Blue Moon

Blue Moon

Blue Moon

Originaltitel: Blue Moon - Regie: Andrea Maria Dusl - Drehbuch: Andrea Maria Dusl - Kamera: Wolfgang Thaler - Schnitt: Karina Ressler und Andrea Wagner - Musik: Peter Dusl, Christian Fennesz und Yuri Naumov - Darsteller: Josef Hader, Victorija Malektorovych, Detlev Buck, Ivan Laca, Peter Aczel, Andrea Karnasová, Emöke Vinczeová, Orest Ogorodnik, Sergei Romanyuk, Alla Maslenikova, Katya Volkova, Yekaterina Volkova, Boris Georgiyevsky u.a. - 2002; 95 Minuten

Inhaltsangabe

Ein lakonischer, melancholischer und unbeirrbarer österreichischer Gauner folgt einer geheimnisvollen Prostituierten mit Verbindungen zur Russenmafia auf einer tagelangen Odyssee bis nach Odessa. Dabei begegnet er mehrmals einem deutschen Schmarotzer, für den die Menschheit nur aus Käufern und Verkäufern zu bestehen scheint.
mehr erfahren

Kritik

"Blue Moon" ist eine eigenwillige Mischung aus Roadmovie, Gangsterballade, Komödie und Melodram. Realistische und bizarre Situationen wechseln sich ab. Ruhig und unaufdringlich erzählt Andrea Maria Dusl die Geschichte.
mehr erfahren

Ein russischer Mafioso wartet in einem aufgegebenen Autokino irgendwo in Österreich ungeduldig auf einen Geldboten. Auf dem Beifahrersitz seiner Limousine sitzt eine blonde Edelprostituierte (Viktorija Malektorovych) aus Osteuropa. Einen ganzen Tag verspätet überbringt ein Österreicher (Josef Hader) 20 000 Dollar. Der Gangster wirft das Kuvert mit dem Geld verärgert ins Auto und verlangt 10 Prozent Verzugszinsen, doch so viel Geld hat der Kurier nicht bei sich. Der Mafioso zwingt deshalb den Kleinkriminellen, sich hinten ins Auto zu setzen, aber bevor er selbst einsteigen kann, sprüht ihm das Callgirl eine Pfefferlösung in die Augen, schlüpft rasch auf den Fahrersitz und rast mit dem verdutzten Österreicher und dem Geld davon.

Die beiden kommunizieren in englischer Sprache. Er heiße Johnny Pichler, behauptet der Mann im Fond. Um das gestohlene Auto zu verkaufen, fährt die Prostituierte, die keinen Namen nennt, mit ihm nach Bratislava. Weil ihnen jedoch dort keiner der Gebrauchtwagenhändler einen anständigen Preis bietet, setzen sie ihren Weg weiter nach Osten fort.

In einem Hotelzimmer amüsieren sie sich über eine kleine Ballerina aus Plastik, die in einer leeren Likörflasche tanzt. Die Blondine bittet Johnny, Bier zu besorgen. Als er zurückkommt, ist sie fort. Sie hinterlässt ihm zwar das Auto und eine Videokamera, aber die 20 000 Dollar hat sie mitgenommen. Frustriert geht Johnny in eine Bar. Dort wird er von einem Deutschen angesprochen, der sich mit dem Namen Ignaz Springer (Detlev Buck) vorstellt, ihm erzählt, er handele mit Schuhen und ihn fragt, was er zu verkaufen habe. Er sei dabei, in der Transsibirischen Eisenbahn Kondomautomaten aufzustellen, behauptet Johnny spontan. Ignaz drängt sich dem Österreicher auf, und während Johnny eine Tankrechnung bezahlt, steckt er das rote Notizbuch ein, das die Prostituierte im Handschuhfach liegen ließ.

Schließlich gelingt es Ignaz, das Auto für einen annehmbaren Preis zu verkaufen. Danach entdeckt Johnny das rote Notizbuch. Es enthält Passfotos der Prostituierten und eine Geschäftskarte aus Lviv. Ohne sich von seinem unerwünschten Begleiter zu verabschieden, trampt Johnny in die Ukraine und fragt in Lviv überall nach der Frau auf den Fotos. Auf der Straße wird er einmal von einer Bande Jugendlicher angehalten, die ihn zwingt, einen Ziegelstein zu kaufen. Wie hoch der Preis sei, fragt Johnny. Der Ziegelstein koste so viel wie er bei sich habe, lautet die Antwort. Zum Glück hat er kurz zuvor das meiste Geld im Schuh versteckt und kommt deshalb glimpflich davon. Als er einem Taxifahrer die Geschäftskarte zeigt und fragt, ob dieser ihn zu der angegebenen Adresse bringen könne, wird er mehrere Autos weiter geschickt. Die Taxifahrerin (Viktoria Malektorovych) kippt den Rückspiegel weg und vermeidet es, sich zu ihm umzudrehen. Sie gibt ihm die Karte zurück und weigert sich, mit ihm loszufahren. Doch als Johnny in einer nahen Bar an der Theke steht, taucht sie neben ihm auf und fragt ihn, woher er die Karte habe. Die gehöre ihrer Zwillingsschwester Dana, die vor drei Monaten verschwunden sei, behauptet sie. Sie selbst heiße Jana. Bis auf die kurzen brünetten Haare sieht sie Dana zum Verwechseln ähnlich.

Jana nimmt Johnny mit nach Hause. Sie scheint von einem besseren Leben außerhalb des Ostblocks zu träumen, aber sie schweigt darüber. Als Johnny sie einmal unabsichtlich in der Garage einschließt, gerät sie in Panik: Offenbar ist sie aufgrund eines traumatischen Erlebnisses klaustrophob. Im Garten hat sie ein paar Schafe. Die scheucht Johnny so lange herum, bis sie es wagen, über den niedrigen Zaun zu springen und davonzulaufen. Aber nach kurzer Zeit kehren sie zurück.

Jana und Johnny kommen sich näher und verlieben sich.

Während Jana zwei Tage in Kiew ist, findet Johnny zufällig den Schlüssel für eine kleine Schublade, und als er sie aufzieht, stößt er auf ausgeschnittene Zeitungsartikel über ein Fährunglück. Jana war damals noch ein Kind und überlebte die Katastrophe als Einzige ihrer Familie. Ihre Zwillingsschwester ist also seit langer Zeit tot! Außerdem gibt es Hinweise, dass Jana Verbindungen zur Russenmafia hat. Als Johnny sich vor Wut mit einem Messer in die Hand schneidet und dann nach Verbandsmaterial umsieht, findet er die Ballerina aus dem Hotelzimmer in der Slowakei. Jana und Dana sind also ein und dieselbe Person! Ohne lang zu überlegen, nimmt Johnny ihr Taxi und fährt ihr nach Kiew nach. Als er Jana mit einem jungen Begleiter aus einem Haus kommen sieht und aussteigt, läuft sie fort, und Johnny wird von ein paar aufgebrachten Taxifahrern festgehalten, die annehmen, er habe ihnen Kunden wegschnappen wollen.

Auf einem Marktplatz sieht er Ignaz Springer wieder, der gerade in ein Handgemenge mit schimpfenden Händlern verwickelt ist. Johnny hilft ihm zu fliehen. Gemeinsam machen sie sich per Anhalter auf den Weg nach Odessa. Unterwegs gibt Ignaz seinem Begleiter eine Karte, die er dem roten Notizbuch entnommen hatte. Darauf stehen der Name Shirley und eine Telefonnummer. Johnny ruft die Nummer an, nennt sich Joe Postman und bestellt Shirley in ein Hotel in Odessa. Irgendwo sieht Johnny Danas Taxi stehen, und er überredet Ignaz, es zu stehlen. Weil sie jedoch beim Ausparken mit einer Polizeistreife kollidieren, werden sie verhaftet.

Johnny gelingt es, sich mit einem im Kugelschreiber versteckten Geldschein freizukaufen, aber Ignaz muss in der Gefängniszelle bleiben. Weil sein Geld nicht mehr für eine Zugfahrkarte nach Odessa reicht, verschafft Johnny sich durch den „Verkauf“ eines Ziegelsteins auf der Straße die gefüllte Brieftasche eines Passanten.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Als Dana erfährt, was mit ihrem Taxi passiert ist, kommt sie, um es abzuholen und Johnny mit etwas Schmiergeld auszulösen, aber bei dem einzigen Häftling handelt es sich um einen ihr fremden Mann: Ignaz Springer. Der erbettelt noch etwas Geld von ihr, bevor er seiner Wege geht.

In dem Hotel in Odessa, in das Dana alias Jana alias Shirley bestellt wurde, fragt sie an der Rezeption nach Joe Postman. Johnny hat die kleine Spielzeugballerina aus der Likörflasche und ein Ticket für die Fähre für sie hinterlegt, ist aber selbst nicht da. Während sie ihn im Hafen sucht, fragt Johnny im Hotel nach ihr und eilt dann ebenfalls zum Hafen. Die junge Frau geht auf die Fähre, die gerade ablegt, als Johnny am Kai gelaufen kommt. Sie winkt ihm von der Reling. Er springt kurzerhand ins Wasser und schwimmt auf die Fähre zu. Als sie das sieht, springt sie ebenfalls ins Meer …

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

„Blue Moon“ heißt im angloamerikanischen Sprachgebrauch der zweite Vollmond innerhalb eines Kalendermonats. Im übertragenen Sinn versteht man unter „Blue Moon“ etwas Seltenes – wie die Liebe oder die außergewöhnlichen Zufälle in diesem Kinofilm von Andrea Maria Dusl.

Bewusst verzichtet Andrea Maria Dusl darauf, uns über die Lebensgeschichte ihrer Figuren aufzuklären, und wir erfahren beispielsweise auch nichts über die Hintergründe der Geldübergabe zu Beginn. Erzählt wird aus der Perspektive eines lakonischen, melancholischen und unbeirrbaren österreichischen Kleinkriminellen, der behauptet, er heiße Johnny Pichler. Er folgt einer geheimnisvollen Prostituierten mit Verbindungen zur Russenmafia auf einer tagelangen Odyssee bis nach Odessa. Dabei begegnet er mehrmals einem deutschen Schmarotzer, für den die Menschheit nur aus Käufern und Verkäufern zu bestehen scheint. Diese drei Hauptfiguren werden von Josef Hader, Victoria Malektorovych und Detlev Buck stimmig dargestellt.

„Blue Moon“ ist eine eigenwillige Mischung aus Roadmovie, Gangsterballade, Komödie und Melodram. Realistische und bizarre Situationen wechseln sich ab. Ruhig und unaufdringlich erzählt Andrea Maria Dusl die Geschichte. Wolfgang Thaler mischt auch Handkameraaufnahmen und manipulierte Digitalsequenzen unter seine Bilder.

Andrea Maria Dusl wurde 1961 in Wien geboren. Sie studierte Bühnengestaltung und Medizin. Dann arbeitete sie als Bühnendesignerin und als Assistentin unter anderem für George Tabori und Ignaz Kirchner. Außerdem betätigte Andrea Maria Dusl sich als Autorin und Illustratorin. Nach sechs Kurzfilmen drehte sie mit „Blue Moon“ ihren Debütkinofilm. „Blue Moon“ wurde 2003 als „bester österreichischer Film“ mit dem „Großen Diagonale-Preis“ ausgezeichnet.

nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)

Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2005

Wiener Schmäh:
Florian Flicker: Der Überfall
Paul Harather: Indien
Wolfgang Murnberger: Komm, süßer Tod
Thomas Roth, Harald Sicheritz: Trautmann
Harald Sicheritz: Hinterholz 8

Ralf Rothmann - Hitze
Das Besondere an dem Roman "Hitze" von Ralf Rothmann sind die authentisch wirkenden Milieuschilderungen. Die eigentliche Handlung kommt dagegen mit einem Drittel der Seiten aus.
Hitze

 

(Startseite)

 

Nobelpreis für Literatur

 

Literaturagenturen

 

Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon zehn Tage und mehr, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte, und die Zeitspanne wird sich noch verlängern: Aus familiären Gründen werde ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik deutlich reduzieren.