Krischan Koch : Rote Grütze mit Schuss

Rote Grütze mit Schuss
Rote Grütze mit Schuss Originalausgabe: Deutscher Taschenbuch Verlag 2013 ISBN: 978-3-423-21433-9, 270 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Weil Thies Detlefsen, der Dorfpolizist in Fredenbüll in Nordfriesland, die Wegrationalisierung seiner Nebenstelle befürchtet, ist er über jede Anzeige froh. Aber so heftig wollte er es auch nicht: Eine hübsche junge Dorfbewohnerin wird vermisst, und am nächsten Tag liegt die zerstückelte Leiche des Biobauern Jörn Brodersen in seinem Mähdrescher. Eine Kommissarin aus Kiel versucht die Fälle mit Thies Detlefsen gemeinsam zu klären ...
mehr erfahren

Kritik

Es geht um die Aufklärung von Verbrechen, aber "Rote Grütze mit Schuss" ist mehr Dorfkomödie als Thriller. Unterhaltsam ist der "Küsten-Krimi", weil uns Krischan Koch mit viel Humor die Figuren nahebringt.
mehr erfahren

Thies Detlefsen ist der Dorfpolizist in Fredenbüll in Nordfriesland.

Der Ort hat drei Deiche, hundertsechsundsiebzig Einwohner, einschließlich einer echten Adelsfamilie, aber ohne die drei Wochenendhäuser, und sechshundert Schafe, hauptsächlich Bio. Es ist alles da, was man braucht: Edeka mit Lotto/Toto, Filiale vom Bäcker Hansen aus Husum, „Salon Alexandra“ und natürlich [den Imbiss] „Die Hidde Kist“, wo Wirtin Antje „Internationale Spezialitäten“ serviert, vom „Halben Brötchen mit herzhaftem Landmett“ über Sauerfleisch in Gelee bis zum „Putenschaschlik Hawaii“. Neuerdings gibt es auch Croque.

Thies ist verheiratet und hat mit seiner Ehefrau Heike die beiden acht Jahre alten Zwillingsmädchen Telje und Tadje. Um zu verhindern, dass das Innenministerium von Schleswig-Holstein die Polizeinebenstelle aus Kostengründen schließt, tut er alles, damit die Zahl der von ihm bearbeiteten Fälle hoch bleibt. Er hat eigens ein Blitzgerät angeschafft. Damit überführt er zu schnell durch den Ort fahrende Touristen und Ferienhausbesitzer. Und wenn ein totes Schaf gefunden wird, lenkt der Polizeiobermeister den Verdacht auf Ökoaktivisten oder die internationale Futtermittelmafia.

Eines Tages kriegt er ernsthaft zu tun, denn der Versicherungsvertreter Leif Ketels meldet seine Ehefrau Swaantje als vermisst. Aber es kommt noch sehr viel übler: Am nächsten Tag wird die Leiche von Swaantjes Schwager Jörn Brodersen gefunden. Sie liegt zerstückelt in einem Mähdrescher. Brodersen hatte nach 23 Semestern Psychologie vorübergehend als Tanztherapeut in Südamerika gearbeitet, war dann vor zehn Jahren nach Fredenbüll gekommen und hatte auf einem seiner hier geborenen Ehefrau Lara gehörenden Stück Land sowohl mit Schafzucht als auch biologischer Landwirtschaft begonnen.

So heftig wollte Thies es nun doch nicht haben. Bei einem Kapitalverbrechen ist er ohnehin auf die Mordkommission in Kiel angewiesen, denn er kann ja nicht gleichzeitig den Tatort absperren, Spuren sichern, Zeugen befragen und womöglich nach Flüchtigen fahnden. Er ruft also in Kiel an. Als der Diensthabende hört, dass ein Bauer in seinem eigenen Mähdrescher ums Leben kam, geht er erst einmal von einem Arbeitsunfall aus. Aber Thies lässt nicht locker:

„Wir brauchen hier den Paddologen, Spusi und so weiter, das große Besteck.“

Am Nachmittag kommt also Kriminalhauptkommissarin Nicole Stappenbek aus Kiel nach Fredenbüll. Nachdem sie den zerstückelten Toten in Augenschein genommen hat, fordert sie die Spurensicherung und den Gerichtsmediziner an.

Der Leser weiß bereits mehr als die Polizei:

Auf dem Gut von Huberta und Onno von Rissen, in etwas mehr als einem Kilometer Entfernung vom Haupthaus, steht eine Remise, ein ehemaliges Kutscherhaus, das einigen Paaren als Liebesnest dient. Am Abend bevor Jörn Brodersen gefunden wurde, traf dieser sich mit seiner Geliebten Swaantje Ketels dort. Sie hatten schon mehrmals davon gesprochen, ihre Ehepartner und Fredenbüll zu verlassen und miteinander in Südamerika ein neues Leben anzufangen. Bevor Swaantje sich an diesem Abend mit Jörn Brodersen traf, hatte sie ihre Koffer gepackt und bei ihrer Freundin Renate abgestellt. Dann war sie mit Renates Fahrrad zur Remise gefahren. Aber nun wurde ihr klar, dass Jörn noch nicht mit Lara gesprochen hatte und das auch gar nicht beabsichtigte. Wo sollte sie nun hin? Frustriert verließ sie die Remise und radelte los.

Zur gleichen Zeit war Hauke Schröder in seinem tiefergelegten Corolla mit zwei weit aufgedrehten 1000-W-Boxen unterwegs. Hauke, der seine Ausbildung zum Dekorateur abgebrochen hat, wohnt bei seiner Tante Telse in Fredenbüll. Seinen Vater hatte er nie kennengelernt, und seine Mutter war vor einiger Zeit zu ihrem neuen Lebensgefährten ins Rheinland gezogen. Als er während der Fahrt an diesem Abend ein Scheppern hörte, das nicht zu „Highway to Hell“ gehörte, stieg er auf die Bremse. Er hatte eine Radfahrerin umgefahren. Swaantje Ketels lag bewusstlos auf der Straße. In diesem Augenblick näherte sich Jörn Brodersen mit seinem Geländewagen. Er hielt an und übernahm es, die Verletzte nach Husum ins Krankenhaus zu fahren. Die beiden Männer hievten also Swaantje auf den Beifahrersitz, und der Biobauer fuhr wieder los.

Allerdings brachte er seine Geliebte nicht ins Krankenhaus, sondern zurück in die Remise. Dort war kurz vor ihm sein Schwager Leif Ketels eingetroffen, um nach Swaantje zu suchen. Leif drückte sich ins Dunkle und beobachtete, was geschah. Jörn hob eine bewusstlose Frau vom Beifahrersitz und trug sie ins Gebäude: Swaantje! Durch ein Fenster sah Leif, dass Jörn Swaantje aufs Bett legte und ihr ein Kissen aufs Gesicht drückte. Leif rüttelte an der Tür, aber die war verschlossen. Deshalb schlug er ein Fenster ein und kletterte hindurch. Zunächst griff er Jörn mit einer Schaufel an, dann packte er eine Sense. Jörn, der sich mit einer Heugabel und einem Dreschflegel bewaffnet hatte, stürzte während der Auseinandersetzung von einem Heuballen in die Sense, deren Klingenspitze sich in seinen Bauch bohrte.

Überzeugt davon, dass Swaantje und Jörn Brodersen tot waren, eilte Leif hilfesuchend zu seiner älteren Schwester. Lara fuhr sofort mit ihm zur Remise. Ihr Ehemann lag unverändert am Boden, aber Swaantje war fort. Lebte sie doch noch? Lara und ihr Bruder brachten Jörns Leiche zum Mähdrescher des Biobauern, fuhren damit auf eine den von Rissens gehörende Wiese und legten sie auf den Schneidetisch, wo sie von der Einzugschnecke erfasst wurde.

In der Gerichtsmedizin stellt sich heraus, dass Jörn Brodersen nicht im Mähdrescher starb, sondern erstochen und erschossen wurde. Der tödliche Schuss wurde mit einem alten Jagdgewehr, das Onno von Rissen längst verstorbenem Vater gehört hatte, aus nächster Nähe erschossen.

Weil der Mähdrescher auf eine Wiese gefahren wurde, die sowohl Jörn Brodersen als auch Hans-Werner Dossmann kaufen wollten, um ihre Betriebe erweitern zu können, gerät der Hühnerbaron unter Verdacht. Angeblich war er in der Mordnacht beim Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft in Rendsburg. Das sagte er auch seiner Frau Erika. Thies und Nicole finden allerdings heraus, dass Dossmann die Nacht mit einer weißrussischen Prostituierten verbrachte. Irina Bereschnaja alias Angelique, die ihre Freier in einem Wohnwagen außerhalb von Fredenbüll empfängt, sagt aus, dass Dossmann zuerst mit ihr in die Remise wollte. Aber dort stand bereits ein Geländewagen. Deshalb kehrten sie zum Wohnwagen zurück, und Dossmann war nur noch einmal kurz weg, um in „Die Hidde Kist“ eine Flasche Rosésekt zu besorgen.

Es stellt sich heraus, dass Jörn Brodersen eine Lebensversicherung über 250 000 Euro abgeschlossen und die Versicherungssumme später verdoppelt hatte. Als Thies mit einer Sachbearbeiterin der Versicherungsgesellschaft telefoniert, wundert diese sich darüber, dass die Akte bei den aktuellen Vorgängen liegt, obwohl die Änderung vom letzten Jahr sein soll. Tatsächlich ließ Leif Ketels die Versicherungssumme erst kürzlich von einem anderen Sachbearbeiter erhöhen und diese Änderung rückdatieren. Seine Schwester Lara hoffte, mit dem Geld Dossmann überbieten und die Wiese der von Rissens kaufen zu können.

Die Rückdatierung der geänderten Police ist nicht der einzige Versicherungsbetrug, den Leif Ketels sich zuschulden kommen ließ. Im Zuge der Ermittlungen fällt auf, dass zwar nahezu alle Bewohner von Fredenbüll glauben, bei der von Leif Ketels vertretenen Gesellschaft gegen alles nur Denkbare versichert zu sein, aber gar keine Versicherungsverträge für sie abgeschlossen wurden. Ketels behielt nämlich die gezahlten Prämien für sich und regelte die kleinen Schäden, die hin und wieder vorkamen, aus seiner eigenen Tasche, um nicht aufzufliegen.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Die beiden Kriminalfälle halten Huberta von Rissen nicht davon ab, auch in diesem Jahr einen „Fredenbüller Kultursommer“ für kunstbeflissene Damen und Herren aus der Stadt zu veranstalten. Die Dorfbewohner ziehen das alljährliche Feuerwehrfest vor. Während sie feiern, apportiert Antjes Hund einen hochhackigen roten Damenschuh und führt die Leute dann zu einer Baustelle, wo das Pendant des ersten Schuhs aus dem Boden ragt. Darin steckt ein Fuß der toten Swaantje, die offenbar jemand verscharren wollte.

Swaantjes rechte Hand weist Schmauchspuren auf. Der Gerichtsmediziner kommt zu dem Schluss, dass die hübsche junge Frau erwürgt, erstickt oder beides wurde. Thies wundert sich:

„Wie jetzt? Erst hat Swaantje Brodersen erschossen und anschließend hat der Tote sie erwürgt.“

Leif Ketels schickt Onno von Rissen, Hans-Werner Dossmann und noch einigen anderen Herren anonyme Erpresserbriefe. Die Buchstaben schneidet er aus der Zeitung aus. In jedem der Briefe tut er so, als könne er nachweisen, dass der Adressat Jörn Brodersen erschoss. Die Geldübergabe soll an einem DLRG-Rettungskasten des um diese Zeit verwaisten Strands erfolgen. Der betrügerische Versicherungsvertreter legt sich rechtzeitig auf die Lauer und beobachtet aus einem Versteck, wie Onno von Rissen angefahren kommt. Der Gutsherr legt ein Kuvert in den Kasten und entfernt sich wieder. Ketels will schon hingehen und das Lösegeld holen, da taucht ein weiterer Wagen auf. Ein Hamburger Professor, der die Remise einige Male für Schäferstündchen mit einer Assistentin benutzte, schaut in den Kasten, zieht das Kuvert heraus und wirft es in den Abfallbehälter, nachdem er festgestellt hat, dass es nur Zeitungsschnipsel enthält. Dann legt er selbst einen Umschlag in den DLRG-Kasten und fährt weg. Hans-Werner Dossmann ist der Dritte, der zur Geldübergabe erscheint. Zur gleichen Zeit wird Leif Ketels in seinem Versteck mit einem Ruder niedergeschlagen.

Am nächsten Morgen findet Janine, die sich im Frisörsalon Alexandra ausbilden lässt, Leif Ketels halb verschmorte Leiche auf der von ihrer Chefin nebenbei betriebenen, offenbar seit Stunden auf der höchsten Stufe eingeschalteten Sonnenbank.

Nicole Stappenbek öffnet die Wohnungstüre des ermordeten Versicherungsvertreters mit einer Kreditkarte, und als sie die Zeitung entdeckt, aus der Buchstaben ausgeschnitten wurden, ahnt sie, dass Leif Ketels jemanden erpressen wollte und deshalb sterben musste.

Sie fährt weiter zur Remise und findet dort Onno von Rissen vor. An dem Abend, an dem Jörn Brodersen ermordet wurde, sagte er seiner Frau, er wolle Freunde auf einem Gut bei Plön besuchen und setzte sich ins Auto, obwohl einer bereits eineinhalb Flaschen Bordeaux getrunken hatte. Huberta von Rissen ahnte, dass er statt nach Plön zum Spielkasino in Travemünde fuhr. Sie weiß, dass ihr fast 20 Jahre älterer Mann nicht nur alkoholkrank, sondern auch spielsüchtig ist. Sie stammt aus einer Hamburger Kaffeedynastie, und ihre Familie musste schon mehrere Male finanziell aushelfen, wenn Onno seine Spielschulden nicht bezahlen konnte. Nicole weiß inzwischen ebenfalls, dass Onno von Rissen damals in Travemünde war. Er verließ das Spielkasino allerdings bald wieder und könnte zur Tatzeit wieder in Fredenbüll gewesen sein. Ein Mordmotiv hatte er auch: Seine Frau betrog ihn mit Jörn Brodersen.

Nicole erklärt Oddo von Rissen, dass sie in einem weiteren Mordfall ermittle. Der Gutsbesitzer verrät sich, als er davon spricht, dass Leif Ketels verbrannte. Das kann außer der Polizei, Alexandra und Janine nur der Täter wissen. Als er merkt, dass er einen Fehler gemacht hat, greift er zu seiner Mistforke. Nicole zieht ihre Dienstpistole aus dem Holster, aber er schlägt sie ihr aus der Hand, hebt die Waffe auf, entsichert sie und zwingt die Kommissarin, sich mit ihren Handschellen an den Kohleherd zu ketten.

Mit einer Haarnadel gelingt es Nicole, die Handschellen unbemerkt zu öffnen. Von draußen ist ein Geräusch zu hören. Oddo von Rissen wird dadurch abgelenkt. Nicole nutzt diesen Augenblick, um sich auf ihn zu stürzen, aber bevor sie ihm die Pistole entreißen kann, schiebt er sich den Lauf in den Mund und drückt ab. Im nächsten Moment stürmt Thies zur Tür herein.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Auf den ersten 20 Seiten stellt Krischan Koch das (fiktive) nordfriesische Dorf Fredenbüll und einige der Bewohner vor. Auf Seite 23 wird eine Frau vermisst gemeldet, und ab Seite 40 geht es außerdem um einen Mordfall. Die Krimi-Handlung ist es allerdings nicht, die „Rote Grütze mit Schuss“ lesenswert macht. Es fließt zwar einiges an Blut und Krischan Koch erzeugt zum Beispiel durch Cliffhanger Spannung, aber die Verbrechen, die es zu klären gilt, wirken ebenso konstruiert wie die polizeilichen Ermittlungen, und am Ende bleiben zu viele Fragen offen. Unterhaltsam ist das Buch, weil uns Krischan Koch mit viel Humor die Figuren nahebringt. „Rote Grütze mit Schuss“ ist mehr eine kurzweilige Dorf- bzw. Heimatkomödie, als ein Thriller.

Der Titel bezieht sich auf eine Süßspeise, die im Imbiss „Die Hidde Kist“ angeboten wird. Es handelt sich dabei wohl nicht um ein Spezialrezept von Heike (das ist die Ehefrau des Polizeiobermeistes), wie es auf Seite 85 heißt, sondern um eine von vielen Dorfbewohnern gern gegessene Kreation Antjes, der Betreiberin der Imbissbude, die „Rote Grütze mit Schuss“ auf der Karte stehen hat.

In die roten Früchte macht sie ’n Schuss roten Genever. Und dann gibt’s auch noch die „Rote Grütze mit Doppelschuss“. Da is in der Vanillesoße noch mal ’n büschen Eierlikör drin.

Den Roman „Rote Grütze mit Schuss“ von Krischan Koch gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Bjarne Mädel (Berlin 2013, 320 Minuten, ISBN 978-3-86231-261-0).

 

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2013
Textauszüge: © Deutscher Taschenbuch Verlag

Stefan Beuse - Die Nacht der Könige
In seinem Roman "Die Nacht der Könige" verbindet Stefan Beuse Thriller-Elemente mit esoterischen Ideen zu einem Albtraum, in dem die Grenzen zwischen Verdrängung und Erinnern, Wahn und Realität verschwimmen.
Die Nacht der Könige