Hiltrud Häntzschel : Marieluise Fleißer
Inhaltsangabe
Kritik
Marieluise Fleißer (Kurzbiografie)
Der Literaturwissenschaftlerin Hiltrud Häntzschel verdanken wir die erste große Biografie über Marieluise Fleißer. Die Autorin erweist sich als profunde Kennerin des Werks der Schriftstellerin Marieluise Fleißer, und sie hat offenbar auch sehr viel Material gesichtet. Sensationelle Enthüllungen dürfen wir allerdings von „Marieluise Fleißer. Eine Biographie“ nicht erwarten.
Freilich: Viel größer als die in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts neu entdeckten Korrespondenzen sind die Lücken, die Leerstellen im biografischen Material. Man muss sich darüber im Klaren sein: Für die Zeit von der Kindheit bis zum ersten Höhepunkt ihrer Laufbahn und ihrer tiefen Zäsur 1929 ist bislang in öffentlich zugänglichen Nachlässen ein einziger privater Brief von Marieluise Fleißer bekannt, 1926 an den Vater aus Berlin, und auch er berichtet ausschließlich von Beruflichem. Von einem Tagebuch ganz zu schweigen. Kein einziger Brief an einen jener Männer, zu denen sie in dieser Zeit in enger Verbindung stand, ist erhalten, keiner an Alexander Weicker, keiner an Lion Feuchtwanger, keiner an Bert Brecht, an Hannes Küpper, an Bode Uhse, auch keiner an Bepp Haindl. (Seite 14)
Nicht nur die Lücken im vorhandenen Material erschweren es, eine Biografie über Marieluise Fleißer zu schreiben, sondern auch die Vermischung von Fiktion und Wirklichkeit, der Marieluise Fleißer selbst durch teilweise autobiografische Erzählungen Vorschub leistete.
Heute ist Marieluise Fleißer auf sonderbare Weise unbekannt und prominent zugleich. Es gibt Marieluise-Fleißer-Straßen und eine Briefmarke, ein ICE fährt unter ihrem Namen. Ihre Lebensgeschichte – oder was davon in die Legenden einging, das Brecht-Erlebnis vor allem – hat sich verselbstständigt, wieder in Literatur verwandelt. (Seite 11)
Als Beispiele für literarische Werke anderer Autorinnen und Autoren, die von Marieluise Fleißers Leben inspiriert sind, nennt Hiltrud Häntzschel den Roman „Loving Brecht“ von Elaine Feinstein und die Theaterstücke „Atzenköfls“ von Kerstin Hensel, „Brecht“ von Johann Kresnik und Uschi Otten, „Growing Herself Some Armour“ von Tinch Minter und „Marieluise“ (auch: „Die Rückseite der Rechnungen“) von Kerstin Specht.
Akribische Vergleiche von Texten und Belegen haben es Hiltrud Häntzschel ermöglicht, zwischen Legende und Realität zu unterscheiden.
Nicht für ein großes Publikum hat Hiltrud Häntzschel geschrieben, sondern ihr Buch richtet sich vor allem an Menschen, die sich ernsthaft mit dem Werk und der Persönlichkeit von Marieluise Fleißer auseinandersetzen und dabei mehr Wert auf die Genauigkeit und Zuverlässigkeit als auf die Dramatik der Darstellung legen.
Die Biografie ist nicht thematisch gegliedert, sondern folgt dem Lebensweg Marieluise Fleißers chronologisch von der Geburt bis zum Tod. Der Anhang besteht aus Anmerkungen, einem Literaturverzeichnis und einem Register.
Hiltrud Häntzschel „möchte Marieluise Fleißer als Handelnde ausfindig machen, nicht nur als eine (zumeist schlecht) Behandelte“. (Seite 14)
nach oben (zur Kritik bzw. Inhaltsangabe)[Zwischen dem Erfolg der „Pioniere in Ingolstadt“ und der späten Anerkennung] liegen Jahrzehnte eines unglücklichen, engen, einzig an Mangel, Entbehrungen, Enttäuschungen reichen Lebens: materieller Mangel, nackter Hunger und völlige Mittellosigkeit, Mangel an Liebe, an erfüllter Sexualität, Mangel an intellektuellen Kontakten, an Austausch mit Ebenbürtigen, Mangel an öffentlicher Anerkennung ihres Schreibens, an Erfolg […] (Seite 11)
Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2008
Textauszüge: © Insel Verlag
Marieluise Fleißer (Kurzbiografie)