Uli van Odijk : Swartland

Swartland
7 Flower Street Bettina Weiss Verlag, kaliope paperbacks, Heidelberg 2010 Überarbeitete Taschenbuchausgabe: Swartland. Ein Kapstadt Roman Bettina Weiss Verlag, kaliope paperbacks, Heidelberg 2016 ISBN: 978-3-9814953-5-5, 209 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Die kinderlose Restauratorin Luise de Groot lebt seit dem Tod ihres Ehemanns Max wie unter einer Taucherglocke. Der Architekt und seine Begleiterin Tosca Farini, von deren Existenz Luise erst durch die Polizei erfuhr, waren bei einem Verkehrsunfall in Wuppertal gestorben. Um herauszufinden, ob Max sie betrogen hatte, nimmt Luise Kontakt mit Toscas Tante auf und lässt sich beauftragen, das Haus der Toten in deren Heimatstadt Kapstadt zu ver­kaufen. Dort hofft sie Hinweise zu finden ...
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Kritik

Der Kapstadt-Roman "Swartland" von Uli van Odijk dreht sich um Verlust und Trauer, Verunsicherung, Mut und Neuanfang. Er zeichnet sich durch eine einfühlsame, lebendige Dar­stel­lung, eindrucksvolle Impressionen und nachdenkliche Betrachtungen aus.
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Seit Monaten hatte ich keine Zeitungen mehr aufgeschlagen. Obwohl sie sich in allen Räumen stapelten, hatte ich mich nicht aufraffen können, sie abzubestellen oder gar wegzuwerfen.

Die kinderlose Restauratorin Luise de Groot lebt seit dem Tod ihres Ehemanns am 7. Januar 1998 wie unter einer Taucherglocke. Max, mit dem sie 25 Jahre lang verheiratet war, starb bei einem Verkehrsunfall in Wuppertal. Mit dem Architekten zusammen kam eine Frau ums Leben, die an diesem Tag ihr 48. Lebensjahr vollendete: Tosca Farini, am 7. Januar 1950 in Kapstadt geboren. Sie hatte neben Max im Auto gesessen. Von ihrer Existenz erfuhr Luise erst durch die Polizei. Hatte Max heimlich eine Affäre?

Über die Traueranzeige kommt Luise an die Adresse einer Tante der Toten, und um der Frage nachzugehen, was Tosca Farini mit Max zu schaffen hatte, besucht Luise die Frau, gibt sich jedoch nicht als die Witwe des ums Leben gekommenen Archi­tekten zu erkennen, sondern tut so, als sei sie mit Tosca befreundet gewesen. Sie erfährt, dass Toscas Eltern Adele und Marcello Farini 1936 von Deutschland nach Kapstadt emigrierten. Adele starb, als Tosca ein Jahr alt war. Der Witwer zog das Kind allein in Kapstadt auf. Tosca wurde schließlich Reiseleiterin. Erst nach dem Tod ihres Vaters vor zehn Jahren erfuhr sie von der Schwester ihrer Mutter in Deutschland, und seither besuchte sie die Tante regelmäßig. Als einzige noch lebende Verwandte hat die Tante Toscas Haus in Kapstadt geerbt, aber sie fühlt sich zu alt für die weite Reise.

In der Hoffnung, in Toscas Räumen etwas zu finden, das ihr bei der Beantwortung der quälenden Frage nach der Art der Beziehung mit Max helfen könnte, bietet Luise der Erbin an, für sie nach Südafrika zu fliegen und sich das Haus anzuschauen.

Am Cape Town International Airport wird sie von einem Bediensteten der Pension Sunnyside im Stadtteil Oranjezicht abgeholt, in der sie ein Zimmer gebucht hat. In Toscas Haus in Sea Point findet sie zwar nichts über eine Beziehung mit Max, aber in einem Buch fällt ihr die Widmung einer Freundin mit dem Namen Jil aus dem Jahr 1996 auf. Vielleicht weiß diese mehr.

Bevor Luise sich auf die Suche nach Jil macht, fährt sie zu Wilma Boosma, die im Flugzeug nach Kapstadt neben ihr saß und sie auf ihr Weingut östlich von Kapstadt einlud. Wilmas Vater war Arzt in einem Missionskrankenhaus in Südwestafrika und erwarb die britische Staatsangehörigkeit. 1930 wurde Wilma als jüngstes von sieben Kindern geboren. Während Luise noch bei Wilma ist, kommt deren Neffe Magnus zu Besuch. Seine Mutter – Wilmas Schwester – starb, als er zwei Jahre alt war, sein Vater sechs Jahre später. Daraufhin wurde Magnus von seiner Tante aufgenommen und vor allem von ihrer maid umsorgt, die eigentlich Xolelwa heißt, jedoch Mary gerufen wird. Magnus wurde Pressefotograf, aber als er Übergriffe der Polizei dokumentierte, feuerte ihn sein Chef. Seither arbeitet er für unpolitische Reisemagazine.

Luise kehrt nach Kapstadt zurück. Eigentlich plante sie nur einen kurzen Aufenthalt in Südafrika, aber sie ändert ihre Pläne, nimmt sich als Restauratorin eine Auszeit und verspricht Toscas Tante am Telefon, sich um den Verkauf des Hauses zu kümmern.

Vergeblich sucht Luise auf Schülerlisten nach Jil. Eine inzwischen im Seniorenheim lebende frühere Lehrerin erinnert sich an Jil und Tosca. Sie weiß noch, dass Toscas Freundin mit Nachnamen Smith hieß und mehrere Vornamen hatte, deren Initialen „Jil“ ergaben. Durch diesen Hinweis findet Luise in einem Schülerverzeichnis Jarmila Ida Laureen Smith. Aber die angegebene Adresse stimmt längst nicht mehr.

In der Hoffnung, etwas zu erfahren, das ihr weiterhilft, unterhält Luise sich immer wieder mit den beiden neugierigen Bewohnerinnen des Hauses gegenüber. Aber die ziehen sich von ihr zurück, als Luise sich mit der dunkelhäutigen Nachbarin Miriam und deren kleiner Tochter Summer anfreundet. Miriam stammt aus Trinidad und studierte in New York Literatur.

Bei einer Party lernt Luise Dr. Robert Khumalo kennen. Sie nimmt zunächst an, dass der Afrikaner viel Geld mit Schönheitsoperationen verdient, aber er arbeitet vor allem in einer Klinik in einem Township und hat dort wegen zahlreicher gewaltsamer Gesichtsverletzungen viel zu tun. Er lädt Luise ein, ihn dort zu besuchen, und weil es für eine weiße Frau allein zu gefährlich wäre, bringt Magnus sie hin.

In der Klinik stößt Luise auf Phindiswa Macazoma, die frühere maid einer blinden, 80 Jahre alten Nachbarin, die entlassen wurde, nachdem ihre Arbeitgeberin überfallen und vergewaltigt worden war. Phindiswa ist mit ihrer Tochter Ruby Yola im Krankenhaus. Die Neunjährige wurde am selben Tag wie Mrs Brown von Gang Rapers vergewaltigt. Weil Phindiswa sich um das verstörte Mädchen kümmern musste, war sie nicht bei Mrs Brown und konnte der Blinden nicht helfen. Deren Tochter nutzte die Gelegenheit, ihr mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Phindiswa ist arbeitslos. Von Yolas Vater kann sie keine Hilfe erwarten, denn sie hat sich von ihm wegen seiner Alkoholkrankheit und Gewalttätigkeit getrennt. Luise drängt Phindiswa, Yola auf HIV testen zu lassen und bietet ihr an, die Kosten zu übernehmen, aber das will die Mutter nicht, denn sie befürchtet, dass Yola im Fall einer Infektion von anderen gemieden wird.

„Wenn Ihre Tochter sich tatsächlich angesteckt haben sollte, was ja überhaupt nicht sicher ist“, fügte ich schnell hinzu, „dann gibt es Hilfe. HIV-positiv heißt ja noch lange nicht AIDS. Aber falls das Ergebnis positiv ist, ist es in jedem Fall besser, sofort Medikamente zu nehmen.“
Phindiswa starrte vor sich hin.
„Ich habe gehört, dass Ihre Schwester an der Krankheit gestorben ist.“
Sie sah mich misstrauisch an.
„Vielleicht hat sie ja zu spät einen Test gemacht und würde noch leben, wenn sie rechtzeitig behandelt worden wäre“, fuhr ich zögernd fort.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, mit dem Test begann erst das Elend. Es ist besser, ohne diesen Makel zu leben.“

Luise hofft, Phindiswa im Lauf der Zeit umstimmen zu können und vermittelt ihr erst einmal eine Anstellung als Dienstmädchen in der Pension Sunnyside.


Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.


Bald darauf wird Phindiswa an der Bushaltestelle nahe der Pension erschossen. Die Kugel galt wahrscheinlich nicht ihr, sondern wurde von einem Taxifahrer auf einen Konkurrenten abgefeuert.

Als Luise hört, dass Yola beim Vater ist, lässt sie sich von einem Bekannten erneut in das Township bringen. Der Vater ist zu betrunken, um zu verhindern, dass Luise das Mädchen mitnimmt. Fürs Erste kümmert sich Miriam um Yola. Luise spielt mit dem Gedanken, das Kind mit nach Deutschland zu nehmen. Aber sie verwirft ihn ebenso wie die Idee eines Zusammenlebens mit Magnus in Südafrika. Der über­redet seine Tante Wilma, das Mädchen aufzunehmen, und Mary ist gern bereit, Yola zu umsorgen.

Nach einem Einbruch in Toscas Haus entdeckt Luise in einer bis dahin verschlossenen Truhe Briefe, Alben und Dokumente. Endlich findet sie einen Hinweis, der ihr helfen könnte, Toscas Freundin aufzuspüren, denn sie liest „Jil du Plessis, Swartland“ und erfährt, dass es sich bei Swartland um ein bekanntes Weingut handelt. Verblüfft ist Luise über ein Foto ihres Schwiegervaters mit Toscas Eltern in der Truhe.

Sie besucht Jil du Plessis, die sie über die Zusammenhänge aufklärt.

Als Tosca nach dem Tod ihres Vaters vor zehn Jahren mit Jil zusammen dessen Nachlass sichtete, erfuhr sie von der Existenz einer Tante in Deutschland. Sie nahm Kontakt mit ihr auf und besuchte sie von da an regelmäßig. Die Tante erzählte Tosca von früher. Ihre Schwester Adele wurde von zwei befreundeten Männern umworben: Marcello Farini und Luises Schwiegervater. Dass Adele sich für den Juden Marcello Farini entschied, missfiel ihrem Vater, aber die beiden heirateten, und Max‘ Vater half ihnen 1936 bei der Flucht nach Südafrika. Er verkaufte das Tafelsilber und den Familienschmuck der Farinis, besorgte von dem Erlös Schiffskarten nach Kapstadt und brachte das Paar nach Genua. Außerdem versprach er Marcello, dessen Gemäldesammlung für ihn aufzubewahren. Nach dem Krieg behauptete Max‘ Vater, die Bilder seien von Besatzungssoldaten geraubt worden.

Tosca hatte im Nachlass ihres Vaters Fotos der vermissten Kunstwerke gefunden und eines davon im Hintergrund eines Zeitungsfotos des Architekten Max de Groot wiedererkannt. Deshalb nahm sie Kontakt mit ihm auf. Max behauptete, nichts über die verschwundenen Bilder zu wissen und hielt Tosca mit der Zusage eigener Nachforschungen hin. Luise weiß, welches Gemälde auf dem Zeitungsfoto zu sehen war. Max und sie fanden es, als sie nach dem Tod seines Vaters dessen Haus entrümpelten. Dabei stießen sie auf das Bild. Der Zustand war schlecht. Es sah nach einem Willem Kalf aus und war auch mit dessen Namen signiert, aber bei der Restaurierung fand Luise heraus, dass Willem van Hoog es gefälscht hatte.

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Der Kapstadt-Roman „Swartland“ dreht sich um Verlust und Trauer, Verunsicherung, Mut und Neuanfang. Uli van Odijk entwickelt die Handlung geschmeidig fließend, ruhig und unaufgeregt aus der Sicht der Ich-Erzählerin. Sie versucht sich nicht mit stilistischen Gimmicks und verzichtet auf jegliche Effekthascherei. Am Ende spitzt sie die Geschichte zu, aber auch ohne diesen Kulminationspunkt wäre „Swartland“ lesenswert, denn der Roman zeichnet sich durch die einfühlsame, lebendige Darstellung ebenso aus wie durch eindrucksvolle Impressionen und nachdenkliche Betrachtungen. Immer wieder beleuchtet Uli van Odijk an konkreten Beispielen die gesellschaftlichen Verhältnisse in Südafrika.

Der Roman erschien erstmals 2010 unter dem Titel „7 Flower Street“ (Bettina Weiss Verlag, kalliope paperbacks, Heidelberg). Die überarbeitete Taschen­buch­ausgabe desselben Verlags aus dem Jahr 2016 trägt den Titel „Swartland. Ein Kapstadt-Roman“.

Uli van Odijk wurde 1947 in der westfälischen Stadt Dorsten geboren. An der RWTH in Aachen studierte sie Geschichte und Politische Wissenschaft. Südafrika kennt sie aus eigener Anschauung. Außerdem lebte sie auch in Brasilien und in den Niederlanden. Inzwischen leitet Uli van Odijk in Aachen eine Schreibwerkstatt für Immigrantinnen.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2017
Textauszüge: © Bettina Weiss Verlag, kaliope paperbacks

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