Gabriel García Márquez : Hundert Jahre Einsamkeit

Hundert Jahre Einsamkeit
Originaltitel: Cien años de soledad, 1967 Hundert Jahre Einsamkeit Übersetzung: Curt Meyer-Clason Kiepenheuer & Witsch, Köln 1970 Hundert Jahre Einsamkeit Neuübersetzung: Dagmar Ploetz Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2017 ISBN 978-3-462-05021-9, 516 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Epos vom Aufstieg und Niedergang einer kolumbianischen Familie und des von ihr gegründeten Dorfes Macondo. Die Bewohner sind anfangs durch den Regenwald von der Umwelt isoliert und kommen gut ohne Kirche, staatliche Verwaltung und Wirtschaftsbeziehungen aus. Dann wird ihr Dorf durch eine Bahnlinie erschlossen ...
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Kritik

Das Besondere an dem Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" des Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez ist die poetische Komposition aus fantasievollen, grotesken und anschaulichen Episoden.
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(Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf den Stammbaum am Ende der Buchkritik.)

Viele Jahre später sollte der Oberst Aureliano Buendía sich vor dem Erschießungskommando an jenen fernen Nachmittag erinnern, an dem sein Vater ihn mitnahm, um das Eis kennen zu lernen.

Mit diesem Satz beginnt der Roman.

Weil Ursula Iguarán (2) mit José Arcadio Buendía (1) verwandt war, weigerte sie sich nach der Hochzeit, die Ehe zu vollziehen. Als Folge eines inzestuösen Verhältnisses hatte einer der Vorfahren nämlich einen geringelten Schweineschwanz. Damit ihr Mann sie auch nicht im Schlaf vergewaltigen konnte, zog sie jeden Abend im Bett eine enge und fest gegürtete Hose an. Ein Jahr nach der Eheschließung tuschelten die Leute, Ursula sei noch immer Jungfrau. Ein weiteres halbes Jahr später, als José Arcadio einen Hahnenkampf gewann, spottete der Verlierer Prudencio Aguilar: „Meinen Glückwunsch! Wollen mal sehen, ob dieser Hahn endlich deine Frau befriedigt.“ Da holte José Arcadio den Langspieß seines Großvaters und durchstieß damit Prudencio Aguilar die Kehle. In dieser Nacht bestand er darauf, dass Ursula die Hose auszog.

Der Tote erschien zuerst Ursula und dann auch ihrem Mann immer wieder, bis José Arcadio eigenhändig seine Kampfhähne köpfte und mit seiner Frau und anderen jungen Leuten aus Riohacha fortzog. Nach 14 Monaten brachte Ursula einen Knaben zur Welt, der den Namen José Arcadio (11) erhielt. Die Auswanderer überschritten das Gebirge. Nach 26 Monaten gaben sie ihr Vorhaben auf, das Meer zu suchen; weil sie aber nicht in die Vergangenheit zurückkehren wollten, errichteten sie am Ufer eines Flusses zwanzig Lehmhäuser und gründeten das Dorf Macondo.

Jedes Jahr im Frühjahr kommen Zigeuner durch Macondo, und ihr Anführer Melchíades bringt immer wieder etwas Neues mit. Einmal sind es Magnete. José Arcadio Buendía, der begierig auf die Wunder der Welt ist, tauscht die geheimnisvollen Eisenstangen ungeachtet seiner protestierenden Frau gegen einen Maulesel und ein Rudel Ziegenböcke ein. Weil seine Hoffnung, damit Gold aufzuspüren, nicht in Erfüllung geht, gibt er im Jahr darauf Melchíades die Magnete zurück, legt drei wertvolle Goldmünzen aus dem Erbe seiner Frau dazu und erwirbt damit eine trommelgroße Lupe. Nachdem er sich bei Experimenten mit dem Brennglas schlecht heilende Brandwunden zugezogen hat, nimmt Melchíades die Lupe gegen die Münzen zurück und überlässt dem passionierten Forscher ein Astrolabium, einen Sextant und einen Kompass.

Aufgrund seiner Studien kommt José Arcadio zu dem Schluss, die Erde sei rund wie eine Orange. Ursula sorgt sich um die Aufrechterhaltung des gesunden Menschenverstandes, aber als Melchíades davon erfährt, wundert er sich über den klugen Mann, der durch eigene Beobachtungen zu einer Erkenntnis gelangt ist, die sich als richtig erwiesen hat, von der man jedoch in Macondo nichts wissen konnte.

José Arcadio überredet seine Frau dazu, 30 Dublonen aus ihrer Erbschaft auszugraben, damit er sie in seinem neuen alchimistischen Laboratorium – einem Geschenk von Melchíades – vervielfältigen kann. Er gibt sich alle Mühe, aber der stinkende Sirup, den er erzeugt, ähnelt nicht Gold, sondern Karamel.

Um Macondo mit der Welt der großen Entdeckungen zu verbinden, beginnt José Arcadio mit anderen jungen Männern, eine Schneise zu schlagen, aber statt ins Landesinnere gelangen sie zum Meer.

Das erste in Macondo geborene Kind ist Ursulas und José Arcadios zweiter Sohn Aureliano (12), der acht Jahre jünger als sein Bruder ist. Der Vater lehrt seine beiden Söhne Lesen, Schreiben und Rechnen und erzählt ihnen von den Wundern der Erde, auch solchen, die nur in seiner Fantasie existieren.

Als José Arcadio ein Mann geworden ist, sieht Ursula eines Tages das riesige Gemächt ihres Sohnes und erlebt noch einmal „die Schrecknisse einer Neuvermählten“. Zu dieser Zeit ist sie bereits wieder schwanger. Diesmal wird sie von einer Tochter entbunden, die sie Amaranta (13) nennt.

Pilar Ternera (14) war 22 Jahre alt, als ihre Familie sie bei dem Auszug aus Riohacha mitschleppte, um sie von dem Mann zu trennen, der sie als 14-Jährige vergewaltigt hatte aber nicht bereit gewesen war, sie zu heiraten. Als die nicht besonders sittenstrenge Wahrsagerin auf das Geschlechtsteil des jungen José Arcadio aufmerksam wird, verführt sie ihn. Er schwängert sie, verliebt sich dann aber in eine blutjunge Zigeunerin und zieht mit ihrer Sippe fort.

Seine Mutter sucht ihn, kehrt aber nach fünf Monaten zurück, ohne ihn gefunden zu haben. Dafür entdeckte sie durch Zufall nur zwei Tagereisen von Macondo entfernt ein fortschrittliches Dorf, das jeden Monat Post bekommt.

Pilar bringt ihren Sohn zwei Wochen nach der Geburt ins Haus seiner Großeltern. Ursula verlangt, dass er nicht erfahren soll, wer seine leibliche Mutter ist, gibt ihm den Namen José Arcadio (21), ruft ihn aber zur Unterscheidung von ihrem Mann und ihrem ältesten Sohn nur Arcadio. Sie vertraut den Säugling – ebenso wie bereits ihre Tochter Amaranta – der Guajira-Indiofrau Visitación an.

Einige Zeit später bringen durchziehende Fellhändler ein elfjähriges Mädchen namens Rebeca (15) aus Manaure mit. In einem Brief heißt es, Rebeca sei eine Cousine Ursulas und habe ihre Eltern Nicanor Ulloa und Rebeca Montiel verloren. Weder Ursula noch José Arcadio können sich an Verwandte mit solchen Namen erinnern, aber sie nehmen das Kind wie eine Tochter auf.

Im Zelt von Vagabunden begegnet Aureliano einer jungen Mulattin, die bei ihrer Großmutter aufwuchs aber vor zwei Jahren aus Versehen deren Haus in Brand steckte. Seither schleppt die Großmutter das Mädchen von Dorf zu Dorf und bietet sie für 20 Centavos feil. Bei 70 Männern pro Nacht wird die Mulattin in etwa zehn Jahren ihre Schuld abgetragen haben. Vor Mitleid und Begierde kann Aureliano in dieser Nacht nicht schlafen; am nächsten Tag beschließt er, sie durch Heirat zu befreien „und jede Nacht die Befriedigung zu genießen, die sie siebzig Männern schenkte“ – aber die Großmutter ist mit dem Mädchen bereits weitergezogen.

Eines Tages erscheint im Dorf ein Mann namens Apolinar Moscote, der sich als Landrichter vorstellt. Aber die Bewohner von Macondo, die bisher gut ohne Justiz und staatliche Verwaltung ausgekommen sind, vertreiben ihn. Eine Woche später kehrt er zurück, mit sechs Soldaten und seiner Familie. Einige Ochsenkarren mit Truhen und Möbeln folgen. José Arcadio Buendía (1) und sein Sohn Aureliano (12) suchen ihn auf und einigen sich mit ihm. Bei dieser Gelegenheit sieht Aureliano die jüngste der sieben Töchter des Landrichters, die neunjährige Remedios (16) – und verliebt sich in sie. In seiner sexuellen Not sucht er Pilar Ternera (14) auf und schläft mit ihr. Erst als Remedios Moscote pubertiert hat, können sie und Aureliano Buendía heiraten, aber ihr Glück ist nicht von langer Dauer: Remedios stirbt an im Leib verklemmten Zwillingen.

Der Italiener Pietro Crespi, der ein von Ursula gekauftes Pianola aufgestellt hat, hält um Rebecas (15) Hand an. Die beiden wollen heiraten, und die Pflegeeltern des Mädchens stimmen zu. Doch Amaranta (13), die sich ebenfalls in Pietro Crespi verliebt hat, versucht die Hochzeit mit allen Mitteln zu verhindern.

Weil ihr Vater José Arcadio (1) verrückt geworden ist, muss er an einen Kastanienbaum vor dem Haus gebunden werden. Dort verbringt er seine letzten Tage.

Sein gleichnamiger Sohn (11), der den Zigeunern gefolgt war, kehrt zurück. Als Mitglied einer heimatlosen Schiffsbesatzung fuhr er 65-mal um die Erde. Er ist unglaublich kräftig geworden und beweist seine Stärke, indem er eine Theke hochreißt und auf die Straße trägt. Elf Mann sind erforderlich, um sie zurückzubringen. José Arcadio hat seinen ganzen Körper tätowieren lassen, auch seinen mächtigen Penis, den er auf die Theke legt und den Anwesenden stolz präsentiert. Die Frauen zahlen dafür, mit ihm schlafen zu dürfen. Rebeca (15) verliert jedes Interesse an ihrem Bräutigam Pietro Crespi und heiratet José Arcadio (11).

Dessen Bruder Aureliano (12) spielt jeden Abend Schach mit Don Apolinar Moscote. So wird er Zeuge, wie der Landrichter nach einer Wahl die Stimmzettel zugunsten der regierenden Konservativen fälscht. Aus Protest schließt sich Aureliano den oppositionellen Liberalen an. Man schickt ihn zu dem Arzt Dr. Alirio Noguera, der vor wenigen Jahren nach Macondo kam und heimlich die Sache der Liberalen betreibt.

Ein Bürgerkrieg bricht aus. Dr. Noguera wird standrechtlich erschossen. Aureliano leitet den örtlichen Aufstand und schließt sich danach den Truppen des Revolutionsgenerals Victorio Medina an. Oberst Aureliano Buendías führt 32 Aufstände an, die alle scheitern, er überlebt 14 Attentate und entkommt 73-mal aus einem Hinterhalt. Mit 17 Frauen in verschiedenen Gegenden zeugt er 17 Söhne.

Als Zivil-und Militärchef von Macondo setzte er vor seinem Abmarsch Arcadio (21) ein, den Sohn Pilar Terneras und seines Bruders. Arcadio regiert als brutaler Despot – bis er von den Regierungstruppen standrechtlich erschossen wird.

Oberst Aureliano Buendías wird ebenfalls zum Tod verurteilt. Zur Abschreckung bringt man ihn nach Macondo und will ihn dort füsilieren. Aber er kann sich im letzten Augenblick befreien. Hauptmann Roque Fleischer und die sechs Mitglieder des Erschießungskommandos schließen sich ihm an und marschieren nach Riohacha, um General Victorio Medina zu befreien. Sie kommen zu spät: Als sie eintreffen, wurde er bereits erschossen. Mit drei Geliebten kehrt Oberst Aureliano Buendía nach Macondo zurück.

In Neerlandia, zwanzig Kilometer von Macondo entfernt, gehört er zu den Unterzeichnern des Friedensvertrags, der den jahrelangen Bürgerkrieg beendet. Aureliano hat bereits seine persönlichen Gegenstände vernichtet und besitzt nur noch eine Pistole mit einer einzigen Patrone. Damit schießt er sich nach dem Festakt in die Brust, aber die Kugel verletzt keine lebenswichtigen Organe, und er erholt sich von dem Selbstmordversuch.

Nach der Enttäuschung mit Rebeca (15) ist Pietro Crespi bereit, Amaranta zu heiraten. Sie hält ihn eine Weile hin und weist ihn dann brüsk zurück. In seiner Verzweiflung schneidet er sich die Pulsadern auf. Amaranta (13) lehnt auch den Heiratsantrag des neuen konservativen Zivil- und Militärchefs Gerineldo Márquez ab und zieht es vor, ledig zu bleiben – obwohl sie sich heimlich nach den Umarmungen eines Mannes sehnt.

Im Karneval taucht eine betörende Frau auf: Fernanda del Carpio (34). Aureliano Segundo (32), einer der unehelichen Söhne Arcadios (21), heiratet sie, sieht aber keinen Grund, sich von seiner Geliebten Petra Cotes zu trennen. Doña Fernanda del Carpio de Buendía tut zunächst so, als wisse sie von nichts. Aber sie kann nicht verhindern, dass er sich bei Petra Cotes wohler fühlt und in deren Haus zieht.

Nach dem Bürgerkrieg wird Macondo an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Die Bewohner staunen über technische Errungenschaften wie elektrisches Licht und die bewegten Bilder, die Pietro Crespis Bruder Bruno vorführt. Die Fremden errichten einen eigenen Dorfteil. Und Mr. Herbert legt eine ausgedehnte Bananenpflanzung an.

Fernanda (34) ertappt ihre Tochter Renata Remedios (41) bei einem Kuss mit dem Arbeiter Mauricio Babilonia (44) im Kino. Zur Strafe sperrt sie Renata in deren Zimmer – und wundert sich, wieso das Mädchen auch nach mehreren Tagen keine Anzeichen von Kummer zeigt. Als sie den Grund herausfindet, erbittet sie vom Bürgermeister eine Nachtwache gegen Hühnerdiebe. Die Männer erwischen Mauricio Babilonia, wie er durchs Dach zu seiner Geliebten klettert. Der Schuss trifft ihn ins Rückgrat. Als Gelähmter siecht er dahin. Den Sohn, den er zeugte, muss Renata in einem auswärtigen Kloster zur Welt bringen. Im Alter von zwei Monaten wird er zu seiner Großmutter Fernanda gebracht. Sie nennt ihn Aureliano (51).

Dieser Aureliano verliebt sich in Fernandas und Aureliano Segundos andere Tochter Amaranta Ursula (42).

Amaranta Ursula war in einem Internat in Brüssel. Um die Mädchen zu beeindrucken, drehte ein Belgier namens Gaston (45) mit seinem zweimotorigen Sportflugzeug so lange Pirouetten, bis er abstürzte. Trotz seines gebrochenen Beins ging er danach mit der 15 Jahre jüngeren Amaranta Ursula aus. Nach drei Jahren heirateten sie und ein halbes Jahr später kamen sie nach Macondo.

Um nicht von der Leidenschaft für seine Tante (43) überwältigt zu werden, sucht Aureliano (51) jeden Nachmittag die Prostituierte Nigromanta auf, „eine gewaltige Negerin von solidem Knochenbau, mit Stutenhüften und munteren Melonentitten“. Vormittags vertieft er sich in die von Melchíades hinterlassenen Pergamente, und abends trifft er sich mit seinen vier Freunden Alvaro, Germán, Alfonso und Gabriel zu Disputen, die jedes Mal im Bordell enden. Da beweist Aureliano schon einmal, dass er eine volle Bierflasche auf seinem erigierten Penis balancieren kann. Eines Tages hält er es nicht mehr aus, dringt in das Schlafzimmer seiner Tante ein und wirft sie aufs Bett, obwohl Gaston im Nebenzimmer Briefe schreibt. Amaranta Ursula schafft es gerade noch, sich ein Handtuch in den Mund zu stopfen, um ihre Lustschreie zu unterdrücken.

Gaston, der in Macondo einen Flugplatz anlegen möchte, kehrt nach Brüssel zurück, um sich nach dem bestellten Flugzeug zu erkundigen. Aureliano (51) und Amaranta Ursula (43) schließen Fenster und Türen, damit sie nackt im Haus herumlaufen können und keine Zeit mit dem An- und Ausziehen verlieren. Sie beschmieren sich mit Aprikosenkompott und lecken sich gegenseitig ab. Er reibt ihre Brüste mit Eiweiß ein, und sie malt auf seinen Penis mit Lippenstift Clownsaugen und mit Wimperntusche einen Türkenbart, bindet ihm eine Organzakrawatte um und setzt ihm ein Hütchen aus Silberpapier auf [Inzest].

Nach der Geburt ihres Sohnes Rodrigo (52) verblutet Amaranta Ursula. Der Säugling hat ein Schweineschwänzchen. Damit erfüllt sich die uralte Prophezeiung über das Ende der Familie Buendía.

Nie in seinem Leben hatte Aureliano so hellsichtig gehandelt wie jetzt, da er seine Toten und den Schmerz seiner Toten vergaß und die Türen und die Fenster wieder mit Fernandas Querbalken verschloss, um sich von keiner Versuchung der Welt stören zu lassen, denn jetzt wusste er, dass in Melchíades‘ Pergamenten sein Schicksal geschrieben stand. …
Macondo war bereits ein von der Wut des biblischen Taifuns aufgewirbelter wüster Strudel aus Schutt und Asche, als Aureliano elf Seiten übersprang, um keine Zeit mit allzu bekannten Tatsachen zu verlieren, und begann den Augenblick zu entziffern, den er gerade durchlebte, und enträtselte ihn, während er ihn erlebte, und sagte sich im Akt des Entzifferns selber die letzte Seite der Pergamente voraus, als sähe er sich in einem sprechenden Spiegel. Nun blätterte er von neuem, um die Voraussagen zu überspringen und Tag und Umstände seines Todes festzustellen. Doch bevor er zum letzten Vers kam, hatte er schon begriffen, dass er nie aus diesem Zimmer gelangen würde, da es bereits feststand, dass die Stadt der Spiegel (oder der Spiegelungen) vom Wind vernichtet und aus dem Gedächtnis der Menschen in dem Augenblick getilgt sein würde, in dem Aureliano Babilonia die Pergamente endgültig entziffert hätte, und dass alles in ihnen Geschriebene seit immer und für immer unwiederholbar war, weil die zu hundert Jahren Einsamkeit verurteilten Sippen keine zweite Chance auf Erden bekamen.

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„Hundert Jahre Einsamkeit“ ist die Geschichte vom Aufstieg und Niedergang einer kolumbianischen Familie und des von ihr gegründeten Dorfes Macondo, eine Familiensaga über sieben Generationen. Die Bewohner von Macondo, die anfangs durch den Regenwald von der Umwelt isoliert sind, nur durch vagabundierende Zigeuner von technischen Errungenschaften erfahren und ohne Kirche, staatliche Verwaltung und Wirtschaftsbeziehungen auskommen, erleben schließlich, wie ihr Dorf durch eine Bahnlinie erschlossen wird. Amerikaner legen eine Bananenplantage an, und ein Europäer träumt von einem Flugplatz in Macondo. Auch von den Bürgerkriegen zwischen den antiklerikalen Liberalen und den zentralistischen Konservativen wird das Dorf heimgesucht.

Das kolumbianische Dorf Macondo gab es wirklich. Es handelte sich um eine Bananenpflanzung in der Nähe von Aracataca, dem Ort, in dem Gabriel García Márquez aufwuchs.

Realistisches verschmilzt in diesem – dem „Magischen Realismus“ zugerechneten – Roman mit Volksgeschichten, Mythen und grotesken Fantasievorstellungen. Gabriel García Márquez verzichtet in „Hundert Jahre Einsamkeit“ auf eine durchgängige Handlung und reiht stattdessen aktionsbetonte Episoden aneinander, die er ausgesprochen bildhaft schildert und ausschmückt. Neugierde wird dadurch kaum geweckt, und Spannung entsteht auf diese Weise auch nicht. Spätestens nach der Hälfte der knapp 500 Seiten hat man den Überblick verloren, zumal die meisten Nachfahren des Stammvaters der Familie Buendía José Arcadio oder Aureliano heißen. Allein während des Bürgerkriegs zeugt Oberst Aureliano Buendías 17 gleichnamige Söhne, und die Zwillinge Aureliano und Juan Arcadio sind vielleicht miteinander vertauscht worden. Kaum eine der rasch wechselnden Figuren wird so lebendig, dass Mitgefühl entstehen kann, denn es handelt sich weniger um Individuen als um Variationen von Archetypen in einem bibelähnlichen Zyklus.

Das Besondere an diesem in mehr als 400 Millionen Exemplaren verbreiteten Roman des Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez ist die poetische Komposition aus fantasievollen und irrwitzigen, anschaulichen und ereignisreichen Episoden.

Stammbaum der Figuren in „Hundert Jahre Einsamkeit“:

(1) José Arcadio Buendía, verheiratet mit (2) Ursula Iguarán.
Kinder: (11) José Arcadio, (12) Aureliano, (13) Amaranta

(11) José Arcadio, verheiratet mit (15) Rebeca, zeugt mit (14) Pilar Ternera (21) José Arcadio

(12) Aureliano, verheiratet mit (16) Remedios Moscote, zeugt mit (14) Pilar Ternera
(22) Aureliano José und mit 17 anderen Frauen 17 Söhne, die alle Aureliano heißen

(21) José Arcadio, verheiratet mit (23) Santa Sofía de la Piedad.
Kinder: (31) Remedios, (32) Aureliano Segundo, (33) José Arcadio Segundo

(32) Aureliano Segundo, verheiratet mit (34) Fernanda del Carpio.
Kinder: (41) Renata Remedios, (42) José Arcadio, (43) Amaranta Ursula

(41) Renata Remedios wird von (44) Mauricio Babilonia geschwängert: Sohn (51) Aureliano

(43) Amaranta Ursula, verheiratet mit (45) Gaston,
wird von (51) Aureliano geschwängert: Sohn (52) Aureliano

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2002
Textauszüge: © Kiepenheuer & Witsch

Helmut Krausser - Die wilden Hunde von Pompeii
"Die wilden Hunde von Pompeii" besteht aus mehreren parallel verlaufenden Geschichten über personifizierte Hunde, die in einer einfachen, pseudo-naiven Sprache episodisch erzählt werden. Auf diese Weise hält Helmut Krausser der menschlichen Gesellschaft einen Spiegel vor.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.