Geneviève Brisac : Weekend

Weekend
Originalausgabe: Week-end de chasse à la mère Éditions de l'Olivier et Èditions du Seuil 1996 Weekend Übersetzung: Andrea Spingler Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt/M 1998
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Seit ihrer Scheidung vor zwei Jahren lebt Nouk mit ihrem sechsjährigen Sohn Eugenio zurückgezogen in einer Eineinhalb-Zimmer-Wohnung in Paris. Ihre Karriere als Künstlerin hat sie aufgegeben, um mehr Zeit für Eugenio zu haben, obwohl eine Freundin sie drängt, dem Kind und sich selbst mehr Freiraum zu gewähren ...
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Kritik

"Weekend" ist scheinbar ein leichtes Buch mit leisen, zarten und gut beobachteten Szenen. Erst nach einiger Zeit merkt man, dass Geneviève Brisac im Grunde eine ernste und traurige Geschichte erzählt ...
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Nouk und ihr sechsjähriger Sohn Eugenio leben seit zwei Jahren zurückgezogen in einer Eineinhalbzimmerwohnung in Paris. Nach der Scheidung von Alfonso hat Nouk ihre viel versprechende Karriere als Kunstmalerin aufgegeben. Ihren Lebensunterhalt verdient sie als Bibliothekarin in der Pädagogischen Bibliothek.

Zwei Tage vor Weihnachten meint Eugenio:

„Bald ist Weihnachten, Mama. Wir müssen uns ranhalten. Wo gehen wir hin, sag, wir bleiben doch nicht hier und langweilen uns zusammen? Die anderen haben Familien und lieben sich, und was wird aus uns?“ (Seite 8f)

Zum Trost geht sie mit ihm in eine Tierhandlung, und sie kaufen zwei Kanarienvögel, die sie Adam und Eva nennen.

Am Tag vor Weihnachten will Martha unbedingt mit Nouk zu Abend essen. Die beiden sind seit dem Gymnasium befreundet. Die seit neun Jahren mit einem Mann namens Étienne verheiratete aber kinderlose Zahnärztin erzählt Nouk, sie habe seit drei Wochen wieder einen neuen Liebhaber: Jason.

Martha zuzuhören macht mich seekrank, gibt mir das eigenartige Gefühl, mich auf nichts mehr verlassen zu können, von Wänden umgeben zu sein, die man mit dem Arm eindrücken kann, auf den schrägen Brettern einer Jahrmarktsbude zu balancieren. (Seite 57)

Um Mitternacht brechen Martha und Nouk auf.

Wir verlassen das Restaurant, beschwichtigt und zufrieden mit unserem Pakt: Ich feiere Weihnachten auf meine trostlose Art, allein mit Eugenio in unserem Loch, sobald es aber vorüber ist, fahre ich zu ihr und Étienne in die Bretagne. (Seite 63)

Nouk war seit fünfzehn Jahren nicht mehr in dem Ferienhaus auf den Klippen. Jetzt soll sie dort mit Eugenio, Martha, Étienne und einer Reihe anderer Leute das Wochenende nach Weihnachten verbringen.

Am Weihnachtstag liegt Eva tot im Käfig. Der Blumenbote Anton stellt fest, dass sich nicht um ein Weibchen, sondern ein kleinwüchsiges Männchen handelte. Das war offensichtlich von Adam am Fressen gehindert worden und deshalb verhungert. Anton hilft Nouk und Eugenio, den toten Kanarienvogel zu begraben. Danach will Nouk mit ihrem Sohn zu „Bon Marché“ und – weil Weihnachten ist – ein paar gute Sachen fürs Abendessen kaufen.

Eugenio schmollte, so einfach würde ich nicht davonkommen. Eine Beerdigung und Einkäufe in der Feinkostabteilung machten noch keinen unvergesslichen Weihnachtstag. (Seite 84)

Also geht Nouk vorher noch mit ihm in die Badelandschaft „Aquaboulevard“. Dann fahren sie zu „Bon Marché“.

Da waren einige Verlierer des denkwürdigen Festes, eine ganze Reihe alter Leute, von denen man hätte glauben können, sie seien ausgesetzt worden wie die Hunde im Sommer am Rand der Autobahnen. Es waren sicher sieben oder acht, sie saßen da wie bestellt und nicht abgeholt, der Blick verschwommen oder auf ihre Knie, auf ihren Stock gerichtet. Ganz kleine alte Menschen, blass wie Leintücher und stumm wie Karpfen. Mit winzigen zahnlosen Mündern und riesigen, die Stöcke umklammernden Händen. (Seite 116f)

Nach dem Abendessen schaut sie mit Eugenio zwei Videos an und sortiert die vorhandenen Schachteln mit Puzzles. Dann ist es Zeit, um ins Bett zu gehen.

„Das ist ein völlig verpatztes Weihnachten, ich wäre besser ins Ferienlager gefahren“, sagte mir da mein Sohn und schlurfte davon, ohne mir einen Kuss zu geben. Deshalb habe ich heute morgen verquollene Augen. (Seite 119)

Von ihren Kolleginnen gefragt, wie sie Weihnachten verbracht habe, antwortet Nouk wahrheitsgemäß: „Mit Eugenio.“

„Allein mit Eugenio? Du bist völlig verrückt!“, sagte Nicole und rückte ihren Stuhl näher. „Du machst ihn noch plemplem, deinen Zwerg, mit dieser ständigen Zweisamkeit! War niemand da, deine Familie, eure alten Freunde? Weihnachten, meine Ärmste, ist ein kollektives Fest […]“ (Seite 116)

Martha hat eigens zwei Zugfahrkarten 2. Klasse für Nouk und Eugenio am Schalter im Bahnhof hinterlegen lassen. Doch aus einer plötzlichen Laune heraus zahlt Nouk den Aufpreis für die 1. Klasse. Als Eugenio sich während der Fahrt langweilt, basteln sie rasch aus Papier ein Kartenspiel und vertreiben sich damit die restliche Zeit bis zur Ankunft in Brest.

Fünfzehn Personen treffen sich in dem Ferienhaus. Marthas Mutter lässt Nouk deutlich spüren, dass sie überzählig ist, und sie kriegt mit ihrem Sohn zusammen ein düsteres Zimmer.

„Eugenio hindert dich daran zu leben“, gibt Martha ihrer Freundin zu bedenken. „Und du schadest ihm.“ (Seite 202)

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Am nächsten Morgen, als Nouk erwacht, sind alle fort, auch ihr Sohn. „Bis gleich“, steht auf einem Zettel. Nouk genießt es, allein zu sein, und sie geht in ein nahes Café. Unversehens sieht sie am Ende der Mole ihren Sohn mit seinem Vater. Sie tollen dort herum, obwohl es nieselt.

Sobald Nouk wieder ins Haus kommt, zieht Martha sie in die Küche. Alfonso sei früher gekommen als geplant, räumt sie ein.

„Dein Mann sollte zum Mittagessen kommen. Es sollte eine Überraschung für dich sein. Ihr habt euch so lange nicht gesehen. Ich glaube, sein Sohn hat ihm zu sehr gefehlt, und er heiratet auch wieder, weißt du, eine glänzende junge Psychiaterin. Er möchte eurem kleinen Jungen ein richtiges Heim bieten. Als er mit mir darüber gesprochen hat, dachte ich, das wäre für alle eine gute Lösung. Als er Eugenio die Dinge erklärt hat, fand ich ihn übrigens großartig, so sensibel und feinsinnig. Er hat zu ihm gesagt: ‚Du hast die Wahl, Eugenio. Du darfst wählen.‘ Eugenio hat sofort von dir geredet. Er hat gesagt: ‚Und Mama, was denkt sie?‘ Und wir haben ihm erklärt, dass du für ihn auf vieles verzichtet hättest. Dass du zerbrechlich wärst und die Malerei brauchst für dein Gleichgewicht. Er hat gesagt, er wäre einverstanden. Außerdem braucht ein Junge in diesem Alter die Gesellschaft von Männern. Du weißt, was aus ihnen wird, wenn wir sie am Gängelband halten. Du möchtest doch keine Drag-queen als Sohn! […]“ (Seite 210f)

Nouk ist erschüttert und denkt daran, dass sie die Zweisamkeit in ihrer Wohnung für immer verloren hat.

Ich weiß nicht, wie ich es machen werde. Manchmal sieht man gar nichts mehr vor sich.
Keine Straße, kein Weg zeichnen sich mehr ab. Absolut nichts.
Ich gehe zum Strand hinunter, ich nehme den alten Weg, ich laufe aufs Wasser zu, Kiesel in den Taschen. […] (Seite 212)

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„Weekend“ ist scheinbar ein leichtes Buch mit leisen, zarten und gut beobachteten Szenen über eine junge, geschiedene Frau ohne viel Geld, die ihrem kleinen Sohn ein Zuhause geben möchte und sich vielleicht ein wenig zu eng an ihn klammert. Erst nach einiger Zeit merkt man, dass Geneviève Brisac im Grunde eine ernste und traurige Geschichte erzählt, die davon handelt, dass Menschen in das Leben ihrer Freunde eingreifen und es zerstören, obwohl sie es doch nur gut gemeint haben.

Für „Weekend“, ihren vierten Roman, wurde Geneviève Brisac 1996 mit dem „Prix Fémina“ ausgezeichnet.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2004
Textauszüge: © Frankfurter Verlagsanstalt

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Mit ihrem Roman "Blumenberg" hat Sybille Lewitscharoff dem Philosophen Hans Blumenberg ein literarisches Denkmal gesetzt. Ihr Buch ist jedoch keine Biografie, sondern eine poetische Komposition.

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.