Steven Weinberg : Die ersten drei Minuten

Die ersten drei Minuten
Originaltitel: The First Three Minutes. A Modern View of the Origin of the Universe New York 1977 Die ersten drei Minuten. Der Ursprung des Universums Deutsche Erstausgabe: Piper Verlag, München 1977 Übersetzung: Friedrich Griese
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Steven Weinberg schildert die Geschichte der kosmologischen Forschung, "die ersten drei Minuten" nach dem Urknall und die weitere Entwicklung des Universums.
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Kritik

Der Nobelpreisträger Steven Weinberg schreibt in einer auch für Laien verständlichen Sprache und steckt mit seiner Begeisterung die Leserinnen und Leser an: "Die ersten drei Minuten. Der Ursprung des Universums".
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Mit dem berühmten Spiegelteleskop auf dem Mount Wilson in Kalifornien gelang es Edwin Hubble 1924, zu beweisen, dass sich auch jenseits der Grenzen unserer Galaxie (Milchstraße) Sternsysteme befinden. Er fand heraus, dass es sich bei einem Großteil der „nebligen Objekte“, die der französische Astronom Charles Messier 1781 in einem Katalog verzeichnet hatte, nicht um Gas- oder Staubwolken handelt, sondern um ferne Galaxien. Die Spektren der Galaxien sind nach Rot, also in den Bereich längerer Wellenlängen, verschoben. Hubble erklärte das mit dem Doppler-Effekt und folgerte daraus, dass sich die Galaxien voneinander entfernen: Das Universum explodiert.

Was aber heute auseinander fliegt, muss irgendwann einmal näher zusammen gewesen sein. Die Entwicklung des Universums lässt sich in Gedanken zurückverfolgen bis zu einer Singularität, einem ausdehnungslosen, punktförmigen Gebilde von unendlicher Dichte und Temperatur, mit dessen Explosion Raum und Zeit überhaupt erst begannen. Charles W. Misner sprach vom „absoluten Nullpunkt der Zeit“. Aus den von Edwin Hubble ermittelten Geschwindigkeiten lässt sich errechnen, dass der „Urknall“ vor 10 bis 20 Milliarden Jahren stattfand.

Ein Modell des expandierenden Weltalls entwickelte der belgische Astrophysiker Abbé Georges Lemaître 1927. Der aus Russland stammende amerikanische Astrophysiker George Gamov baute es zusammen mit seinem Studenten Ralph Alpher 1946 weiter aus („Urknall-Theorie“).

Gamov hatte einen ausgeprägten Sinn für Humor – überredete er doch den Kernphysiker Hans Bethe dazu, als Ko-Autor mitzuwirken. So erschien der Aufsatz unter den Verfassernamen „Alpher, Bethe, Gamov“. (Stephen Hawking: Eine kurze Geschichte der Zeit, Seite 150f)

Theorien über das Universum als Ganzes bzw. über seine Entstehung und Entwicklung wurden erst in den Sechzigerjahren ernst genommen. Den Anlass dafür lieferten Beobachtungen, die Forscher der Bell Telephone Company im Frühjahr 1964 bei nachrichtentechnischen Versuchen mit einer Radioantenne auf Crawford Hill bei Holmdel in New Jersey machten: Die beiden amerikanischen Physiker Arno A. Penzias und Robert W. Wilson entdeckten ununterbrochen und aus allen Richtungen mit gleicher Intensität aus dem Kosmos eintreffende Mikrowellen. Als sie 1965 erfuhren, dass Robert H. Dicke und Jim Peebles, zwei Physiker der Princeton Universität, nach den Resten der Strahlung des Urknalls suchten, glaubten sie, die Erklärung für das beobachtete Phänomen gefunden zu haben.

Was unmittelbar nach dem Urknall – in der ersten Hundertstel Sekunde – geschah, lässt sich (noch) kaum nachvollziehen. Aber wie in einem überdimensionalen Zeitrafferfilm zeigt Steven Weinberg, was in den ersten drei Minuten geschah:

Nach einer Hundertstel Sekunde betrug die Temperatur 10 hoch 11 Grad Kelvin. Das noch relativ kleine Universum bestand aus Energie, Elektronen, Positronen, Neutrinos und Photonen sowie einer kleinen Beimischung von Protonen und Neutronen. Ein Teil der Energie verwandelte sich fortwährend in Elementarteilchen, die aber nach extrem kurzer Zeit wieder zerfielen.

Die zweite Aufnahme nach 0,11 Sekunden, bei 3 mal 10 hoch 10 Grad Kelvin, zeigt keine entscheidenden Veränderungen.

Nach 1,09 Sekunden hatte sich das Universum auf 10 hoch 10 Grad Kelvin abgekühlt; die Zahl der vernichteten Elektronen und Positronen überstieg jetzt die der neu gebildeten.

3 Millarden Grad Kelvin betrug die Temperatur nach 13,8 Sekunden. Weiterhin wurde mehr Materie vernichtet als neu geschaffen. Die dabei freigesetzte Energie verlangsamte die Abkühlung des sich weiter ausdehnenden Universums.

Die fünfte Momentaufnahme hält den Zustand des Universums nach 3 Minuten und 2 Sekunden fest: Die Temperatur betrug 1 Milliarde Grad Kelvin. Elektronen und Positronen gab es kaum noch; das Universum bestand vorwiegend aus Licht (Photonen), Neutrinos und Antineutrinos. Protonen und Neutronen begannen Kerne zu bilden (73% Deuterium- und 27% Heliumkerne). Außerdem existierte noch eine geringe Menge Elektronen.

Obwohl der Buchtitel „Die ersten drei Minuten“ lautet, beschreibt Steven Weinberg auch kurz, was danach geschah: Nach 34 Minuten und 40 Sekunden betrug die Temperatur des Universums 300 Millionen Grad Kelvin. Elektronen und Positronen gab es kaum noch. Die Elementarteilchen waren überwiegend in instabilen Heliumkernen gebunden. 700 000 Jahre geschah nichts Besonderes. Dann hatte sich das Universum so weit abgekühlt, dass die Kerne sich mit Elektronen zu Wasserstoff- und Heliumatomen verbinden konnten. Die Gravitation und minimale Unregelmäßigkeiten in der Verteilung der Materie bewirkten, dass in dem Gas nach und nach „Klumpen“ entstanden, die sich zu Galaxien verdichteten.

Nach weiteren zehn Milliarden Jahren begannen Lebewesen, diesen Ablauf zu rekonstruieren.

Wie es weitergeht? Das hängt von der Masse des Universums ab. Wenn sie geringer ist als der kritische Wert, dehnt sich das Universum immer weiter aus. Im anderen Fall wird die Expansion einen Punkt erreichen, bei dem die Gravitation die Fliehkräfte überwiegt und das Universum wieder in sich zusammenstürzt zu einer neuen Singularität. Möglicherweise beginnt das Ganze dann wieder von vorne: Das Universum pulsiert.

Abschließend schreibt Steven Weinberg:

Der Vorstellung, dass wir ein besonderes Verhältnis zum Universum haben, dass unser Dasein nicht bloß eine Farce ist, die sich aus einer mit den ersten drei Minuten beginnenden Kette von Zufällen ergab, sondern dass wir irgendwie von Anfang an vorgesehen waren – dieser Vorstellung vermögen wir Menschen uns kaum zu entziehen. […] Je begreiflicher uns das Universum wird, um so sinnloser erscheint es auch. […] Das Bestreben, das Universum zu verstehen, hebt das menschliche Leben ein wenig über eine Farce hinaus und verleiht ihm einen Hauch von tragischer Würde.

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Autor des Buches „Die ersten drei Minuten. Der Ursprung des Universums“ ist der amerikanische Atomphysiker Steven Weinberg, der 1979 zusammen mit Sheldon L. Glashow und Abdus Salam den Nobelpreis erhielt. Es entstand aus einem Vortrag, den er im November 1973 an der Harvard-Universität hielt.

Das vorliegende Buch befasst sich mit den Anfängen des Universums und besonders mit dem neuen Verständnis dieser Anfänge, das sich aus der Entdeckung der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung im Jahre 1965 ergeben hat.

Geschrieben habe ich es für diejenigen, die bereit sind, sich auf einige verwickelte Gedanken einzulassen, die aber weder in der Mathematik noch in der Physik zu Hause sind.

Der Harvard-Professor schildert die dramatische Geburt des Universums und die Geschichte der kosmologischen Forschung in einer auch für Laien verständlichen Sprache und steckt mit seiner Begeisterung die Leserinnen und Leser an. Obwohl die mehr als 25 Jahre alte Darstellung nicht mehr den aktuellen Stand der Kosmologie widerspiegelt, ist Weinbergs Buch nach wie vor als Einstieg in das Thema und als Ressource für die Aneignung von Allgemeinwissen empfehlenswert. Es ist eines der besten Sachbücher, die jemals über die Anfänge des Universums geschrieben wurden.

Nachtrag 1: Der Physiker Martin Bojowald postuliert in seinem Buch „Zurück vor den Urknall“ (S. Fischer, Frankfurt/M 2009, 343 Seiten) aufgrund mathematischer Modelle, dass es bereits vor dem Urknall ein Universum gab.

Nachtrag 2: 2011 erhielten Saul Perlmutter, Adam Riess und Brian Schmidt den Nobelpreis für Physik. Ihren Erkenntnissen zufolge wird sich das Universum mit wachsender Geschwindigkeit immer weiter ausdehnen.

 

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2003 / 2011
Textauszüge: © Piper Verlag

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