Thomas Harris : Roter Drache

Roter Drache
Originalausgabe: Red Dragon, 1981 Roter Drache Übersetzung: Sepp Leeb Heyne Verlag, München 1988
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Zwei Familien werden bestialisch ermordet. Weil die Bluttaten in Vollmondnächten durchgeführt wurden, befürchtet FBI-Agent Jack Crawford, dass der Serienkiller bei Vollmond erneut zuschlägt. Um ihn bis dahin aufzuspüren, wendet er sich an den Profiler Will Graham, dem es gelungen war, den kannibalistischen Psychiater Dr. Hannibal Lecter zu verhaften, weil er sich besonders gut in die Gedanken psychopathischer Serienmörder versetzen kann ...
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Kritik

Mit dem Thriller "Roter Drache" eröffnete Thomas Harris seine schaurige Trilogie über Dr. Hannibal Lecter. Er fesselt seine Leser nicht nur durch eine spannende Handlung mit Splatterelementen, sondern zugleich durch die differenzierte Darstellung der Figuren.
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Der FBI-Agent Jack Crawford leitet die Ermittlungen gegen einen Serienmörder, der in Atlanta, Georgia, und Birmingham, Alabama, im Abstand von vier Wochen die Familien Jacobi und Leeds auf grausame Weise in ihren Häusern ermordete. Aufgrund der Bisswunden, die er den beiden getöteten Frauen zufügte, kommt der Spitzname „Zahnfee“ für ihn auf. Weil beide Bluttaten in Vollmondnächten ausgeführt wurden, befürchtet Crawford, dass der Killer in vier Wochen erneut zuschlägt.

Um ihn bis dahin aufzuspüren und die nächste Mordtat zu verhindern, wendet Crawford sich an seinen früheren Kollegen Will Graham, dem es vor drei Jahren gelungen war, den Psychiater Dr. Hannibal Lecter als intelligenten, kultivierten, kannibalistischen Serienmörder zu entlarven und festnehmen zu lassen. Graham wäre bei der Festnahme damals beinahe ums Leben gekommen, und nachdem die im Kampf mit Dr. Lecter erlittenen Verletzungen im Krankenhaus geheilt waren, musste er sich noch längere Zeit einer stationären psychiatrischen Behandlung unterziehen, weil er sonst durch die grauenvollen Erlebnisse verrückt geworden wäre. Anschließend quittierte er seinen Dienst beim FBI. Es ist deshalb verständlich, dass Graham zögert, sich mit dem unbekannten Serienkiller zu befassen. Am Ende lässt er sich widerstrebend darauf ein.

Graham besucht Hannibal Lecter, der unter strengen Sicherheitsauflagen in einer Einzelzelle im Chesapeake State Hospital für geistesgestörte Straftäter eingesperrt ist. Hannibal Lecter hat in der Zeitung von den Bluttaten gelesen und ahnt sofort, dass der Besucher seine Meinung dazu hören möchte. Die Begegnung wühlt bei Graham die Erinnerungen an die vergangenen Erlebnisse auf und setzt ihm schwer zu. Er weiß nicht, dass Hannibal Lecter das Idol des neuen Serienkillers ist und die beiden Kontakt miteinander aufgenommen haben.

Bei dem Mörder der Familien Jacobi und Leeds handelt es sich um den Fotolaboranten Francis Dolarhyde, einen Schizophrenen mit einem Mutter-Komplex. Als der Psychopath sich in seine blinde Kollegin Reba McClane verliebt, versucht er, gegen den mordlüsternen Teil seiner gespaltenen Person anzukämpfen. Er lädt sie in sein Haus ein. Eine Zimmerwand ist mit einer Reproduktion des Gemäldes „Roter Drache“ von William Blake geschmückt, das Francis Dolarhyde zu seinen Bluttaten inspiriert – aber das kann Reba nicht sehen …

Hannibal Lecter macht sich einen sadonischen Spaß daraus, seinen innerlich zerrissenen Fan und den labilen, besessenen Profiler gegeneinander zu hetzen und zu beobachten, ob Graham durch die intensive Empathie mit dem Serienmörder endgültig dem Wahnsinn verfällt …

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Mit dem Thriller „Roter Drache“ („Red Dragon“, 1983) eröffnete Thomas Harris (*1940) seine schaurige Trilogie über den kultivierten Kannibalen Dr. Hannibal Lecter, die er mit „Das Schweigen der Lämmer“ („The Silence of the Lambs“, 1988) fortsetzte und mit „Hannibal“ („Hannibal“, 1999) abschloss. „Roter Drache“ spielt etwa fünf Jahre vor „Das Schweigen der Lämmer“, „Hannibal“ sieben Jahre danach. Alle drei Romane wurden verfilmt: „Roter Drache“ 1986 von Michael Mann und 2002 von Brett Ratner, „Das Schweigen der Lämmer“ 1991 von Jonathan Demme („Das Schweigen der Lämmer“) und „Hannibal“ 2001 von Ridley Scott.

2006 reichte Thomas Harris die Vorgeschichte der Trilogie nach: „Hannibal Rising“ (Übersetzung: Sepp Leeb, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2006, 345 Seiten, ISBN 3-455-40050-7, 19.95 €).

Hannibal Lecter wächst mit seiner jüngeren Schwester Mischa auf der Burg seiner Eltern, die einem traditionsreichen Adelsgeschlecht angehören, in Litauen auf. Während des Zweiten Weltkriegs versteckt sich die Familie im Wald. Ein deutscher Stuka, der einen sowjetischen Panzer ganz in ihrer Nähe angreift, wird abgeschossen. Beim Absturz des Flugzeugs kommen Hannibals und Mischas Eltern ums Leben. Die beiden verwaisten Kinder suchen Zuflucht in einem Haus. Als Mischa von hungrigen Marodeuren umgebracht und verspeist wird, bricht ihr zwölfjähriger Bruder zusammen. Ziellos herumwandernd, wird Hannibal Lecter von Soldaten der Roten Armee aufgegriffen und in die inzwischen zum Waisenhaus umfunktionierte Burg Lecter gebracht. Von dort flieht er nach acht Jahren den Hinterbliebenen seines Onkels Robert Lecter nach Frankreich und studiert Medizin. Der Gedanke, seine Schwester zu rächen, lässt ihn nicht mehr los und er ruht nicht eher, bis er den siebten und letzten der Kriegsverbrecher in Kanada getötet hat.Parallel zum Roman schrieb Thomas Harris das Drehbuch für die Verfilmung: „Hannibal Rising. Wie alles begann“, die am 15. Februar 2007 mit Gaspard Ulliel in der Hauptrolle in die deutschen Kinos kam.

Originaltitel: Hannibal Rising – Regie: Peter Webber – Drehbuch: Thomas Harris – Kamera: Ben Davis – Schnitt: Valerio Bonelli, Pietro Scalia – Musik: Ilan Eshkeri, Shigeru Umebayashi – Darsteller: Helena Lia Tachovska, Richard Leaf, Michele Wade, Martin Hub, Ingeborga Dapkunaite, Joerg Stadler, Aaron Thomas, Rhys Ifans, Richard Brake, Kevin McKidd, Stephen Walters, Ivan Marevich, Gaspard Ulliel, Li Gong, Jos Houben, Nancy Bishop, Charles Maquignon, Dominic West, Jaroslav Vízner, Hugh Ross, Beata Ben Ammar u.a. – 2007; 115 Minuten

In „Roter Drache“ beschäftigt Thomas Harris sich mit der fließenden Grenze zwischen psychischer Gesundheit und Wahnsinn: Bei den Serienmördern Hannibal Lecter und Francis Dolarhyde handelt es sich zweifelsohne um Psychopathen, aber der besessene Sonderermittler Will Graham, der sich in erschreckend intensiv in ihre Psyche hineinversetzen kann, droht sich dabei selbst zu verlieren, und er steht ebenso wie Francis Dolarhyde unter einem inneren Zwang. Thomas Harris fesselt seine Leser nicht nur durch eine spannende Handlung und die Schilderung bestialischer Morde, sondern zugleich durch die differenzierte Darstellung der Figuren und ihrer psychologischen Entwicklung.

„Roter Drache“ gibt es auch in einer gekürzten Hörbuchfassung (Sprecher: Hans Peter Hallwachs, 3 CDs, 190 Minuten, Heyne, ISBN: 3-453-19862-X).

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005/2007

Kannibalismus

Thomas Harris: Das Schweigen der Lämmer
Thomas Harris: Hannibal

Michael Mann: Blutmond / Roter Drache
Brett Ratner: Roter Drache
Jonathan Demme: Das Schweigen der Lämmer
Ridley Scott: Hannibal

Dieter Wunderlich - EigenSinnige Frauen
Aus der Fülle des Materials kondensierte ich keine trockenen Beschreibungen, sondern bei aller Faktentreue eine unterhaltsam spannende Lektüre mit dem Zweck, die Leserinnen und Leser zu ermutigen, in ihrem Leben eigene Fußstapfen zu setzen.
EigenSinnige Frauen