Naomi Alderman : The Future

The Future
The Future 4th Estate (HarperCollins), London 2023 Simon & Schuster, New York 2023 The Future Übersetzung: Barbara Ostrop Wilhelm Heyne Verlag, München 2023 ISBN 978-3-453-27437-2, 541 Seiten ISBN 978-3-641-30773-8 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Nicht nur Endzeit-Sekten befürchten den Weltuntergang. Die CEOs der drei Tech-Giganten im Silicon Valley verfügen über eine exklusive Software, von der erwartet wird, dass sie so frühzeitig vor der Apokalypse warnt, dass sich die Milliardäre in Sicherheit bringen können, bevor das Chaos ausbricht. Aber mit einer Verschwörer-Gruppe rechnen sie nicht ...
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Kritik

Das von Naomi Alderman für "The Future" gewählte Thema – Kapitalismus, ökologische und Klima-Katastrophe – ist hochaktuell, und alle vernünftigen Leserinnen und Leser werden ihr Plädoyer für die Weltrettung unterstützen, aber die Lektüre der 541 Seiten langen Gesellschaftssatire ist enttäuschend.
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Fantail

Lenk Sketlish gründete vor 20 Jahren in Kalifornien das soziale Netzwerk Fantail und führt das Unternehmen seither als CEO.

Seine persönliche Assistentin Martha Einkorn war sieben Jahre alt, als ihr Vater Ralph Zimmerman sich den Namen Enoch gab und in Oregon die fundamentalistische Endzeit-Sekte der Enochiten gründete. Ihre Mutter trennte sich daraufhin von ihrem Mann und ließ Martha bei ihm zurück. Im Alter von 16 Jahren floh Martha aus der Sekte. Zwölf Wochen später schloss Enoch sich mit mehr als hundert Anhängern in einem Keller ein, und dort starben sie bei einem Feuer.

Medlar

Martha Einkorn diskutiert im Name-The-Day-Prepper-und Survival-Forum unter dem Pseudonym OneCorn mit ArturoMegadog, der bürgerlich Albert Dabrowski heißt und als CEO des Tech-Giganten Medlar rausgeworfen wurde.

Verdrängt wurde er von Ellen Bywater, der Witwe des unlängst im Alter von 64 Jahren gestorbenen Will Bywater und Mutter des 21-jährigen nonbinären Sohnes Badger. Die 64-Jährge führt nun den Weltkonzern Medlar.

Anvil

CEO des ebenfalls im Silicon Valley ansässigen Logistik- und Handelsriesen Anvil ist Zimri Nommik, ein Mann, der seine Ehefrau Selah Nommik betrügt, und zwar ausschließlich mit Afroamerikanerinnen.

AUGR

Lenk Sketlish, Ellen Bywater und Zimri Nommik, die CEOs der drei Tech-Giganten, lassen sich durch eine Präsentation von Si Packship überzeugen, dessen Survival-KI AUGR zu kaufen. Sie verfügen zwar alle drei über geheime Survival-Bunker, wollen aber vor der breiten Masse vor der Apokalypse gewarnt werden und sich in Sicherheit bringen können, bevor alles zusammenbricht. AUGR berechnet aus allen überhaupt verfügbaren Daten Trends und ist auf diese Weise in der Lage, eine Katastrophe frühzeitig vorherzusagen. Das Programm ist nur für eine kleine Gruppe wie die drei CEOs gedacht; es würde keinen Sinn machen, wenn es beispielsweise eine ganze Stadtbevölkerung warnen würde.

Lai Zhen

Als Lai Zhen zehn Jahre alt war, erkrankte ihre an einer Universität in Hongkong Geschichte lehrende Mutter an Krebs. Vier Jahre später starb die Frau, und in dieser Zeit versäumte Zhens Vater die Frist für die Beantragung eines British National (Overseas) Passport. Weil dann auch noch die Papiere bei der Explosion des Wohnhauses vernichtet wurden, verbrachten der Witwer und seine Tochter drei Jahre zuerst in einer Obdachlosenunterkunft in Hongkong, dann in einem britischen Flüchtlingslager vor der Küste.

Inzwischen ist Lai Zhen 33 und reist als Expertin für Survival durch die Welt.

In London lernt sie Martha Einkorn kennen und hat eine dreitägige Affäre mit ihr, bevor sich die Wege wieder trennen.

Kurz darauf wird Lai Zhen in der Seasons Time Mall in Singapur von einer Fanatikerin verfolgt, die sie erschießen will. Plötzlich meldet sich auf dem Thinscreen an ihrem Jackenärmel eine ihr bis dahin unbekannte Software – AUGR – und rät ihr, wie sie die Verfolgerin ausschalten und dem Anschlag entkommen kann.

Flugzeugabsturz

Als AUGR vor der Apokalypse warnt, setzen sich die drei Milliardäre mit einem Zimri Nommik gehörenden Privatjet ab. Sie starten in Nordkalifornien.

Eine Pandemie mit dem Namen Taubengrippe, so heißt es, werde die Hälfte der Menschheit töten.

Einige Stunden nach dem Start stürzt das Flugzeug ab. Mini-Fallschirme und MedlarSafeCrashJackets retten die drei Passagiere. Am Boden finden sie Schutzanzüge vor, die offenbar aus ehemaligen Anzügen für virtuellen Sex entwickelt wurden.

Gestrandet sind sie im Dschungel eines FutureSafe-Naturschutzgebietes auf der Admiral-Huntsy-Insel nordöstlich von Papua-Neuguinea.

Weil niemand erfahren sollte, wo sich die CEOs der Tech-Giganten in Sicherheit bringen würden, schaltete der Pilot des Privatjets nicht nur den Transponder aus, sondern gab auch falsche Positionen durch. Niemand weiß also nun, wo nach dem verschwundenen Flugzeug suchen könnte, und es werden weder Leichen noch Trümmer gefunden.

Misstrauen

Lai Zhen hält sich in Kanada auf, als AUGR ihr mitteilt, dass ihre Evakuierung veranlasst worden sei. Ein Fahrer holt sie ab und betäubt sie, als ein Hubschrauber auftaucht.

Auf der Admiral-Huntsy-Insel kommt Lai Zhen wieder zu sich und trifft auf die drei gestrandeten Milliardäre.

Zimri Nommik misstraut den anderen und macht sich davon. Lenk Sketlish lässt mit einer Sprengladung Felsen bersten, und es sieht so aus, als sei Ellen Bywater durch die Explosion zerfetzt worden. Mit einem weiteren Sprengstoffanschlag hat er es auf Lai Zhen abgesehen, beschädigt zwar nur deren leeren Schutzanzug, glaubt aber, sie sei tot, und Lai Zhen zieht sich in einen anderen Winkel der Insel zurück.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Paradigmenwechsel

Wie kam es zur Aussetzung der Milliardäre auf der Admiral-Huntsy-Insel?

Martha Einkorn, Selah Nommik, Badger Bywater und Albert Dabrowski verschworen sich gegen die CEOs der Tech-Giganten, brachten sie dazu, AUGR zu kaufen und gaukelten ihnen dann eine virtuelle Welt vor. Der Privatjet, mit dem sie sich vor der Apokalypse retten wollten, wurde von Albert Dabrowski gesteuert, der den Autopiloten einschaltete und ein paar hundert Kilometer vor dem Erreichen der Admiral-Huntsy-Insel mit dem Fallschirm absprang.

Die Verschwörer verdienen sehr viel Geld an den Börsen, als die Aktienkurse der drei betroffenen Unternehmen zunächst abstürzen und dann kräftig steigen – Entwicklungen, die sie selbst verursachen und vorhersehen.

Martha Einkorn erweist sich als Retterin von Fantail, Badger Bywater bewährt sich als Nachfolger seiner Mutter bei Medlar, und Selah Nommik leitet Anvil anstelle ihres für tot erklärten Ehemanns. Ihnen geht es darum, die weitere Zerstörung der Erde aufzuhalten. Unter ihrer Führung ändern die drei Weltkonzerne ihre Prioritäten und tragen maßgeblich dazu bei, dass beispielsweise das Artensterben beendet wird und sowohl Dachbiotope als auch neue Naturschutzgebiete entstehen. Die Wegwerfgesellschaft wandelt sich, als die Industrie nur noch Geräte anbietet, die repariert und deren Komponenten recycelt werden können. Im Individualverkehr setzt man auf Carsharing.

Martha und Zhen

Drei Jahre nach dem Flugzeugabsturz erfährt Martha Einkorn, dass nicht nur die drei früheren CEOs der Tech-Giganten auf die Admiral-Huntsy-Insel gebracht wurden, wie im Plan vorgesehen, sondern auch Lai Zhen. Das haben ihr die anderen verheimlicht, weil sie von der Liebesaffäre wussten.

Es musste sein, weil das AUGR-Programm, das Martha zum Schutz ihrer kurzzeitigen Geliebten auf deren Thinscreen gespielt hatte, Zhen ebenso wie die Milliardäre über die angeblich bevorstehende Apokalypse warnte und ihre Rettung ankündigte. Albert Dabrowski holte sie dann mit einem Wagen ab und betäubte sie, bevor sie zu einem Hubschrauber getragen und einige Tage später auf der Admiral-Huntsy-Insel ausgesetzt wurde.

Auf einem Fiberglasboot mit Solarsegel erreicht Martha die Insel und setzt sich an den Strand, bis Zhen zu ihr kommt.

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Die englische Schriftstellerin Naomi Alderman (*1974) fing 2004 an, sich Szenarien für Alternate Reality Games auszudenken. 2006 debütierte sie als Schriftstellerin mit dem Roman „Disobedience“ / „Ungehorsam“. „The Power“ (2016) / „Die Gabe“ (2018) erwies sich als Bestseller.

Mit dem Roman „The Future“ legt Naomi Alderman eine Gesellschaftssatire über Tech-Giganten vor, die wir mit Facebook („Fantail“) und X, Amazon („Anvil“), Alphabet, Apple und Microsoft („Medlar“) assoziieren. Die Geschichte, die Naomi Alderman in „The Future“ erzählt, spielt in naher Zukunft. Angesichts des Artensterbens und der Klimakatastrophe rechnen nicht nur Endzeit-Sekten mit dem nahen Weltuntergang. Die CEOs der drei Tech-Giganten haben geheime Überlebensbunker angelegt und besorgen sich eine exklusive Software, deren Algorithmus aus allen überhaupt verfügbaren Daten Trends berechnet. AUGR werde sie – und nur sie – so frühzeitig vor der Apokalypse warnen, erwarten die Milliardäre, dass sie sich in Sicherheit bringen können, bevor das Chaos aus- und alles zusammenbricht. Aber einer Verschwörer-Gruppe gelingt es, die CEOs auszuschalten, die Kontrolle über die Weltkonzerne zu übernehmen und einen Paradigmenwechsel herbeizuführen: effektive und effiziente Aktionen zur Rettung der Erde werden Toppriorität.

Das von Naomi Alderman für „The Future“ gewählte Thema – Kapitalismus, ökologische und Klima-Katastrophe – ist hochaktuell, und alle vernünftigen Leserinnen und Leser werden ihr Plädoyer für die Weltrettung unterstützen, aber die Lektüre des 541 Seiten langen Romans ist enttäuschend. Die wie in Comics wirkende Action im Showdown auf der einsamen Insel kontrastiert mit der breit ausgewalzten ersten Hälfte des Buches, aber es fehlt an einer dramaturgischen Steigerung. Naomi Alderman entwickelt die Geschichte nicht linear-chronologisch, sondern springt zwischen Zeitebenen und Handlungssträngen hin und her, ohne damit einen literarischen Mehrwert zu erzielen. Den Lesefluss unterbricht sie dann auch noch durch seitenlange Listen und Auszüge aus dem „Name-The-Day-Prepper-und Survival-Forum“ mit einem Chat über die biblische Geschichte von Lot, der rechtzeitig vor dem Untergang der Stadt Sodom gewarnt wird, mit seiner Familie flieht und mit den beiden jungfräulichen Töchtern überlebt, während seine Frau zurückblickt und zur Salzsäule erstarrt.

Auf dem Titel sind die überlagerten Konturen eines Fuchs- und eines Kaninchenkopfes abgebildet; sie stehen für Jäger und Sammler.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2024

Alfred Andersch - Die Rote
Alfred Andersch erzählt in "Die Rote" abwechselnd aus den Blickwinkeln von Franziska und Fabio. In das äußere Geschehen integriert er innere Monologe: Reflexionen Franziskas und anderer Figuren.
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