Brazil

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Brazil – Originaltitel: Brazil – Regie: Terry Gilliam – Drehbuch: Terry Gilliam, Tom Stoppard, Charles McKeown – Kamera: Roger Pratt – Schnitt: Julián Doyle – Musik: Michael Kamen – Darsteller: Jonathan Pryce, Kim Greist, Ian Holm, Michael Palin, Robert De Niro, Katherine Helmond, Bob Hoskins, Jim Broadbent, Ian Richardson, Peter Vaughan, Ray Cooper, Simon Jones, Terry Gilliam u.a. – 1985; 135 Minuten

Inhaltsangabe

In einem totalitären Überwachungsstaat wird aufgrund eines Schreibfehlers statt des Schwarzarbeiters Archibald Tuttle der brave Familienvater Buttle festgenommen. Bevor der Archivar Sam Lowry den Irrtum bemerkt, stirbt Buttle unter der Folter. Als Sam der Witwe einen Scheck überbringt, begegnet er ihrer Nachbarin Jill Layton, seiner Traumfrau. Da er weiß, dass sie als Zeugin der unrechtmäßigen Verhaftung beseitigt werden soll, versucht er, sie zu beschützen und gerät dadurch selbst ins Visier der Polizei ...
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Kritik

Bei "Brazil" handelt es sich um eine groteske Zukunftssatire von Terry Gilliam. Witz, Originalität, überbordende Einfälle, Tempo, unerwartete Wendungen, optische Überraschungen, grandiose Kulissen und eine Fülle von Themen rauben einem den Atem.
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Irgendwo im 20. Jahrhundert. Wir befinden uns in einem Überwachungsstaat, in dem die Behörden und ein hochgerüsteter Polizeiapparat alles zu kontrollieren versuchen. Sie konnten bisher allerdings nicht verhindern, dass Terroristen seit dreizehn Jahren fast täglich Sprengstoffanschläge durchführen.

Als ein Büroangestellter des Informationsministeriums eine Fliege erschlägt und deren Kadaver in einen Fernschreiber fällt, kommt es zu einem Druckfehler, demzufolge statt des schwarz arbeitenden Heizungsmonteurs Archibald Tuttle der unauffällige Bürger Buttle (Brian Miller) vor den Augen seiner Frau Veronica (Sheila Reid) und seiner Kinder (Simon Nash, Prudence Oliver) von einer schwer bewaffneten Polizeieinheit festgenommen wird.

Buttles Nachbarin Jill Layton (Kim Greist) versucht, die unrechtmäßige Verhaftung bei den Behörden anzuzeigen, aber sie wird von einer Abteilung zur anderen geschickt und muss sich erst Formulare und Stempel besorgen. Bevor Jill etwas erreicht, stirbt Buttle bei der Informationswiederbeschaffung (Folter). Erst als er tot ist, entdeckt der Archivar Sam Lowry (Jonathan Pryce) den Irrtum.

Fast jede Nacht träumt Sam, dass er mit Vogelschwingen durch die Wolken fliegt, um mit seinem Samurai-Schwert eine blonde Frau zu retten, die von Spukgestalten angegriffen wird.

Diese Traumfrau ist ganz anders als Shirley Terrain (Kathryn Pogson), mit der ihn seine Mutter Ida (Katherine Helmond) verkuppeln möchte. Shirley ist die Tochter von Idas Freundin Alma Terrain (Barbara Hicks), in deren Gesicht der Schönheitschirurg Dr. Chapman (Jack Purvis) immer neue Katastrophen anrichtet, während es seinem Konkurrenten Dr. Jaffe (Jim Broadbent) gelingt, Ida Lowry von Woche zu Woche weiter zu verjüngen.

Sam stört es nicht, dass er nur ein kleines Rädchen in dem Behördensystem ist und er widersetzt sich seiner ehrgeizigen Mutter, die von ihm erwartet, dass er Karriere macht. Als sie durch ihre Beziehungen zu leitenden Beamten erreicht, dass ihrem Sohn eine Beförderung in der Abteilung Informationswiederbeschaffung angeboten wird, lehnt dieser ab.

Sein überforderter Vorgesetzter M. Kurtmann (Ian Holm) nimmt es erleichtert zur Kenntnis. Er ist froh, dass Sam ihm weiterhin mit Ratschlägen zur Verfügung steht und auch unangenehme Aufgaben übernimmt, beispielsweise die Witwe Veronica Buttle aufsucht, um ihr einen Informationswiedergutmachungsscheck zu überbringen. Dabei sieht er die Frau aus seinen Träumen, die Nachbarin Jill Layton, doch bevor er sie ansprechen kann, ist sie verschwunden. Mit seinem Auto kann Sam nicht zurückfahren, denn Kinder haben die Räder abmontiert und es angezündet.

Kürzlich war die Klimaanlage in seiner Wohnung ausgefallen. Er rief Central Services an, aber eine Computerstimme erklärte ihm, die Behörde sei überlastet und könne deshalb keine weiteren Reparaturaufträge annehmen. Verzweifelt schrie Sam ins Telefon, es handele sich um einen Notfall. Darauf bekam er keine Antwort. Allerdings drang kurz darauf ein bewaffneter Mann in sein Apartment ein, der erst einmal sicherstellte, dass er mit Sam allein war, bevor er sich als Heizungsmonteur Archibald („Harry“) Tuttle (Robert DeNiro) zu erkennen gab. Der Schwarzarbeiter hatte das Telefongespräch abgehört und suchte nach dem Fehler, obwohl solche Arbeiten nur von Central Services durchgeführt werden dürfen.

Während Tuttle noch mit der Reparatur beschäftigt war, klingelten zwei Monteure von Central Services (Bob Hoskins, Ray Cooper). Um den hilfsbereiten Schwarzarbeiter nicht in Schwierigkeiten zu bringen, versuchte Sam, die beiden abzuwimmeln, und das gelang ihm, weil sie ein für solche Fälle vorgeschriebenes Formular nicht vorweisen konnten.

Als er von Veronica Buttle zurückkommt, findet er die beiden abgewiesenen Heizungsmonteure von Central Services in seinem Apartment vor. Sie haben bereits alle Kabel, Schläuche und Rohre freigelegt und die Räume nicht nur in ein Chaos verwandelt, sondern auch beschlagnahmt. Sam protestiert, aber die Monteure berufen sich darauf, dass er einen Notfall gemeldet hatte. Sie finden auch das von Tuttle illegal eingebaute Überbrückungskabel und drohen Sam mit einer Anzeige. Wieder erweist Tuttle sich als Retter in der Not: Plötzlich taucht er auf und klemmt mit ein paar Handgriffen zwei Leitungen so um, dass die Schutzanzüge der beiden Monteure mit dem braunen Abwasser aus der Toilette vollgepumpt werden.

Sam findet heraus, dass sein Freund Jack Lint (Michael Palin) – der mit seiner Ehefrau Alison (Elizabeth Spender) Drillinge hat, die er ständig verwechselt – Buttle verhörte und nun vorhat, die Zeugin der Verhaftung zu beseitigen.

Um Jill beschützen zu können, nimmt Sam die angebotene Beförderung nun doch an und bezieht ein winziges Büro in der Abteilung Informationswiederbeschaffung. Sein Büronachbar heißt Harvey Lime (Charles McKeown). Mr Helpman (Peter Vaughan), ihr Vorgesetzter, rennt ständig wie ein Chefarzt bei der Visite mit einem Tross von Untergebenen durch die Korridore.

Als Sam von einem der oberen Stockwerke des Ministeriums sieht, dass Jill beim Empfang steht und mit dem Pförtner (Gorden Kaye) spricht, eilt er zu ihr, aber er kann der Wache keinen gültigen Ausweis vorweisen und wird deshalb verfolgt. Trotzdem gelingt es ihm, mit Jill das Gebäude zu verlassen und in einem Lastwagen zu fliehen. Schließlich versteckt er sie in der Wohnung seiner Mutter, die sich gerade wieder einer Schönheitsoperation unterzieht.

Dann kehrt er ins Ministerium zurück und löscht Jills Identität im Computer.

Wenn Sie noch nicht erfahren möchten, wie es weitergeht,
überspringen Sie bitte vorerst den Rest der Inhaltsangabe.

Sam wird verhaftet und wegen zahlreicher Vergehen angeklagt. Jill sei bei ihrer Festnahme getötet worden, teilt man ihm mit. Jack übernimmt es, Sam zu foltern. Doch bevor er das Skalpell ansetzen kann, wird er erschossen: Ein von Tuttle angeführter Rebellentrupp stürmt das Ministerium, befreit Sam und sprengt das Gebäude. Sam rettet sich in einen geparkten Lastwagen, der sogleich losfährt, und am Steuer sitzt Jill. Sie fahren aus der Stadt hinaus in die Natur, ins Freie.

Jack Lint und Mr Helpman stehen vor dem nach wie vor in der Abteilung Informationswiederbeschaffung gefesselt auf einem Stuhl sitzenden Sam Lowry und stellen frustriert fest: „Er ist entwischt.“

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Bei „Brazil“ handelt es sich um eine groteske Zukunftssatire über einen totalitären Überwachungsstaat, in dem es nur eine einzige Fluchtmöglichkeit gibt: die in den Wahnsinn. Die Handlung ist von George Orwells Roman „1984“ inspiriert; die Atmosphäre kafkaesk, und sowohl die gigantischen Bauwerke als auch einige expressionistische Schatten erinnern an Fritz Langs Film „Metropolis“. Terry Gilliam hat seine Wurzeln bei Monty Python nicht vergessen; davon zeugen bizarre Gags. Beklemmende Szenen, Action, Slapstick und Albträume folgen in „Brazil“ rasch aufeinander. Nicht nur Witz, Originalität, überbordende Einfälle, Tempo, unerwartete Wendungen, optische Überraschungen und grandiose Kulissen rauben einem in „Brazil“ den Atem, sondern auch die Fülle der Themen: Polizei- und Überwachungsstaat, Bürokratie, Korruption, Karriere-Geilheit, Informationsgesellschaft, Umweltzerstörung, Terrorismusmus, Schönheitswahn und plastische Chirurgie, Schwarzarbeit, Inhumanität, unerfüllbare Träume, hoffnungslose Liebe, verratene Freundschaft usw. „Ich wollte damals alles in diesen einen Film quetschen, was ich später in vielen anderen noch unterbringen konnte“, gestand Terry Gilliam später. Das Drehbuch war zunächst auf fünf Stunden angelegt, aber nach einem Monat Dreharbeiten beschloss Terry Gilliam drastische Kürzungen. Dabei hätte er vielleicht weitere zwanzig Minuten weglassen sollen, vor allem zu Beginn der zweiten Hälfte.

Sid Sheinberg, dem damaligen Chef von Universal Studios, war „Brazil“ zu düster, und er verlangte wenigstens ein Happyend. Er ließ den Film neu schneiden, auf 94 Minuten kürzen und insbesondere den desillusionierenden Schluss entfernen. Deshalb gibt es heute drei Versionen von „Brazil“: die 135 Minuten lange, einen sieben Minuten längeren „Director’s Cut“ und den „Sheinberg-Edit“.

Den von Terry Gilliam zunächst vorgesehenen Titel – „1984 ½“ – erlaubten die Erben von George Orwell nicht. Deshalb läuft der Film unter dem Titel „Brazil“, und als Titelmusik ist die Samba „Aquarela do Brasil“ (1939) von Ary Barroso (1903 – 1964) in einer Interpretation von Geoff Muldaur (* 1943) zu hören.

Ursprünglich begann der Film in Port Talbot, Wales. In Port Talbot wird Stahl erzeugt. Der Strand ist vom Kohlenstaub total schwarz. Schiffe laufen auf den Inseln ein und riesige Förderbänder transportieren die Kohle, alles ist voll Staub, der Strand ist rabenschwarz. Da saß ich bei Sonnenuntergang. Ich sah nur das Bild eines Typen vor mir, der dort den Sonnenuntergang ansah, während sein Radio seltsame Musik empfing, wie Brazil, lateinamerikanische, romantische Musik. So fing alles an. Und darum geht es in dem Film nach wie vor. Es geht um jemanden, der all dem entfliehen will, der glaubt, es gebe eine Fluchtmöglichkeit. (Terry Gilliam)

„Brazil“ wurde für zwei „Oscars“ nominiert: Drehbuch, Ausstattung.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2008

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Terry Gilliam: König der Fischer
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Mehr als zwei Jahrzehnte lang las ich rund zehn Romane pro Monat und stellte sie dann mit Inhaltsangaben und Kommentaren auf dieser Website vor. Zuletzt dauerte es schon einen Monat, bis ich ein neues Buch ausgelesen hatte. Aus familiären Gründen reduziere ich das Lesen und die Kommunikation über Belletristik.