Gisa Klönne : Der Wald ist Schweigen

Der Wald ist Schweigen
Der Wald ist Schweigen Ullstein Buchverlage, Berlin 2005 ISBN 978-3-550-08633-5, 364 Seiten ISBN 978-3-548-92097-9 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Eine Försterin im Bergischen Land findet auf einem Hochsitz die von Krähen verstümmelte Leiche eines Lehrers aus Bonn. Einige Tage später wird im selben Wald ein Mädchen tot geborgen. Die ermittelnde Kommissarin vermutet einen Zusammenhang mit dem nahen Aschram, muss aber wegen einer Traumatisierung von dem Fall abgezogen werden ...
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Kritik

Mit wenigen Ausnahmen entwickelt Gisa Klönne die Handlung aus den Blickwinkeln der weiblichen Hauptfiguren von "Der Wald ist Schweigen". Dabei wechselt sie von Kapitel zu Kapitel die subjektive Perspektive und inszeniert das Geschehen wie im Kino.
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Ein Toter

Ein Pilze sammelndes Ehepaar, Helga und Egbert Wiehl, stößt am 26. Oktober im Erlengrund im Bergischen Land auf die verstörte Revierförsterin Diana Westermann, die soeben auf einem Hochsitz die von Krähen verstümmelte Leiche eines Mannes entdeckte.

Axel Millstätt, der Leiter der Kölner Mordkommission, beauftragt Kriminalhauptkommissarin Judith Krieger mit der Leitung der Ermittlungen.

Damit gibt er der 38-Jährigen eine letzte Chance, sich beruflich zu bewähren. Die früher hervorragende Ermittlerin ist psychisch schwer angeschlagen, seit vor gut zwei Jahren der mit ihr eng befreundete Kollege Patrick bei einem Einsatz erschossen wurde, in dem er sie vertrat. Weil sie sich mit Schuldgefühlen quält, ist sie kaum in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.

Manfred („Manni“) Korzilius soll bei den Ermittlungen mit Judith Krieger zusammenarbeiten.

Bei der routinemäßigen Befragung von in der Nähe des Tatorts lebenden Menschen macht der 16-jährige Marc Weißgerber die Polizei auf ein seit zwei Wochen in einer Scheune abgestelltes Motorrad aufmerksam. Es ist auf Andreas Wengert in Bonn zugelassen, einen Sport- und Englischlehrer am Schiller-Gymnasium. Ein Vergleich des Gebisses des Toten mit Röntgenaufnahmen des Zahnarztes bestätigt die Vermutung, dass es sich bei dem mit Schrot auf dem Hochsitz erschossenen Mann um Andreas Wengert handelt.

Die 43-jährige Dolmetscherin Juliane Wengert hat ihren zehn Jahre jüngeren Ehemann nicht als vermisst gemeldet, weil sie davon ausging, dass er eine seiner Motorradtouren unternahm. Seit der Hochzeit vor fünf Jahren lebte sie mit ihm in einer Jugendstilvilla in Bonn, die sie von ihrer Großmutter geerbt hat.

Die Försterin

Diana Westermann engagierte sich drei Jahre lang bei einem Entwicklungshilfe-Projekt in Kenia und Tansania – bis sie ihren Chef Robert („Bob“) Walter mit der 15-jährigen Tochter ihrer Freundin Kate ertappte. Mary-Ann wurde schwanger und brachte eine Tochter zur Welt. Robert Walter versuchte, seine Vaterschaft abzustreiten, aber Diana ließ das nicht zu. Mit der Drohung, für einen Skandal in den deutschen Medien zu sorgen, erpresste sie den Forstwirtschafts-Professor. Er sah sich gezwungen, für Belinda Unterhalt zu zahlen und Diana eine passende Anstellung in Deutschland zu vermitteln. Im Februar löste sie den pensionierten Revierförster Alfred Hesse im Forsthaus im Schnellbachtal ab.

Als Diana im Wald ein Handy mit der Gravur „Darshan’s“ findet, bringt sie es zum Sonnenhof im Schnellbachtal. Vedanja (bürgerlich: Christoph Brandes), der pädagogische Leiter des vom Ehepaar Beate und Heiner von Stetten betriebenen Yoga-Aschrams, nimmt es ihr ab. Eine junge Frau namens Darshan habe ein paar Monate lang hier gelebt, erklärt er, sei jedoch inzwischen in Indien.

Laura (1)

Vedanja versprach seiner Schwester Andrea, besonders auf Laura Nungesser zu achten. Die 17-jährige Bonner Schülerin himmelte ihren Lehrer Andreas („Andi“) Wengert an und hatte mit ihm ein Verhältnis – bis die beiden von Wengerts Ehefrau Juliane in flagranti erwischt wurden. Daraufhin nahm Hannah Nungesser ihre Tochter von der Schule und schickte sie auf Anraten ihrer besten Freundin Andrea zum Sonnenhof.

Andreas Wengert schwor, die Affäre sei beendet, und Hannah Nungesser, die sich inzwischen in der Toskana aufhält, ahnt ebenso wenig wie Juliane Wengert, dass Lehrer und Schülerin sich heimlich weiter trafen. Ihr Liebesnest war ein Hochsitz im Erlengrund in der Nähe des Sonnenhofs.

Als Laura begreift, dass es sich bei dem Toten im Erlengrund um Andi handelt, ist sie froh über die tröstende Liebe, die ihr ein anderer Mann entgegenbringt, den sie Jey nennt.

Festnahme

Weil Judith Krieger bei der Ermittlungsarbeit Fehler unterlaufen, zieht ihr Chef sie am 2. November von dem Fall ab und beurlaubt sie. Manfred Korzilius übernimmt die Leitung der Ermittlungen und ein Neuer namens Ralf Meuser unterstützt ihn dabei.

Juliane Wengert wird am 5. November festgenommen, als sie mit dem Auto nach Brüssel unterwegs ist und man bei ihr ein Flugticket nach Jamaika findet. Sie besitzt ein Ferienhaus im Bergischen Land, hat für die Tatzeit kein Alibi, und eine von der Polizei befragte Nachbarin berichtete von einem heftigen Ehestreit der Wengerts, bei dem es um eine Affäre des Lehrers mit einer Schülerin ging.

Rechtsbeistand erhält Juliane Wengert von ihrem langjährigen Anwalt Albrecht Tornow.

Darshan

Die beurlaubte Kommissarin Judith Krieger bittet am 8. November darum, als Privatperson einige Zeit auf dem Sonnenhof verbringen zu dürfen, und Heiner von Stetten erfüllt ihr den Wunsch.

Am Tag darauf stoßen von Diana Westermann beauftragte Waldarbeiter in einem verschlammten Krater auf eine weitere Leiche. Der Rechtsmediziner Karl-Heinz Müller stellt fest, dass die junge Frau einen Schädelbruch erlitt. Jemand schnallte der Schwerverletzten einen mit Steinen gefüllten Rucksack um und versenkte die noch Lebende im Schlamm. Das geschah vor 4 bis 8 Monaten.

Die Tote wird als Maria Klein aus Duisburg-Rheinhausen identifiziert. Die 22-Jährige lebte zuletzt unter dem Namen Darshan auf dem Sonnenhof, wollte jedoch nach Indien reisen. Der Beauftragte des Aschrams, in den sie dort aufgenommen werden sollte, wartete jedoch am 8. Mai am Sahar International Airport Mumbay vergeblich auf Darshan: Sie hatte zwar den Flug gebucht, war aber in Frankfurt nicht an Bord gegangen.

Das von Diana Westermann im Sonnernhof abgegebene Handy mit der Gravur „Darshan’s“ ist verschwunden. Vedanja behauptet, er habe es zu den Fundsachen gelegt; es sei gestohlen worden.

Laura (2)

Hannah Nungesser kommt am 11. November aus der Toskana zurück. Lauras 41-jährige Mutter ist schwanger.

Im Alter von 23 Jahren verliebte sich Hannah in den Geologie-Studenten Robert Nungesser, und als sie ein Kind erwarteten, heirateten sie. Hannah wollte eigentlich Schauspielerin werden, aber nach Lauras Geburt reichte es nur zur Souffleuse. Robert Nungesser promovierte, und als Laura elf Jahre alt war, reiste er beruflich nach Afrika. Von dort kam er nie zurück, und kürzlich ließ Hannah ihn für tot erklären.

Stefan Safranzki, ein IT-Experte der Kölner Polizei, konnte von Andreas Wengert und Laura Nungesser ausgetauschte Mails sicherstellen. Erst als Manfred Korzilius und Ralf Meuser die 17-Jährige damit konfrontieren, gibt sie zu, den Lehrer auch nach ihrer Verbannung auf den Sonnenhof im Wald getroffen zu haben, aber sie beteuert, die mit „Laura“ unterzeichnete Mail an Andreas Wengert vom 5. Oktober – mit der Andreas Wengert offenbar auf den Hochsitz gelockt wurde – sei nicht von ihr.


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Abgeschickt wurde diese Mail von Vedanjas Account, aber das reicht nicht, um ihn zu überführen, denn auch andere Personen auf dem Sonnenhof könnten seinen Computer benutzt haben. Sobald sich allerdings herausstellt, dass er wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraft ist, wird er festgenommen.

Showdown (Spoiler)

Judith Krieger konfrontiert Heiner von Stetten am 12. November mit dem Verdacht, er habe etwas mit Darshan gehabt. Er will es nicht zugeben, aber seine Frau räumt ein, dass sie Darshan das Geld für die Indienreise gegeben habe, um die Affäre ihres Mannes mit der 22-Jährigen zu beenden.

Hannah Nungesser ruft besorgt an und erkundigt sich nach ihrer angeblich erkrankten Tochter. Daraufhin geht Heiner von Stetten mit Judith Krieger zu Lauras Zimmer. Es ist leer.

Judith Krieger alarmiert sofort Manfred Korzilius und sorgt dafür, dass niemand der Anwesenden den Sonnenhof verlässt, bis die Polizei eintrifft.

Währenddessen ist Laura auf einem Hochsitz eingeschlossen. In einer Truhe findet sie Darshans Handy und Kleidung von Andreas Wengert. Die Tür ist zwar mit einem Vorhängeschloss versperrt, aber Laura gelingt es, Bretter zu lösen und durch eine Öffnung zu klettern.

Sie rennt zum Forsthaus. Diana Westermann ist nicht zu Hause. Als Jey mit dem Lieferwagen kommt, rennt Laura um ihr Leben, aber er holt sie ein und reißt sie zu Boden.

Kurz zuvor kam Diana Westermann auf dem Nach-Hause-Weg am Sonnenhof vorbei und fragte eine Polizistin, was los sei. So erfuhr sie, dass nach Laura und einem Tatverdächtigen gesucht wird. In der Nähe des Forsthauses steht der Lieferwagen des auf dem Sonnenhof beschäftigten Schreiners Benjamin („Jey“) Roth, und die Försterin erkennt an Spuren, dass Laura da war.

Sie verständigt die Polizei und macht sich im Wald auf die Suche nach Laura.

Als der Mörder mit einem Gewehr auf Laura zielt, erschießt ihn die Försterin und rettet dem Mädchen das Leben.

Epilog

Diana und ihr neuer Freund Tom aus Köln wollen mit Laura im Forsthaus eine WG gründen. Laura beabsichtigt, Forstwirtschaft zu studieren.

Judith Krieger kann aufgrund ihres beherzten und umsichtigen Einsatzes auf dem Sonnenhof damit rechnen, von Axel Millstätt weiterbeschäftigt zu werden. Und sie ruft ihren Freund Martin an, mit dem sie sich vor kurzem überwarf.

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Gisa Klönne interessiert sich in ihrem Kriminalroman „Der Wald ist Schweigen“ vor allem für die Frauen: die Kommissarin Judith Krieger, die Schülerin Laura Nungesser, deren Mutter Hannah, die Försterin Diana Westermann und Juliane Wengert, die Witwe des Ermordeten. Sie haben alle Schlimmes erlebt und tun sich schwer damit, darüber hinwegzukommen.

Mit wenigen Ausnahmen entwickelt Gisa Klönne die Handlung aus den Blickwinkeln dieser Hauptfiguren von „Der Wald ist Schweigen“. Dabei wechselt sie von Kapitel zu Kapitel die Perspektive. Das verschafft uns beim Lesen Informationsvorsprünge gegenüber den Ermittlern. Zugleich wissen wir, dass keine der Protagonistinnen unvoreingenommen ist und sie alle ihre Umgebung subjektiv gefärbt wahrnehmen. Diese Unsicherheit erhöht die Spannung.

Gisa Klönne schreibt durchgängig im Präsens und erzählt nicht, sondern inszeniert das Geschehen lebendig. Dadurch wirkt „Der Wald ist Schweigen“ ähnlich wie ein Kinofilm, bei dem man glaubt, dabei zu sein.

Den Roman „Der Wald ist Schweigen“ von Gisa Klönne gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Caroline Peters.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2022

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Phil Marlowe berichtet in der Ich-Form, was er wahrnimmt, denkt und vermutet. Er ist kein Mann der großen Worte, aber er verliert selten seinen trockenen Humor. Schon das macht "Der große Schlaf" zu einem besonderen Lesevergnügen.
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