Wolfgang Welsch : Ich war Staatsfeind Nr. 1

Ich war Staatsfeind Nr. 1
Erstausgabe: Ich war Staatsfeind Nr. 1.Als Fluchthelfer auf der Todesliste der Stasi Eichborn Verlag, Frankfurt/M 2001 Taschenbuchausgabe: Der Stich des Skorpion. Ich war Staatsfeind Nr. 1 Piper Verlag, München 2004 ISBN 3-492-24281-2, 448 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Wegen versuchter "Republikflucht" aus der DDR wurde Wolfgang Welsch 1964 zu zehn Jahren Haft verurteilt. 1971 kaufte die Bundesregierung ihn frei. Nach dem Studium in Gießen betätigte er sich als Fluchthelfer und baute ein effizientes Netzwerk auf, mit dem er 200 DDR-Bürger in den Westen schleuste. Die Stasi ordnete mindestens drei Mordanschläge auf ihn an ...
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Kritik

In seiner Autobiografie schildert Wolfgang Welsch seine Erlebnisse als "Staatsfeind Nr. 1" des DDR-Regimes. Es handelt sich um einen spannenden, gut zu lesenden Politthriller aus der Feder eines Insiders.
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Wolfgang Welsch wurde 1944 in Ostberlin geboren. Nach dem Abitur besuchte er eine Schauspielschule und schrieb systemkritische Gedichte. 1964 wurde er beim Versuch, die DDR am Grenzübergang Boizenburg zu verlassen, festgenommen und wegen „Republikflucht“ zu zehn Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis von Bautzen täuschte man dem wiederholt misshandelten Häftling im Februar 1968 eine Verurteilung zum Tod vor und stellte ihn zum Schein vor ein Exekutionskommando, um seinen Widerstandswillen zu brechen. Im März 1971 kaufte die Bundesregierung ihn und einige andere politischen Häftlinge frei.

Sein im Jahr darauf an der Universität Gießen begonnenes Soziologie-, Politik- und Philosophie-Studium schloss Wolfgang Welsch 1977 in England mit einer Promotion über das DDR-Ministerium für Staatssicherheit ab.

Seinen Hass auf das Regime, das ihn jahrelang eingesperrt und gequält hatte, reagierte Wolfgang Welsch schließlich ab, indem er sich als Fluchthelfer betätigte und für diesen Zweck ein effizientes Netzwerk aufbaute, mit dem er insgesamt mehr als zweihundert DDR-Bürgern zur Flucht in den Westen verhalf.

Als Wolfgang Welsch 1981 die Sommerferien mit seiner Frau, seiner Tochter, einem engen Freund und dessen Partnerin in Israel verbrachte, erkrankte er schwer und überlebte nur wie durch ein Wunder. Die behandelnden Ärzte fanden in seinem Körper 6,5 mg Thallium, das Sechseinhalbfache der als letal geltenden Dosis.

Wer den Mordanschlag verübt hatte, fand Wolfgang Welsch erst nach der Wende heraus. In den Unterlagen, die das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) über ihn angelegt hatte und die er in der Gauck-Behörde einsehen konnte, las er, dass es nicht nur einen Mordanschlag auf ihn gegeben hatte, sondern drei Versuche, ihn zu töten. Ausgerechnet bei einem langjährigen Freund – der auch bei dem Urlaub in Israel dabei war – handelte es sich um einen Informellen Stasi-Mitarbeiter mit dem Decknamen Alfons, der bereits 1978 auf ihn angesetzt worden war. Angeblich hatte Erich Mielke (1907 – 2000) am 18. Mai 1980 den Befehl erteilt, den lästigen Fluchthelfer Wolfgang Welsch, der auch in bundesdeutschen Fernsehsendungen gegen das DDR-Regime polemisierte, zu liquidieren („Operation Skorpion“). IM Alfons, der offenbar in Israel versucht hatte, Wolfgang Welsch zu vergiften, wurde von seinem früheren Freund angezeigt und von einem Gericht zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Sein Führungsoffizier erhängte sich nach seiner Festnahme in der Gefängniszelle. Noch schlimmer als der Verrat seines vermeintlichen Freundes traf es Wolfgang Welsch, als er feststellen musste, dass auch seine Ehefrau unter dem Decknamen Linda für die Stasi gearbeitet hatte.

Aus Furcht vor weiteren Anschlägen auf sein Leben zog Wolfgang Welsch 1992 für einige Jahre nach Lateinamerika.

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2001 publizierte Wolfgang Welsch unter dem Titel „Ich war Staatsfeind Nr. 1. Als Fluchthelfer auf der Todesliste der Stasi“ eine Autobiografie.

Wolfgang Welsch hat zwar nach eigener Aussage mehrere Jahre für das Buch recherchiert, aber er seine Schilderungen sind von persönlichen Erinnerungen geprägt, und es gelingt ihm auch nicht, eine gewisse Distanz dazu herzustellen. Offenbar ist er weder über den Hass auf seine Verfolger noch über die Enttäuschung über den Verrat in seiner unmittelbaren Umgebung hinweggekommen. Die Darstellung seiner eigenen Person wirkt ein wenig selbstgerecht. Für die Leser ist es kaum möglich, den Wahrheitsgehalt von Einzelheiten der Darstellung zu beurteilen, aber Wolfgang Welsch versicherte mir in einer E-Mail vom 3. Mai 2007:

Jeder Satz, jeder Name in Bezug zu Handlungen, selbst jeder Dialog in meinem Buch ist inhaltlich belegt.

Auf jeden Fall handelt es sich bei „Ich war Staatsfeind Nr. 1“ um einen spannenden, gut zu lesenden Politthriller über Fluchthilfe und die Machenschaften des Ministeriums für Staatssicherheit aus der Feder eines Insiders.

Nach Motiven der Autobiografie „Ich war Staatsfeind Nr. 1“ inszenierte Stephan Wagner den Film „Der Stich des Skorpion“.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005/2007
Textauszüge: © Eichborn Verlag

Ministerium für Staatssicherheit (Stasi)
Stephan Wagner: Der Stich des Skorpion

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