Daniel Knop : Experiment Mensch

Experiment Mensch
Experiment Mensch Originalausgabe: Edition Monasteria Natur und Tier Verlag, Münster 2011 ISBN: 978-3-86659-169-1, 264 Seiten
Buchbesprechung

Inhaltsangabe

Daniel Knop warnt vor einer wahrscheinlich nicht mehr zu verhindernden Katastrophe in der Menschheitsgeschichte aufgrund der Überbevölkerung, die wiederum auf die Befreiung des Menschen von Regulatorien der Populationsdichte zurückzuführen ist. Seine Thesen über die Ursachen und Auswirkungen der Bevölkerungsexplosion bettet er in Ausführungen über die Evolution, die Vernetzung unterschiedlicher Lebensformen, die Bedeutung von Krankheiten, den medizinischen Fortschritt und vieles mehr ...
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Kritik

Dem Sachbuch "Experiment Mensch" von Daniel Knop fehlt es zwar an Stringenz und Systematik, aber zahlreiche konkrete Beispiele aus verschiedenen Wissensgebieten machen es zu einer lehrreichen und anregenden Lektüre.
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In seinem Buch „Experiment Mensch“ erläutert Daniel Knop zunächst einige Evolutionsmechanismen. So kommt es beispielsweise im Phänotypus einer Spezies durch Mutationen und Fortpflanzung zu Variationen mit unterschiedlichen Chancen der Weitergabe an zukünftige Generationen. Tiere mit besserer Mimese leben zum Beispiel statistisch gesehen länger, pflanzen sich also auch mit größerer Wahrscheinlichkeit fort und vererben ihre erfolgreichen Abweichungen vom Durchschnitt. Das geschieht absichtslos und ohne Teleonomie.

Weil ein Menschenleben im Vergleich zur Evolution kurz ist, neigen wir dazu, die Welt für statisch und die gerade existierenden Tier- und Pflanzenarten für etwas Fertiges zu halten. Dabei ist alles im Fluss.

Die verschiedenen Lebensformen entwickeln sich nicht isoliert voneinander, sondern in einer komplexen Vernetzung. Dabei können nicht nur Tiere Pflanzen nutzen, sondern auch umgekehrt. Die mexikanische Akazie wehrt zum Beispiel große Tiere durch Dornen ab, und zum Kampf gegen Raupen und Schnecken hält sie sich eine Armada von Ameisen, für die sie eine besondere Zuckerart als Nahrung produziert.

Vor dem Hintergrund der Evolution kommt Daniel Knop auf die Phylogenese des Menschen zu sprechen. Zwei Millionen Jahre lang bevölkerte der Frühmensch (Homo erectus) Europa und Asien. Vor 200 000 Jahren tauchte in Afrika der Homo sapiens auf. Sesshaft wurden Menschen erstmals in der neolithischen Revolution vor 12 000 Jahren. Von diesem Augenblick an waren Land- und Viehwirtschaft möglich. Während die Nomaden Überfluss allenfalls zu bestimmten Jahreszeiten oder nach der erfolgreichen Hetzjagd auf ein großes Tier kannten, produzierten die Bauern nun Überschüsse. Außerdem forcierte die in dörflichen Gemeinschaften eingeführte Arbeitsteilung die kulturelle Entwicklung. Obwohl diese 12 000 Jahre in Bezug auf die bisherige Dauer der Menschheitsgeschichte nicht mehr als ein halbes Prozent ausmachen, ist der in dieser kurzen Zeit erzielte Fortschritt überwältigend.

Dieser einsichtsfähige („vernunftbegabte“, „weise“) Mensch hat in dieser vergleichsweise kurzen Zeitspanne immerhin eine kulturelle Evolution vollzogen, die ihn vom Faustkeil zum Computer gebracht hat, von der Knochenkeule zum Düsenjäger und von Grunzlauten zur Lyrik. Die düstere Felshöhle haben wir gegen den stahl- und glasblitzenden Wolkenkratzer getauscht.

Was unterscheidet uns Menschen vom Tier, obwohl wir 95,4 Prozent der DNA mit dem Schimpansen (Pan troglodytes) gemeinsam haben? Staatenbildung und Werkzeuggebrauch gibt es auch bei Bienen bzw. Krähen. Nicht einmal das Merkmal der abstrakten, immateriellen Kultur ist exklusiv menschlich, wie Gary Hamel und C. K. Pralahad in einem Experiment zeigen konnten: Sie sperrten vier Schimpansen in einen Raum und legten ein Bündel Bananen auf einen Pfahl. Sobald sich eines der wasserscheuen Tiere den Bananen näherte, wurden alle vier Affen geduscht. Es dauerte nicht lang, bis keiner mehr versuchte, an die Bananen zu gelangen. Als am nächsten Tag einer von ihnen gegen einen Schimpansen von draußen ausgewechselt wurde, wollte der Neue natürlich auf den Pfahl klettern. Aber die anderen hielten ihn davon ab. Und selbst als am fünften Tag nur noch Tiere im Raum waren, die den Zusammenhang zwischen dem Griff nach den Bananen und der kalten Dusche nie selbst erlebt hatten, hielten sie sich auch weiterhin von den Bananen auf dem Pfahl fern.

Was den Menschen vom Tier abhebt, ist die differenzierte Sprache. Sie ermöglicht es, Erfahrungen zu konservieren bzw. weiterzugeben. Dadurch wird im Kollektiv Wissen akkumuliert. Erst durch das auf der Sprache aufsetzende Denken werden wir uns der eigenen Existenz bewusst, und wir sind die einzige Spezies, deren Individuen wissen, dass sie sterblich sind. Dadurch entsteht die Frage nach dem Sinn des Lebens und dem Jenseits.

Allerdings entwickelt sich der Mensch auch weiterhin nicht isoliert, sondern in der Vernetzung mit anderen Lebensformen. Vor Raubtieren braucht er sich in zivilisierten Gesellschaften zwar nicht mehr zu fürchten, aber Mikroben können die Gesundheit gefährden. Deshalb betrachten wir sie als schädlich. Das ist eine sehr subjektive Sichtweise. Neutral gesehen, ist die Krankheit eines Menschen Folge einer Interaktion zwischen zwei verschiedenen Lebensformen. Es ist zwar bedauerlich, wenn ein Mensch erkrankt, aber Krankheitserreger sind für die Menschheit durchaus nützlich, denn sie dämmen die selbstzerstörerische Überbevölkerung ein, und in der Natur kommt es nicht auf Individuen an, sondern auf die Arterhaltung, auch auf Kosten des Einzelnen.

Wir Menschen brauchen eigentlich all die Viren, Bazillen, Parasiten und Säbelzahntiger! Denn obgleich sie uns als Individuen schaden, nützen sie uns als Art. Sie verhindern die Überbevölkerung unseres Lebensraums durch uns selbst und somit, dass wir unsere eigene Existenz zerstören.

Weil bei Bakterien während der Dauer eines Menschenlebens unzählige Generationen entstehen, passen sie sich durch Mutationen sehr viel rascher an Umweltveränderungen an. Dazu kommt seit einem halben Jahrhundert der interkontinentale Flugverkehr, durch den Krankheitserreger innerhalb von kurzer Zeit über die ganze Erde verteilt werden. Vor einem halben Jahrtausend war das anders: Wenn sich Eroberer in der Neuen Welt mit Krankheiten infizierten, brachen diese in der Regel bereits während der wochenlangen Atlantiküberquerung aus. Sie rafften möglicherweise eine Schiffsbesatzung hinweg, aber die Seuchengefahr in Europa erhöhte sich dadurch kaum. Umgekehrt kam es allerdings vor, dass Menschen in der Neuen Welt mit dort bis dahin unbekannten Krankheiten infiziert wurden, für die sie keine Immunität entwickelt hatten.

Der medizinische Fortschritt beispielsweise in der Bakteriologie und in der Entwicklung von Antibiotika wiegt die höhere Ansteckungsgefahr durch die Globalisierung auf.

Der medizinische Fortschritt ist schuld daran, dass die Menschheit auf eine existenzielle Krise zusteuert!

Aus demografischer Sicht bereiten genau diese vermeintlichen Fortschritte den Weg in die Katastrophe, weil wir Menschen uns mit ihrer Hilfe von natürlichen Regulativen befreit haben. […] Die Überbevölkerung der Erde ist nicht naturgegeben. Sie ist menschgemacht! Sie ist die Folge unserer Vernunftbegabung, unserer enormen Fähigkeit, die Dinge um uns herum zu kontrollieren, zu steuern und zu verändern.

Während in den Industriegesellschaften die Geburtenzahl mit steigendem Lebensstandard sinkt (und deshalb immer weniger Menschen für immer mehr Rentner arbeiten müssen), zeugen Paare in Entwicklungsländern möglichst viele Kinder, weil diese die Arbeitskraft der Familie vergrößern und die Alten versorgen. Wo es kein soziales Netz gibt, bleibt es schwierig, Geburtenkontrolle durchzusetzen.

Tatsächlich explodiert die Weltbevölkerung geradezu: 15 000 (1750), 706 000 (1850), 3 473 000 (1900), 7 891 000 (1950), 9 000 000 (2011). Demografen der Weltbank nehmen an, dass sich die Erdbevölkerung in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts bei 10 bis 11 Millarden einpendeln wird.

Hunger und Krankheit scheiden aus ethischen Gründen als Lösungsansätze aus. Wenn Ärzte dazu in der Lage sind, kranke Menschen zu heilen, sind sie auch dazu verpflichtet – obwohl sich die Menschheit dadurch immer schneller auf die Katastrophe zu bewegt.

Der englische Ökonom Thomas Robert Malthus (1766 – 1834) stellte 1798 in seinem Essay „On the Principle of Population“ die Hypothese auf, dass die lebensnotwendigen Ressourcen nicht mit der Bevölkerungsentwicklung Schritt halten können, weil sich die Menschheit weitgehend erfolgreich von den Regulatorien der Populationsdichte befreit hat. Dennis und Donella Meadows, Erich Zahn und Peter Milling untersuchten 1972 im Auftrag des „Club of Rome“ mit Computer-Modellen „Die Grenzen des Wachstums“ und kamen zu folgendem Schluss:

Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit führt dies zu einem ziemlich raschen und nicht aufhaltbaren Absinken der Bevölkerungszahl und der industriellen Kapazität. (Dennis L. Meadows u.a.: Die Grenzen des Wachstums, S. 17)

Daniel Knop schätzt, dass auf der Erde genügend Nahrungsmittel für zehn Milliarden Menschen produziert werden können, allerdings unter der Voraussetzung einer vegetarischen Ernährung. Der Verzehr von Fleisch, der sich in den letzten sechs Jahrzehnten verfünffachte, setzt nämlich eine verschwenderische Viehwirtschaft voraus. Während ein Quadratmeter Boden beim Kartoffelanbau 2100 Kilokalorien liefert, sind es auf dem Umweg über Rindfleisch nur 120 Kilokalorien. Dazu kommt, dass durch die Pansengärung von Rindern und anderen Wiederkäuern so viel klimaschädliche Gase entstehen, wie durch den gesamten Straßen- und Luftverkehr. Eine einzige Milchkuh produziert pro Jahr 111 kg Methan. Rechnet man den Dünger für ihr Futter dazu, ist die Kuh so umweltschädlich wie ein PKW, der 130 g Kohlendioxid pro Kilometer ausstößt und 24 000 Kilometer pro Jahr gefahren wird.

Der Fischfang reicht als Nahrungsquelle auch nicht aus, zumal bereits jetzt vier Fünftel der Speisefischbestände in den Weltmeeren überfischt sind. Ist die Fisch- bzw. Garnelenzucht ein Ausweg? Nein, denn um die für die Garnelenzucht erforderlichen Salzwasserteiche anlegen zu können, werden Mangrovenwälder abgeholzt. Dazu kommt, dass für die Aufzucht von 1 kg Garnelen 4 kg Futter erforderlich sind. Dieses Futter besteht in der Regel zur Hälfte aus Fischmehl. Zur Herstellung von 1 kg Fischmehl werden jedoch 5 kg Fisch benötigt.

Der Anbau von Nutzpflanzen dient seit einigen Jahren nicht mehr nur zur Erzeugung von Tierfutter und Nahrungsmitteln, sondern in wachsendem Ausmaß auch zur Produktion von Biosprit. 40 Prozent der Maisproduktion in den USA wird bereits dafür verwendet. Das erhöht die Preise zum Beispiel für Mais, sodass dieses Grundnahrungsmittel für ärmere Bevölkerungsteile nicht mehr erschwinglich ist. Außerdem bezweifelt Daniel Knop, dass Biosprit umweltschonender als gewöhnliches Benzin ist, denn man darf weder die Kunstdünger-Produktion, noch den Maschineneinsatz in der Landwirtschaft und den Transport vergessen.

Der exzessive Bedarf an bestimmten Nutzpflanzen führt zur Monokultur. Weil aber Blattläuse auf einem Monokulturfeld im Vergleich zum gemischten Anbau weniger natürliche Feinde haben, verbreiten sie sich deutlich stärker. Dagegen sprühen die Landwirte Insektizide. Die vernichten allerdings nicht nur Blattläuse, sondern auch Käfer und Insekten, die Blattläuse fressen. In der Regel vermehren sich die Blattläuse nach dem Einsatz von Insektiziden sehr viel schneller als ihre Feinde. Deshalb wird nach kurzer Zeit wieder gespritzt, und bei jedem Durchgang verschlimmert sich die Situation.

Um neue Areale für Äcker, Felder oder Viehweiden zu schaffen, werden große Teile der tropischen Regenwälder abgeholzt, obwohl diese eine essenzielle Rolle bei der Sauerstoffproduktion spielen. Brandrodungen setzen zugleich das in den Wäldern gespeicherte Kohlendioxid frei. Die Konzentration dieses Treibhausgases in der Atmosphäre war vor 500 Millionen Jahren zwanzigmal so hoch wie heute. 95 Prozent davon wurde von Cyanobakterien gebunden. Erst dadurch konnten die damals bereits in den Meeren existierenden Lebewesen aufs Land vordringen. Inzwischen setzen wir jedoch das gespeicherte Kohlendioxid zum Beispiel beim Verbrauch fossiler Energieträger wieder frei, und das Treibhausgas verändert in zunehmendem Maße das Klima.

Umweltschonendes Verhalten kann die ökologische Katastrophe nicht aufhalten, weil auch in Schwellen- und Entwicklungsländern immer mehr Menschen Auto fahren und ihre Wohnungen heizen bzw. kühlen wollen. Das hängt sowohl mit dem Bevölkerungswachstum als auch mit zunehmendem Wohlstand zusammen.

Die zentrale Ursache für die der Menschheit drohenden Katastrophe sieht Daniel Knop in der Überbevölkerung. Um diese wenigstens einzudämmen, stellt er fünf Forderungen auf, die er auch näher erläutert:

  1. Schluss mit der Entwicklungshilfe
  2. Kostenlose Schulbildung
  3. Gleichstellung von Mann und Frau
  4. Fairer Handel
  5. Mikrokredite
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Der Journalist und Sachbuchautor Daniel Knop (* 1957) warnt in seinem Buch „Experiment Mensch“ vor einer wahrscheinlich nicht mehr zu verhindernden Katastrophe in der Menschheitsgeschichte. Klimawandel, Umweltverschmutzung, Globalisierung, Nord-Süd-Konflikt, religiöser Fanatismus, Dekadenz und Überernährung sind für Daniel Knop nicht die eigentlichen Probleme; er sieht Überbevölkerung als die zentrale Bedrohung.

Das bedeutet allerdings nicht, dass es in dem Buch „Experiment Mensch“ nur um dieses Thema geht. Daniel Knop bettet seine Thesen über die Ursachen und Auswirkungen der Bevölkerungsexplosion in Ausführungen über die Evolution, die Vernetzung unterschiedlicher Lebensformen, die Bedeutung von Krankheiten, den medizinischen Fortschritt und vieles mehr. Dem Buch fehlt es zwar an Stringenz und Systematik, aber zahlreiche konkrete Beispiele aus verschiedenen Wissensgebieten machen es zu einer lehrreichen und anregenden Lektüre.

Im Anhang weist Daniel Knop auf weiterführende Literatur hin und kommentiert diese auch. Nützlich wäre auch ein Register gewesen.

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Inhaltsangabe und Rezension: © Dieter Wunderlich 2012
Textauszüge: © Natur und Tier Verlag

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