Svenja Viola Bungarten : Maria Magda

Maria Magda
Maria Magda Verlag der Autoren, Frankfurt/M Uraufführung: Theater Münster, 14. Mai 2022 Regie: Theresa Thomasberger Inszenierung am Münchner Volkstheater Premiere: 2. März 2024 Regie: Jessica Weisskirchen
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Maria wird von ihren Eltern in ein Klosterinternat für schwer erziehbare Mädchen geschickt. Dort bekommt sie das Bett eines vor zwei Monaten spurlos verschwundenen anderen Mädchens namens Mirjam zugeteilt – das ihr hochschwanger im Traum erscheint. Maria wird bald darauf ebenfalls von Gott vergewaltigt. Aber nun erheben sich die Mädchen und Frau gegen ihn ...
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Kritik

Das Theaterstück "Maria Magda" von Svenja Viola Bungarten ist eine Mischung aus Grusical und Internatsgeschichte mit der zentralen Forderung, die von Männern geprägte Geschichtsschreibung feministisch zu korrigieren. Zum Beispiel habe es sich bei Marias "unbefleckter Empfängnis" – sofern sie überhaupt stattfand – um eine Vergewaltigung gehandelt.
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Die Handlung spielt im 21. Jahrhundert.

Die Geschichte ist immer eine Geschichte der Gewalt

Wer die Geschichte hat, hat die Macht.

Wir erzählen den Anfang und das Ende der Geschichte. Beides eine Frau. Die eine ausgezeichnet durch ihre Jungfräulichkeit, die andere durch ihre Fotze.

Frage dich: Warum opfern Frauen in Geschichten ihre Körper und Männer nicht. Frage dich: Warum werden Frauen die Brüste abgeschnitten und Männern nicht die Schwänze.

Maria wird von ihren Eltern in ein Klosterinternat für schwer erziehbare Mädchen geschickt, das sich weitab von Siedlungen im Wald befindet. Dort bekommt sie das Bett eines vor zwei Monaten spurlos verschwundenen anderen Mädchens namens Mirjam zugeteilt.

Magda war in Mirjam verliebt, aber diese erwiderte die Gefühle ihrer Zimmernachbarin nicht. Dennoch war Hildegard („Hildie“), die Magda vergeblich begehrte, eifersüchtig.

Die hochschwangere Mirjam erscheint Maria im Traum und warnt sie: Maria sei in Gefahr, befürchtet sie. Unheil ist zu ahnen, und es heißt, der Geist des Hexenjägers Heinrich Kramer gehe im Kloster um. Der Hauptverfasser der Schrift „Malleus Maleficarum“ („Hexenhammer“), der sich rühmte, 200 Hexen vernichtet zu haben, soll hier im Kloster bei lebendigem Leib verbrannt worden sein.

Die Mädchen im Klosterinternat tuscheln darüber, dass es sich bei der von der katholischen Kirche gelehrten unbefleckten Empfängnis um eine Vergewaltigung gehandelt habe. Es heißt, ein Knabe locke Jungfrauen zu Gott, der sie dann im Schlaf vergewaltige. Wenn sie dann merken, dass sie schwanger sind, können sie sich nicht an die Vergewaltigung erinnern.

Gott erscheint eitel und selbstbewusst:

„Maria, du kleine Bitch. Weil ich ein Gott bin, werde ich dich vergewaltigen.“

Sie solle sich fügen, meint er und verheißt ihr, die Frauen würden später zu ihr aufschauen.

„Auch du wirst eine Figur sein, zu der man beten kann, wenn man Kummer hat oder irgendwas mit Kindern. Das werden deine Bereiche sein. Was willst du mehr? Der Kummer und irgendwas mit Kindern. Ihr werdet das irgendwann Care-Arbeit nennen.“

Dann schwängert er sie gewaltsam.

Aber das lassen die Frauen und Mädchen nicht so stehen. Magda tötet Gott, und als er wiederaufersteht, wird er gezwungen, seinen nächsten Sohn selbst auszutragen. Unter Schmerzen windet sich der Hochschwangere, während Mirjam als funkelnde Göttin „Ma Donna Ha“ über allem schwebt. (Der Name ist eine Reverenz an die feministische Professorin Donna Jeanne Haraway.)

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Das Theaterstück

Das am 14. Mai 2022 vom Theater Münster uraufgeführte Theaterstück „Maria Magda“ von Svenja Viola Bungarten kann als Mischung aus Grusical und Mädcheninternatsgeschichte gesehen werden. Zentral ist die Forderung, die von Männern geprägte Geschichtsschreibung feministisch zu korrigieren. Nur so würden sich die patriarchalischen Strukturen ändern lassen. Das beginnt mit der von Männern verfassten Bibel. Zur christlichen Legende gehört Mariä Empfängnis, die unbefleckte Schwängerung der jungfräulichen Mutter Gottes. Da ist die Frau nichts weiter als ein passives, wehrloses Gefäß.

Der Männerbund der Kirche hat die Lust der Frau verteufelt und versucht, die weibliche Sexualität auf die Fortpflanzung in der Ehe zu beschränken. Damit einhergegangen ist die Forderung nach Gehorsam gegenüber dem Mann.

Svenja Viola Bungarten klagt nicht nur die misogyne Rollenzuweisung an, sondern thematisiert darüber hinaus vor allem die Hexenverfolgung, die sie unter Berufung auf das Buch „Caliban und die Hexe. Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation“ von Silvia Federici (Mandelbaum Verlag, Wien 2012) mit der gewaltsamen Niederkämpfung des Widerstands der Frauen gegen das Aufkommen des Kapitalismus in Verbindung bringt.

Svenja Viola Bungarten (*1992) studierte Szenisches Schreiben und Narrativer Film an der Universität der Künste Berlin. Für ihr Libretto der am 25. Mai 2016 in der Neuköllner Oper uraufgeführten Oper „Post Nuclear Love“ (Musik: Yuval Halpern; Regie: Anja Kerschkewicz) wurde Svenja Viola Bungarten mit dem Berliner Opernpreis ausgezeichnet, und für ihr Theaterstück „Maria Magda“ erhielt sie den Autor*innenpreis des Heidelberger Stückemarkts 2021.

„Maria Magda“ am Münchner Volkstheater

Maria: Ruth Bohsung, Magda: Anne Stein, Hildie: Maral Keshavarz, Mutter Oberin: Patricia Litten, Mirjam / Ma Donna Ha: Pia Amofa-Antwi, Junge: Jonah Pietsch oder Luka David Singer, Gott: Silas Breiding

Am Münchner Volkstheater inszenierte Jessica Weisskirchen das Bühnenstück „Maria Magda“ von Svenja Viola Bungarten. Die Premiere fand am 2. März 2024 statt.

Die von Wanda Traub gestaltete versenkte Bühne ist mit einem kreisrunden Laufsteg umrandet. Im Hintergrund sind fünf gotische Kirchenfenster angedeutet, und über der Bühne schwebt ein zwischendurch wogender Wolkenvorhang. Im Zentrum der Bühne steht anfangs ein Metallbett, in dem Maria gerade erwacht. Es ist ihr erster Morgen im Klosterinternat.

Magda und ein weiteres Mädchen namens Hildegard („Hildie“) erzählen Maria – alle in weißen Nachthemden – bei Taschenlampenlicht beunruhigende Gerüchte, die mit dem Kloster zusammenhängen, aber auch Horrorgeschichten aus der christlichen Überlieferung. Sobald die Mutter Oberin („Mutter genügt“) die Mädchen auf einem Dreirad umkreist, ziehen sie die Bettdecke über den Kopf und stellen sich schlafend.

Ein Junge mit einem Kuschel-Lamm taucht in Marias Träumen auf. Er lockt sie, ihm zu folgen, denn er will sie zu seinem Vater bringen, zu Gott.

Der taucht dann strahlend wie ein Motivationstrainer auf und schwängert Maria gewaltsam.

Aber das nehmen die Frauen und Mädchen nicht länger hin. Magda, nun mit einer Glatze und amputierten Teufelshörnern, beißt Gott tot. Und als er blutüberströmt aufersteht, zwingen ihn die Mädchen, seinen nächsten Sohn selbst auszutragen. Dabei solidarisiert sich auch die Mutter Oberin mit ihnen. Und Hildegard schwebt als Göttin über dem Wolkenvorhang.

Jessica Weisskirchen (*1985) hatte Geowissenschaften und Umweltgeochemie studiert, bevor sie das Metier wechselte, 2022 ihr Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main mit dem Mastertitel abschloss und ihre Theaterkarriere als Regieassistentin in ihrer Geburtsstadt Heidelberg begann.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2024

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