Zweite Chance
Zweite Chance
Inhaltsangabe
Kritik
Die Streifenpolizisten Andreas und Simon (Nikolaj Coster-Waldau, Ulrich Thomsen) werden zu einem Apartment gerufen, in dem sich ein Paar lauthals streitet. Den Mann kennt Andreas, denn er brachte ihn vor einiger Zeit hinter Gitter. Inzwischen hat Tristan (Nikolaj Lie Kaas) offenbar seine Haftstrafe verbüßt. Die Frau heißt Sanne (Lykke May Andersen). Sie sieht ebenso kaputt und verwahrlost aus wie ihr Lebensgefährte und die Wohnung. In einem Wandschrank entdeckt Andreas ein mit seinen Exkrementen verschmiertes, stinkendes, weinendes Baby. Während Simon den mutmaßlichen Vater des Kindes in Schach hält, säubert und wickelt Andreas den wenige Wochen alten Säugling.
Er kann das, denn er und seine Ehefrau Anna (Maria Bonnevie) haben ebenfalls einen Sohn in diesem Alter. Anna wünschte ich von Anfang an ein Kind, aber eines zu haben, erwies sich als anstrengender als erwartet, denn der kleine Alexander schreit jede Nacht und schläft erst wieder ein, wenn Andreas mit ihm eine Runde im Auto gedreht hat. Trotz des Schlafmangels ist Andreas glücklich über das Baby und kümmert sich ebenso liebevoll darum wie um Anna.
Andreas geht das verwahrloste Kind der Junkies nicht aus dem Sinn, und er macht seine Chefin Caroline (Søs Egelind) darauf aufmerksam. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen können die Behörden das Kind – es heißt Sofus – jedoch nicht den Eltern wegnehmen, solange es gesund ist.
In einer der folgenden Nächte schreckt Andreas hoch, weil Anna gellend schreit. Sie hält ihr totes Baby im Arm. Vergeblich versucht Andreas, den Säugling zu reanimieren. Anna soll den Notdienst anrufen, aber sie weigert sich und droht, sich umzubringen, wenn der Rettungsdienst käme und ihr Alexander wegnähme. Dass das Baby tot ist, will sie nicht wahrhaben. Andreas geht vom plötzlichen Kindstod aus. Nachdem er Anna dazu gebracht hat, ein paar Schlaftabletten zu schlucken, fährt er mit dem toten Baby zum Krankenhaus, hält auf dem Parkplatz, bleibt aber im Auto sitzen. Er ruft seinen Partner Simon an, aber der hängt wie üblich betrunken in einer Stripbar an der Theke herum und hört sein Handy nicht klingeln. Andreas wollte ihn um Hilfe bitten. Aber nun handelt er allein: Er dringt in das Apartment des fest schlafenden Junkie-Paares ein, nimmt dem am Boden des Badezimmers liegenden Sofus die eingekoteten Windeln ab und wickelt Alexander damit.
Als Anna aufwacht, hört sie ein Baby. War alles nur ein Albtraum? Ungläubig schaut sie in die Küche. Dort steht Andreas mit einem Kind auf dem Arm. Er weist sie sogleich darauf hin, dass es nicht Alexander ist. Anna reagiert verstört. Sie hat jetzt begriffen, dass Alexander tot ist und will keinen Ersatz. Andreas erklärt ihr, dass sie sich beide ein Kind wünschten und auf diese Weise dem Sohn heruntergekommener Junkies eine bessere Zukunft bieten könnten. Anna spricht von einem Verbrechen, aber Andreas meint, die Vertauschung der Kinder sei geboten gewesen: „Wenn jemand wie Tristan sein Kind misshandelt, ist das ein Verbrechen. Wir werden sein Leben retten.“
Verkatert hört Simon die Mailbox seines Handys ab. Unter den Nachrichten ist Andreas‘ Hilferuf. Besorgt schaut Simon nach ihm, aber Andreas beteuert, es sei nichts gewesen und lässt ihn nicht ins Haus.
Nachdem Tristan seinen Drogenrausch ausgeschlafen hat, geht er zum Urinieren ins Bad und wundert sich über das still am Boden liegende Baby. Er weckt Sanne. Sie bestätigt seine Befürchtung, dass Sofus tot ist. Um nicht wieder ins Gefängnis zu müssen, vergräbt er den toten Säugling im Wald. Dann schiebt er den leeren Kinderwagen zu einem Spielplatz und tut so, als rede er zu dem Baby darin. Um aufzufallen, wendet er sich an eine Gruppe von Müttern und bittet um Feuer für eine Zigarette. Während er raucht, telefoniert er zum Schein. Plötzlich schreit er, sein Kind sei geraubt worden und tut so, als renne er jemandem nach.
Zufällig sind es Andreas und Simon, die zum Tatort der (vorgetäuschten) Kindesentführung gerufen werden. Andreas weiß selbstverständlich, dass Andreas lügt. Simon wundert sich bei den Vernehmungen über Andreas, der Tristan hart angeht, ihn des Mordes bezichtigt und immer nur wissen will, was er mit dem toten Säugling gemacht habe.
Am Abend findet Andreas seine Frau in bester Laune vor. Augenscheinlich hat sie sich mit der Lage abgefunden und Sofus an Kindes statt angenomen.
Nachts wacht er auf. Anna und Sofus sind weg.
Ein Lastwagenfahrer (Christian Grønvall) hält auf einer Brücke an, weil eine Frau mit einem Kinderwagen auf der Fahrbahn steht. Er steigt aus. Die Frau drängt ihn, das Kind in die warme Fahrzeugkabine zu legen. Es werde sonst krank, stammelt sie. Statt ihm zum LKW zu folgen, stürzt sie sich von der Brücke.
Annas Eltern kommen angereist, um die Einzelheiten der Bestattung ihrer Tochter mit Andreas zu besprechen. Der kümmert sich mit Unterstützung seiner Mutter Julie (Kirsten Lehfeldt) weiter um Sofus. Simon, der seinem Kollegen helfen will, wird erneut zurückgewiesen. Er ist so bestürzt über Annas Suizid, dass er dem Alkohol abschwört und seine Wohnung aufräumt.
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Bei weiteren Vernehmungen fragt Andreas einmal versehentlich nach Alexander statt nach Sofus. Um Tristan endlich zum Reden zu bringen, behauptet er, Sanne habe inzwischen ausgesagt. Ihren Angaben zufolge sei Sofus tot auf dem Boden des Badezimmers gelegen. Erstaunt blickt Tristan ihn an. Er hätte nicht geglaubt, dass die Polizei Sanne zum Reden bringen würde. Nun bleibt ihm nichts anderes übrig, als das bereits Bekannte zuzugeben, aber er beschuldigt Sanne, das Baby erwürgt zu haben. Zornig stürzt Andreas sich auf den Lügner und prügelt auf ihn ein.
Caroline, die ebenso wie Simon annimmt, der Schock über den Selbstmord seiner Frau habe Andreas aus der Bahn geworfen, suspendiert den Polizisten vorübergehend vom Dienst.
Während eine Richterin die Untersuchungshaft für Tristan verlängert, wird Sanne in eine psychiatrische Anstalt gebracht.
Schließlich führt Tristan die Polizei zu der Stelle im Wald, wo er das tote Baby begraben hat. Simon ruft Andreas sofort an, um es ihm mitzuteilen.
Kurz vor dem mit der Polizei angesetzten Termin erscheint Andreas im gerichtsmedizinischen Institut und fragt die Ärztin (Bodil Jørgensen), die nichts von seiner Suspendierung weiß, nach dem Ergebnis der Obduktion. Das kleine Kind habe Rippenbrüche erlitten und sei an einem Schütteltrauma bzw. einer Hirnblutung gestorben, erklärt die Medizinerin. Es handele sich zweifellos um Totschlag.
Entsetzt kehrt Andreas zum Auto zurück. Anna muss Alexander zu heftig geschüttelt haben. Davon ahnte er nichts.
Er fährt mit Sofus zum Sommerhaus seiner Mutter.
Dort findet Simon ihn. Er weiß inzwischen, dass Andreas die Kinder vertauschte. Er überredet seinen Kollegen, sich zu stellen. Den Polizeidienst müsse er wohl quittieren, meint Simon, aber aufgrund der Umstände könne er hoffen, mit einer Bewährungsstrafe davonzukommen.
Andreas rafft sich auf und bringt Sofus selbst zu Sanne in die Klinik. Überglücklich schließt sie ihren Sohn in die Arme. Sie wusste von Anfang an, dass das tote Kind nicht ihres war, aber Tristan wollte ihr nicht glauben.
Ein paar Jahre später sieht Andreas in dem Baumarkt, in dem er Regale einräumt, Sanne mit Sofus beim Einkaufen. Der aufgeweckt kleine Junge fragt Andreas, ob dieser sich verlaufen habe. Andreas verneint es ganz entschieden.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Zweifellos sollten verwahrloste Junkies kein Kind zeugen. Geschieht es dennoch, wäre es unter Umständen wohl richtig, wenn die Behörden das Kind beispielsweise in die Obhut von Pflegeeltern gäben. In dem Drama „Zweite Chance“ greift ein verzweifelter Polizist zur Selbstjustiz und vertauscht den eigenen toten Säugling mit dem verdreckten, vernachlässigten Baby eines im Drogenrausch liegenden Junkie-Paares. Seiner Frau erklärt Andreas, dass sie dem armen Kind eine bessere Zukunft bieten könnten. In diesem Fall ist es schwierig, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Um dieses Dilemma dreht sich das düstere Drama „Zweite Chance“.
Anders Thomas Jensen (Drehbuch) und Susanne Bier (Regie) konzentrieren sich auf die Charaktere und ihr Verhalten. Der Plot wirkt beinahe wie eine Versuchsanordnung. Die Darstellung ist auch nicht frei von Klischees. Dennoch handelt es sich bei „Zweite Chance“ um eine erschütternde Tragödie. Die Handlung entwickelt sich klar, schnörkellos, temporeich, und in der zweiten Hälfte werden wir auch noch von einer unerwarteten Wendung überrascht, durch die es einen neuen Aspekt zu bedenken gibt.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2016
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