Der Untergang des "Dritten Reiches" (1)

Goebbels erklärt Berlin zur Festung
„Ein Wunder ist geschehen“
„Jetzt wird Ihnen das Hälschen durchgeschnitten“
„Herr Reichsmarschall, draußen steht die SS und will sie verhaften!“
„Treue bis in den Tod“
„Heute Abend werden wir weinen“
Magda Goebbels tötet ihre sechs Kinder


Goebbels erklärt Berlin zur Festung

Der Aderlass in den Ardennen schwächt auch die deutsche Ostfront. Die Rote Armee beginnt am 12. Januar 1945 – Hermann Görings 52. Geburtstag – mit einer neuen Großoffensive, überquert die Weichsel und verschiebt die gesamte 900 km lange Front nach Westen. Am 26. Januar schließen die Russen Ostpreußen ein. Am nächsten Morgen erreichen sie Auschwitz. Obwohl die Vergasungen im November eingestellt und die Krematorien zerstört wurden, finden Beauftragte des Roten Kreuzes noch sieben Tonnen Menschenhaare.

Göring klammert sich an die Hoffnung, Winston Churchill werde am Ende doch noch Seite an Seite mit den Deutschen kämpfen, um eine Ausbreitung des Bolschewismus zu verhindern. In einer Besprechung am 27. Januar meint er, es sei durchaus möglich, dass in ein paar Tagen ein entsprechendes Telegramm aus London eintreffe: „Sie [die Briten] haben gewiss nicht damit gerechnet, dass wir sie im Westen aufhalten, während die Russen ganz Deutschland erobern. … Sie sind in den Krieg eingetreten, um unser Vordringen nach dem Osten zu verhindern. Aber nicht, um den Osten bis an den Atlantik vordringen zu lassen.“

Hitler kehrt endgültig aus seinen wechselnden Hauptquartieren nach Berlin zurück. Seit einem halben Jahr hat ihn die Öffentlichkeit kaum noch beachtet. Jetzt überredet ihn der Reichspropagandaminister, am 30. Januar noch einmal eine Rundfunkansprache zum Jahrestag der „Machtergreifung“ zu halten.

Am 31. Januar stehen die Panzerspitzen der Roten Armee an der Oder.

Am selben Tag verabschiedet sich Göring von seiner Frau und seiner Tochter, die von Carinhall in das Haus auf dem Obersalzberg ziehen. Joseph Goebbels schickt einen Adjutanten nach Lanke, um Magda, die sechs Kinder, die beiden Mütter, die Bediensteten und das nötigste Gepäck in seine Berliner Dienstvilla zu holen.

Am 1. Februar erklärt Goebbels die Reichshauptstadt zur Festung und bereitet die Verteidigung vor. „Wenn eine einzige weiße Fahne in Berlin gehisst wird“, droht er, „werde ich nicht zögern, die ganze Straße mitsamt ihren Bewohnern in die Luft sprengen zu lassen.“ Rastlos inspiziert er, wie sich die Berliner verbarrikadieren.
In der Nacht vom 13./14. Februar und am folgenden Tag um die Mittagszeit werfen 773 britische und 311 amerikanische Flugzeuge 3 700 Tonnen Bomben über dem mit 250 000 schlesischen Flüchtlingen überfüllten Dresden ab. Die Flammen verursachen einen Orkan. Zehntausende sterben in dem Inferno [Alliierte Luftangriffe auf Dresden].

Als Goebbels davon erfährt, zittert und weint er vor Wut. Er rät Hitler, als Vergeltung 10 000 englische und amerikanische Kriegsgefangene erschießen zu lassen, macht Göring für die Zerstörung der Barockstadt verantwortlich und fordert, „diesen dummen und nichtsnutzigen Reichsmarschall“ vor den Volksgerichtshof zu stellen. „Es ist schade, dass … die Partei … repräsentiert wird durch Göring, der mit der Partei soviel zu tun hat wie die Kuh mit der Strahlenforschung. … Ordenbehängte Narren und eitle, parfümierte Gecken gehören nicht an die Kriegsführung. … Hoffentlich gelingt es dem Führer, aus Göring wieder einen Mann zu machen.“

Eine Luftmine zerstört am Abend des 13. März das Reichspropagandaministerium. Vor dem brennenden Gebäude beschwört Goebbels die Feuerwehrleute, eine Explosion der 500 darin gelagerten Panzerfäuste zu verhindern.

Wieder ereifert er sich im Gespräch mit Hitler über den Oberbefehlshaber der Luftwaffe. „Eine scharfe Kritik an Göring und an der Luftwaffe kann ich mir nicht verkneifen. Aber es ist immer dasselbe Lied, wenn man beim Führer auf dieses Thema zu sprechen kommt … er kann sich nicht dazu entschließen, Konsequenzen daraus zu ziehen. Er erzählt mir, dass Göring nach den letzten Unterredungen, die der Führer mit ihm gehabt habe, ganz gebrochen gewesen sei. Aber was hilft das! … Ich bitte den Führer noch einmal, endlich handelnd einzugreifen, denn so kann es ja unmöglich weitergehen. Wir dürfen ja nicht schließlich das Volk zugrunde richten, weil wir nicht die Entschlussfreudigkeit besitzen, nun die Wurzel unseres Unglücks auszureißen.“

Als Hermann Göring ein Wisent erlegt und das Fleisch einem Flüchtlingstreck aus Ostpreußen übergibt, hält Joseph Goebbels das für „den Höhepunkt der moralischen Verwirrung Görings“ und unterrichtet Hitler darüber. Wieder einmal erinnert er ihn an Friedrich den Großen. Der hatte seinen jüngeren Bruder August Wilhelm wegen ungeschickter Manöver im Siebenjährigen Krieg unehrenhaft aus der Armee entlassen. „August Wilhelm ist dann bekanntlich kurz danach in Gram gestorben, ohne dass Friedrich sich irgendwie dadurch beirren oder in seinem Gewissen belasten ließ. Das nenne ich friderizianisch. So müssten wir handeln, um mit den offenbaren Versagern … fertig zu werden. Jedenfalls hat das lange Zögern Göring gegenüber die Nation in schwerstes Unglück geführt.“

Fortsetzung

Quelle:
Dieter Wunderlich: Göring und Goebbels. Eine Doppelbiografie
© Verlag F. Pustet, Regensburg 2002
Seiten 209–222 (Fußnoten wurden weggelassen)

Kurzbiografien:
Joseph Goebbels
Magda Goebbels
Hermann Göring
Heinrich Himmler
Albert Speer

Oliver Hirschbiegel: Der Untergang
Weitere Kino- und Fernsehfilme über das „Dritte Reich“
Dieter Wunderlich: Göring und Goebbels. Eine Doppelbiografie

Ernst Augustin - Robinsons blaues Haus
Ernst Augustin spielt in dem pika­resken Roman "Robinsons blaues Haus" mit der Identität des Ich-Erzählers ebenso wie mit literari­schen Gattungen. Dabei beweist er eine leichte Hand, viel Witz und eine überbordende Fabulierlaune.
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