Darja Donzowa : Der unschuldige Mörder

Der unschuldige Mörder
Žena moego muža (Die Frau meines Mannes) Eksmo, Moskau 2000 Der unschuldige Mörder Übersetzung: Judith Elze Wilhelm Goldmann Verlag, München 2003 ISBN 978-3-442-75114-3, 382 Seiten btb, München 2005 ISBN 978-3-442-73018-6
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Maxim ("Max") Andrejewitsch Poljanskij soll seine siebte Ehefrau Veronika ("Nika") ermordet haben. Dascha Iwanowna Wassiljewa kann das nicht glauben. Und sie kennt ihn gut, denn sie war seine dritte Ehefrau und er der zweite ihrer vier Ehemänner. Die Beweislage ist erdrückend, aber Dascha beginnt, auf eigene Faust nach dem wirklichen Mörder zu suchen , obwohl sie sich dabei selbst in Gefahr bringt ...
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Kritik

Mit großer Fabulierlaune entwickelt Darja Donzowa in „Der unschuldige Mörder“ einen Plot, der von Kapitel zu Kapitel komplexer und undurchschaubarer wird, den sie jedoch auf den letzten Seiten entwirrt. Der Kriminalroman ist nicht so ernst gemeint und bietet eine unterhaltsame Lektüre, bei der man nebenbei einige Eindrücke vom Leben in Moskau um 2000 gewinnt.
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Dascha kann nicht glauben, dass Max ein Mörder ist

Dascha Iwanowna Wassiljewa erfährt, dass Maxim („Max“) Andrejewitsch Poljanskij festgenommen wurde, weil er seine siebte Ehefrau Veronika („Nika“) ermordet haben soll. Max hatte Veronika Medwedjewa 1994 kennengelernt. Damals, vor fünf Jahren, war die Tochter des berühmten Pädagogenpaares Anna und Michail Medwedjew Siegerin in einem Schönheitswettbewerb geworden. Dascha kennt Max gut, denn sie war seine dritte Ehefrau und er der zweite ihrer vier Ehemänner.

Ich habe viermal geheiratet, und jedes Mal war es ein Fehlschlag gewesen. Dann beschloss ich, dass ich für das Familienleben nicht geschaffen bin, pfiff darauf und beließ es dabei. Allerdings war es da schon zu spät. Denn die Männer gingen zwar fort, aber ihre Verwandten hatten nicht die geringste Absicht, mich zu verlassen, sie sind mir erhalten geblieben. Mit Kescha hat es angefangen. Er ist eigentlich der Sohn meines ersten Mannes. Seine echte Mutter arbeitete als Archäologin und verschwand für einige Jahre in der Wüste. Kescha lebte bei seinem Vater, bis er drei Jahre alt war, dann wurde er mir zuteil. Manja hat mir meine letzte Ehe eingebracht. Mein vierter Mann hatte nach unserer Scheidung eine Frau mit einem Baby geheiratet. Sie beschlossen, nach Amerika auszuwandern, wollten aber das kleine Mädchen nicht mit sich ins Ungewisse nehmen. So landete Manja vorübergehend bei mir. Etwa ein Jahr später starb ihre Mutter, während mein Ex eine Amerikanerin heiratete. So kommt es, dass ich zu meinem Sohn auch noch eine Tochter bekommen habe. Zwischen diesen beiden Ehen lagen noch zwei, die eine mit Poljanskij, die andere mit Filipp Krassawin.

Sie kann sich zwar nicht vorstellen, dass der Liebhaber weiblicher Schönheit Veronika ins Gesicht schoss, aber die Beweislage aus Indizien und Zeugenaussagen ist erdrückend. Seine Nachbarinnen Anna Michailowna und Natascha Simonowa wollen gesehen haben, wie er zur Tatzeit in blutbesudelter Kleidung aus dem Haus rannte.

Um den ihrer Meinung nach Unschuldigen vor einer Verurteilung zu retten, beauftragt Dascha ihren 26-jährigen Stiefsohn Arkadi („Kescha“) Wassiljew, der Rechtsanwalt geworden ist, mit Max‘ Verteidigung und sucht selbst nach dem wirklichen Mörder.

Dascha versucht, die Wahrheit zu ergründen und beobachtet einen weiteren Mord

Erst einmal will sie versuchen, mit der Mathematik-Studentin Olga Nikiforowna („Jana“) Sokolowa zu reden, mit der Max 1998 eine Affäre begonnen hatte. Aber die junge Frau verließ Moskau in einem Zug nach Kiew und ist seither spurlos verschwunden. Die Schaffnerin Ljubow Pawlowna wird später aussagen, dass eine junge Frau, auf die Janas Personenbeschreibung passt, bereits in Fominsk ausgestiegen sei.

Dascha beobachtet zufällig und unbemerkt durch ein Innenfenster, wie der Journalist Semjon Wladimirowitsch Worobjow, ein Bekannter von Max, den sie befragen wollte, von einer Frau erschossen wird, die sie als Adelaida („Ada“) Genrichowna Klein zu erkennen glaubt, mit der er seit fast 25 Jahren verheiratet ist. Ada beteuert bei ihrer Verhaftung, sie habe ihren Mann nicht getötet, aber auch in diesem Fall spricht alles gegen sie. Immerhin wundert Dascha sich über Adas kleine Hände und Füße, denn die Mörderin hatte deutlich größere.

Max und der Mafiapate

Bei ihren weiteren Nachforschungen gerät Dascha an Iwan Michailowitsch, den „Kruglyj“ genannten örtlichen Mafiaboss, der mit Max zusammen heimlich einen Antiquitätenhandel betrieb, der viel gewinnbringender war, als Max‘ ebenfalls erfolgreiches Geschäft mit Eiern.

Damals gab es in der Hauptstadt absolut keine Eier mehr zu kaufen. Wenn die Moskauer jemandem ein Geschenk machen wollten, brachten sie ein Ei mit. Zuerst borgte [Max] sich von einem Freund ein Auto und fuhr nach Glebowo, ein Dorf mit einer Hühnerfarm, wo er zum Großhandelspreis eintausend Eier erwarb. Am nächsten Tag stellte er sich an einen U-Bahneingang und verkaufte sie innerhalb von zwanzig Minuten. Alles Weitere geschah wie im Märchen. Er kaufte zweitausend, dreitausend, viertausend Stück. Das Geschäft florierte, wenn auch natürlich nicht ohne Widrigkeiten. Ein paar Mal griffen ihn Banditen und Milizionäre an. Aber es zeigte sich, dass Max großes kaufmännisches und diplomatisches Talent besaß. 1995 waren alle Probleme gelöst. Die örtliche Mafia sorgte für Ruhe und erhielt dafür einen ordentlichen Prozentsatz des Erwerbs. Auch die Miliz bekam einen gesalzenen Anteil. Max begann, vor allem Ukrainer und Weißrussen ohne Ausweis als Verkäufer einzustellen. Dann vergrößerte er weiter: Er eröffnete ein Büro und monopolisierte den Markt. Heute was es nicht möglich, ein einziges Ei zu kaufen oder zu verkaufen und Max dabei zu übergehen. Konkurrenten versuchten es mehrere Male, Eier aus Polen in die Hauptstand einzuführen, aber alle Versuche schlugen fehl. Die Mafiosi, die sofort anrückten, zerschlugen die „illegale“ Ware und bedrohten deren Besitzer. Andere riskierten es lieber gar nicht erst.

Von Iwan Michailowitsch erhielt Max kurz vor der Ermordung Veronikas einen Kredit in Höhe von einer Million Dollar in bar zurückgezahlt. Der Kruglyj stellt nun einen 18-Jährigen namens Kolja Bekas ab, der Dascha beschützen soll – und sich prompt in ihre Pflegetochter Manja verliebt.

Max glaubt, die Million sei noch in einem Versteck, aber als Dascha nachsieht, ist da nichts mehr.

Mehr Fragen als Antworten

Jana Sokolowas Tante und Pflegemutter Rada Iljinitschna Sokolowa – die mit Adas Schwester Amalia Genrichowna Klein befreundet war – wird tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Jemand hat sie und ihre Nachbarin Tanja ermordet.

Durch Zufall stößt Dascha in einem Krankenhaus auf eine komatöse Patientin, deren Namen die Ärzte nicht kennen. Der 16-jährige Viktor Sergejewitsch Rasumnow hatte sie auf einem Feldweg gefunden. Sie war splitternackt. Jemand muss sie fast zu Tode gewürgt haben. An einem Muttermal erkennt Dascha Janas Kommilitonin Shenja Poljakowa.

Jede neue Erkenntnis wirft weitere Fragen auf – und Dascha gerät selbst in Lebensgefahr: Kolja Bekas rettet sie vor einem Unbekannten, der auf sie schießt.

Entführung

Unerwartet ruft Max an und verabredet sich mit Dascha. Wie gelang es ihm, aus dem Gefängnis freizukommen? Er führt sie zu einem Auto, in dem eine junge Frau sitzt. Sobald Dascha eingestiegen ist, wird sie betäubt. Als sie wieder zu sich kommt, liegt sie gefesselt in einem Zimmer und wird von einer scheinbar alten Frau bewacht.

Bei dem Mann, der sich soeben als Max ausgab, muss es sich um einen Imitator gehandelt haben!

Es sah so aus, als habe Max seiner Frau ins Gesicht geschossen, aber es war ein Doppelgänger, und bei der Getöteten handelte es sich nicht um Veronika. Allmählich durchschaut Dascha die Zusammenhänge.

(Die Auflösung erfolgt im Buch ab Seite 358.)

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Mit Dascha Iwanowna Wassiljewa hat die russische Schriftstellerin Darja Donzowa eine unkonventionelle Romanfigur geschaffen, die mit einem hochgestellten Beamten des Innenministeriums befreundet ist, aber Kontakte mit der Mafia nicht scheut und auf eigene Faust versucht, einen Mordfall aufzuklären, obwohl sie dabei selbst in Lebensgefahr gerät und sich zunächst immer neue Fragen auftürmen.

Mit großer Fabulierlaune entwickelt Darja Donzowa in „Der unschuldige Mörder“ einen Plot, der von Kapitel zu Kapitel komplexer und undurchschaubarer wird, den sie jedoch auf den letzten Seiten entwirrt. Vielleicht spielt ein wenig zu oft der Zufall Dascha in die Hände, und es sind auch nicht alle Handlungen der Figuren überzeugend, aber der Kriminalroman „Der unschuldige Mörder“ ist auch nicht so ernst gemeint und bietet eine unterhaltsame Lektüre, bei der man nebenbei einige Eindrücke vom Leben in Moskau um 2000 gewinnt.

Der Originaltitel „Žena moego muža“ hätte ins Deutsche übersetzt „Die Frau meines Mannes“ gelautet. Der Verlag wählte stattdessen „Der unschuldige Mörder“. Darja Donzowa wurde für das Buch mit dem Russischen Krimipreis ausgezeichnet.

Darja Donzowa wurde am 7. Juli 1952 als Agrippina Arkadjewna Wasiljewa in Moskau geboren. Den Namen Donzowa erhielt sie später von ihrem Ehemann. Nach dem Studium an der Lomonosow Universität schrieb sie für eine Zeitung in ihrer Heimatstadt, arbeitete als Übersetzerin und unterrichtete sowohl Deutsch als auch Französisch. Während eines längeren Krankenhausaufenthalts schrieb sie Kriminalromane und debütierte damit 1995. Inzwischen gehört sie längst zu den in Russland am meisten gelesenen Autorinnen und Autoren. Ihre Gesamtauflage wird auf 200 Millionen geschätzt. Mehrere ihrer literarischen Vorlagen wurden als Fernsehserien verfilmt.

In deutschen Übertragungen liegen vor:

  • Ein Hauch von Winter (2000 / 2003; Dascha Wassiljewa-Reihe)
  • Der unschuldige Mörder (2000 / 2004; Dascha Wassiljewa-Reihe)
  • Der fünfte Mord (2000 / 2004; Dascha Wassiljewa-Reihe)
  • Nichts wäscht weißer als der Tod. (2000 / 2006; Tanja Romanowa-Reihe)
  • Spiele niemals mit dem Tod (2001 / 2007; Tanja Romanowa-Reihe)
  • Perfekt bis in den Tod. (2001 / 2007 Tanja Romanowa-Reihe)
  • Bis dass dein Tod uns scheidet (2001 / 2008; Tanja Romanowa-Reihe)
  • Verlieb dich nie in einen Toten (2001 / 2008; Tanja Romanowa-Reihe)
  • Vögel, die am Abend singen (2001 / 2009; Tanja Romanowa-Reihe)
  • Den letzten beißt der Hund (2002 / 2010; Tanja Romanowa-Reihe)
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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2019
Textauszüge: © Wilhelm Goldmann Verlag

Leon de Winter - Geronimo
"Geronimo" ist eine komplexe Mischung aus Polit-, Agenten- und Action-Thriller mit mehr als einem halben Dutzend Personen, darunter eine 13-Jährige, der die Taliban beide Hände abhacken, weil sie Pianistin werden möchte. Bei der Gliederung folgt Leon de Winter dem Vorbild der Goldberg-Variationen.
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