Gisa Klönne : Für diesen Sommer

Für diesen Sommer
Für diesen Sommer Originalausgabe Kindler Verlag, Hamburg 2022 ISBN 978-3-463-00028-2, 448 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Franziska, die 1986 als 17-Jährige ihr Elternhaus verließ, kommt im Alter von über 50 Jahren zu ihrem verwitweten Vater Heinrich Roth zurück. Ihre ältere Schwester Monika, die mit ihrer Familie am anderen Ende des Dorfes wohnt, ist nicht verreist, wie es heißt, sondern wird seit einem Nervenzusammenbruch in einer Klinik behandelt. Franziska stößt auf ein Familiengeheimnis, das im Nachhinein vieles erklärt ...
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Kritik

In dem bewegenden, eindrucksvollen Roman "Für diesen Sommer" geht es um Schuld und Reue, Scheitern und Loslassen, Versöhnung, Abschied und Neuanfang. Gisa Klönne entwickelt den Plot im geschmeidigen Wechsel nicht nur zwischen Gegenwart und Vergangenheit, sondern auch den Perspektiven von Vater und Tochter.
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Franziska

Franziska („Ziska“) kommt nach langer Zeit im Alter von über 50 Jahren erstmals wieder in ihr Heimatdorf Mühltal bei Darmstadt und betritt das Elternhaus, in dem nur noch ihr verwitweter Vater Heinrich Roth wohnt.

Als Schülerin beteiligte sich Franziska an Demonstrationen in Darmstadt, Frankfurt und Wiesbaden. Sie engagierte sich als Umweltaktivistin im Allgemeinen und für den Erhalt der Wälder im Besonderen. Auch bei der Schülerzeitung arbeitete sie mit – und verliebte sich in den drei Jahre älteren Chefredakteur Artur Bellmann, der schließlich als Journalist nach Berlin zog.

Im Sommer 1986 stand plötzlich ihre ein Jahr ältere Freundin Anna Kilian vor der Tür und überbrachte die Nachricht, dass Artur sich aus dem 25. Stockwerk eines Berliner Gebäudes gestürzt habe. Drei Tage später, kurz vor ihrem 18. Geburtstag, packte Franziska ihre Sachen, verließ das Elternhaus und zog in Arturs Zimmer in einer WG in Berlin.

Franziska war dann Journalistin Berlin, Umwelt-Campaignerin in Hamburg, Vancouver und Südamerika, suchte ihren Weg in Ashrams und betrieb zuletzt einen Biohof im nordhessischen Niedenstein.

Sie war zum ersten Mal in Indien, als sie von ihrer älteren Schwester Monika erfuhr, dass die krebskranke Mutter Johanne im Sterben lag. Obwohl Franziska das nächste Flugzeug von Mombai nach Frankfurt nahm, kam sie zu spät: Als sie in der Palliativstation des Krankenhauses eintraf, war die Mutter bereits seit drei Stunden tot.

Mit ihrem Lebensgefährten Lars erwarb Franziska einen Bauernhof in Niedenstein, bewirtschaftete ihn und richtete einen Hofladen ein. Das war eine gute Zeit – bis Lars die 21-jährige Praktikantin Jule schwängerte und sich Franziska deshalb von ihm trennte. Jule lebt inzwischen irgendwo in Südamerika, und die Tochter Mia wächst bei Lars auf, der das alleinige Sorgerecht für sie hat.

Monika

Als Franziska damals das Elternhaus verließ, verzichtete ihre ältere Schwester Monika („Moka“) auf das Stipendium in Kalifornien und blieb in Mühlbach, um die Eltern nicht im Stich zu lassen. Dennoch machte sie Karriere. Dr. Ing. Monika Jandel wohnt mit ihrem Ehemann Thomas Jandel am anderen Ende des Dorfes. Dort haben sie gebaut. Die Tochter Lene studiert Jura in Heidelberg, der 17-jährige Sohn Florian geht noch zur Schule.

Heinrich

Heinrich Roth, das uneheliche Kind einer Varieté-Tänzerin in Berlin, gelangte im Zweiten Weltkrieg mit der Kinderlandverschickung nach Polen. Als 13-Jähriger kehrte er im Februar 1945 allein zurück und suchte nach seiner Mutter Lilo Roth in Berlin. Mitgebracht hatte er nur eine Seite aus „Brehms Tierleben“ von 1927 mit der Lithografie eines Ameisenbären.

Nach dem Abitur in Berlin studierte Heinrich in Darmstadt und wurde Vermessungsingenieur.

In Darmstadt verliebte er sich in Johanne. Sie wuchs in Ostpreußen auf. 1943 wurde die Zehnjährige zu ihrer Großmutter Frieda nach Darmstadt vorausgeschickt. Die Eltern wollten mit Johannes Geschwistern folgen, kamen jedoch bei der Flucht über die Ostsee ums Leben.

Anna

Die Eltern von Franziskas Freundin Anna Kilian waren Schauspieler. Als die Mutter nach Hollywood ging, zog der Vater Anna und ihren älteren Halbbruder allein in Darmstadt auf.

Dr. Anna Kilian betreibt inzwischen eine Arztpraxis in Darmstadt und zieht mit Lothar, ihrem dritten Lebensgefährten, dessen Zwillingsenkel Luise („Lu“) und Philip („Phil“) auf, denn Lothars Sohn Markus und dessen Frau Stine sind seit drei Jahren in Südostasien verschollen.

Edith

Edith Wörrishofen, die Nachbarin der Roths, hatte ihren Ehemann Hubert verlassen, war aber nach drei Jahrzehnten in Indien zu ihm zurückgekommen. Damals war ihr indischer Lebensgefährte Rabindra bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Inzwischen ist Edith verwitwet.

Sturz

Der Witwer Heinrich Roth ist inzwischen 84 Jahre alt und leidet unter Polyneuropathie.

Im Wandsafe hortet er die von Johanne hinterlassenen Tabletten, die ihm die Sicherheit geben, selbstbestimmt aus dem Leben scheiden zu können. Auch eine Kopie des beim Notar Dr. Stefan B. Meyer hinterlegten Testaments liegt im Tresor. Die im Zorn über die rebellische jüngere Tochter getroffenen Regelungen will er so bald wie möglich ändern, denn inzwischen bereut er es, Franziskas Erbe auf den Pflichtteil beschränkt zu haben. Als er nachts nicht schlafen kann, sich vornimmt, das Testament aus dem Safe zu holen und versucht, die Treppe hinaufzugehen, stürzt er.

Franziska findet ihn, als sie einige Zeit später von einem Treffen mit Anna nach Hause kommt. Heinrich wird ins Elisabethenstift in Darmstadt gebracht, wo die Ärzte einen Beinbruch operieren und Haarrisse an der Hüfte feststellen.

Umbau

Franziska und Thomas hielten schon vor dem Unfall einen Umbau für erforderlich, damit Heinrich im Parterre schlafen kann und keine Treppen mehr steigen muss, aber der alte Herr wollte davon nichts wissen.

Nun beauftragt Franziska den Handwerker Axel Königs nicht nur mit dem Umbau des Elternhauses, sondern auch mit dem Ausbau des Gartenhauses, damit sie darin eine Yoga-Shala einrichten kann.

Beim Umräumen stößt Franziska auf an sie adressierte Briefe, die Monika offenbar unterschlug. Darunter ist ein Brief von Arturs Mutter Martha Bellmann, datiert am 17. Juni 1986, vier Wochen nach Arturs Beerdigung.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Familiengeheimnis

Bei ihrer Ankunft in Mühlbach glaubte Franziska, ihre Schwester sei verreist, aber nach einer Weile findet sie heraus, dass das nicht stimmen kann, und schließlich gesteht Thomas, dass Monika seit einem Nervenzusammenbruch in der psychosomatischen Klinik „Neue Wege auf dem Hügel“ wegen eines Burn-outs behandelt wird.

Auch Heinrich, der jeden Tag im Krankenhaus von Franziska besucht wird, aber nichts von Monika hört, durchschaut nach einiger Zeit, dass seine ältere Tochter nicht in Urlaub ist, wie Thomas behauptete.

Franziska fährt zur psychosomatischen Klinik, aber die Psychologin Dr. Anette Meller erklärt ihr, dass die Patientin Monika Jandel keinen Besuch wolle. Weil Franziska beim Anblick des Gebäudes den Eindruck hatte, es als Kleinkind schon einmal gesehen zu haben, bittet sie Anette Meller, zu prüfen, ob ihre Mutter hier bereits Patientin gewesen sei. Tatsächlich findet die Psychologin im Archiv den Hinweis, dass Johanne Roth 1969 in derselben Einrichtung – damals noch Wetterau-Klinik genannt – behandelt wurde, weil sie sich die Schuld am Tod ihres Sohnes gab. Überlastet und erschöpft vom Umzug nach Mühlbach war sie eingeschlafen, und als die drei Jahre alte Monika sie weckte, war Frieder bereits tot.

Auf diese Weise erfährt Franziska, dass sie und Monika einen Bruder hatten: Frieder Wolfgang Roth starb im Alter von sechs Monaten am Plötzlichen Kindstod, zu einem Zeitpunkt, als Johanne bereits mit Franziska schwanger war. Die kam acht Monate später zur Welt. Drei Jahre später starb die Großmutter Frieda. Bald darauf brach Johanne zusammen.

Aussprache

Endlich ist Monika zu einem Gespräch mit ihrer Schwester bereit. Anette Meller hat sie bereits darüber unterrichtet, dass die Mutter hier drei Jahre nach dem Tod ihres Sohnes behandelt wurde. Monika kann sich nicht an einen Bruder erinnern. Vielleicht war sie damals noch zu klein, es kann aber auch sein, dass sie das alles verdrängt hat.

Sie gesteht ihrer Schwester, dass Artur im Mai 1986 angerufen und nach Franziska gefragt habe. Das verschwieg sie ihr damals, und als zwei Tage später Anna mit der Nachricht von Arturs Suizid vor der Tür stand, konnte sie darüber nicht mehr reden. Seit damals wirft sie sich vor, dass Artur möglicherweise nicht in den Tod gesprungen wäre, wenn sie ihrer Schwester von dem Anruf berichtet hätte. Ein Gespräch mit Franziska hätte ihn vielleicht davon abgehalten.

Ausklang

Als Heinrich nach der Reha in das umgestaltete Haus zurückkommt, akzeptiert er die Veränderungen.

Franziska sieht in Darmstadt einen früheren Bekannten wieder: Emil Noll.

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In ihrem bewegenden, eindrucksvollen Roman „Für diesen Sommer“ erzählt Gisa Klönne eine Familiengeschichte über zwei Generationen. Dabei geht es um Schuld und Reue, Scheitern und Loslassen, Versöhnung, Abschied und Neuanfang. Gisa Klönne entwickelt den Plot im geschmeidigen Wechsel nicht nur zwischen Gegenwart und Vergangenheit, sondern auch den Perspektiven von Vater und Tochter. Ebenso feinfühlig wie intensiv versetzt sich die auktoriale Erzählerin in die beiden Hauptfiguren, deren Verhalten für uns Leserinnen und Leser leicht nachvollziehbar ist. „Für diesen Sommer“ ist ein leiser, ernsthafter und tiefgründiger Roman ohne Effekthascherei, aber Gisa Klönne hat es geschickt vermieden, das Buch zu einer „schweren“ Lektüre zu machen. Dafür sorgt sie nicht zuletzt mit einer lebendigen, anschaulichen Inszenierung.

Den Roman „Für diesen Sommer“ von Gisa Klönne gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Nina Petri und Wolf-Dietrich Sprenger.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2022

Gisa Klönne: Der Wald ist Schweigen

Steffen Kopetzky - Propaganda
In seinem fulminanten Roman "Propaganda" kombiniert Steffen Kopetzky Fakten und Fiktion. Er prangert nicht nur Kriegsgräuel an, sondern vor allem auch die Skrupellosigkeit und Verlogenheit der politisch Verantwortlichen. Der hinter dem Ich-Erzähler stehende Autor entwickelt die Handlung nicht chronologisch, sondern im eleganten Wechsel zwischen den Zeitebenen und Schauplätzen.
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.