Der Untergang des "Dritten Reiches" (3)

Goebbels erklärt Berlin zur Festung
„Ein Wunder ist geschehen“
„Jetzt wird Ihnen das Hälschen durchgeschnitten“
„Herr Reichsmarschall, draußen steht die SS und will sie verhaften!“
„Treue bis in den Tod“
„Heute Abend werden wir weinen“
Magda Goebbels tötet ihre sechs Kinder

„Jetzt wird Ihnen das Hälschen durchgeschnitten“

Frühmorgens am 16. April 1945 beginnt die Schlacht um Berlin: Zweieinhalb Millionen russische Soldaten überqueren die Oder. Mit Bussen der Berliner Verkehrsbetriebe schickt ihnen Goebbels „Volkssturm“-Verbände entgegen, also Einheiten, wie sie im Herbst 1944 aus Jugendlichen und älteren Männern gebildet wurden, um „den Heimatboden mit allen Waffen und Mitteln [zu] verteidigen“.

Hitler beabsichtigt, sein Hauptquartier auf den Obersalzberg zu verlegen und hat bereits einen Teil des Personals vorausgeschickt. Sein Propagandaminister drängt ihn aber, in Berlin zu bleiben und in den Ruinen zu sterben, denn mit dieser „heroischen“ Haltung werde er einen „moralischen Welterfolg“ erzielen.

Am Vorabend des „Führer-Geburtstags“ spricht Joseph Goebbels im Rundfunk. „Die Zeit in all ihrer dunklen und schmerzenden Größe“ habe in Hitler „den einzigen würdigen Repräsentanten“ gefunden. „Wenn Deutschland heute noch lebt, wenn Europa und mit ihm das gesittete Abendland mit seiner Kultur und Zivilisation noch nicht ganz im Strudel des finsteren Abgrunds, der sich gähnend vor uns auftut, versunken ist – sie haben es ihm allein zu verdanken. Denn er wird der Mann dieses Jahrhunderts sein, das sich unter furchtbaren Wehen und Schmerzen zwar, aber doch seiner selbst sicher den Weg nach oben bahnt. … Deutschland wird nach diesem Kriege in wenigen Jahren aufblühen wie nie zuvor.“

Im Bunker unter der Neuen Reichskanzlei nimmt Adolf Hitler am 20. April die Glückwünsche zu seinem 56. Geburtstag entgegen.

Als Otto Meißner, der Chef der Präsidialkanzlei, Joseph Goebbels durch seinen Staatssekretär telefonisch mitteilen lässt, er habe sich nach Mecklenburg abgesetzt, um die Handlungsfreiheit der „Reichsregierung“ aufrechtzuerhalten, faucht der Minister: „Die Reichsregierung ist da, wo der Führer und ich sind, nicht wo Sie sich befinden.“ Zwölf Jahre lang habe er Lust gehabt, Meißner ins Gesicht zu spucken. Zwölf Jahre lang habe er diese Lust unterdrückt – heute bedauere er das.

Bei Kerzenlicht leitet Joseph Goebbels am 21. April hinter den mit Brettern vernagelten Fenstern seines verwüsteten Palais die letzte „11-Uhr-Konferenz“. Frierend sitzen zwei Dutzend Herren vor dem Minister im eleganten dunklen Anzug, der sie fragt: „Was fange ich mit einem Volke an, dessen Männer nicht einmal mehr kämpfen, wenn ihre Frauen vergewaltigt werden!?“

Die Deutschen würden ihr Schicksal verdienen, grollt er, sie hätten es selbst gewählt und sich für eine Politik des „kühnen Wagnisses“ entschieden. Das sei „halt missglückt“. Er verschränkt die Arme vor der Brust und blickt in die Runde: „Ich habe ja niemand gezwungen, mein Mitarbeiter zu sein, so, wie wir auch das deutsche Volk nicht gezwungen haben. Es hat uns ja selbst beauftragt. Warum haben Sie mit mir gearbeitet! Jetzt wird Ihnen das Hälschen durchgeschnitten.“ In der Tür dreht er sich noch einmal um und schreit: „Aber wenn wir abtreten, dann soll der Erdkreis erzittern!“

Am Nachmittag des nächsten Tages lässt er seine Tagebücher in den „Führerbunker“ bringen. Magda und die Kinder werden mit zwei Autos abgeholt und durch die verwüsteten Straßen zur Ruine der Neuen Reichskanzlei gefahren: Joseph Goebbels zieht mit seiner Familie im Bunker ein.

Als Speer am 23. April vorbeischaut, um sich von Hitler zu verabschieden, erfährt er, dass Magda Goebbels wegen eines Herzanfalls nicht aufstehen kann. Er erinnert sich später an diese letzte Begegnung mit ihr: „Sie war bleich und sprach nur leise Belangloses, obwohl zu spüren war, dass sie unter dem Gedanken an die unvermeidlich näher rückende Stunde des gewaltsamen Todes ihrer Kinder litt. Goebbels blieb beharrlich an meiner Seite; so beschränkte sich das Gespräch auf ihren Zustand. Erst gegen Ende deutete sie an, was sie wirklich bewegte: ‚Wie glücklich bin ich, dass wenigstens Harald am Leben ist.'“

Fortsetzung

Quelle:
Dieter Wunderlich: Göring und Goebbels. Eine Doppelbiografie
© Verlag F. Pustet, Regensburg 2002
Seiten 209–222 (Fußnoten wurden weggelassen)

Kurzbiografien:
Joseph Goebbels
Magda Goebbels
Hermann Göring
Heinrich Himmler
Albert Speer

Oliver Hirschbiegel: Der Untergang
Weitere Kino- und Fernsehfilme über das „Dritte Reich“
Dieter Wunderlich: Göring und Goebbels. Eine Doppelbiografie

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In der melancholischen Novelle "Das Gartenhaus" geht es um das Altern und den Tod, ein bitteres Thema, dem sich Thomas Hürlimann ohne falsche Sentimentalität nähert. Obwohl viele der Szenen komisch und grotesk sind, gibt er seine Protagonisten nie der Lächerlichkeit preis und zieht sich auch nicht in die Distanz eines Satirikers zurück.
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