Michela Murgia : Murmelbrüder

Murmelbrüder
Originalausgabe: L'incontro Giulio Einaudi editore, Turin 2012 Murmelbrüder. Eine Geschichte aus Sardinien Übersetzung: Julika Brandestini Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2014 ISBN: 978-3-8031-1305-4, 115 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die Sommerferien verbringt Maurizio jedes Jahr mit seinen Freunden (Murmelbrüdern) Franco und Giulio in der sardischen Kleinstadt Crabas. Beim Versuch, ein Rattennest auszuräuchern, setzen die Lausbuben 1985 die 100-jährige Palme auf dem Kirchhof in Brand. Im Jahr darauf ordnet der Bischof die Aufsplittung der Kirchengemeinde an. Auch die Freundschaft der drei Jungen wird dadurch bedroht, doch am Ende ist sie stärker als die neue Grenzziehung ...
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Kritik

In einer klaren, geschliffenen Sprache erzählt Michela Murgia in "Murmelbrüder. Eine Geschichte aus Sardinien" eine einfache Lausbubengeschichte voller Lokalkolorit.
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Die Sommerferien verbringt Maurizio jeweils bei seinen Großeltern Cristina und Giacomo Zoccheddu in der sardischen Kleinstadt Crabas. Während er zu Hause bei seinen Eltern meistens allein bleibt, hat er in Crabas zwei enge Freunde: den rothaarigen Franco Spanu und Giulio, den Sohn des Gemeindepolizisten. Anders als Maurizio, werden die beiden Freunde allerdings streng überwacht, Giulio von seiner älteren Schwester, Franco nicht nur vom älteren Bruder, sondern auch vom jüngeren, der ihn bei jeder Gelegenheit verpetzt, weil er nicht mitspielen darf. Allerdings dürfen alle dabei sein, wenn die Erwachsenen Geschichten erzählen, etwa von armen Seelen oder von Frauen, die bei der Geburt ihrer Kinder starben und Vampire wurden.

Maurizio ist zehn Jahre alt, als er im Sommer 1985 mit seinen Freunden einen Abflusskanal unter dem Kirchhof erkunden will. In dem knapp einen Meter hohen Tunnel stoßen die drei Jungen auf ein Rattennest und weichen zurück. Maurizio, der sich als Erster vorwagte, fällt hin, und die Ratten wuseln über ihn hinweg. Während Giulio ins Freie klettert, klammern die Tiere sich an ihm fest und sammeln sich dann in der 100-jährigen Palme auf dem Kirchhof.

Vor der Messe am folgenden Pfingstsonntag treffen sich die Freunde an der Kirche. Weil Giulio und Franco Messdiener sind, haben sie Zugang zur Balustrade der Kirchenkuppel. Maurizio nehmen sie mit. Nachdem sie mühsam ein Fenster geöffnet haben, beschießen sie die Ratten in der Palme mit ihren Steinschleudern. Die Geschosse wickeln sie in alkoholgetränkte Alufolie und zünden sie an. Damit setzen sie das Fell der getroffenen Tiere in Brand.

Nach der Messe muss die Feuerwehr ausrücken, weil die 100-jährige Palme brennt.

Als Maurizios Eltern nach Ferrara ziehen, weil der Vater dort mehr verdient als auf Sardinien, bleibt der Junge bei den Großeltern in Crabas.

Im Sommer 1986 ordnet der kurz vor der Pensionierung stehende Bischof Sparedda die Gründung einer neuen Kirchengemeinde an: Crabas soll aufgeteilt werden in die bestehende, seit fast 30 jahren von Monsignor Marras betreute Gemeinde Santa Maria, und eine neue mit dem Namen Sacro Cuore di Gesú, für die Don Gigi vorgesehen ist, ein jüngerer Priester, der an der Päpstlichen Università Gregoriana studierte. Schon die ersten Gerüchte über das Vorhaben lösen eine kontroverse Diskussion in der Bevölkerung aus, und die beiden Geistlichen streiten über die Grenzziehung. Erstmals gibt es in Crabas nicht nur ein „Wir“, sondern auch ein „Die“. Franco avanciert in der neuen Gemeinde zum Obermessdiener und kommt nicht mehr mit, wenn seine weiterhin zur Gemeinde Santa Maria gehörenden Freunde Schilf mit Leim bestreichen, um Singvögel zu fangen.

Bei einer traditionsreichen Prozession, bei der bisher zwei Gruppen zum Marktplatz zogen, werden nun zwei Züge von den beiden konkurrierenden Priestern und zwei weitere von den Messdienern Giulio und Franco angeführt. Als alle vier Gruppen auf dem Marktplatz aufeinandertreffen, droht der Konflikt zwischen den beiden Kirchengemeinden zu eskalieren. Giulio führt seinen Zug jedoch unvermittelt zu einem der neuen Gemeinde, und Monsignor Marras folgt diesem Beispiel der Versöhnung.

Danach legt Franco sein Amt als Obermessdiener nieder und nimmt wieder an den Treffen seiner beiden Freunde teil.

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Gemeinsame Kinderspiele verbinden stärker als Verwandtschaft, behauptet die sardische Schriftstellerin Michela Murgia und illustriert es in der Erzählung „Murmelbrüder. Eine Geschichte aus Sardinien“ am Beispiel der Freundschaft von drei Lausbuben. Als die Kirchengemeinde, der sie angehören, unter zwei konkurrierenden Geistlichen aufgespaltet wird, ist die Freundschaft der drei „Murmelbrüder“ zwar bedroht, aber am Ende erweist sie sich stärker als die neue Grenze zwischen „wir“ und „die“.

In einer klaren, geschliffenen Sprache erzählt Michela Murgia in „Murmelbrüder. Eine Geschichte aus Sardinien“ eine einfache Lausbubengeschichte voller Lokalkolorit.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014

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