Mitch Albom : Dienstags bei Morrie

Dienstags bei Morrie
Originalausgabe: Tuesdays with Morrie Doubleday, New York 1997 Dienstags bei Morrie. Die Lehre eines Lebens Übersetzung: Angelika Bardeleben Goldmann Verlag, München 1998 ISBN: 3-442-30820-8, 217 Seiten Goldmann-Taschenbuch, München 2002 ISBN: 3-442-45175-2, 217 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Als Mitch Albom im Frühjahr 1995 zufällig im Fernsehen erfährt, dass sein ehemaliger Soziologieprofessor Morrie Schwartz unheilbar an ALS erkrankt ist, nimmt er nach 16 Jahren den Kontakt wieder auf und fliegt jeden Dienstag von Detroit nach Boston, um den Sterbenden zu besuchen und sich mit ihm zu unterhalten.
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Kritik

Mitch Albom ist es gelungen, sehr bewegend die letzten vierzehn Wochen im Leben eines weisen alten Mannes zu schildern. Größeren Raum als der Verlauf der tödlichen Krankheit des 75-Jährigen nimmt allerdings die Wiedergabe seiner Lebensweisheiten ein.
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Im Frühjahr 1979, nach der Abschlussfeier der Brandeis University in Waltham, Massachusetts, verspricht Mitch Albom seinem Soziologieprofessor Morrie Schwartz, mit ihm in Verbindung zu bleiben.

Mitch spielt Klavier und träumt davon, ein berühmter Musiker zu werden. Nach einiger Zeit ändert er seine Pläne, denn leere Nachtclubs, Band-Auflösungen und andere Misserfolge frustrieren ihn. Er studiert Journalismus und wird ein viel beschäftigter und gut bezahlter Sportreporter.

I traded lots of dreams for a bigger paycheck, and I never ever realized I was doing it.

I stopped renting. I started buying. I bought a house on a hill. I bought cars. I invested in stocks and built a portfolio. I was cranked to a fifth gear, and everthing I did, I did on a deadline. I exercised like a demon. I drove my car at breakneck speed. I made more money than I had ever figured to see. I met a dark-haired woman named Janine who somehow loved me despite my schedule and the constant absences. We married after a seven year courtship. I was back to work a week after the wedding. […]

I had become too wrapped up in the siren song of my own life. I was busy.

Over the years, I had taken labor as my companion and had moved everthing else to the side.

[…] the newspaper had been my lifeline, my oxygen; when I saw my stories in print each morning, I knew that, in at least one way, I was alive.

Längst hat er vergessen, dass er den Kontakt zu Morrie Schwartz aufrechterhalten wollte. Als er an einem Abend im März 1995 erschöpft durchs Fernsehprogramm zappt, stößt er zufällig auf ein Interview, das Ted Koppler in der Sendung „Nightline“ mit Morrie Schwartz führt. Auf diese Weise erfährt er vom Schicksal seines alten Professors, an dessen Freude am Tanzen er sich erinnert.

But then the dancing stopped.
He developed asthma in his sixties. His breathing became labored. One day he was walking along the Charles river, and a cold burst of wind left him choking for air. He was rushed to the hospital and injected with Adrenalin.
A few years later, he began to have trouble walking. At a birthday party for a friend, he stumbled inexplicably. Another night, he fell down the steps of a theater, startling a small crowd of people.
„Give him air!“ someone yelled.
He was in his seventies by this point, so they whispered „old age“ and helped him to his feet. But Morrie, who was always more in touch with his insides than the rest of us, knew something else was wrong. This was more than old age. […]

Nach einer neurologischen Untersuchung im August 1994 lautete die Diagnose: ALS (amyotrophic lateral sclerosis; amyotrophe Laterialsklerose). Bei dieser unheilbaren Krankheit sterben im Gehirn und im Rückenmark unaufhaltsam Nervenzellen ab, und infolgedessen lassen sich nach und nach die Muskeln nicht mehr steuern. Mit der Lähmung der Atemmuskulatur beginnt die letzte Phase vor dem Tod. Die Patienten sterben in der Regel innerhalb von vier Jahren.
(Stephen Hawking ist eine der wenigen Ausnahmen: Wie durch ein Wunder überlebte er die Erkrankung, wenn auch bewegungsunfähig. Zum Sprechen ist er nur mittels eines computergesteuerten Synthesizers in der Lage.)

Morrie und seine seit 44 Jahren mit ihm verheiratete Ehefrau Charlotte wissen, was die Diagnose bedeutet.

[…] He backed the car out of the garage one morning and could barely push the brakes. That was the end of his driving.
He kept tripping, so he purchased a cane. That was the end of his walking free.
He went for his regular swim at the YMCA, but found he could no longer undress himself. So he hired his first home care worker – a theology student named Tony – who helped him in and out of the pool, and in and out of his bathing suit. In the locker room, the other swimmers pretended not to stare. They stared anyhow. That was the end of his privacy.

Nach sechzehn Jahren nimmt Mitch Albom – er ist inzwischen 36 – den Kontakt zu seinem früheren Professor wieder auf. Von da an fliegt er jeden Dienstag von seinem Wohnort Detroit 700 Meilen weit nach West Newton, einem Vorort von Boston, um ihn zu sehen.

The last class of my old professor’s life took place once a week in his house, by a window in the study where he could watch a small hibiscus plant shed its pink leaves. The class met on Tuesdays. It began after breakfast. The subject was The Meaning of Life. It was taught from experience.
No grades were given, but there were oral exams each week. […]
No books were required, yet many topics were covered, including love, work, community, family, aging, forgiveness, and, finally, death. The last lecture was brief, only a few words.
A funeral was held in lieu of graduation.
Although no final exam was given, you were expected to produce one long paper on what was learned. That paper is presented here.
The last class of my old professor’s life had only one student.
I was the student.

An vierzehn Dienstagen beobachtet Mitch Albom nicht nur, wie Morrie von Woche zu Woche dem Tod näher rückt, sondern er lernt in den Gesprächen und durch das Vorbild des Kranken viel über das Leben und sich selbst.

The truth is, once you learn how to die, you learn how to live.

Einmal sagt Morrie zu ihm:

„So many people walk around with a meaningless life. They seem half-asleep, even when they’re busy doing things they think are important. This is because they’re chasing the wrong things. The way you get meaning into your life is to devote yourself to loving others, devote yourself to your community around you, and devote yourself to creating something that gives you purpose and meaning.
[…]
These were people so hungry for love that they were accepting substitutes. They were embracing material things and expecting a sort of hug back. But it never works. You can’t substitute material things for love or for gentleness or for tenderness or for a sense of comradeship.
Money is not a substitute for tenderness, and power is not a substitute for tenderness. I can tell you, as I’m sitting here dying, when you most need it, neither money nor power will give you the feeling you’re looking for, no matter how much of them you have.“

Während die Krankheit fortschreitet, wird Morrie immer abhängiger von der Hilfe seiner Frau und anderer Menschen.

The most personal and basic things had now been taken from him – going to the bathroom, wiping his nose, washing his private parts. With the expection of breathing and swallowing his food, he was dependent on others for nearly everything.

Aber er lernt, die Hilfe von anderen zu akzeptieren und versteht es sogar, diese Abhängigkeit zu genießen, indem er sich vorstellt, wie ein Säugling sich fühlt, wenn die Mutter sich um ihn kümmert.

Diese Erfahrung bestärkt Morrie in der Einsicht, es komme im Leben vor allem auf die mitmenschlichen Beziehungen an: Ehe, Familie, Freunde. Entscheidend sei es, dass man bereit sei, anderen Menschen Zuwendung zu geben, ihnen zuzuhören, sich um sie zu kümmern, sie zu lieben.

Zwei Tage nach dem letzten Dienstag-Besuch fällt der Fünfundsiebzigjährige ins Koma und am Samstag stirbt er im Beisein seiner Frau Charlotte und seiner Söhne Rob und Job. Rob ist gerade noch rechtzeitig aus Tokio angereist, um sich von seinem sterbenden Vater verabschieden zu können.

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„Dienstags bei Morrie“ beruht auf einer wahren Geschichte. Morrie Schwartz regte Mitch Albom dazu an, dieses Buch zu schreiben. Von dem Vorschuss, den der Verlag dafür zahlte, wurden die Arztrechnungen bezahlt.

Mitch Albom ist es gelungen, sehr bewegend die letzten vierzehn Wochen im Leben dieses weisen alten Mannes zu schildern. (Hin und wieder nähert er sich dabei der Grenze zum Kitsch.) Quantitativ bildet allerdings nicht Morries Sterben den Hauptinhalt, sondern die Wiedergabe seiner Lebensweisheiten. Das verträgt sich nicht so gut mit der Form eines Romans.

Besonders auf den ersten Seiten des Buches besticht Mitch Albom durch die Sprache, die Kunst, trotz kurzer, einfacher Sätze eine poetische Atmosphäre zu erzeugen. Bei der weiteren Lektüre stößt auf, dass die Figuren ausschließlich als gut und stark dargestellt werden. Hat der totkranke Morrie Schwartz sich wirklich auf jeden Besuch von Mitch Albom gefreut, oder wäre er lieber auch einmal allein gewesen? Mitch Albom fliegt jeden Dienstag 700 Meilen weit, um den Sterbenden zu sehen. Hat er dabei kein einziges Mal gezögert? Es wäre glaubwürdiger, wenn Mitch Albom zum Beispiel geschildert hätte, wie er sich zwischendurch auch einmal überwinden musste, nach Boston zu fliegen und dem alten Mann die Füße zu massieren.

„Dienstags bei Morrie“ gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Mathieu Carrière (Schwäbisch Hall 2009, ISBN: 978-3-88698-632-3).

Mick Jackson verfilmte das Buch „Dienstags bei Morrie“ mit Jack Lemmon und Hank Azaria.

Tuesdays with Morrie (1999) – Regie: Mick Jackson – Drehbuch: Thomas Rickman – Kamera: Theo van de Sande – Schnitt: Carol Littleton – Musik: Marco Beltrami – Darsteller: Jack Lemmon (Morrie Schwartz), Hank Azaria (Mitch Albom), Wendy Moniz (Janine), Caroline Aaron (Connie), Bonnie Bartlett (Charlotte), Aaron Lustig (Rabbi Al Axelrod), Bruce Nozick, Ivo Cutzarida, John Carroll Lynch, Dan Thiel, Kyle Sullivan, Christian J. Meoli u.a. – 90 Minuten

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003
Textauszüge: © Mich Albom

Christian Berkel - Der Apfelbaum
In seinem Debütroman "Der Apfelbaum" erzählt Christian Berkel die Geschichte seiner Familie bis kurz vor seiner Geburt im Jahr 1957. Dabei kommen zwei Glücksfälle zusammen: Der Schauspieler hat Außergewöhnliches zu erzählen und zeigt mit "Der Apfelbaum", dass er auch als Schriftsteller zu den Hochbegabten zählt.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.