Nell Zink : Avalon

Avalon
Avalon Alfred A. Knopf, New York 2022 Avalon Übersetzung: Thomas Überhoff Rowohlt Verlag, Hamburg 2023 ISBN 978-3-498-00311-1, 270 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Bran wird von allen ausgenutzt, von der Familie, die ihre Arbeitskraft ausbeutet, von Jay, der sich ein Drehbuch von ihr schreiben lässt und von Peter, der sich zwar mit einer Frau verlobt, deren Vater ihm den begehrten Studienplatz in Harvard vermittelt, aber parallel dazu Brans Gefühle für ihn missbraucht.
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Kritik

"Avalon" ist ein sozialkritischer Coming-of-Age-, College- bzw. Bildungsroman von Nell Zink mit Satire-, Groteske- und Märchen-Elementen, gewissermaßen eine Persiflage auf den American Dream, aber auch eine Emanzipationsgeschichte.
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Bran

Brandy („Bran“) Thomas ist in der vierten Klasse, als ihre Mutter und deren Lebensgefährte Doug Henderson sie an Ostern 2005 mit der Personenfähre von Long Beach/Kalifornien nach Avalon auf Santa Catalina Island bringen, wo die Hendersons eine „Bourdon Farm“ genannte Gärtnerei betreiben. Bald danach zieht die Mutter sich in ein tibetisch-buddhistisches Kloster zurück.

Jim Thomas, Brans leiblicher Vater, wanderte nach Australien aus, als sie elf Monate alt war. Doug Henderson lebte zwar neun Jahre lang mit Brans Mutter zusammen, ist aber nicht mit ihr verheiratet, weil seine erste Ehe nicht geschieden wurde. Bran bleibt nun bei ihm und seiner Familie in Avalon. Tessa und Lamont, ihre Großeltern mütterlicherseits, können sie nicht aufnehmen, denn sie wohnen in einem Trailerpark für Rentner, in dem Kinder nicht erlaubt sind.

„Grandpa Larry“ und die anderen Hendersons betrachten Bran nicht als Familienangehörige. Stattdessen bessern sie mit dem Kindergeld ihre Finanzen auf und beuten sie als Arbeitskraft aus.

Jay

2007 lernt Bran einen ein Jahr älteren Mitschüler kennen und freundet sich mit ihm an. Jay wurde von seinen Eltern, reichen Immobilienmaklern, als Säugling aus Russland adoptiert und von einem Kindermädchen aufgezogen. Er will Tänzer werden und nimmt Flamenco-Unterrricht bei Loretta, einer alten und blinden Dame.

Weil Bran eine Klasse überspringen darf, besucht sie 2012 mit Jay zusammen die Abschlussklasse der Highschool. Mit einem weiteren Schüler gemeinsam gestalten sie die schuleigene Literaturzeitung. Wills Eltern sind die Kinderärztin Susan und der Strafverteidiger Mark. Zur Clique gehören auch Henry und Fifi, die seit langem ein Paar sind. Während Henrys Eltern einen Wohnmobilhandel betreiben, arbeitet Fifis japanischstämmige Mutter als CAD-Zeichnerin und ihr afroamerikanischer Vater als Zahnarzt.

Peter

Während Jay an der University of California (UCLA) studiert, Will an der University of California San Diego (UCSD), Fifi an der California Polytechnic State University (Cal Poly) in San Luis Obispo und Henry sogar an der Yale University in New Haven/Connecticut, bleibt Bran auf der Bourdon Farm in Avalon zurück. Tessa und Lamont halten eine College-Ausbildung ihrer Enkelin für unnötig, und die Hendersons wollen nicht auf die Arbeitskraft verzichten.

Jay verliebt sich in seinen Kommilitonen Peter, einen geistigen Überflieger, und als er ihn mit nach Avalon bringt, ist es auch um Bran geschehen. Peter sonnt sich in der Liebe der beiden, aber an Weihnachten 2012 verlobt er sich mit der Professorentochter Yasira, die ein privates College mit dem Hauptfach Schwimmen abgeschlossen hat. Ihr Vater, Knight Commander des Order of the British Empire und Kurator des Rhodes Trust, vermittelt Peter den von ihm begehrten Wechsel von der UCLA an die Harvard University in Cambridge/Massachusetts und einen Studienplatz für Vergleichende Literaturwissenschaften.

Fifi und Henry warnen Bran vergeblich vor Peter. Der manipuliere sie und nutze sie nur aus, behaupten sie.

Larry

Als Grandpa Larry und seine Kumpels Bran bei einer Party bedrängen und „Ausziehen!“ skandieren, rennt sie weg und sucht Zuflucht bei Wills Eltern Mark und Susan. Das Ehepaar zeigt viel Verständnis und versichert Bran, dass sie auch länger bei ihnen bleiben könne.

Aber als Doug Henderson anruft und berichtet, dass sein Vater Larry einen Schlaganfall erlitten habe, kehrt Bran auf die Bourdon Farm zurück und pflegt den alten Mann, bis nach zwei Monaten Peter auftaucht und sie überredet, mit ihm zusammen nach Los Angeles zu kommen, wo er ein Hotelzimmer mit ihr nimmt. Als er an die Universität an der Ostküste zurück muss, zieht Bran erneut zu Mark und Susan.

Bald darauf benachrichtigt Doug sie über den Tod seines Vaters und beschuldigt sie, durch ihr Verlassen der Bourdon Farm dessen zweiten, diesmal tödlichen Schlaganfall ausgelöst zu haben.

Abschied

Jay, der inzwischen vom Tanz zum Film gewechselt ist, lässt sich von Bran ein Drehbuch schreiben, das er als eigenes Werk ausgibt, weil er auf eine Karriere als Autorenfilmer hofft.

Peter nimmt Bran mit zu einer Party bei dem Schriftsteller und Creative-Writing-Lehrer Drew Miller in Santa Cruz. Yasira ist nicht dabei, sondern hält sich mit ihrer Mutter in San Francisco auf. Bran und Peter kopulieren im Freien und dann noch einmal in einer Scheune, wo sie von Drew Miller erwischt werden, der nach seinem winselnden, von ihnen weggesperrten Hund schaut.

Danach versucht Peter, Bran zu überreden, die Affäre mit ihm fortzusetzen.

„Hör zu, Bran. […] Bleib bei mir. In Cambridge. Ich meine es ernst. […] Du bist mein Ein und Alles. […] Ich werde meine Verlobung auflösen, Bran. […] Ich würde ihr sofort texten, wenn ich nicht so verdammt ritterlich wäre. […]“
„Dann ruf sie an.“
„Das ist auch Scheiße. Ich muss es ihr schon ins Gesicht sagen. Wenn ich ein Auto hätte, würde ich sofort nach San Francisco zurückfahren.“
„Mach mir einen Heiratsantrag, und ich fahr dich hin.“
„Das kann ich nicht. Ich bin noch verlobt. […]
„Und ich breche jetzt auf. Ich bin weg.“
„Also dann“, sagte er. „Du hast gewonnen. Schauen wir mal, wie weit zu kommst.“ Er öffnete die Tür.

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„Avalon“ ist ein sozialkritischer Coming-of-Age-, College- bzw. Bildungsroman von Nell Zink mit Satire-, Groteske- und Märchen-Elementen, gewissermaßen eine Persiflage auf den American Dream, aber auch eine Emanzipationsgeschichte.

Im Mittelpunkt von „Avalon“ steht die Ich-Erzählerin Bran, ein modernes Aschenbrödel, das von allen ausgenutzt wird, am deutlichsten von der Familie, die ihre Arbeitskraft ausbeutet, aber auch von Jay, der sich ein Drehbuch von ihr schreiben lässt und von Peter, der sich zwar mit einer Frau verlobt, deren Vater ihm den begehrten Studienplatz in Harvard vermittelt, aber parallel dazu Brans Gefühle für ihn missbraucht. Und diese Geschichte spielt auch noch in Kalifornien, einem Land der Schönen und Reichen.

Die Stadt Avalon auf Santa Catalina Island ist real. Dabei dachte Nell Zink sicherlich an den mythischen Ort Avalon aus der Arthus-Sage, an dem sich König Arthur von seinen Verletzungen erholt.

Bran, aus deren Perspektive Nell Zink die Geschichte konsequent entwickelt, sieht für sich zunächst keine Zukunftsperspektive, aber in mehreren Schritten befreit sie sich zunächst von der ausbeuterischen Familie, in der sie aufgewachsen ist, und schließlich beendet sie auch die Beziehung mit Peter, der es nie ehrlich mit ihr gemeint hat. Sie wird ihren eigenen Weg gehen.

Nell Zink wurde 1964 in Kalifornien geboren und wuchs in Virginia auf. 2000 zog sie nach Deutschland, und 2008 promovierte sie an der Universität Tübingen in Medienwissenschaften. Durch ihr Engagement für den Naturschutz kam sie in Kontakt mit Jonathan Franzen („Die Korrekturen“), aber es gelang dem weltberühmten Schriftsteller nicht, ihr für das Manuskript ihres Debütromans „The Wallcreeper“ / „Der Mauerläufer“ einen Verlagsvertrag zu vermitteln. Stattdessen erschien das Buch 2014 im Kleinstverlag Dorothy Press in St. Louis – und kam dennoch auf die Liste der „100 notable books of 2014“ der New York Times.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2023
Textauszüge: © Rowohlt Verlag

Nell Zink: Virginia

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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.