Jonas Jonasson : Die Analphabetin, die rechnen konnte

Die Analphabetin, die rechnen konnte
Originalausgabe: Analfabeten som kunde räkna Piratförlaget, Stockholm 2013 Die Analphabetin, die rechnen konnte Übersetzung: Wibke Kuhn carl's books, München 2013 ISBN: 978-3-570-58512-2, 447 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Kurz nach ihrem 15. Geburtstag wird die Latrinenleererin Nombeko in Johannesburg von einem betrunkenen Ingenieur auf dem Gehsteig angefahren. Als Schwarze ist sie selbstverständlich schuld an dem Unfall, und um das vom Gericht verhängte Bußgeld abzuarbeiten, soll sie sieben Jahre lang für den Ingenieur putzen. Der leitet das südafrikanische Kernwaffenprojekt. Versehentlich lässt er sieben statt sechs Atombomben herstellen, und als die Regierung beschließt, die Sprengkörper vor der Machtübergabe an den ANC zu verschrotten, bleibt eine Bombe übrig ...
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Kritik

"Die Analphabetin, die rechnen konnte" ist eine wahnwitzige Mischung aus Schelmenroman und Gaunergeschichte, Farce, Thriller und Gesellschaftssatire. Mit außergewöhnlicher Fabulierlaune hat Jonas Jonasson sich eine Unmenge von Slapstick-Wendungen ausgedacht.
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Im Alter von 14 Jahren löst Nombeko Mayeki ihren Chef ab und übernimmt die Leitung der Latrinenleerungsgruppe von Sektor B in Soweto. Immerhin hat sie bereits neun Jahre Berufserfahrung. Geboren wurde sie 1961. Ihre allein erziehende, sich durch das Inhalieren von Lösungsmitteln über die Trübsal des Lebens hinwegtröstende Mutter starb, als Nombeko zehn Jahre alt war. Einem Mann namens Thabo, der sie zu begrapschen versucht, rammt sie zunächst eine Schere in den Oberschenkel und bringt ihn dann dazu, sie lesen zu lehren. Rechnen kann sie bereits. Als Thabo in seiner Hütte von Dieben ermordet wird, nimmt Nombeko ihm die 14 in Zahnhöhlen versteckten Rohdiamanten aus dem Mund, gräbt weitere 14 aus, näht sie in den Saum ihrer Jacke ein und macht sich damit am Tag vor ihrem 15. Geburtstag auf den Weg nach Johannesburg.

Dort wird sie auf einem Gehsteig von dem betrunkenen Ingenieur Engelbrecht van der Westhuizen mit dem Auto angefahren. Mit gebrochenem Bein, Arm und Kiefer steht Nombeko dann vor Gericht. Als Schwarze ist sie selbstverständlich schuld an dem Unfall, und weil sie kein Geld hat – ihr Vermögen in Form von Edelsteinen verschweigt sie wohlweislich –, wird sie am 15. Juni 1976 dazu verurteilt, das Bußgeld als Putzhilfe des Ingenieurs abzuarbeiten. Sieben Jahre sind dafür vorgesehen. Nombeko hat vor, bei der ersten Gelegenheit davonzulaufen, aber van der Westhuizen bringt sie in die mit Starkstromzäunen gesicherte Forschungsanlage Pelindaba. Dort wohnt er, denn er leitet das Kernwaffenprogramm Südafrikas. Immerhin steht Nombeko jetzt ein eigenes Bett zur Verfügung, und sie hat Zugang zu einem WC statt Verantwortung für viertausend Plumpsklos. Besonders angetan ist sie von der Bibliothek der Forschungsanlage, die von sonst kaum jemandem genutzt wird. Bald versteht sie sehr viel mehr von Mathematik und Atomphysik als der Chef, der es nicht aufgrund seiner Kenntnisse, sondern durch Beziehungen in diese Position geschafft hat.

Nombeko freundet sich mit drei chinesischen Mädchen an, die ebenfalls hier festgehalten werden und in der Postabteilung arbeiten müssen. Sie stammen aus dem Chinesenviertel von Johannesburg. Dort stellten sie Gänse aus der Han-Dynastie her und verkauften sie. Die Chinesinnen schicken auch einen Brief ab, den Nombeko an den US-Präsidenten Jimmy Carter geschrieben hat. Darin kündigt sie für Anfang 1978 einen südafrikanischen Atombombentest in der Kalahari-Wüste und die Produktion von sechs Kernwaffen an. Der Brief wäre im Papierkorb gelandet, wenn Nombeko nicht „Amerika verrecke!“ an den Rand geschrieben hätte. So kommt das Schreiben innerhalb weniger Stunden auf den Schreibtisch des CIA-Chefs Stansfield M. Turner in Langley/Virginia, der allerdings auch nicht viel damit anfangen kann.

Der geplante Test wird mit Unterstützung Israels durchgeführt.

1985 reist der Generalsekretär der chinesischen Guizhou-Provinz besorgt nach Südafrika. Gerüchten zufolge versucht nämlich Taiwan, an eine südafrikanische Atombombe zu kommen. Weil der chinesische Gast im Rang unter ihm steht, will ihn Premierminister Pieter Willem Botha nicht offiziell empfangen, sondern lässt stattdessen ein scheinbar zufälliges Treffen bei einer Safari arrangieren. Engelbrecht van der Westhuizen nimmt seine Putzfrau mit, damit sie ihm notfalls Antworten auf knifflige Fachfragen zuflüstern kann. Als der chinesische Dolmetscher barfuß auf einen Skorpion tritt und ausfällt, springt Nombeko für ihn ein. Mit Hilfe ihrer chinesischen Freundinnen hat sie inzwischen deren Sprache gelernt und kann sich mit dem in Jiangyan in der Provinz Jiangsu aufgewachsenen Gast in dessen Dialekt unterhalten. Sie kündigt ihm das in fünf Stunden geplante, angeblich zufällige Eintreffen Bothas an, und statt das Geschwafel des Projektleiters zu übersetzen, versichert Nombeko dem Chinesen, dass es nicht beabsichtigt sei, die südafrikanische Kernwaffentechnologie nach Taiwan zu exportieren. Am Ende reist der Gast beruhigt und von der Afrikanerin beeindruckt nach Hause.

Versehentlich lässt van der Westhuizen sieben Atombomben statt der in Auftrag gegebenen sechs herstellen. Zunächst ist das nicht schlimm, aber dann ändert sich die Situation. Botha hält es nämlich für denkbar, dass der ANC mittelfristig an die Macht kommt.

Und dann … tja, wer legte schon einer kommunistischen Negerorganisation freiwillig sechs Atomwaffen in die Hand? Da war es doch besser, die Waffen abzubauen und eine PR-Nummer daraus zu machen!

Die südafrikanische Regierung ordnet also die Zerstörung der sechs Atombomben an, von deren Existenz sie weiß. Aber was soll mit der siebten geschehen? Nombeko, die als Putzfrau über die Schlüssel zum Lager verfügt, bietet sie den beiden Mossad-Agenten an, die in Pelindaba ein- und ausgehen. Um einen Mitwisser zu beseitigen, fährt einer der Agenten Engelbrecht van der Westhuizen tot. Nombeko rechnet damit, dass die Israelis auch sie ermorden wollen, sobald sie die Bombe mit ihrer Hilfe aus dem Land geschmuggelt haben. Um sich abzusichern, tut sie so, als habe sie ein Gespräch mit ihnen aufgenommen, in dem sie einen Mord zugaben. Das Tonband habe sie jemanden geschickt, sagt sie, der es veröffentlichen werde, wenn sie nicht innerhalb von 24 Stunden nach Verlassen der Forschungsanlage bei ihm auftaucht. Nachdem sie sich einig geworden sind, bittet Nombeko die drei Chinesinnen in der Poststelle, eine schwere Kiste als Diplomatengepäck nach Jerusalem aufzugeben und 10 Kilogramm getrocknetes Antilopenfleisch an die israelische Botschaft in Stockholm abzuschicken. Die Agenten haben ihr nämlich ein Flugticket nach Schweden besorgt.

Am 12. November 1987 verlassen die Mossad-Agenten Pelindaba mit der Putzfrau im Kofferraum. Aussteigen will sie auf dem Marktplatz in Johannesburg, wo es ihr leichtfällt, in dem Gewusel unterzutauchen. Auf dem Flughafen und in der Maschine ist alles neu für die 26-jährige Schwarze.

Das Personal brauchte eine ganze Weile, bis es Nombeko klargemacht hatte, dass das angebotene Glas Champagne du Pompadour Extra Brut im Ticketpreis inbegriffen war. Ebenso das folgende Essen. Sie wurde auch freundlich, aber bestimmt wieder an ihren Platz zurückgebracht, als sie versuchen wollte, den Stewardessen beim Abräumen zu helfen.

Nach der Ankunft in Arlanda bittet Nombeko als politisch verfolgte Aktivistin des ANC um Asyl und wird in das Flüchtlingslager Carlslund in Upplands Väsby nördlich von Stockholm gebracht.

Dort fällt ihr am 17. November ein gleichaltriger Schwede auf, der Kissen ausliefert. Sie fragt Holger – so heißt der hilfsbereite Mann – nach der israelischen Botschaft, und er nimmt sie in seinem Lastwagen mit.

Holger und sein gleichnamiger Zwillingsbruder sind die Söhne von Ingmar und Henrietta Qvist aus Södertälje. Die Eltern hatten sich 1943 kennengelernt. Ingmar arbeitete als Buchhaltungsassistent bei der Königlich Schwedischen Post, und der sehnlichste Wunsch des glühenden Royalisten war es, einmal einen Handschlag mit dem König auszutauschen. Dafür tat er alles und reiste dem König sogar an die Riviera nach. In Nizza gelang es ihm zwar, an Gustav V. heranzukommen, aber der schlug mit seinem Spazierstock nach ihm, statt ihm die Hand zu geben. Daraufhin verwandelte sich Ingmar in einen fanatischen Republikaner und setzte alles daran, die Monarchie zu stürzen. Als Henrietta 1962 Zwillinge gebar, ließ Ingmar nur einen der beiden registrieren, denn sie sollten sich später beim Schulbesuch abwechseln, damit er ihnen an den schulfreien Tagen die rechte republikanische Gesinnung beibringen konnte. Henrietta starb im Mai 1979. Ingmar beerbte schließlich seinen Schwiegervater, der Krimsekt und andere Waren aus der UdSSR importiert hatte.

Der alte Mann hatte in all den Jahren etwas schneller eingekauft, als er verkaufen konnte.

Vom Verkauf des Lagerbestands lebte Ingmar mit seinen Söhnen acht Jahre lang. Im Juni 1987 kippte eine Statue des schwedischen Königs um, die er aus einer unverkäuflicher Lenin-Statue gemacht hatte, und erschlug ihn. Mit dem hinterlassenen Lastwagen gründeten Holger und Holger ein Fuhrunternehmen und transportierten Kopfkissen für die Gnesta Daunen & Inletts AG. Als der Besitzer mit 65 in Rente ging, übernahmen die Zwillinge das Unternehmen einschließlich des Lagers, eines Abbruchhauses und einer Töpferei und verpflichteten sich, ihm dafür lebenslang eine Zusatzrente zu zahlen. Das erwies sich als gutes Geschäft, denn der Unternehmer dachte bei seinem ersten Besuch nach langer Zeit in Stockholm nicht daran, dass inzwischen der Rechtsverkehr eingeführt worden war, schaute beim Überqueren einer Straße auf die falsche Seite und wurde von einem Bus überfahren.

In der israelischen Botschaft fragt Nombeko nach dem Paket aus Südafrika. Als die Formalitäten erledigt sind, klettert sie wieder zu Holger Qvist in den LKW. Der hat das Paket inzwischen bereits aufgeladen, meint jedoch verwundert, es wiege etwas mehr als die zehn Kilogramm, von denen die Rede war. Die Kiste ist fast eine Tonne schwer. Da ahnt Nombeko, was sie enthält. Und sie klärt Holger darüber auf, dass sie eine Atombombe mit drei Megatonnen Sprengkraft geladen haben.

Zurück ins Flüchtlingslager kann Nombeko nicht, denn der Mossad sucht gewiss sowohl nach der Bombe als auch nach ihr. Holger wohnt zwar in einem Abbruchhaus in Gnesta, aber Nombeko ist Schlimmeres gewohnt und froh, dass er ihr einen Unterschlupf gewährt. Die Kiste stellen sie ins Lager. Dort splittert plötzlich das Holz, und die drei Chinesinnen steigen aus der Kiste. Das Vertauschen der Postsendungen gehörte zu ihrem Fluchtplan! Sie wollen zu ihrem Onkel Cheng Tao weiterreisen, der in Basel, Bonn oder Berlin mit Antiquitäten handelt.

Nombeko ist klar, dass sie die Atombombe nicht einfach stehen lassen können, bis keine Gefahr mehr davon ausgeht, denn das würde 26 200 Jahre plus/minus drei Monate dauern. Also ruft Holger bei Ministerpräsident Ingvar Carsson an, aber als er den Vorzimmerdamen nicht sagen will, welche brisante Nachricht er überbringen möchte, weist sie ihn ab. Genauso ergeht es ihm beim Versuch, mit König Carl XVI. Gustaf zu reden.

In der Holger und Holger gehörenden Töpferwerkstatt, in der sich seit 14 Jahren ein im Vietnam-Krieg verrückt gewordener amerikanischer Deserteur vor der CIA versteckt, nehmen die drei Chinesinnen ihre in Johannesburg gelernte Arbeit wieder auf und stellen Kunstgegenstände aus der Han-Dynastie her.

Anschließend wurde jede fertige Gans und jedes Pferd hinter der Töpferwerkstatt vergraben und von den Mädchen mit Hühnermist und Urin übergossen, sodass die Stücke innerhalb von drei Wochen um zweitausend Jahre alterten.

Obwohl die Stücke vor allem für das Auge des Laien alt und schön sind, fliegt der Schwindel nach einigen Jahren auf.

Ein Kunsthändler in Söderköping entdeckte nämlich, dass auf den Märkten im ganzen Lande echte Han-Dynastie-Gänse verkauft wurden. Er kaufte zwölf Stück und ging mit ihnen zu Bukowskis in Stockholm. Statt der erhofften zweihundertfünfundzwanzigtausend Kronen pro Stück bekam er dafür Handschellen und Untersuchungshaft.

Daraufhin packen die Chinesinnen die 260 noch nicht verkauften Skulpturen in einen VW-Bus und fahren los, um ihren Onkel zu suchen.

Nombeko kommt endlich mit einem Juwelier in Kontakt – mit dem Chilenen Antonio Suárez –, der ihr die 28 Rohdiamanten abkauft und 19,6 Millionen Kronen dafür bezahlt.

Kurz darauf überschlagen sich die Ereignisse.

Die Zwillinge sehen sich zwar zum Verwechseln ähnlich, aber im Gegensatz zu dem klugen, amtlich nicht existierenden Holger 2 ist der andere nicht nur strohdumm, sondern setzt auch den republikanischen Fanatismus des Vaters fort, und seine Freundin Celestine, die Tochter des Bankdirektors Gunnar Hedlund und seiner Frau Kristina, rebelliert gegen alles. Als einer der beiden von Nombeko ausgetricksten Mossad-Agenten im August 1994 eine Spur in Schweden findet und auf Holger 1 trifft, hält er ihn für Nombekos Lebensgefährten und verlangt von ihm die Herausgabe der Atombombe. Auf diese Weise erfährt Holger 1, was da seit sieben Jahren im Lager steht. Gut, dass er im Verlauf seiner Tätigkeit am Empfang der Helikoptertaxi AG in Bromma von Kollegen gezeigt bekam, wie man einen Hubschrauber fliegt. Er lockt also den Agenten in einen Hubschrauber und fliegt mit ihm los. Nachdem er auf Autopilot geschaltet hat, springt er über Gnesta ab, und der Agent reist unfreiwillig weiter nach Osten, bis über dem Meer der Tank leer ist.

Holger fällt durchs Dach des Unternehmens und wird von den gelagerten Kissen aufgefangen. Inzwischen hat die Polizei das Gebäude umstellt, nicht seinetwegen, sondern wegen Celestine. Die war nämlich mit dem Lastwagen vor den Eingang gefahren, hatte den Autoschlüssel in einen Gully geworfen, die Reifen zerstochen und dann der Polizei dann telefonisch gemeldet, sie habe das Gebäude mit Gleichgesinnten besetzt. Der amerikanische Vietnam-Kriegsveteran starb vor Aufregung. Nombeko warnt die Einsatzleitung vor einer Erstürmung des Hauses. Die Besetzer würden sich in diesem Fall einer nach dem anderen in den Tod stürzen, erklärt sie. Weil kurz darauf ein Mann vom Dach kippt, muss die Polizei davon ausgehen, dass die politischen Aktivisten es ernst meinen. Dass es sich bei dem Toten um einen 52-jährigen, einem Herzanfall erlegenen Amerikaner handelt, lässt sich nicht so rasch feststellen. Den Eingeschlossenen bleibt genügend Zeit, um mit der Atombombe auf einem Karren durch einen von dem verrückten Amerikaner zwischen Abbruchhaus und Töpferwerkstatt gegrabenen Tunnel zu fliehen.

Auf einem abschüssigen Wegstück nimmt der Karren allerdings unkontrollierbar Fahrt auf, durchbricht einen Zaun und landet mitten in dem Feuer, mit dem Harry und Margareta Blomgren gerade das Holz einer abgerissenen Hütte verbrennen. Nombeko und Holger 2 fordern das Ehepaar auf, das Feuer sofort zu löschen. Weil die geizigen Blomgrens allerdings zuerst darüber verhandeln wollen, wie viel die Eindringlinge für den kaputten Zaun und das Löschwasser zu bezahlen haben, verbrennen die 19,6 Millionen Kronen, die mit der Atombombe in der Kiste waren. Glücklicherweise explodiert wenigstens die Kernwaffe nicht.

Eine Spezialeinheit stürmt schließlich das angeblich besetzte, in Wirklichkeit längst verlassene Gebäude. Dabei wird einem der Männer ins Bein geschossen, drei Einsatzkräfte erleiden Gasvergiftungen, und ein Hubschrauber geht zu Bruch, weil der Pilot im dichten Rauch die Orientierung verloren hat. Das Haus brennt bis auf die Grundmauern nieder. Insgesamt wertet die Einsatzleitung die Operation als Erfolg.

Der zweite Mossad-Agent sieht gerade noch, wie Nombeko mit Hilfe ihrer Begleiter die Atombombe in einen LKW lädt und damit losfährt. Weil jedoch alles voller Polizei, Presse und Schaulustiger ist, kann er nichts dagegen unternehmen.

Celestine, die das Lenkrad übernommen hat, fährt von Gnesta zu ihrer Großmutter Gertrud nach Norrtälje, mit der sie allerdings keinen Kontakt mehr hatte, seit sie vor sieben Jahren erfuhr, dass es sich um eine Gräfin handelt.

Gertrud Virtanen ist eine Enkelin des finnischen Freiherrn, Marschalls und Nationalhelden Carl Gustaf Emil Mannerheim, wuchs aber bei ihrem Adoptivvater Tapio Virtanen und dessen vierter Ehefrau auf. Als 18-Jährige wurde sie 1945 auf einem Volksfest geschwängert und brachte dann eine Tochter namens Kristina zur Welt, die schließlich Gunnar Hedlund heiratete und die Tochter Celestine bekam. Gertruds Adoptivmutter starb früh an Krebs. Tapio Virtanen klebte im Winter 1971 mit den Fingern am neuen Bankomat von Norrtälje fest, und als man ihn am nächsten Morgen fand, war er bereits erfroren.

Gertrud freut sich über das unerwartete Wiedersehen mit ihrer Enkelin und rät den Ankömmlingen, die Atombombe im Laderaum des Kartoffellasters zu verstecken.

Um endlich an den Ministerpräsidenten heranzukommen, ihm von der Atombombe in Schweden zu berichten und das gefährliche Ding loszuwerden, holt Holger 2 ein Studium nach, denn er will sich um eine Stelle in der Regierungskanzlei bewerben. Aber sein einfältiger Zwillingsbruder sorgt ungewollt dafür, dass er mit ihm beim Rigorosum verwechselt wird, und die Fragen der Prüfungskommission kann Holger 1 nicht beantworten. Dadurch scheitert die Promotion seines Bruders.

Nombeko hat inzwischen mit Gertrud die Gräfin Virtanen AG gegründet, umliegendes Ackerland aufgekauft und das Unternehmen zum größten Kartoffelproduzenten der Gegend gemacht. Einen Teil des Geldes, das sie 2004 für den Verkauf der Firma bekommen, investieren Nombeko und Holger 2 in eine kostenlos verteilte Kulturzeitschrift. Wie erwartet, wird die Regierung auf das anspruchsvolle Blatt aufmerksam, und Holger 2 bekommt von der Kanzlei des Ministerpräsidenten ein Interview zugesagt. Bevor es stattfindet, erscheint die zweite Ausgabe, und in die haben Holger 1 und Celestine eine Tirade gegen die Monarchie geschmuggelt. Das Interview wird abgesagt.

Im Juni 2007 kommt der chinesische Präsident Hu Jintao mit seiner Ehefrau Li Yongqing nach Schweden. Als Nombeko in der Zeitung sein Foto sieht und ihn als den Chinesen wiedererkennt, mit dem sie 1985 in Südafrika redete, nutzt sie die Chance, mischt sich ganz vorne unter die Schaulustigen, als die Politiker zum Bankett fahren und ruft Hu Jintao etwas auf Chinesisch zu. Der Staatsgast erinnert sich an die gewitzte Putzfrau, geht zum Entsetzen der Sicherheitskräfte auf sie zu und begrüßt sie. Nombeko erklärt ihm kurz, dass sie eine Atombombe mit nach Schweden gebracht habe, die sie loswerden wolle und bittet ihn, den schwedischen Ministerpräsidenten darauf anzusprechen.

Zwanzig Minuten später werden Nombeko, Celestine und die Zwillinge mit ihrem Kartoffellaster von einer Assistentin des Regierungschefs zu einem von der Presse unbeachteten Nebenausgang des Schlosses gebracht. Fredrik Reinfeldt und König Carl Gustaf kommen heraus und wollen sich sogleich die Atombombe im Laderaum des Kartoffellasters anschauen. Als Holger 1 den König erblickt, sieht er endlich die Möglichkeit, ihn zu entführen. Er gibt Gas und rast los. Celestine sitzt neben ihm und lobt ihn. Nombeko und Holger 2, die sich mit dem König und dem Ministerpräsidenten im Laderaum befinden, können sich nur für die unerwartete Wendung entschuldigen. Um die Sicherheitskräfte davon abzuhalten, den Kartoffellaster mit der Atombombe zu beschießen, gibt Reinfeldt per Handy die Anordnung, nichts zu unternehmen und versichert, er habe alles unter Kontrolle. Carl Gustaf verständigt seine Frau und beteuert: „Nein, mein Schatz, ich bin nicht am Rumhuren …“

Holger 1 und Celestine entführen den König und den Regierunschef nach Sjölida, wo Gertrud seit dem Verkauf der Kartoffelfirma wohnt. Als der König erfährt, dass sie eine Gräfin ist, beginnt er sich angeregt mit ihr zu unterhalten. Dass sich die Entführten tatkräftig an der Zubereitung eines Abendessens beteiligen, verursacht bei Holger 1 und Celestine einen Gesinnungswandel, und sie geben ihren Hass gegen die Monarchie auf. Der König persönlich schlachtet ein paar Hühner und bespritzt dabei seine Hemdbrust mit Blut. Später ist der Ministerpräsident gerade beim Abwasch, als die Türe auffliegt und der überlebende Mossad-Agent hereinstürmt.

Der ist zwar seit kurzem im Ruhestand, aber der Fall hat ihm keine Ruhe gelassen. Am Ende ist er froh, dass der schwedische König und der Regierungschef ihn laufenlassen.

Die anderen fahren am nächsten Tag alle zusammen nach Stockholm.

Weil der chinesische Dolmetscher wieder einmal ausgefallen ist, springt Nombeko ein und nutzt die Gelegenheit, den Staatsgast zu überreden, die Atombombe mit nach China zu nehmen. Dort kommt es auf eine mehr oder weniger nicht an, aber die Chinesen interessieren sich für die Bauweise der mit Israels Unterstützung entwickelten südafrikanischen Kernwaffe. Als das chinesische Flugzeug am 10. Juni 2007 in Arlando abhebt, befindet sich in einer großen Kiste statt des deklarierten Volvo eine Atombombe.

Im April bringen Nombeko und Celestine – die sich inzwischen mit ihren Eltern versöhnte – kurz nacheinander Kinder zur Welt: Nombeko eine Tochter, die den Namen Henrietta erhält, Celestine die Zwillinge Carl und Gustaf.

Als der chinesische Präsident Hu Jintao im Februar 2010 Südafrika besucht, richtet er es so ein, dass er auch mit der schwedischen Botschafterin in Johannesburg ein wenig plaudern kann. Bei ihr handelt es sich nämlich um Nombeko.

Piet du Toit, der 1975 als 23-jähriger Assistent im Sanitätsamt der Stadtverwaltung Johannesburg den Chef der Latrinenleerungsgruppe von Sektor B in Soweto absetzte und Nombeko zur Nachfolgerin ernannte, hat es in 30 Dienstjahren zum stellvertretenden Leiter des Sanitätsamtes gebracht. Sein despotischer Vater, ein Kunsthändler, erstickte an seinem 92. Geburtstag an einem Stück Apfel. Der Erbe verkauft die ganzen Gemälde und erwirbt ein exklusives Lager von Töpferwaren aus der Han-Dynastie, dessen Besitzer, Cheng Tao, mit seinen drei Nichten nach China zurückzukehren beabsichtigt. Den Kaufpreis – 8 256 000 Schweizer Franken – überweist Piet du Toit deshalb nach Shanghai. Die Echtheit der Kunstgegenstände hat er selbstverständlich genauestens prüfen lassen, aber die Versicherung besteht trotz der Gutachten auf einer Schätzung durch Sotheby’s. Also schickt Piet du Toit eine der Skulpturen nach London. Einige Zeit später klingelt bei ihm das Telefon.

Es war der Gutachter von Sotheby’s. Der Anruf kam auf die Sekunde pünktlich – Leute mit Klasse waren nun mal zuverlässig.
„Ja, Sie sprechen mit Piet du Toit, aber es wäre mir lieber, wenn Sie mich Kunsthändler du Toit nennen würden. Was? Ob ich sitze? Wieso das denn, verdammt?“

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Für „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ greift Jonas Jonasson zum Erfolgsrezept seines Debütromans „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“. Erneut sorgt er mit einer wahnwitzigen Mischung aus Schelmenroman und Gaunergeschichte, Farce, Thriller und Gesellschaftssatire für gute Unterhaltung. Originelle Einfälle, Sprachwitz und Situationskomik lassen uns lachen, auch wenn sich der eine oder andere Kalauer eingeschlichen hat. Mit außergewöhnlicher Fabulierlaune hat Jonas Jonasson sich wieder eine Unmenge von Slapstick-Wendungen ausgedacht. Wie der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand, greift die Hauptfigur – dieses Mal eine schwarze Südafrikanerin – ins Weltgeschehen ein. Das erinnert auch an „Forrest Gump“.

Treffsicher skizziert Jonas Jonasson in „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ politische Entwicklungen beispielsweise in den USA:

Spannend war auch, wie das am höchsten entwickelte Land der Welt sich bei der Wahl des eigenen Präsidenten so anstellte, dass es mehrere Wochen dauerte, bis das Höchste Gericht feststellte, dass der Kandidat mit den meisten Stimmen verloren hatte. Und so wurde George W. Bush Präsident der USA […]

Zynisch wird Jonas Jonasson, wenn er auf die frühere Apartheid-Politik in Südafrika zu sprechen kommt. Allerdings sorgt der Humor auch für eine Verharmlosung von solchen Themen. Unverkennbar ernst meint es Jonas Jonasson, wenn er Personen, bei denen geistige Beschränktheit mit fundamentalistischen Überzeugungen zusammenkommen, für gefährlich hält.

Tiefgründige Charakterzeichnungen darf man in „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ nicht erwarten. Engelbrecht van der Westhuizen, Ingmar Qvist und einer seiner Zwillingssöhne sind nichts weiter als Trottel. Aber die Figuren dienen auch nur dazu, die skurrile Handlung entwickeln zu können.

Die erste Hälfte von „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ ist fulminant und umwerfend komisch. Da stört die ausufernde Erzählweise nicht. Den zweiten Teil hätte Jonas Jonasson besser gekürzt, denn auch wenn das Tempo kaum nachlässt, sind die Einfälle weniger originell, und schließlich ermüdet das Gag-Feuerwerk auch den Leser.

Der Titel wurde offenbar nur gewählt, um potenzielle Käufer anzulocken, denn Nombeko Mayeki kann nicht nur rechnen, sondern liest auch schon als Jugendliche ganze Bibliotheken.

Den Roman „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ von Jonas Jonasson gibt es in einer gekürzten Fassung auch als Hörbuch, gelesen von Katharina Thalbach (Lesefassung: Anke Albrecht, Regie: Wolf-Dietrich Fruck, ISBN 978-3-86717-887-7).

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2014
Textauszüge: © carl’s books

Jonas Jonasson: Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand
Jonas Honasson: Der Hundertjährige, der zurückkam, um die Welt zu retten

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