigoma am Ostufer des Tanganjikasees noch nicht fertig ist. Sie müssen siebzehn Tage lang warten, bis die letzten zehn Kilometer Schienen verlegt sind. In dieser Zeit sind sie Gäste des deutschen Gouverneurs Heinrich Schnee und dessen Ehefrau Ada.

Die drei Männer aus Papenburg beobachten sieben einheimische Frauen, deren Hälse mit Ketten verbunden sind, die ihnen die nackten Schultern aufscheuern. Am Strand sammeln sie Muschelkies, den sie in großen Weidenkörben auf dem Kopf zur Auffahrt des Gouverneurspalastes tragen und dort ausschütten. Es handele sich um rechtskräftig verurteilte Diebinnen, Schmugglerinnen und Brandstifterinnen, versichert der Gouverneur. Man könne sie nicht einfach einsperren, sondern müsse sie so hart bestrafen.

„Das ist das Einzige, was ich den Schwarzen wirklich übelnehme“, sagte er mit unerwarteter Leidenschaft, während er seinen goldenen Helm einem Diener reichte, „dass sie mich zwingen, Dinge zu tun, die ich selbst für böse halte, und dass ich als Mensch nicht die Wahl habe zwischen dem Guten und dem Bösen. Täglich stehe ich vor dem Zwang zur bösen Tat, solange ich den Untergang vermeiden will, meinen eigenen und jenen der Kolonie, die mir der Kaiser anvertraut hat, und mit jeder weiteren bösen Tat verschmelze ich ein bisschen mehr mit der Rolle, die mir zugedacht ist. Das, meine Herren, ist das Schicksal des kolonialen Menschen: sich zeitlebens immer wieder für die Selbstverachtung und gegen den Tod entscheiden zu müssen.“

Endlich erreichen Rüter, Wendt und Tellmann den Tanganjikasee. In Kigoma errichtete die deutsch-ostafrikanische Eisenbahngesellschaft eigens eine Werft für die „Götzen“.

Wendt will sich eigentlich nicht bedienen lassen, aber er kann eine alte Frau nicht davon abhalten, bei ihm den Boden zu fegen, um sich ein paar Münzen zu verdienen, und eine jüngere Afrikanerin namens Samblakira kocht nicht nur für ihn, sondern wird auch seine Geliebte. Beim Essen leisten Rüter und Tellmann ihm Gesellschaft, und weil sich Wendt von dem arabischen Händler Mamadou Amphoren mit Hirsebier liefern lässt, sprechen sie bald von „Wendts Biergarten“.

Unter den Handlangern auf der Werft befinden sich zwei Bantu-Männer – Mkwawa und Kahigi – und dreizehn stolze Massai. Mkenge, der Sprecher der Massai, erklärt Rüter, dass man ihre Hütten in Brand gesteckt, ihre Brunnen verschmutzt und ihre Felder verwüstet habe, um sie zur Arbeit auf der Werft zu zwingen. Massai seien jedoch keine Arbeiter, sondern Jäger, Viehzüchter und Krieger. Anton Rüter wäre bereit, sie einfach gehen zu lassen, aber die Askaris würden sie verfolgen und gewaltsam zurückbringen. Um sie von der Arbeit freistellen zu können, tut Rüter so, als beschäftige er sie als Hirten für seine in Wirklichkeit gar nicht vorhandene Rinderherde.

Anfang August 1914 beginnt es in Kigoma von deutschen Marinesoldaten zu wimmeln, denn inzwischen ist der Erste Weltkrieg ausgebrochen.

Wegen des bereits seit Monaten erwarteten Krieges wurde der englische Oberleutnant Geoffrey Spicer Simson, der seit drei Jahren mit seiner Ehefrau Amy Elizabeth Baynes-Reed in Gambia lebte und im Auftrag der britischen Handels- und Kriegsmarine den Lauf des Gambia-Flusses kartographierte, im Mai 1914 nach London zurückgerufen. Geoffrey Spicer Simson gilt als schrullig und hat deshalb keine Freunde. Vergeblich drängten ihn die Nachbarn in Gambia, er solle es unterlassen, splitternackt im Fluss zu baden und am Ufer vor den Augen britischer Hausfrauen Gymnastik zu machen.

In London wurde Spicer Simson angewiesen, am 1. Juni 1914 im königlichen Hafen Ramsgate seinen Dienst als Zweiter Offizier auf der HMS „Harrier“ anzutreten. Die Hauptaufgabe der zur Küstenwache gehörenden Besatzung besteht darin, Zigaretten und Schnaps schmuggelnde Fischkutter aufzubringen. Geoffrey Spicer Simon ist enttäuscht, denn seine militärische Karriere stellte er sich anders vor.

Auch in England wird der prahlerische Oberleutnant gemieden. Glücklicherweise trifft Amy Spicer Simson in London eine mit ihr in Victoria in British Columbia aufgewachsene Jugendfreundin wieder. Shirley ist inzwischen mit dem Arzt Hother McCormick Hanschell verheiratet. Die beiden Frauen sorgen dafür, dass sich auch ihre Männer miteinander anfreunden.

In einer Straße in London beobachten sie eines Tages, wie zwei Suffragetten von sieben Polizisten niedergeknüppelt und verhaftet werden.

Am 2. November 1914 übergibt das Marineministerium Spicer Simson das Kommando über zwei Minensuchschiffe und sechs Hafenschlepper. Damit soll er die Themsemündung nach Minen absuchen und den Schiffsverkehr auf dem Fluss überwachen. Um Amy und Shirley zu imponieren, verlässt er einmal sein Flaggschiff, die HMS „Niger“, und führt die Damen zum Essen aus. Während seiner Abwesenheit entdeckt der deutsche U-Boot Kommandant Walter Forstmann die „Niger“ und versenkt sie mit einem Torpedo. Spicer Simson wird daraufhin seines Kommandos enthoben und ins Marineministerium versetzt.

Seit Kriegsbeginn gilt die „Götzen“ nicht mehr als Fracht- und Fährschiff, sondern als Kreuzer der Kaiserlichen Kriegsmarine. Kapitänleutnant zur See Gustav W. von Zimmer, der Befehlshaber der in Kigoma stationierten Truppen, ernennt Anton Rüter zum Gefreiten und befiehlt ihm am 21. August 1914, den Zusammenbau der „Götzen“ vorübergehend zu unterbrechen. Stattdessen müssen die Schiffbauer den Postdampfer „Hedwig von Wissmann“ instandsetzen und zum Kanonenboot umrüsten, damit die Deutschen die belgische „Alexandre Delcommune“ versenken können, solange diese noch unbewaffnet ist. Rüter meint:

„Der Kahn muss ins Trockendock. Neben der Götzen ist noch Platz.“
„Wie lange?“
„Zwei Wochen, mindestens. Eher drei.“
„Sie haben Zeit bis morgen früh. Um fünf Uhr legen wir ab.“
„Das ist unmöglich.“
„Die Wissmann geht morgen früh auf Feindfahrt, Gefreiter Rüter. Das Kommando hat Oberleutnant Horn, und Sie fahren mit als Erster Maschinist.“

Tatsächlich gelingt es der Besatzung der „Wissmann“ unter dem Kommando von Oberleutnant Moritz Horn, die zur Mündung des Lukuga-Flusses geflohene „Delcommune“ in einem zweistündigen Gefecht schrottreif zu schießen. Als von Zimmer herausfindet, dass der belgische Dampfer repariert werden soll, schickt er die „Wissmann“ ans Westufer des Tanganjikasees, und ein Landungstrupp sprengt das am Strand liegende Wrack in der Nacht vom 8./9. Oktober 1914.

Am 25. Oktober 1914 setzt die Regenzeit ein. Rüter und Wendt nutzen die Zeit, um mit Mkwawa und Kahigi im Inneren der „Götzen“ elektrische Leitungen und Rohre zu verlegen. (Rudolf Tellmann lebt inzwischen als Soldat in der Kaserne.) Die zweihundert Hilfsarbeiter, für die es auf der Werft nichts mehr zu tun gibt, werden von der deutschen Schutztruppe als Träger eingesetzt. Rüter kann Kapitänleutnant von Zimmer wenigstens dazu überreden, die dreizehn Massai freizulassen.

Mit einem Zug aus Daressalam trifft Mitte November 1914 das in vier Teile zersägte und auf Güterwagen verladene Zollschutzdampfschiff „Kingani“ ein, das Zimmer zur Unterstützung der „Wissmann“ einsetzen will. Rüter soll das zwanzig Jahre alte heruntergekommene Schiff flottmachen.

Als Kapitänleutnant von Zimmer erfährt, dass der Stromgenerator der „Götzen“ gestohlen wurde, verdächtigt er Rüter, die Fertigstellung des Schiffes zu sabotieren, denn er weiß, dass der Schiffbaumeister nicht als Soldat eingesetzt werden möchte. Am 10. Dezember 1914 lässt er Rüter und Wendt in die Kaserne kommen und zeigt ihnen die dreizehn freigelassenen, jetzt mit einer Eisenkette aneinander gefesselten Massai. Rüter ahnt, dass Mkenge den Stromgenerator versteckte, um ihm einen Gefallen zu tun und die Fertigstellung der „Götzen“ zu verzögern. Aber der Schiffbaumeister kann nichts für den Massai-Häuptling tun. Von Zimmer befiehlt, Mkenge von der Kette zu lösen und ihm fünfzig Hiebe mit einer Nilpferdpeitsche zu geben, die ihm den Rücken zerfetzen. Bevor er den Verletzten hinaustragen lässt, droht er, jeden Tag einen weiteren Massai auspeitschen zu lassen, bis der Stromgenerator wieder auftaucht. Am nächsten Morgen steht der Generator vor dem Kasernentor.

Der für 25. Januar 1915 geplante Stapellauf der „Götzen“ wird mehrmals verschoben. Aber am 5. Juni 1915 kommt von Zimmer triumphierend auf die Werft:

„Tja, mein lieber Rüter, jetzt ist es so weit“, sagte er, nachdem er zur Kommandobrücke hinaufgestiegen war. „Die Götzen läuft übermorgen zur Jungfernfahrt aus.“
„Nein, das tut sie nicht“, erwiderte Rüter.
„Doch, das tut sie […] Die Götzen wird übermorgen um sechs Uhr früh auslaufen, der Gouverneur befiehlt es so.“ […]
„Das Schiff ist noch nicht seetüchtig, Kapitän. Wir würden beim geringsten Seegang kentern.“
„Schweigen Sie und lassen Sie’s gut sein. Wir werden auslaufen, da ist nichts mehr zu machen. Übrigens werden wir alle mit an Bord sein. Sie und Ihre Pappenheimer genauso wie ich und Oberleutnant Horn und Korporal Schäffler. Alle […]“
„Das Schiff wird kentern, Kapitän.“
„Meinen Sie?“
„Beim geringsten Seegang.“
„Das wäre schade. Aber auslaufen werden wir trotzdem, das hängt nun nicht mehr von Ihrem oder meinem Willen ab. In diesem Augenblick, da wir hier so nett miteinander plaudern, ist das dritte Bataillon unter General Wahle mit siebenhundert Askari[s] im Sonderzug hierher unterwegs. Morgen Nachmittag werden die hier am Hafen stehen und darauf warten, dass wir sie zur Südspitze des Sees nach Bismarckburg bringen. Was schlagen Sie vor, Rüter – soll ich den Befehlshaber West um ein paar Monate Geduld bitten? Soll die deutsche Schutztruppe Urlaub vom Weltkrieg nehmen, bis der Herr Schiffbaumeister Rüter aus Papenburg sein Werk vollendet hat?“
„Wir werden es niemals bis Bismarckburg schaffen.“
„Machen Sie’s möglich, Gefreiter. Wir brauchen das Schiff.“

Der belgische Sergeant Stéphane Dequanter, der am 9. Juni 1915 an der Küste von Albertville Wache hält, sieht im Nebel einen unbekannten Dampfer vorbeigleiten. Es handelt sich um die Jungfernfahrt der „Götzen“, die siebenhundert Askaris nach Bismarckburg bringt.

Sieben Wochen zuvor, am 23. April 1915, ergriff Oberleutnant Geoffrey Spicer Simson eine Chance, der verhassten Bürotätigkeit zu entkommen. An diesem Tag wollte Admiral Sir David Gamble einen Offizier, der wegen eines Magengeschwürs zum Innendienst abkommandiert worden war, zum Kommandanten einer afrikanischen Sondermission ernennen. Während der Betroffene auf seine angegriffene Gesundheit hinwies, machte Spicer Simson den Admiral darauf aufmerksam, dass er bereits vier Jahre lang in Afrika im Einsatz war. Schließlich wurde ihm die Aufgabe übertragen, zwei Schnellboote von Kapstadt nach Albertville am Westufer des Tanganjikasees zu transportieren und damit die Deutschen anzugreifen. Der zum Acting Commander ernannte Oberleutnant lässt sich eine neue Uniform schneidern und besteht auf blauen Rangabzeichen, obwohl die der Marine rot sind.

Die Ernüchterung folgt, als er in der Werft von John L. Thornycroft die beiden zwölf Meter langen Motorboote sieht, die er nach Afrika bringen soll.

„Das sind keine Kriegsschiffe“, sagte er und wandte sich angewidert ab. „So was taugt fürs Picknick, für Spazierfahrten auf der Themse in Gesellschaft schöner Frauen, aber nicht für die Kriegsmarine. Wenn ich nicht wüsste, dass das unmöglich ist, würde ich annehmen, die Admiralität beliebt auf meine Kosten zu scherzen.“

Spicer Simson lässt die Kabinen abreißen und die Dieseltanks mit Metallplatten schützen. Am Heck wird ein Maxim-Maschinengewehr montiert, auf der Back eine Dreipfundkanone. „Mimi“ und „Toutou“ nennt er die beiden Schiffe. Bei einem ersten Schießversuch am 8. Juni 1915 wird ein Leutnant samt der Kanone vom Rückschlag über Bord geschleudert.

Als Expeditionsarzt seiner aus achtundzwanzig Mann bestehenden Sondereinheit rekrutiert Geoffrey Spicer Simson seinen zweiunddreißigjährigen Freund Hother McCormick Hanschell und macht ihn zum Marineleutnant. Die Männer steigen am 15. Juni 1915 am Bahnhof St. Pancras in London in einen Zug, der sie zum Hafen bringt. Mit dem königlichen Postschiff „Llanstephen Castle“, auf dem die „Mimi“ und die „Toutou“ vertäut sind, reisen sie nach Kapstadt. Von dort geht es per Eisenbahn weiter. In Elisabethville im südlichsten Zipfel von Belgisch-Kongo enden die Gleise. Auf dem letzten Stück des Weges müssen die Schiffe von Trägern, Ochsengespannen und zwei dampfgetriebenen Zugmaschinen 160 Kilometer weit durch den Dschungel transportiert werden. Das dauert vom 3. September bis 26. Oktober. Spicer Simson verschafft sich bei den Strapazen Respekt, denn er beweist Mut und Nerven und löst die Probleme mit Umsicht.

Entsetzt ist er, als er in Albertville feststellt, dass es keinen Hafen gibt, obwohl ihm das der belgische Militärattaché in London versichert hatte. Der Commander muss erst einen Hafen anlegen lassen.

Am 22./23. Dezember 1915 werden die „Mimi“ und die „Toutou“ aus dem Versteck geholt und ins Wasser gelassen.

Ein paar Tage später greifen die beiden britischen Schnellboote das kleinste der deutschen Schiffe an, die „Kingani“. Bei dem Gefecht gibt es mehrere Tote. Angewidert erfüllt Hanschell die Bitte einiger Soldaten, ihnen etwas Thymol abzugeben, damit sie einen abgetrennten Finger des gefallenen deutschen Kapitäns und andere Kriegstrophäen konservieren können.

Die „Hedwig von Wissmann“ wird am 8. Februar 1916 von den Briten versenkt.

Auf der im Hafen von Bismarckburg liegenden „Götzen“ wird die Kanone abmontiert, weil die Deutschen sie anderswo benötigen. Rüter ersetzt sie zwar durch eine Attrappe aus Holz, um die Gegner zu täuschen, aber ohne Waffe kann die „Götzen“ nicht auslaufen.

Als am 22. Juli 1916 die parallel zur Bahntrasse von Bismarckburg nach Tabora verlegte Telegrafenleitung nicht mehr funktioniert, weiß Kapitänleutnant Gustav von Zimmer, dass belgische oder britische Truppen auf dem Vormarsch sind. Er befiehlt, die „Götzen“ zu versenken. Schweren Herzens löst Anton Rüter die Schrauben von der Abdeckplatte der Einlassdüse, die das Kühlsystem der Dampfmaschine mit Seewasser versorgte.

Danach setzt er sich ab. Nachdem er zehn Tage lang durch die überflutete Steppe marschiert ist und erschöpft liegen bleibt, riecht er unversehens Haferbrei. Er schleppt sich weiter und stößt auf einen Trupp „King’s African Rifles“, der gerade ein Lager aufschlägt und in einem Kupferkessel über dem Lagerfeuer Haferbrei kocht. Rüter packt den heißen Kessel und rennt damit ins nahe Gestrüpp. Die Briten schießen hinter ihm her. Auf der Flucht stürzt Rüter mit dem Kessel in ein Bachbett. Er bleibt liegen und schläft mit der Gewissheit ein, dass ihn die Briten bald finden werden.

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In seinem Roman „Eine Frage der Zeit“ schildert Alex Capus (* 1961) eine groteske Episode aus dem Ersten Weltkrieg. Die unglaubliche Abenteuergeschichte, die er erzählt, basiert auf Tatsachen. Anton Rüter und die „Götzen“ gab es ebenso wie Geoffrey Spicer Simson, die „Mimi“ und die „Toutou“.

Alex Capus beginnt das Buch mit einem „Nachspiel“. Dann entwickelt er die beiden Handlungsstränge chronologisch und parallel im fortwährenden Wechsel zwischen der deutschen und der britischen Perspektive. Ironie und Situationskomik sind dabei nicht Selbstzweck, sondern führen uns die Absurdität des Kriegs vor Augen. Die Charaktere könnten allerdings differenzierter dargestellt sein. Geoffrey Spicer Simson wirkt beinahe wie eine Karikatur.

Den Roman „Eine Frage der Zeit“ von Alex Capus gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Rainer Strecker (gekürzte Lesefassung: Katrin Fahnenbruck, Regie: Astrid Roth, Köln 2007, 6 CDs, ISBN 978-3-86604-784-6).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2011
Textauszüge: © Albrecht Knaus Verlag

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