Emmeline Pankhurst


Emmeline Goulden wurde am 14. Juli 1858 in Manchester geboren. Ihre Eltern, der Unternehmer Robert Goulden und dessen Ehefrau Sophia, beteiligten sich an Aktionen gegen die Sklaverei. Bereits mit vierzehn begleitete Emmeline ihre Mutter zu einer politischen Versammlung.

1873 schickten die Eltern sie in ein Mädcheninternat in Paris.

Mit einundzwanzig kehrte sie von dort zurück und heiratete noch im selben Jahr in Manchester den fast doppelt so alten Rechtsanwalt Richard M. Pankhurst, der wie ihre Eltern in der Liberalen Partei aktiv war. Im Verlauf von neun Jahren brachte Emmeline Pankhurst fünf Kinder zur Welt: Christabel Harriette (1880 – 1958), Estelle Sylvia (1882 – 1960), Frank (1884 – 1889), Adela (1885 – 1961) und Harry (1889 – 1910).

Weil Richard Pankhurst eine politische Karriere anstrebte, zog er mit der Familie 1885 nach London, aber er konnte seine Pläne nicht verwirklichen. Das sozialpolitische Engagement seiner Frau unterstützte er verständnisvoll und propagierte auch selbst die Einführung des Frauenwahlrechts, obwohl ihm deshalb einige konservative Mandanten den Rücken kehrten. Um sich eine zweite Einnahmequelle zu verschaffen, übernahm er ein kleines Einrichtungsgeschäft in London, für das er jedoch 1893 Konkurs anmelden musste.

Daraufhin kehrte die Familie nach Manchester zurück, wo Emmeline Pankhurst im folgenden Jahr ehrenamtlich in der staatlichen Armenfürsorge als »Poor Law Guardian« tätig wurde. Sie entrüstete sich darüber, dass Schwangere im Arbeitshaus bis kurz vor der Entbindung die Böden schrubben mussten. »Many of them were unmarried women, very, very young, mere girls. These poor mothers were allowed to stay in the hospital after confinement for a short two weeks.«

Nachdem Richard Pankhurst 1898 an einem Magengeschwür gestorben war, musste Emmeline Pankhurst Bücher und Möbel verkaufen, um sich und die Kinder versorgen zu können. Als sie mit dem in Manchester eröffneten Einrichtungsgeschäft scheiterte, übernahm sie eine Stelle beim Standesamt, und von 1900 bis 1903 gehörte sie der städtischen Schulkommission an.

Am 10. Oktober 1903 gründete Emmeline Pankhurst mit ihrer dreiundzwanzigjährigen Tochter Christabel und vier weiteren Frauen in Manchester eine überparteiliche Frauen-Vereinigung: »Women’s Social and Political Union«. Drei Jahre später schloss sich auch Sylvia Pankhurst den Frauenrechtlerinnen an, die als Suffragetten bezeichnet wurden.

An den gewaltfreien Aktionen, die Emmeline Pankhurst propagierte, orientierten sich später auch Mahatma Gandhi und Martin Luther King. Als sie jedoch feststellte, dass sie mit Worten und friedlichen Großkundgebungen nichts bewegen konnte, radikalisierte sich ihre Haltung zunehmend, bis sie schließlich Gewalt gegen Sachen für erforderlich hielt: »Wir haben uns viele Jahre lang geduldig Beleidigungen und tätlichen Angriffen ausgesetzt. Frauen wurde die Gesundheit ruiniert, Frauen verloren ihr Leben. Wir hätten sogar das in Kauf genommen, wenn es zum Erfolg geführt hätte, aber es führte nicht dazu. Wir machen mit dem Glasscheibenzerbrechen viel größere Fortschritte mit weniger Verletzungen unsererseits, als wir jemals machten, als wir zuließen, dass sie uns unsere Knochen brachen.«

Ob seine Regierung den Frauen das Wahlrecht geben werde, fragte die sechsundzwanzigjährige Textilarbeiterin Annie Kenney den designierten Außenminister Edward Grey bei einer öffentlichen Versammlung in der Free Trade Hall in Manchester am 13. Oktober 1905. Nachdem sie die Frage mehrmals vergeblich gestellt hatte, stieg sie auf einen Stuhl, um auf sich aufmerksam zu machen. Da wurde sie zusammen mit ihrer Begleiterin Christabel Pankhurst von Saaldienern vor die Tür gezerrt. Am nächsten Morgen verurteilte man sie zu drei bzw. sieben Tagen Haft, weil sie bei ihrer Festnahme Polizisten bespuckt hatten.

Nach mehreren Versuchen, das Parlament zu stürmen, verbüßte auch Emmeline Pankhurst vom 13. Februar bis 19. März 1908 ihre erste Haftstrafe.

Zu einer Großkundgebung der »Women’s Social and Political Union« am 21. Juni 1908 im Hyde Park strömten schätzungsweise 250 000 Teilnehmerinnen. Davon angespornt, verteilten Emmeline und Christabel Pankhurst Flugblätter mit einem Aufruf zu einer weiteren Demonstration am 30. Juni. Deshalb sollten sie sich bei der Polizei melden, aber sie kamen der Vorladung nicht nach und wurden deshalb am 12. Oktober erneut festgenommen und neun Tage später zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen verurteilt.

Immer wieder versuchten von Emmeline Pankhurst angeführte Suffragetten, gewaltsam zu Premierminister Herbert Henry Asquith vorzudringen und ihm Petitionen zu übergeben. Bei Auseinandersetzungen am 29. Juni 1909 mit den Ordnungskräften provozierte Emmeline Pankhurst absichtlich ihre Verhaftung, indem sie einen Polizisten ohrfeigte. Mehr als hundert Aktivistinnen wurden festgenommen, als sie am 18. November 1910 mehrere Stunden lang versuchten, die polizeiliche Abriegelung des Unterhauses zu durchbrechen, um gegen die Ablehnung eines Gesetzes zu protestieren, das wenigstens einer Million Frauen das Wahlrecht zugestanden hätte (»Conciliation Bill«). Zwei der Demonstrantinnen starben an den Folgen von Verletzungen.

Nach einem Bombenattentat der einundvierzigjährigen Suffragette Emily Davison auf das Landhaus des britischen Schatzkanzlers David Lloyd George in Walton-on-Hill, für das Emmeline Pankhurst die Verantwortung übernahm, wurde die Anführerin der Suffragetten am 3. April 1913 zu drei Jahren Haft verurteilt. Darauf reagierten ihre Anhängerinnen mit weiterer Gewalt: Beispielsweise bewarfen sie Premierminister Asquith mit Pfeffer und schleuderten einen Katzenkadaver auf ihn. Sie verwüsteten öffentliche Omnibusse, zerstörten Briefkästen mit Säure, schlugen Schaufenster von Kaufhäusern ein und zündeten Kirchen an; militante Aktivistinnen lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei und führten weitere Sprengstoffanschläge durch.

Emmeline Pankhurst verweigerte im Gefängnis die Nahrungsaufnahme und wurde aufgrund ihres Besorgnis erregenden Gesundheitszustandes bereits neun Tage nach dem Urteilsspruch entlassen. Dennoch setzten die Frauenrechtlerinnen ihren Kampf fort.

Am 4. Juni warf sich Emily Davison beim English Derby in Epsom (Surrey) dem galoppierenden Pferd König Georgs V. mit der Fahne der »Women’s Social and Political Union« entgegen, um für das Frauenwahlrecht zu demonstrieren. Was sie im Einzelnen vorhatte, blieb ungeklärt. Jedenfalls wurde sie zu Boden gerissen und erlitt einen Schädelbruch. Als sie vier Tage später im Epsom Cottage Hospital ihren Verletzungen erlag, pries Emmeline Pankhurst sie als Märtyrerin.

Immer mehr Suffragetten folgten dem von Emmeline Pankhurst gegebenen Beispiel und begannen nach ihrer Inhaftierung einen Hungerstreik. Das Parlament verabschiedete deshalb 1913 ein von der Regierung Asquith eingebrachtes Gesetz, demzufolge die Frauenrechtlerinnen zwar aus dem Gefängnis entlassen werden sollten, sobald sie ernsthaft erkrankten, aber nach ihrer Genesung den Rest ihrer Strafe verbüßen mussten. Aufgrund dieses im Volksmund »Cat and Mouse Act« genannten Gesetzes wurde Emmeline Pankhurst im Februar 1914 erneut festgenommen, worauf sie mit einem weiteren Hungerstreik reagierte und damit wieder ihre Freilassung durchsetzte.

Beim Versuch, König Georg V. eine Petition über das Frauenwahlrecht zu überreichen, wurde Emmeline Pankhurst am 22. Mai 1914 vor dem Buckingham Palast verhaftet. Während man sie abführte, forderte sie die Umstehenden auf, dem König mitzuteilen, dass man sie am Tor seines Palastes festgenommen habe (»Arrested at the gates of the palace! Tell the King!«). Alle Londoner Tageszeitungen druckten ein Foto, auf dem zu sehen war, wie ein Polizist Emmeline Pankhurst von hinten gepackt hielt und wegzerrte.

Im Ersten Weltkrieg sah Emmeline Pankhurst von feministischen Aktionen ab, warb stattdessen für die Kriegsanstrengungen der Briten und setzte sich in diesem Zusammenhang dafür ein, dass Frauen auch Männerarbeiten übernehmen durften. Während Sylvia Pankhurst seit 1912 mit Kommunistinnen zusammenarbeitete, trat Emmeline Pankhurst 1918 zum Entsetzen ihrer zweitältesten Tochter der konservativen Partei bei.

Schrittweise bekamen die Frauen nach dem Ersten Weltkrieg politische Rechte: Mit Wirkung vom 6. Februar 1918 erhielten Frauen über dreißig, die selbst Steuern zahlten und über ein Mindesteinkommen verfügten, das Wahlrecht. Bei den Parlamentswahlen am 14. Dezember 1918 konnten erstmals Frauen über einundzwanzig für einen Sitz im Unterhaus kandidieren (passives Wahlrecht). Von den siebzehn Kandidatinnen kam allerdings keine ins Parlament. Die erste Frau, die ein Unterhaus-Mandat ausübte, war von Dezember 1919 an Lady Nancy Astor (1879 – 1964), eine Bewunderin von Emmeline Pankhurst.

Emmeline Pankhurst, die inzwischen vier minderjährige Mädchen adoptiert hatte, reiste im September 1919 nach New York, um auf einer Vortragsreise in den USA und in Kanada über die Rolle der Frau im Kampf gegen den Bolschewismus zu sprechen. Fünf Jahre lebte Emmeline Pankhurst mit ihren Adoptivtöchtern in Nordamerika. Dann verbrachte sie aus gesundheitlichen Gründen einige Zeit auf den Bermudas, bevor sie 1925 nach Europa zurückkehrte und an der Côte d’Azur eine Teestube eröffnete. Weil die Briten, die dort ihre Ferien verbrachten, eine frühere Suffragette nicht für gesellschaftsfähig hielten, musste sie das Projekt bald wieder aufgeben und kehrte Weihnachten nach London zurück.

Als das Unterhaus am 29. März 1928 die »Equal Suffrage Bill« verabschiedete und damit endlich allen Frauen im Vereinigten Königreich das Wahlrecht zugestand, saß Emmeline Pankhurst im Publikum. Damit hatte sie ihr großes Ziel erreicht.

Ende Mai ließ Christabel Pankhurst ihre Mutter, deren Gesundheitszustand sich in den letzten Jahren immer weiter verschlechtert hatte, in ein Krankenhaus in London-Hampstead bringen. Dort starb Emmeline Pankhurst am 14. Juni 1928, genau einen Monat vor ihrem siebzigsten Geburtstag.

Sarah Gavron drehte über Suffragetten wie Emmeline Pankhurst den Kinofilm „Suffragette. Taten statt Worte“.

© Dieter Wunderlich 2008

Alice Schwarzer (Kurzbiografie)

Dörte Hansen - Altes Land
Der Heimatroman "Altes Land" zeigt satirisch, wie sich Stadt­menschen auf dem Land zum Narren machen, weil sie das, was sie dort wahr­nehmen, zum Idyll verklären. Lako­nischer Humor, Ironie, skurrile Cha­rak­ter­züge und pointierte Komik machen "Altes Land" zur unter­halt­samen Lektüre.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.