Roter Drache
Roter Drache
Inhaltsangabe
Kritik
Der FBI-Agent Jack Crawford (Dennis Farina) leitet die Ermittlungen gegen einen Serienmörder, der in Atlanta, Georgia, und Birmingham, Alabama, im Abstand von vier Wochen die beiden Familien Jacobi (John Posey, Kristin Holby, Greg Kelly, Brian Kelly, Ryan Langhorne) und Leeds (David Allen Brooks, Elisabeth Ryall, Jason Frair, Bryant Arrants, Christopher Arrants) auf grausame Weise in ihren Häusern ermordete und dabei weder die sechs Kinder noch den Hund und die Katze verschonte. Aufgrund der Bisswunden, die er den getöteten Frauen zufügte, kommt der Spitzname „Zahnfee“ für ihn auf. Und weil beide Bluttaten in Vollmondnächten ausgeführt wurden, befürchtet Crawford, dass der Killer in vier Wochen erneut zuschlägt.
Um ihn bis dahin aufzuspüren und die nächste Mordtat zu verhindern, wendet Crawford sich an seinen früheren Kollegen Will Graham (William L. Petersen), dem es vor drei Jahren gelungen war, den Psychiater Dr. Hannibal Lecter (Brian Cox) als intelligenten kannibalistischen Serienmörder zu entlarven und verhaften zu lassen. Graham wäre bei der Festnahme damals beinahe ums Leben gekommen, und nachdem die im Kampf mit Dr. Lecter erlittenen Verletzungen im Krankenhaus geheilt waren, musste er sich noch längere Zeit einer stationären Behandlung bei dem Psychiater Dr. Sidney Bloom (Paul Perri) unterziehen, weil er sonst durch die grauenvollen Erlebnisse verrückt geworden wäre. Anschließend quittierte er seinen Dienst beim FBI. Es ist deshalb verständlich, dass der traumatisierte Profiler zögert, sich mit dem unbekannten Serienkiller zu befassen. Am Ende lässt Graham sich widerstrebend darauf ein.
Als Erstes schaut Graham sich den Tatort in Atlanta an. Im Garten der in Birmingham ermordeten Familie entdeckt er einen Strick an einem Baum, den der Mörder offenbar benutzt hatte, um in eine Astgabel zu klettern und die Bewohner des Hauses zu beobachten. Einen Zweig, der die Sicht behinderte, schnitt er ab, den Spuren zufolge mit einem Bolzenschneider. Außerdem stößt Graham auf eine Schnitzerei in der Baumrinde: ein Drachensymbol. Die Polizeifotos zeigen Graham, dass der Täter in beiden Fällen Spiegel zerschlug und den Opfern kleine Scherben auf die Augen legte. Damit es ihm leichter fällt, sich in den Kopf des Serienmörders zu versetzen, besucht er Dr. Hannibal Lecter, der unter strengen Sicherheitsauflagen in einer Einzelzelle im Chesapeake State Hospital für geistesgestörte Straftäter eingesperrt ist. Lecter hat in der Zeitung von dem Serienmörder gelesen und ahnt sofort, dass der Besucher seine Meinung dazu hören möchte. Begierig blättert er in dem Dossier über die beiden Bluttaten. Plötzlich merkt Graham, dass durch die Beschäftigung mit dem neuen Fall wieder alles in seinem Inneren aufbricht, und er stürzt entsetzt davon.
Der Sensationsreporter Freddy Lounds (Stephen Lang) fotografiert ihn beim Verlassen des Gebäudes und schließt aus der Beobachtung, dass der Sonderermittler den Rat des berüchtigten Serienmörders Dr. Hannibal Lecter eingeholt hat. Die nächste Ausgabe seiner Zeitung, des „National Tattler“, ist mit dem Foto und der Meldung aufgemacht. Falls der Killer den „National Tattler“ liest, erfährt er, wer ihn jagt. Genau das wollte Graham vermeiden, um seine Ehefrau Molly (Kim Greist) und seinen kleinen Sohn Kevin (David Seaman) nicht zu gefährden.
Bei der Reinigung von Lecters Gefängniszelle wird eine auf Toilettenpapier geschriebene Mitteilung des unbekannten Serienmörders an den Häftling gefunden. Offenbar bewundert der Killer Hannibal Lecter, hat Kontakt mit ihm aufgenommen und erwartet eine Antwort in Form einer verschlüsselten Kleinanzeige im „National Tattler“. Das FBI lässt sofort alle Anzeigenaufträge prüfen und stößt dabei auf einen verdächtigen Text. Erst nach dem Abdruck der Annonce gelingt es Experten, sie zu entschlüsseln: Lecter hat dem Gewaltverbrecher Grahams Privatadresse mitgeteilt!
Um den Killer zu provozieren, behauptet Graham in einem Interview mit dem widerwärtigen Reporter Lounds, das Verhalten des offenbar Geistesgestörten lasse auf eine homosexuelle Neigung schließen. Vergeblich geht Graham nach der Veröffentlichung des Artikels nachts durch die Straßen und wartet auf einen Angriff des Serienmörders. Der betäubt stattdessen Lounds, als dieser zu seinem geparkten Auto geht, und verschleppt ihn. Als Lounds wieder zu sich kommt, ist er auf einen Stuhl gefesselt. Er hat Todesangst. Der Mörder hält ihm einen Kassettenrekorder hin und zwingt ihn, einen vorbereiteten Text mit einer Drohung gegen Graham zu verlesen. Kurz darauf hört ein Wachmann im Zeitungsverlag hinter sich ein Geräusch, und als er sich umdreht, sieht er, wie ein lichterloh brennender Mann in einem Rollstuhl auf ihn zugerast kommt: Freddy Lounds. Die Bisswunde in seiner Stirn zeugt von seinem Mörder.
Als Graham die Kassette mit der Drohung erhält, rast er mit einem Polizeiaufgebot nach Hause und drängt seine Frau, für einige Zeit mit Kevin zu ihrem Vater zu ziehen. Molly ist entsetzt über ihren Mann, der sich erneut auf ein lebensgefährliches Duell mit einem Gewaltverbrecher eingelassen hat: „Entweder du wirst verrückt oder getötet!“
Bei dem Serienmörder handelt es sich um einen sprach- und geistesgestörten Fotolaboranten, dessen Mund durch eine Narbe entstellt ist: Francis Dolarhyde (Tom Noonan). Als er sich in seine blinde Kollegin Reba McClane (Joan Allen) verliebt, versucht er, gegen den mordlüsternen Teil seiner Person anzukämpfen. Eines Abends bringt er sie zu einem Tierarzt, der einen Tiger betäubt hat, um ihn behandeln zu können. Francis lässt Reba das Fell des Tieres fühlen. Danach nimmt er sie mit nach Hause und schläft mit ihr.
Die nächste Vollmondnacht bricht an. Crawford hat sich bereits damit abgefunden, dass der dritte Mordanschlag nicht verhindert werden kann, aber er hat ein großes Aufgebot von Einsatzkräften in Alarmbereitschaft versetzt und hofft, dem Serienkiller diesmal auf die Spur zu kommen. Graham dagegen überlegt fieberhaft, was den Mörder bewegen könnte und denkt sich exzessiv in ihn hinein. Er wundert sich, wieso der Täter in Birmingham einen Bolzenschneider bei sich hatte, und als er zum wiederholten Mal Familienvideos der Jacobis anschaut, fällt ihm ein Vorhängeschloss auf, das zur Tatzeit längst durch ein normales Türschloss ersetzt worden war. Kannte der Täter das Video? Glaubte er deshalb, einen Bolzenschneider zu benötigen, um das Vorhängeschloss zu knacken? Graham erkundigt sich nach dem Labor, das den Videofilm überspielte. Gateway Lab in St. Louis. Auch Familienvideos der Familie Leeds wurden dort bearbeitet. Also ist der Serienmörder vermutlich unter den Angestellten zu finden! Er sucht sich seine Opfer auf den Videos aus!
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In einer Sondermaschine eilen Graham und Crawford nach St. Louis, Missouri. Während des Flugs lässt Crawford sich die Liste der Angestellten des Fotolabors durchgeben, und Graham telefoniert mit anderen Kollegen, die sich in einer Führerscheinkartei die Passfotos der Männer ansehen und sie ihm kurz beschreiben. Francis Dolarhyde, ein großer, kräftiger, vierunddreißigjähriger Weißer: das muss er sein! Nach der Landung rasen Graham und Crawford zu der Adresse des Mannes in Chester bei St. Louis. Vergeblich versucht Crawford, Graham davon abzuhalten, sich noch vor Eintreffen der angeforderten Verstärkung dem Haus zu nähern.
Francis Dolarhyde hat an diesem Abend beobachtet, wie Reba von einem anderen Kollegen nach Hause gebracht wurde. Er erschießt den vermeintlichen Rivalen und klingelt dann bei ihr. Auf die Frage der Blinden, ob er Francis sei, antwortet er düster, Francis sei fort. Er nimmt Reba, die sich über ein verändertes Verhalten wundert, mit in sein Haus. Als er die Stereoanlage laut aufdreht, beginnt Reba sich zu fürchten, denn sie ist dadurch orientierungslos und weiß nicht, was er mit ihr vorhat. Francis ringt mit sich: Ein Teil seiner schizophrenen Persönlichkeit liebt Reba, der andere muss sie töten. Er zerschlägt mit der Faust einen Spiegel, zerrt Reba auf einen Tisch und will ihr gerade mit einer Glasscherbe die Halsschlagader zerfetzen, als Graham durch die Terrassentür springt. Francis verletzt Graham mit der Glasscherbe im Gesicht und schlägt ihn nieder. Dann schießt er alle Lampen kaputt. Reba versteckt sich in einem Nebenraum. Graham kommt wieder zu sich und tötet den Serienmörder mit einem Pistolenschuss.
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)Mit dem Thriller „Roter Drache“ („Red Dragon“, 1981) eröffnete Thomas Harris (*1940) seine schaurige Trilogie über Dr. Hannibal Lecter, die er mit „Das Schweigen der Lämmer“ („The Silence of the Lambs“, 1988) fortsetzte und mit „Hannibal“ („Hannibal“, 1999) abschloss. „Roter Drache“ spielt etwa fünf Jahre vor „Das Schweigen der Lämmer“, „Hannibal“ sieben Jahre danach. Alle drei Romane wurden verfilmt: „Roter Drache“ 1986 von Michael Mann und 2002 von Brett Ratner, „Das Schweigen der Lämmer“ 1991 von Jonathan Demme und „Hannibal“ 2001 von Ridley Scott.
2006 reichte Thomas Harris die Vorgeschichte der Trilogie nach: „Hannibal Rising“ und schrieb parallel dazu das Drehbuch für die Verfilmung durch Peter Webber [mehr dazu].
Weil der Produzent DeLaurentiis damals gerade mit „Im Jahr des Drachen“ („Year of the Dragon“ 1985, Regie: Michael Cimino) einen Misserfolg erlitten hatte, wollte er im Titel der Verfilmung von Thomas Harris‘ Roman „Roter Drache“ das Wort „Drache“ vermeiden. Der Film heißt deshalb in der Originalfassung „Manhunter“ und kam als „Blutmond“ in die deutschen Kinos. Bei Fernseh-Ausstrahlungen lautet der Titel inzwischen „Roter Drache“.
Der Akzent in „Roter Drache“ bzw. „Blutmond“ liegt auf erschreckenden psychischen Parallelen zwischen den beiden bestialischen Serienmördern auf der einen und dem raubtierhaften Sonderermittler Will Graham auf der anderen Seite. Wir erleben, wie der besessene Polizist durch die Fähigkeit, sich in die Gedankenwelt der psychopathischen Gewaltverbrecher einzufühlen, beinahe selbst zugrunde geht. Im Vergleich zu „Das Schweigen der Lämmer“ spielt Dr. Hannibal Lecter – oder Dr. Hannibal Lecter, wie die Figur im Film heißt – in dieser Geschichte eine eher unbedeutende Rolle.
Als Michael Mann den Stoff von „Roter Drache“ zum ersten Mal verfilmte, lieferte er das präzise Bild einer Menschenjagd, einen erschreckenden Angriff auf das Herz Amerikas. Das Phänomen Lecter unterschätzte er jedoch völlig. Er nahm ihm alle Eigenschaften des Kulturmenschen, die der Autor Thomas Harris von Anfang an vorgesehen hatte, er nahm ihm sogar den Kannibalismus. Einmal heißt es lapidar, er hätte „ein paar Collegegirls“ umgebracht – was Lector, wie wir heute wissen, niemals tun würde. So blieb die Figur nicht in unserem Bewusstsein, und „Roter Drache“ wurde ein Flop. Erst „Das Schweigen der Lämmer“ machte Lecter zu dem, was er heute ist. (Tobias Kniebe, Süddeutsche Zeitung, 30. Oktober 2002)
Bis auf das Ende hält Michael Mann sich in „Roter Drache“ an die literarische Vorlage. Für die Optik wählten er und Dante Spinotti (Kamera) kühle Neonfarben. Leider wirken die Schauspieler zumindest im Vergleich mit Jodie Foster und Anthony Hopkins in „Das Schweigen der Lämmer“ ebenfalls blass.
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005/2007
Thomas Harris: Roter Drache
Thomas Harris: Das Schweigen der Lämmer
Thomas Harris: Hannibal
Brett Ratner: Roter Drache
Jonathan Demme: Das Schweigen der Lämmer
Ridley Scott: Hannibal
Michael Mann: Heat
Michael Mann: Insider
Michael Mann: Ali
Michael Mann: Collateral