Rachael Lippincott : Drei Schritte zu dir

Drei Schritte zu dir
Five Feet Apart Simon & Schuster, New York 2018 Drei Schritte zu dir Übersetzung: Nina Frey dtv Verlagsgesellschaft, München 2019 ISBN 978-3-423-76252-6, 299 Seiten ISBN 978-3-423-43590-1 (eBook)
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die 17-jährige Mukoviszidose-Patientin Stella spornt andere Kranke dazu an, die Therapien strikt zu befolgen und sich nicht aufzugeben. Der gleichaltrige Mitpatient Will, der sich zusätzlich mit Bakterien infiziert hat, sträubt sich gegen die Behandlungen, weil er glaubt, sie seien zwecklos und hielten ihn nur vom wirklichen Leben ab. Will und Stella verlieben sich, können jedoch wegen der Ansteckungsgefahr von einem Körperkontakt nur träumen ...
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Kritik

Rachael Lippincott entwickelt die ergreifende Geschichte im Wechsel der beiden grundverschiedenen Ich-Erzähler Will und Stella. Manches ist zu einfach dargestellt, aber wichtiger ist etwas anderes: Trotz des tragischen Inhalts ist "Drei Schritte zu dir" keine deprimierende Lektüre, sondern spornt Leserinnen und Leser dazu an, sich im Fall einer Krankheit oder eines anderen Schicksalsschlages nicht aufzugeben.
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Stella

Ausgerechnet als die von ihr mitorganisierte Abschlussfahrt der Schulklasse nach Cabo San Lucas in Mexiko stattfindet, muss die 17-jährige Stella Grant erneut ins Saint Grace Krankenhaus. Dort hat sie in den vergangenen zehn Jahren des Öfteren einige Wochen verbracht, denn sie leidet unter Mukoviszidose. Ihre Lungenfunktion beträgt inzwischen nur noch 35 Prozent. Immerhin steht sie weit oben auf der Transplantationsliste.

Stella versucht, alles zu kontrollieren. Gewissenhaft führt sie eine To-Do-Liste, und soeben hat sie eine App entwickelt, die chronisch kranke Patienten an die Medikamenteneinnahme erinnern soll. Auf ihrem YouTube-Kanal spornt sie seit fünf Jahren Mukoviszidose-Patienten dazu an, sich strikt an die Therapien und die von den Ärzten vorgegebenen Regeln zu halten. Dazu gehört auch ein Sicherheitsabstand von zwei Metern bzw. vier Schritten zu anderen Patienten, der Infektionen verhindern soll.

Ihre gesunde ältere Schwester Abby war anders: Sie suchte das Abenteuer und schreckte auch nicht vor einem Bungee-Sprung zurück. Vor einem Jahr wollten die beiden Schwesten gemeinsam nach Arizona fliegen. Aber Stella musste wegen akuter Atemprobleme zu Hause bleiben. Abby reiste allein − und brach sich bei einem Klippensprung das Genick. In der Familie war immer mit einem frühen Tod Stellas gerechnet worden, und dann war plötzlich Abby tot. Drei Monate später trennten sich die Eltern. Inzwischen sind sie geschieden.

Im Krankenhaus fällt Stella ein Neuzugang auf, und als Erstes beobachtet sie, wie er einem Paar sein Zimmer für eine Stunde überlässt.

Will

Der Patient heißt Will Newman. In zwei Wochen wird er 18. Bei dem befreundeten Paar handelt es sich um Jason und Hope.

Will ist Mukoviszidose-Patient, aber anders als Stella wurde er vor acht Monaten von der Transplantationsliste gestrichen, weil er sich mit Burkholderia cepacia infiziert hat. Während er die medizinischen Behandlungen für zwecklos hält, hat ihn seine Mutter von der Schule genommen und schleppt ihn nun von Klinik zu Klinik, auch auf anderen Kontinenten, weil sie hofft, dass neuartige Therapien bei ihm wirken.

Im Gegensatz zu Stella hält Will sich nicht an Vorschriften und glaubt nicht, dass irgendeine Therapie Erfolg haben werde.

„Dieser Behandlungsscheiß ist es, der uns davon abhält, […] wirklich zu leben.“

Drei Schritte zu dir

Stella bringt Will dazu, die von ihr entwickelte App auf seinem Smartphone zu installieren und sich dann auch an die Anweisungen zu halten. Die beiden fühlen sich zu einander hingezogen, müssen jedoch den Sicherheitsabstand von vier Schritten einhalten.

Barbara („Barb“), eine der Krankenschwestern, achtet besonders darauf. Vor längerer Zeit duldete sie bei einem verliebten Patientenpaar − Trevor Von und Amy Preslay − zu viel Nähe. Daraufhin infizierte sich Trevor bei Amy mit Burkholderia cepacia. Er starb zwei Jahre später. Amy lebte noch zehn Jahre.

Als Will bewusst wird, dass er aufgrund seiner Infektion mit Burkholderia cepacia ein besonderes Risiko für Stella darstellt, bricht er den Kontakt mit ihr ab. Er hat sich zwar in Stella verliebt, aber gerade deshalb will er ihr auf keinen Fall schaden.

Eine Trennung von Will akzeptiert Stella nicht. Im Gegenteil: Sie überrascht ihn mit der Idee, den Sicherheitsabstand von zwei Metern auf eineinhalb Meter − drei Schritte − zu reduzieren, damit sie beide einen Billard-Queue anfassen und sich wenigstens indirekt spüren können.

18. Geburtstag

An Wills 18. Geburtstag überrascht ihn Stella mit einer Geburtstagsparty spät abends in der geschlossenen Cafeteria. Hope und Jason nehmen daran ebenso teil wie Stellas soeben aus Mexiko zurückgekehrte Schulfreundinnen Mya und Camila. Außerdem ist Poe dabei, ein mit Stella eng befreundeter Mukoviszidose-Patient, der bis zu seiner Volljährigkeit unter staatlicher Betreuung lebt, weil seine allein erziehende Mutter nach Kolumbien ausgewiesen wurde.

In der Nacht stirbt Poe.

Will erträgt das alles nicht mehr. Er packt seine Sachen und ruft ein Taxi. Draußen trifft er auf Stella. Sie bringt ihn dazu, das Taxi abzubestellen und überredet ihn, mit ihr die Weihnachtsbeleuchtung der drei Kilometer entfernten Stadt anzuschauen. Unterwegs tollen sie ausgelassen im Schnee und auf einem zugefrorenen Teich herum.

Stella erhält eine SMS: Wo sie sei? In drei Stunden treffe eine Spenderlunge für sie ein! Stella ignoriert die Nachricht, aber Will erhält ebenfalls eine, und er drängt sie, sich auf die Transplantation einzulassen.

Da stürzt sie von dem Brückengeländer, auf dem sie saß und bricht auf dem Eis des Teichs ein. Will zieht die Bewusstlose aus dem kalten Wasser, ruft mit seinem Handy um Hilfe und macht sich daran, Stella wiederzubeleben, mit Herzmassage und − ungeachtet der Infektionsgefahr − Mund-zu-Mund-Beatmung. So rettet er ihr das Leben.

Epilog

Die Lungen-Transplantation verläuft erfolgreich. Und es stellt sich heraus, dass Stella nicht mit Burkholderia cepacia angesteckt wurde.

Als sie zu sich kommt, legt ihr jemand ein Skizzenbuch in die Hände: Will hat ihre gemeinsame Geschichte mit einer Reihe von Zeichnungen unter dem Titel „Drei Schritte zu dir“ illustriert.

Aber er hat das Krankenhaus bereits verlassen.

Aufgrund seiner Volljährigkeit braucht er sich nicht mehr an die Verfügungen seiner Mutter zu halten. Dadurch kommen sich die beiden wieder näher, und die Mutter lässt zu, dass Will trotz seiner Krankheit Reisen unternimmt, weil er in der kurzen Zeit, die ihm verbleibt, noch möglichst viel erleben möchte.

Acht Monate nach seinem 18. Geburtstag reiht er sich mit Jason unter die Passagiere eines Flugzeugs nach Brasilien ein. Da hört er Stellas Stimme. Zunächst glaubt er, sein Smartphone nicht ausgeschaltet zu haben und eines ihrer YouTube-Videos zu hören, aber dann entdeckt er sie in einer anderen Warteschlange, und sie blickt ihm direkt in die Augen. Stella fliegt mit Mya und Camila nach Rom. Ihr geht es sehr viel besser, und ihre Eltern sind auch wieder zusammen.

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Üblicherweise folgt eine Verfilmung der Buchveröffentlichung. Bei „Drei Schritte zu dir“ war es umgekehrt: Rachael Lippincott schrieb den Roman − ein auch für Erwachsene lesenswertes Jugendbuch − nach dem Drehbuch von Mikki Daughtry und Tobias Iaconis.

Drei Schritte zu dir – Originaltitel: Five Feet Apart – Regie: Justin Baldoni – Drehbuch: Nikki Daughtry, Tobias Iaconis – Kamera: Frank G. DeMarco – Schnitt: Angela M. Catanzaro – Musik: Brian Tyler, Breton Vivian – Darsteller: Cole Sprouse, Haley Lu Richardson, Moises Arias, Parminder Nagra, Kimberly Hebert Gregory, Claire Forlani, Emily Baldoni, Gary Weeks, Sophia Bernard, Cynthia Evans, Cecilia Leal u.a. – 2019; 115 Minuten

Unter dem Titel „Drei Schritte zu dir“ erzählt Rachael Lippincott von zwei jugendlichen Mukoviszidose-Patienten, die sich verlieben, aber wegen des lebensgefährlichen Infektionsrisikos Abstand halten müssen und von einem Körperkontakt nur träumen können. Diese ergreifende Geschichte entwickelt Rachael Lippincott im Wechsel der beiden grundverschiedenen Ich-Erzähler Will und Stella. Manches ist zu einfach dargestellt, aber wichtiger ist etwas anderes: Trotz des tragischen Inhalts ist „Drei Schritte zu dir“ keine deprimierende Lektüre, sondern spornt Leserinnen und Leser dazu an, sich im Fall einer Krankheit oder eines anderen Schicksalsschlages nicht aufzugeben.

Der Plot basiert auf der realen Liebesgeschichte von Katie und Dalton Prager. Das Paar wurde bekannt, als CNN über die beiden berichtete. Das geschah 2015. Katie und Dalton hatten sich als 18-jährige Mukoviszidose-Patienten kennengelernt. Dalton litt außerdem an Burkholderia cepacia. Als die beiden gegen die Regel verstießen, einen Sicherheitsabstand einzuhalten und sich küssten, infizierte sich auch Katie mit Burkholderia cepacia. Sie heirateten 2011. 2015 erhielten sie Spenderlungen implantiert, aber im Jahr darauf, im September 2016, starben sie im Abstand von fünf Tagen. Sie wurden nur 25 Jahre alt. Besser fünf glückliche Jahre als zwanzig einsame, soll Katie Prager noch kurz vor ihrem Tod geschrieben haben.

Den Roman „Drei Schritte zu dir“ von Rachael Lippincott gibt es auch als Hörbuch, gelesen von Dirk Petrick und Maximiliane Häcke (ISBN 978-3-7424-1290-4).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2019
Textauszüge: © dtv Verlagsgesellschaft

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